Kasachstan - Roman Moore - E-Book

Kasachstan E-Book

Roman Moore

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Beschreibung

Ein amerikanischer Agent bekam den Auftrag einem Doppelagenten, der auch für die Russen arbeitete, das geheime Datenmaterial zu entwenden und den Doppelagenten zu töten. Man vermutete, seine Flucht würde diesen in seine Heimatstadt führen. Sie befand sich im Osten von Kasachstan. Sein Diebstahl war nach seiner Abreise entdeckt worden. Nur mit dürftigen Informationen ausgerüstet, nahm Erik das Flugzeug. Er konnte seinen Auftrag durchführen. Doch die Rückkehr musste er in der Kleidung von Einheimischen auf dem Landweg antreten, immer darauf bedacht, nicht in die Hände des KGB zu fallen. Völlig erschöpft, schmutzig und unrasiert kam er ohne Geld nach Mitteleuropa zurück. Sein Versprechen, gesund zurückzukehren, hatte ihn das Unmögliche durchführen lassen.

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Roman Moore

Kasachstan

Im Hauch des Todes

Copyright: © 2022: Roman Moore

Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Verlag und Druck:

tredition GmbH

An der Strusbek 10

22926 Ahrensburg

Softcover

978-3-347-78566-3

Hardcover

978-3-347-78571-7

E-Book

978-3-347-78572-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Teil I

 

E in amerikanischer Angehöriger der CIA bekommt den Auftrag, den vorzeitig abgereisten Doppelspion zu folgen und ihn in Kasachstan auf eine Reise ohne Wiederkehr zu senden. Nolan war einst sein Gefährte gewesen. Man war Bruce Nolan bei einer nicht vorhergesehenen Durchsuchung seiner Unterkunft auf Unterlagen von Aufzeichnungen über ein neues U-Boot gestoßen, Dossiers, die allgemein als topsecret bezeichnet wurden und nur wenigen bekannt waren. Brooks sprach die russische Sprache nahezu perfekt, darunter auch jene Teile, die häufig auf der Straße gesprochen wurden. Außerdem kannte er auch andere Sprachen, die man in jenen Teilen der Welt zu sprechen pflegte. Mit fast vierzig Jahren und lange erfolgreich bei unterschiedlichen Einsätzen, schien er der passende Mann zu sein. Türkisch von den Lippen abzulesen, bereitete ihm keine Schwierigkeiten.

Doch alle diese Kenntnisse halfen ihm in Wien nicht weiter. Bis dorthin war ihm die Flucht nach erfolgtem Auftrag gelungen. Er besaß nur wenige Euros. Nach Verkauf seiner teuren Uhr auf einem bekannten Platz im zweiten Bezirk, Nähe der Reichsbrücke, besaß er einen lächerlichen Betrag. Sein Konto in der Schweiz nützte ihm wenig. Auch nicht die ungeschliffenen Diamanten, die er im Absatz seines rechten Stiefels versteckt hatte. In dieser Stadt kannte er keinen Juwelier, den er vertrauen konnte. In einem kleinen Hotel linker Hand der Donau hatte er ein Zimmer gefunden. Dort war er vorerst sicher. Man kümmerte sich wenig um seinen vorgezeigten Ausweis, der ihn als Erik Mayer bezeichnete. Auf seiner langwierigen Flucht war er oft um Haaresbreite einer Entdeckung entgangen. Vieles, was sich seine Vorgesetzten ausgedacht und ihm aufgetragen hatten, war nicht durchführbar gewesen. In einem bequemen Stuhl zu sitzen, sich nicht, um das Raumklima und Sicherheit kümmern zu müssen, von der Verpflegung ganz zu schweigen, konnte in der Realität nicht umgesetzt werden. Im Laufe der Jahre hatte Brooks gelernt, nichts, absolut nichts dem Zufall zu überlassen. Mindestens immer zwei Schritte voraus, besser noch drei Schritte vorauszudenken. Unter Schritte sind nicht nur in diesem Zusammenhang Abschnitte zu verstehen, die oft Stunden andauern konnten.

Während er vor seinem Espresso saß, beobachtete er die Menschen, die an jenem Tag im Jänner 2010 in einem Einkaufszentrum an ihm vorübereilten. Es kam ihm der Gedanke, ob die Dame vis-à-vis mit dem gebräunten Gesicht, die mit ihrem Sohn das Frühstück genoss, von einem Skiurlaub zurückgekehrt war oder sie ihr gutes Aussehen einem Studio verdankte. Sein Blick glitt auf ihre neuen Winterstiefel. Ob sie dort auch Diamanten versteckt hatte?

Seine Gedanken kehrten in die Situation zurück, in der er sich befand. In die amerikanische Botschaft konnte er in seinem Auftritt nicht vordringen. Diese Kleidung eines armen Schluckers hätte die Wache nicht vorbeigelassen. Völlig undenkbar war auch, seinen CIA-Ausweis zu zeigen, der ebenfalls im linken Absatz seines Stiefels steckte. Dieser Eingang wird sicher auch aus der Entfernung ständig beobachtet. Jeglicher Beobachtung wollte er entgehen. Er begann sich zu amüsieren. Bis nach Wien war seine Flucht ohne Anhaltung gelungen.

»Wir werden dich nicht alleine lassen«, waren die letzten Worte seines Chefs gewesen. Ihn aber zu verständigen, konnte er auch in Wien vergessen. Mit dem kleinen Geldbetrag auszukommen, das war ein Problem. Im Osten hatte er jede Arbeit bei den Landwirten angenommen, die sie ihm gegen Unterkunft und Essen vorgeschlagen haben. Doch in Österreich war es damit vorbei.

Dagegen hatten es die Leute aus den Oststaaten leichter, die sich mit schnittigen Wagen und ausreichendem Geld in Wien vergnügten. Seine Gedanken wanderten zurück.

Nachdem er den Doppelspion erledigt hatte, war die Flucht durch mehrere Länder ohnehin kein leichtes Unterfangen gewesen. Es fehlte ihm die normale Ausrüstung, die Bewaffnung und weitere Kleinigkeiten, die ein Überleben in der harten Natur einfacher gestalten konnten. Angereist war er als Tourist sowie jeder normale Mitteleuropäer. Doch das hatte er hinter sich gelassen. Brooks kannte Nolan nur von Bildern. Sich diese einzuprägen war erforderlich gewesen. Was er noch in den Staaten erfahren hatte, waren die Vorlieben seines Gegners, Pferde und schöne Frauen. In Karaghandy (Karaganda) vermutete man einen Wohnsitz. Die genaue Adresse hatte Brooks nicht bekommen. Dorthin zu gelangen war einfach gewesen. Der fünfzigste Breitengrad hatte dennoch seine Tücken für jene, die andere Temperaturen gewohnt waren. Besonders die kalten Nächte. Brooks verließ sein Hotel, nahm nur das Notwendigste mit sich und begab sich zur Pferderennbahn. Ohne große Hoffnung auf Erfolg, dort auf Bruce zu stoßen, begann er auf einige Pferde zu setzen. In seinem schönen Anzug zog er die Blicke auf sich. Sein Gewinn war eher mit Verlust verbunden. Ein Mann, dem er aufgefallen war, sprach ihn an. Er meinte, er soll im kommenden Rennen auf die Nummer 6 setzen, so wie er es nun machen will. Doch Brooks setzte sein letztes gewechseltes Geld auf die Nummer sieben. Das Glück war im hold gesinnt und er gewann. Bis jetzt hatte Brooks keine Zeit gehabt, sich um den Mann näher zu widmen, der ihm die Nummer sechs genannt hatte. Der Mann gratulierte Brooks und schlug ihm vor, einen Drink an der Bar zu nehmen. Sein Gegenüber versicherte, an diesem Tag habe er all das mitgeführte Geld verloren. Es waren nahezu eintausend Dollar gewesen. Brooks ging mit dem neuen Gefährten zur Bar, bestellte sich Wodka und betrachtete den Mann näher. Er war sich nicht sicher, es schien ihm Nolan zu sein. Brooks glaubte nicht an seine Glückssträhne. Die lange Fahrt in einem wackeligen Bus, das einfache Hotel und letztlich vielleicht Nol. Im Zuge der Unterhaltung erzählte ihm sein Gegenüber, erst kürzlich aus den Staaten nach Hause zurückgekehrt zu sein. Am Abend wird er Bekannte und Freunde zu einer Abendgesellschaft einladen. Darunter werden sich viele Pferdenarren und hübsche Frauen befinden. Ohne Brooks zu kennen, lud er ihn ein, ebenfalls zu kommen, sofern er nicht Wichtigeres vorhabe. Die gewonnenen zehntausend Dollar hatten Bruce schwer beeindruckt. Neugierig fragte er Brooks, weshalb er sich die Mühe gemacht hatte, soweit in ein unruhiges und keineswegs sicheres Land zu reisen. Brooks stellte sich als ein Pferdeliebhaber vor. Er hatte nie geglaubt, die genannte Summe zu gewinnen. Es war sein letztes gewechseltes Geld gewesen. Bruce versicherte ihm, er und seine Freunde werden ihm behilflich sein, nicht nur ein Pferd zu finden, das seinen Gefallen finden wird, sondern auch bei der Ausreise helfen. Er soll unbedingt am Abend kommen. Leicht betrunken verabschiedete sich Bruce. Zum Abschied erhielt Brooks eine Visitenkarte mit der Adresse. Auf der Visitenkarte schien ein ganz anderer Name auf, als der, den Brooks im Gedächtnis hatte. Brooks ließ sich fünfhundert Dollar in der Landeswährung auszahlen und ersuchte, den Rest auf eine Bank in Ungarn zu überweisen. Er kehrte zum Hotel zurück, fragte nach dem bescheidenen Mittagessen und ging anschließend auf sein Zimmer. Den angebrochenen Nachmittag verbrachte er auf dem Bett und überlegte seine Vorgangsweise am kommenden Abend.

Griffbereit hatte Brooks seinen für den Auftrag vorbereiteten Ausweis, ausgestellt auf (Erik Mayer) in der rechten Innentasche seiner Jacke. Alle seine Ausrüstungs- und Gebrauchsgegenstände hatte Brooks von Fingerabdrücken gereinigt und dort liegengelassen, wo man sie gegebenenfalls vermuten würde. Ins Hotel zurückzukehren, war nie seine Absicht gewesen. In einer Schublade, die er sorgfältig versperrte, hinterlegte er in Landeswährung jene Summe, die dem Hotelbesitzer für die Unkosten aufkommen sollten. Den Schlüssel nahm er mit und gab ihn an der Rezeption mit der Bemerkung ab, sollte er aus nicht genannten Gründen verhindert sein, wird man in der Schublade des Tisches genug Geld finden, die für seinen Aufenthalt bestimmt waren. Man möge ihm ein Taxi bestellen.

Der Hotelbesitzer hatte keine Angestellten, bedankte sich für den Schlüssel und telefonierte nachdem Taxi. Als das Taxi kam, legte er den Zimmerschlüssel am Pult ab und bestieg das Taxi. Der Hotelbesitzer besichtigte anschließend den Raum, in dem Brooks die Nacht verbracht hatte, ohne etwas zu berühren. Er holte das Geld aus der Schublade und wartete ab. Brooks ersuchte, den Taxifahrer zu der Adresse zu fahren, die er von Bruce bekommen hatte. Lew Kusnezow war in der Stadt eine bekannte Persönlichkeit, über dessen Arbeit man sich nicht sicher war. Desto mehr über sein Verhältnis zur Regierung, die unter der Macht der Russen, vieles durchführte, das nicht bei allen Bewohnern Gefallen fand. Als Brooks ankam, bedankte er sich beim Fahrer und hinterließ neben dem Fuhrlohn ein beträchtliches Trinkgeld. Beim Eintritt in die Villa wurde er von Sicherheitsleuten untersucht. Sie konnten logischerweise nichts finden. Seinen Ausweis musste Erik vorweisen. Man bedankte sich auf Englisch und Erik auf Ungarisch, als er seinen Pass zurückbekam. Viele der Gäste waren mit versteckten Schusswaffen gekommen, die sie alle abgeben mussten. Der Ungar hatte keine Waffen bei sich, nicht einmal ein Messer, das jedem Furcht einflößen konnte. Das hatten die Sicherheitsleute nicht erwartet. Erik wurde von Lew freudig begrüßt. Der angebotene Wodka wurde von Erik gebührend gelobt. Oft hatte er schon Wodka bekommen, dieser schmeckte aber anders. Lew stellte Erik als einen Mann vor, der beim Pferderennen einen wahren Riecher gehabt hatte. Mehr verriet er nicht. Da die meisten Gäste nicht mehr nüchtern waren, verstanden sie wenig, was Lew an diesem neuen Gast gefiel. Erik war die Musik zu laut, in der sich die betrunkenen Damen wiegten. Lew führte Erik in sein Arbeitszimmer. Ob er mit ihm eine Partie Schach spielen wollte. Die Regel war, wer als Spielteilnehmer eine Figur des Gegners schlagen konnte, durfte Wodka kosten. Erik stimmte zu. Von einem Bediensteten wurden die Gläser gefüllt. Erik hatte sich kurz im Zimmer umgesehen. Eine kleine Videokamera war auf einen Vorhang gerichtet worden, hinter dem sich ein Fenster befand. Es gab nur eine Eingangstüre, die lautlos ins Schloss fiel. Der Tisch, auf dem das Schachspiel mit Figuren aus Bernstein aufgebaut war, stand abseits. Erik wurde ein Platz angeboten, der ihm einen Überblick über das Zimmer bot. Lew saß mit dem Rücken zur Türe. Lew hatte nach Auslosung weiß. Seine Gier nach dem Wodka kam Erik gelegen. Einige Figuren hatte er bereits verloren. Ewig konnte er seinen Spielpartner nicht absahnen lassen, holte sich ein Pferd und durfte Wodka trinken. Das Pferd hätte Lew gerne behalten und machte sich an die Dame von Erik heran. Brooks hatte lange schon nicht mehr einen solchen Gegner gehabt. So einfach wollte er Lew keineswegs gewinnen lassen. In einem Augenblick, in dem Erik scheinbar gedankenverloren nach oben blickte, schüttete Lew einige Tropfen aus einer Phiole in das Glas von Erik. In der schönen Deckenstruktur konnte Erik den Vorgang beobachten. Die Phiole stand nun neben dem Schachtisch neben dem rechten Fuß des Tisches, aus der Sicht von Erik. Sie konnte von Erik nicht direkt gesehen werden. Nolan verlor eine weitere Figur und schenkte sich Wodka nach. Er musste sich auf die rechte Seite beugen, wo die Wodkaflaschen angereiht waren. Erik nützte den Moment und tauschte die Gläser. Etwas Ähnliches hatte Erik kommen gesehen. Er verzichtete auf seine Dame und Lew leerte voller Freude das Glas. Er nahm sich sogar ein weiteres Glas mit Wodka. Erik war wenige Züge vor einem Schachmatt. Er zögerte dies hinaus, während Lew weiterhin den Wodka in sich hineinschüttete. Der Bedienstete war wieder erschienen, Erik verlange weiteren Wodka. Der Bedienstete verschwand. Lew lehnte in seinem Stuhl mit halb geschlossenen Lidern. Erik stieß an den Tisch, entschuldigte sich für das Missgeschick und nahm die Phiole an sich, während er nach der verschwundenen Figur suchte. Als der Bedienstete wieder mit zwei neuen Flaschen erschien, bedankte sich Erik mit einigen Scheinen der Landeswährung. Er sagte ihm auch, er soll sich einen angenehmen Abend machen. Einschenken werden wir uns nun selber. Da Lew nicht in der Lage war mit den Flaschen einzuschenken, ohne dass etwas daneben rann, half ihm Erik. Lew bekam viel aus der Phiole und wenig Wodka. Er gewann das Spiel und rutschte auf den Teppich. Erik blockierte die Türe, holte sich den Schlüssel zum Safe, den Lew um den Hals trug und versuchte, den Tresor unter dem Vorhang zu öffnen.

Die Jacke, die Lew getragen hatte, in die hatte er sich eingehüllt. Im Safe fand er Bündel von Banknoten, eine Schachtel, in der sich Diamanten befanden und ein anderes Behältnis vollgefüllt mit Datenträgern. Diese Datenträger zu prüfen, dazu fehlte ihm die Zeit. Er verschloss das Behältnis, verbarg die Datenträger in einem Umschlag, legte das Behältnis und die Schachtel an ihre Plätze und drückte die Tüte ins Schloss. Der Schlüssel wurde wieder Lew um den Hals gelegt und die Jacke um ihn gefaltet. Zurückschreitend nahm er seitenverkehrt vor. Sein Antlitz, noch mit dem Tuch verdeckt, sollte niemand zu Gesicht bekommen. Nun kam der schwierigste Teil. Leise öffnete er die Türe. Außer dem lauten Schnarchen der besoffenen Herren konnte er kein Geräusch wahrnehmen. Es war ungefähr zwei Uhr in der Früh Ortszeit. Erik suchte die Küche. In einem kleinen Beutel steckte er Mineralwasser und Esswaren, die überall herumlagen. Sie waren gedacht, ihm in den nächsten Stunden, vielleicht sogar Tage, den schlimmsten Hunger überwinden zu können. Seinen am Leib getragenen Anzug tauschte er mit dem, dessen Körpergröße ihm als passend erschien. Der andere war vollkommen betrunken und schlief auf einem Sofa, die Wodkaflasche in den Armen. Nun benötigte er auch einen Mantel. Sorglos hingen viele Mäntel in einem Nebenraum. Zuletzt kamen noch die Stiefel. Mit Mühe konnte er auch diese finden. Seine eigenen Schuhe steckte er in einen Abfallkorb. Eine alte Fellmütze diente als Kopfbedeckung. Die Damen schliefen ebenfalls tief. Das Haus auf der Straßenseite zu verlassen, das konnte er sich nicht vorstellen. Die Türe, die in den Garten führte, war abgeschlossen. Mit den dicken Handschuhen sperrte er sie auf, ging in den Garten und verschloss die Türe von außen. Der Schlüssel verschwand in einer Abfalltonne. Die wenigen Autos, die auf der Straße fuhren, verursachten genug Geräusch, um von der Villa zur Mauer zu gelangen, ohne dass das Verwischen seiner Spuren mit einem Besen gehört werden konnte. Der Himmel war bedeckt gewesen. Der starke Wind gab dem Halbmond nur fallweise frei. Dann kamen neue Wolken. Die Mauer zu überwinden, war kein weiteres Problem. Er befand sich auf einer anderen Straße. Nun musste er versuchen, an den Stadtrand zu gelangen. Spätestens um sieben Uhr würden die Reinigungsfrauen kommen. Sie werden den am Boden liegenden Lew vorfinden. Vielleicht vorerst nicht berühren, vielleicht zudecken. Aber ewig wird er nicht am Boden bleiben können. Er wird als ein Toter erkannt werden. Erik sagte sich, bis dahin darf ich niemanden begegnen und muss die Stadt verlassen haben. Der Anzug, den er trug, war keineswegs geeignet, die Kälte fernzuhalten. Der Mann war sicherlich mit einem Taxi oder seinem eigenen Fahrzeug gekommen. Erik begann zu marschieren und achtete auf Fahrzeuge. Immer wenn er ein Motorgeräusch wahrnahm, verbarg er sich. Die Insassen achteten nicht auf Erik. Wer kümmerte sich schon um vier Uhr in der Früh in einem eleganten und warmen Fahrzeug auf einen armen Teufel, der in einer Nische hockte. Nach Überquerung von mehreren Straßen folgte ihm ein Karren, der von einem Esel gezogen wurde. Erik sprach den Mann an, ob er auf dem Karren Platz nehmen dürfte. »Hast du Wodka?« Erik tat, als ob er noch einen Schluck nehmen wollte, und übergab die Flasche. Der Kutscher war zufrieden. Endlich hatte er einen Kumpel gefunden, der nicht zögerte seine Flasche mit anderen zuteilen. Erik durfte auf dem Karren sitzen. So gelangten sie zu einem Kontrollposten. Dieser kümmerte sich wenig um diese beiden Strauchdiebe, für die er nur Verachtung hatte. Seine Aufgabe war, Insassen von Autos zu kontrollieren. Es war grau geworden und sie kamen in weniger bebaute Gebiete. Es war eine ärmliche Gegend. Erik wollte solange mit dem Karren transportiert werden, bis dieser in die nördliche Richtung weiterfahren würde. Der Kutscher war schweigsam, mit dem Wodka war er zufrieden. Auch Erik hatte keine Lust auf neugierige Fragen zu antworten. Die Landbevölkerung war keineswegs mit dem Einfluss der Russen und ihrer Art einverstanden. Sie kamen zu einer Ansiedlung. Dorthin wollte auch der Lenker des Eselskarren. Dieser gab Erik zu verstehen, er müsse nun wieder zu Fuß gehen. Erik bedankte sich, saß ab und lenkte seine Schritte zu einem halb verfallenen Holzbau, der den Bauern als Aufbewahrung von Arbeitsgeräten für die Feldbearbeitung diente. Dort suchte er nach einem Messer oder etwas Scharfkantigem, das ihm helfen sollte, die Etiketten aus seinem Anzug zu entfernen.

Messer fand er keines. Eine Glasscherbe half ihm weiter. Nachdem er auch das erledigt hatte, meldete sich plötzlich eine starke Müdigkeit. Doch die Datenträger mussten unbedingt vernichtet werden. Das Werkzeug, ein grober Hammer und ein geeigneter Untergrund, schien ihm das Richtige zu sein. Die Datenträger wurden bis ins Kleinste zerstört. Im nahen Feld wurden sie auf unterschiedlichen Plätzen tief eingegraben. Das erfolgte auch mit den zerstörten Etiketten. Der zu erwartende Frost wird den vergrabenen Produkten weiter zusetzen. Auch wenn Washington damit keine Freude haben wird, die Chance aus diesem Land zu entkommen ist nun das Wichtigste. Nach getaner Arbeit legte er sich ins Stroh. An diesem Tag kam niemand, der seine Ruhe störte. Einschlafen konnte er sich nicht leisten. Es war sieben Uhr Ortszeit. Er döste vor sich hin und gönnte sich zwei Stunden. Vielleicht gibt es in dieser Ansiedlung einen Markt. Warme Winterkleidung wird mir sicherlich dienlich sein. Auch ein warmes Essen. Zuerst zu einer Kleidung. Er fand einen Pferdemarkt, der stark besucht war. Erik unterdrückte das Verlangen, ein Pferd zu kaufen. Er suchte Händler, die Kleidung jeglicher Art anboten. Dort erstand er, was ihm vorschwebte. Die Kleidung roch übel, war verschwitzt und keineswegs geeignet, ein Hochgefühl zu erwecken. Man muss nehmen, was es gibt. Mit seinem unrasierten Gesicht und seinem dünnen Mantel schlug ihn der Händler vor, seine getragenen Kleidungsstücke entgegenzunehmen. Er würde die ausgesuchte Winterkleidung um die Hälfte bekommen. Erik überlegte ein wenig. Der Händler begriff, der neue Kunde wollte feilschen. Er bot ihm noch andere nützliche Sachen an. Er verwies auf Waffen jeder Art, die kann er aber nicht zur Schau stellen.

»Ich kann nicht schießen«, hatte er damals gesagt.

»Das ist aber sehr schade. Es gibt gut funktionierende Faustfeuerwaffen, Gewehre und genügend Patronen.«

Erik hatte abgelehnt und nach einem Messer gefragt. Messer jeglicher Art wurden ihm angeboten. Damals hatte er sich für ein Überlebensmesser entschieden. Einen Rucksack, eine Feldflasche und ein Feuerzeug, das viele Erdenbürger verachteten. Sie waren gewohnt ein Feuerzeug mit Benzin oder Gas nachzufüllen. Dasjenige, welches Erik vorzog, damit konnte man überall trockene, kleine Holzteile entfachen. Man musste nur wissen, wie. Dem Händler gefiel sein Kunde immer besser. Das war sicher auch ein guter Schütze. Erik entschied sich noch für ein altes Fernglas. Bei Reinigung würde diese alte Konstruktion aus dem Haus Zeiss sicher gute Dienste leisten. Als er noch nach einem kleinen Zelt fragte, war Eriks Schicksal besiegelt. Der Händler hielt ihn für einen Gefährten der Aufständischen, die den Russen das Leben schwer machten. Erik packte alle erworbenen Sachen in den Rucksack, bezahlte mit einem Lächeln und fragte, wo er etwas zu essen bekommen könnte. Das Lächeln wurde erwidert und Erik ein Lokal genannt, das Eriks Vorstellungen genügte. Dorthin machte er sich auf. Sein CIA-Ausweis hatte im Absatz seines linken Stiefels Platz gefunden. Die Diamanten im Absatz des rechten Stiefels. Das hatte er noch mit Mühe im Holzbau durchgeführt. Seinen ungarischen Reisepass, den trug er nun griffbereit in einem Seitenfach der Hose. Im zugewiesenen Gasthaus unterschied sich Erik wenig von den anderen Gästen. Er bekam ein schmackhaftes Essen, trank wenig von dem einfachen Wodka und verlangte ein Zimmer. Viele Gäste waren gekommen. Sie alle hatten den Markt besucht, wollten rasch Essen und nachher wieder nach Hause. Die Zimmer waren alle für einige Tage besetzt. Man bedauert es und Erik musste trotz der Müdigkeit weiter. Das war sicher auch von Vorteil. Er befand sich zu Nahe von Karaghandy. Nach dem Essen kehrte er zum Markt zurück. Ein Lkw füllte sich mit Männern, die in die südwestliche Richtung aufbrechen wollten. Man sagte ihm, man wird über Seitenstraßen fahren. Auf der Hauptstraße wird es zu viele Kontrollen geben. Der Lkw ist nicht so komfortabel gefedert wie ein Bus, dafür wird man sicher in die Dörfer geführt und muss sich nicht ununterbrochen von der Polizei kontrollieren lassen.

Das konnte Erik nur Recht sein. Am späten Nachmittag kamen sie nach Querung eines Gewässers in Atasu an. Sein Sitznachbar hatte ihn gefragt, wohin er eigentlich wollte.

»Zumindest bis Zezkazgan zum Flughafen.«

»Das ist noch ein weiter Weg durch die Steppe. Ganz allein sollte er es unterlassen. Er sollte sich den Nomaden anschließen.«

»Wie könnte mir das gelingen?«

»Es gibt eine Herberge, dort werden einige Männer, die die Steppe kennen, zu finden sein.«

Erik bedankte sich und suchte die Herberge auf. Angekommen, fragte er nach einem Zimmer und Essen. Auf die Frage nach Nomaden, die die Steppe kennen, verwies man auf den kommenden Tag. Nach dem Essen suchte Erik sein zugewiesenes Zimmer auf. Er verriegelte vorsichtig das kleine Fenster, schloss die Türe mit dem Schlüssel von innen, schob den Tisch und die beiden Sessel davor. Das Geräusch eines Eindringlings würde ihn sicherlich aufwecken. Das Überlebensmesser nahm er unter die Decke mit. Bald war er eingeschlafen. Nach etwa drei Stunden wollte er durch ein Geräusch gestört, seine Lage auf dem Rücken in eine Seitenlage ändern. Jemand öffnete die Türe vorsichtig. Doch das Geräusch der Tischbeine, die über den Holzboden schleiften, war nicht zu überhören. Erik mimte zu schnarchen, zog die Decke über seinen Kopf und nahm das Überlebensmesser in seine Rechte. Als der Eindringling sich mit der Taschenlampe orientierte, sich der Liegestatt von Erik näherte und seinen Kopf über Eriks Kopf beugte, schlug Erik die Decke zurück und setzte das Messer am Hals des Besuchers ab. Blut tropfte. Der Eindringling wollte zurückweichen, doch die Eriks Linke hielt ihn mit aller Macht fest. Eriks linke Hand hatte die rechte Hand des Angreifers in der Form festgehalten, dass diesem der Gebrauch der kleinen Pistole unmöglich war. Eriks Messer drohte die wichtigen Versorgungskanäle des Angreifers zu durchtrennen. Die Pistole war dem Angreifer entfallen. Sterben wollte er noch nicht. Das war deutlich zu erkennen. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er sagte etwas, das Erik nicht verstand. Es war in einer Sprache gekrächzt worden, die Erik nicht kannte. Vermutlich war es ein Dialekt gewesen. Der vermeintliche Überraschungsangriff war gänzlich aus dem Ruder gelaufen und der Fremde zögerte nicht, ihm Speise- und Luftröhre zu durchtrennen.

»Bitte nicht töten«, kam es nun in Russisch.

Es war ein junger Mann, eher ein Jüngling, die kleine Pistole war ihm entfallen und Eriks Linke hielt des Jünglings Hand mit eisernem Griff fest. Er hatte es auf das Geld, desjenigen abgesehen, der zum Flughafen wollte. Falls diese Katastrophe nun sein Vater erfahren würde, müsste er mit einer Auspeitschung rechnen.

»Was hat dein Einbruch zu bedeuten?«, fragte ihn Erik.

»Ich habe gehört, ihr seid zum Flughafen unterwegs. Ein Flug kostet viel Geld. Dieses wollte ich mir holen.«

»Leidest du unter großer Not?«

»Kleidung und Essen bekomme ich genug, aber zum Kauf einer Waffe, die man nur am Schwarzmarkt erstehen kann, habe ich kein Geld.«

»Wozu benötigst du eine Waffe?«

»Um mich gegen das Gesindel zu verteidigen, das mich verfolgt, verhöhnt und bespuckt. Ein Colt, wie man ihn in alten Filmen aus der USA sehen kann, würde diesem Spuk ein Ende bereiten. «

»Um sich im Nahkampf zu verteidigen benötigt man weder eine Faustfeuerwaffe noch ein Messer. Aber es gibt auch Situationen, in denen ein griffbereites Messer dem Gegner den Kopf abtrennen kann.«

»Sowie mir?«

»Daran habe ich kein Interesse. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, den Schwachen und Hilflosen beizustehen. Wenn du das, was ich dir gerade gesagt habe, jemals weitergibst, ist es mit dir zu Ende. Ist das deutlich genug?«

Er wollte ein Nicken andeuten und wurde verletzt. Das Blut tropfte stärker auf das Kampfmesser.

»Und nun zu dir, junger Mann. Erzähle mir etwas über deine Familie.«

Es folgte Schweigen.

»Schweigen hast du schon gelernt. Das gefällt mir. Gehe zu deinem Vater und erzähle von deinen Beweggründen, dir Geld zu beschaffen, um damit am Schwarzmarkt eine vernünftige Waffe zu bekommen. Eine nicht gesäuberte und nicht gepflegte Waffe, egal wo immer sie produziert wurde, ist gänzlich sinnlos. Bei der geringsten Ladehemmung bist du deinem Gegner schutzlos ausgeliefert. Das gebe ich dir als ersten Ratschlag mit. Sollte dich nun dein Vater schwer bestrafen wollen, sage ihm, ich würde noch vor dieser Bestrafung, sehr gerne mit ihm in Kontakt treten und ihn bitten, mit mir einige Worte zu tauschen. Das ist ein Agreement unter Gentlemen. Hast du das verstanden?«

Er versuchte wieder, ein Nicken anzuzeigen, und Erik gab ihm dazu die Möglichkeit. Erik lächelte, er gab dem Jugendlichen seine Rechte, ließ dessen gehaltene Hand los und nickte mit dem Kopf. Eilig hob der Jugendliche die kleine Faustfeuerwaffe auf und eilte bei der Tür hinaus. Erik hatte sich von seiner Liegestatt erhoben und schob mit aller Kraft den Tisch gegen die Türe. Die beiden wackeligen Stühle wurden auf den Tisch in der Form aufgestellt, dass sie bei einem weiteren Versuch, die Türe von außen zu öffnen, zu Boden fallen mussten. Dieser Lärm sollte Erik wecken. Er wickelte sich wieder in die Decken, legte das Kampfmesser griffbereit unter seine Liegestatt und schlief ein. Die Sonne stand bereits hoch im Himmel, als er aufwachte. Wenig später befand er sich in der Gaststube. In einer der Ecken saßen Männer mit der landesüblichen Bedeckung. Sie schienen ihn nicht zu bemerken. Erik nahm sich einen Tisch nahe der Türe auf die Straße, konnte den Raum überblicken und auch den weiteren Hinterausgang. Der Gang geleitete die Gäste zu den Toiletten und zu der Küche.

Bald darauf erschien eine Servierkraft, ein junges Mädchen, das Erik nach seinen Wünschen fragte. Russisch hatte Erik schon mit dem Jugendlichen gesprochen. Er versuchte es erst gar nicht in Englisch. Er war bis hierher gut und ohne Probleme gekommen. Das erwartete er sich auch für die Zukunft. Darum blieb er in Russisch, bestellte ein umfangreiches Essen und viel Tee. Die Männer in der Ecke hatten aufgehört zu sprechen. Sie taten, als ob sie der Bestellung nicht gefolgt waren. Das Gegenteil war der Fall gewesen, das hatte auch Erik begriffen. Sie kannten nun seinen Appetit und waren sich darüber einig, der Fremde hatte lange Zeit nichts gegessen. Erik war es egal. Sicherlich wird man mich nicht sofort vergiften. Der mit dem Turban auf seinen Kopf schaute immer wieder zu Erik. Das konnte Erik im Spiegel erkennen. Erik nahm sich einer der Zeitungen an. Blätterte sorglos und fand einen Artikel über einen Todesfall. Ein angesehener Mann, der Kontakte zur Regierung hatte, war verstorben.

Darüber herrschte Ratlosigkeit. Er war er nach einem Fest, nach seiner Rückkehr aus dem Westen am Boden leblos gefunden worden. Erik wollte sich nicht ausschließlich diesem Bericht widmen. Er fand andere Artikel, die sein Interesse forderten. Alles wurde genau beobachtet. Als er nahezu mit der Zeitung fertig war, kam das Essen. Er ließ es sich schmecken. Darüber verging eine weitere halbe Stunde. Die Bedienstete kam und fragte nach weiteren Wünschen. Erik verlangte die Rechnung und ging auf die Toilette. Das Mädchen hatte die Rechnung gebracht, die Erik beglich. Er geizte nicht mit dem Trinkgeld.

Das Mädchen machte einen Knicks, reichte ihm die Hand und wünschte einen guten Tag. Erik hatte einen Zettel in die Hand bekommen. Dieser glitt in seine rechte Hosentasche. Daraus holte er Zigaretten und bat die Herren in der Ecke, ob er rauchen dürfte. Die waren darüber sehr erstaunt. Der mit dem Turban sagte etwas, das Erik nicht verstand. Sein Kumpan bestätigte die Erlaubnis. Erik zündete sich genüsslich eine Zigarette an und obwohl er Nichtraucher war, blies er den blauen Rauch in die Luft und blieb am Tisch sitzen. Er holte sich eine andere Zeitung in Arabisch. Blätterte darinnen und ließ den Männern die Schriftzeichen erkennen. Bei Gelegenheit holte er den Zettel aus seiner Hosentasche und entzifferte die Botschaft. »Im Hof rechts zu einer kleinen Tür.«

Erik ließ den kleinen Zettel wieder in der Hosentasche verschwinden und holte wieder die Zigarettenpackung hervor. Eine neue Zigarette wurde geopfert. Anschließend begab er sich mit allen seinen Sachen zu Toilette. Deutlich konnte man die quietschende Türe vernehmen, zerknüllte den Zettel und betätigte die Spülung. Leise öffnete er die Türe, überzeugte sich, dass ihn niemand beobachtete, und ging in die Richtung zum hinteren Ausgang. Dort verschwand er sofort im angrenzenden Hof, sein Überlebensmesser fest in der rechten Hand und den Rucksack, zu einer eventuellen Abwehr in der Linken, stieß er die Türe auf, die auf dem Zettel erwähnt worden war. Dann verharrte er im Dunkeln. Langsam nahm er seine Umgebung wahr. Der Jugendliche, den er schon kannte, und ein Begleiter standen im Halbdunkel. Draußen erklangen Schritte. Deutlich konnte man die beschlagenen Stiefel am Pflaster vernehmen. Die Verwünschungen, den Fremden nicht zu Gesicht zu bekommen, waren deutlich zu vernehmen. Der Jugendliche legte lächelnd seinen Finger auf seine Lippen. Er hatte längst begriffen, dieser Fremde, das war nicht ein Mann aus seinem Volk. Was er in diesem Landstrich schon unternommen hatte, das konnte er sich nicht vorstellen. Zum Flughafen wollte dieser Fremde sicherlich nicht. Die Schritte auf den wenigen Pflastersteinen waren längst verklungen. Der Jugendliche kam näher, öffnete die Türe und niemand war zu sehen. Er winkte Erik und zusammen mit einem älteren Begleiter gelangten sie zu einer Nebenstraße. Dort warteten vier Reiter. Es gab weitere drei Pferde. Erik wurde eines angeboten und miteinander gelangten sie zum Fluss. Dieser wurde durchquert. Die Furt war nicht tief und Eriks Stiefel blieben heil. In der Steppe begann ein Ritt, den Erik schon lange nicht erlebt hatte. Er wurde in deren Mitte geführt. Bei einem Steilabhang wurden die Pferde am Zügel genommen und der Abhang erklommen. Oben angelangt, konnte man in der Ferne Zelte erkennen. Dorthin kamen sie ohne Verfolger an. Erik wurde zu einem größeren Zelt gebracht. Sein Rucksack und sein Messer wurden ihm abgenommen. Nach dem Betreten des Zeltes warfen sich seine Begleiter vor dem Mann, der auf einen Stuhl saß, zu Boden. Erik blieb stehen und deutete eine Verbeugung an. Der Mann im Stuhl war aufgestanden und deutete Erik, sich auf einen mit Polstern versehenen Platz niederzulassen. Eine Handbewegung des Mannes und beide waren allein. Erik wartete ab. Nach einiger Zeit kam eine junge Frau. Auch Erik, der schon Schönheiten gesehen hatte, war von dem Aussehen der jungen Dame überrascht. Das entging dem Alten nicht. Es wurde Tee gebracht. Dazu gab es kleine Leckerbissen. Erik nahm den Tee, deutete ein Kopfnicken an und wartete bis der Alte, ebenfalls den ersten Schluck hinter sich hatte. Erik fiel seine vor vielen Jahren harte Einschulung ein. »Vergiss deine in unserer Welt gelernten Sitten und Bräuche. Achte und respektiere Sitten, die dir unbekannt, aber anmutig erscheinen. Wenn du sie verstehen gelernt hast, wirst du viel mehr Erfolg haben als mit der letzten Waffentechnologie.«

»Wohin willst du Fremdling?«, wurde Erik aus seiner Träumerei gerissen. Dazu kam ein Englisch, das er lange schon nicht gehört hatte.

»Zurück in meine Heimat«, antwortete Erik im amerikanischen Englisch.

»Das wird nicht einfach sein. Sogar speziell geschulte Leute aus Moskau sind bereits auf deinen Fersen.«

»Bevor wir weiterreden, wer versteht die englische Sprache in deiner Umgebung und wen kannst du absolut vertrauen?«

»Vertrauen kann ich meinen Leuten. Wenn ich ihnen nicht vertrauen kann, wen sonst? Englisch verstehen nur zwei. Das bin ich und meine Tochter.«

»Alles, worüber wir uns unterhalten werden, ist für jeden tödlich, der davon Kenntnisse erwirbt. Das ist ein kleiner Hinweis, wie gefährlich es für dich ist, sich mit mir einzulassen.«

»Das ist mir klar geworden, als mein Sohn dir das Geld stehlen wollte. Er hat mir alles über diesen Vorfall erzählt. Auch alle deine Bemerkungen.«

»Bitte bestrafe ihn nicht. Wenn er wirklich alles erzählt hat, ist er sehr mutig. Eine Spezialausbildung im Nahkampf würde ihn nach einer Abschlussprüfung die Sinnlosigkeit begreifen lassen, Männer wie mich, so nahe mit der Waffe zu bedrohen.«

»Du bist ein Spezialagent der USA. Bisher bist du allen entkommen. Sogar Leute aus Moskau bewundern deine Vorgangsweise. Sie würden dich gerne in ihren Reihen sehen.«

»Ganz entkommen bin ich nicht, die Leute im Gasthaus wollten sicherlich mit mir auf ihre Art Reden.«

»Das ist richtig. Das waren aber meine Leute. Sie müssen noch vieles lernen.«

»Wer ist auf die gescheite Idee verfallen, dass ich mit dem Flugzeug weiterreisen will?«

»Das war naheliegend. In diesem Land wirst du Tag und Nacht gejagt werden. Vermutlich wirst du die Türkei auf dem Landwege zu erreichen versuchen. Mr. Lew hatte versprochen aus dem Westen für die Russen wichtige Informationen zu beschaffen. Diese Informationen konnten bisher nicht gefunden werden. Seine Vergiftung und der unberührte Safe ist auch den Spezialisten aus Moskau ein Rätsel. Die Villa wird auf den Kopf gestellt. Alle seine Gäste sind in Haft und werden verhört.«

»Sehr eigenartig, dass es so etwas gibt?«

»Freue dich nur, du hast es verdient. Sogar der KGB spricht mit der vorgehaltener Hand voll Achtung von dir.«

Erik sagte nichts.

Nach einer Weile des Schweigens begann Erik:

»Irgendwo im Nichts stehen deine Zelte zwischen Atasu und Monadyr. Wir befinden uns in der kasachischen Schwelle. Hier bin ich gut aufgehoben. Ob der KGB mich auch bei all diesen Stämmen suchen will, das kann ich mir nicht vorstellen.«

»Du wirst meinen Sohn und meine Leute im Nahkampf unterrichten. Darüber wird, bis sie annähernd einiges begriffen haben, viel Zeit vergehen.«

»In dieser Gruppe, die dir folgen, gibt es sicher viele kampfbereite Männer. Bevor du nun diesen Männern vorschlägst, Neues zu erlernen, musst du eine positive Zustimmung bekommen. Wer mit seinem Herzen zustimmen kann, wird ausgebildet. Wer zustimmt, nicht aber alle Mühen und Plagen bis zum Ende zu ertragen gewillt ist, wird nicht ausgebildet. Jeder Mensch auf dieser Erde hat bestimmte von der Natur gegebene Vorzüge. Ich bin mit einigen deiner Leute hierher gebracht worden. So wie deine Leute auf den Pferden gesessen sind, das hat mir gefallen. Sicherlich befanden sie sich schon am Rücken von Pferden, bevor sie gehen konnten. Das nenne ich Reiten. Dagegen hatte ich Mühe, nicht vom Pferd zu fallen. Wenn du einige deiner Leute ausgewählt hast, lasse sie bitte nebeneinander in einem Abstand aufstellen. So kann ich sie besser im Blick behalten. Wenn du nun diesen Männern vorschlägst, neue Kampf- und Abwehrtechniken zu erlernen, werde ich neben dir stehen. Ich werde erkennen, wer bereit ist, sich einem harten Training zu unterwerfen. Wer nicht, den werde ich nicht verurteilen, aber mein Bedauern ausdrücken, es nicht zu versuchen. Damit kann ich von vornherein auf die verbliebene Gruppe vertrauen.«

»Das ist aber auch für mich eine neue Erfahrung.«

»Wer sich einen Tag lang im Sattel halten kann, hat noch lange nicht jene Muskeln trainiert, die dazu fähig sind, einen größeren Mann blitzschnell zu Boden zu schleudern. Dem Wurf vorangegangen, ist, ihm die geladene und entsicherte Faustfeuerwaffe zu entwenden.«

»Und das willst du diesen Männern beibringen?«

»Ja.«

»Das werde ich meinen Männern sagen.«

»Sehr gern. Die Männer sollen sich nebeneinander aufstellen und zu zehnt in deine Richtung blicken. Sie sollen stehen, sich nicht zu deinen Füßen werfen. In der zweiten Reihe dahinter aber in der Form Aufstellung nehmen, dass ich von allen den Gesichtsausdruck erkennen kann.«

Im Lager hatte sich die Anwesenheit eines Fremden herumgesprochen. Als das Stammesoberhaupt mit Erik erschien, stieg die Spannung. Schnell hatte der Älteste seine Entscheidung getroffen und die Männer aufgestellt. Er stellte Erik als Trainer vor. Als der Älteste, das vorbrachte, was er mit Erik besprochen hatte, konnte sich einer nicht zurückhalten und schrie etwas, das Erik nicht verstehen konnte. Erik bat um Übersetzung. Daraufhin bat er den Ältesten, ob er einverstanden ist, mit demjenigen, der daran nicht glauben wollte, jene Kampfhandlung durchführen zu dürfen. Nach Zustimmung erkannte Erik Furcht in einigen Gesichtern der Männer. Erik wollte es mit demjenigen durchführen, der es nicht wahrhaben wollte.

»Er muss mich bei Versagen unbedingt töten.«

Die Waffe wurde gebracht. Es war ein 45er Colt. Er wurde überprüft, geladen und entsichert. Beide Männer nahmen Aufstellung und der mit dem Colt sollte sich Erik so weit nähern, um ihm auch den Colt an seine Stirn oder Brust ansetzen zu können. Erik rief sich seine vergangenen Stunden ins Gedächtnis zurück. Es half ihm, die Gefährlichkeit der Situation zu vergessen. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er achtete auf die Fußstellung seines Gegners und stand völlig locker. Sein Gegner war sich nicht sicher, ob er der Aufforderung des Fremden, ihn zu töten, nachkommen würde. Erik ließ ihn herankommen. Die Waffe war nun auf seine Stirn gerichtet. Eriks Angriff kam unerwartet und mit einer Heftigkeit, die sein Gegner nicht erwartet hatte. Die Waffe lag weggeschleudert, längst am Boden, als er hochgehoben und auf den Rücken geworfen wurde. Ohne seine Hände dagegen einzusetzen, war der Aufprall sehr schmerzhaft.

Wer es gesehen hatte, glaubte es nicht.

»Wer nun von euch das durchgeführt hat, soll nur auf seine eigene gut geölte und gepflegte Waffe vertrauen. Eine Ladehemmung einer unbekannten Waffe eines Gegners, dem wird die Hölle jedes errungen Vorteils folgen.«

Eindrucksvoller hätte kein noch so langer Vortrag sein können.

»Euer Training beginnt morgen um acht Uhr in der Früh ohne Frühstück. Laufen, anschließend Gymnastik und Frühstück. Danach etwas Ruhe. Zwei von euch möchte ich ersuchen, mit mir zu sprechen.«

Erik hatte langsam und deutlich in Russisch gesprochen. Bald wussten es alle im Lager. Einige glaubten nicht den Erzählern. Der Schamane musste die Leute beruhigen. Einige Alte bezeichneten den Fremden als den Satan in Menschengestalt. Auch der Älteste hatte Zweifel. Nicht an Erik, eher daran, dass er diese Technik seinen Leuten beibringen könnte. Die beiden Männer waren zu Erik gekommen. Erik sagte ihnen, dass das kommende Training ihnen alles abverlangen würde, was sie sich vielleicht schon überlegt haben. Mehr noch, es wird viel schlimmer werden. Viele körperliche und seelische Leiden. Wenn sie das nicht mitmachen wollten, habe er dafür Verständnis.

»Wir haben etwas gesehen, was wir nie für möglich gehalten haben. Dazu die Äußerung, ihr müsstet bei Versagen getötet werden. Wir haben eine Ahnung bekommen, wie es Lew ergangen ist, als er die Kühnheit hatte, Dinge ins Land zu bringen, die für die USA von Bedeutung sind.«

»Seid auf der Hut, überlegt euch gut, worüber ihr jemals sprechen werdet, wenn ihr in Moskau gefoltert werdet, könntet ihr diese Folter niemals lebendig überstehen.«

Die beiden verneigten sich und gingen.

Am kommenden Morgen begann das Laufen derjenigen, die zur ersten Gruppe zählten. Als sie zurückgekehrt waren, nahm Erik einen bei seiner Hand und zeigte ihm einige Gymnastikübungen, die alle durchführen sollten. In diesen Übungen wurde besonders auf die untrainierten Beinmuskeln geachtet.

Beim anschließenden Frühstück verwies Erik, ein leerer Magen würde das Laufen und die Gymnastik leichter vertragen. Nach einer Ruhepause kämen noch andere Übungen. Er erwähnte auch die Geheimhaltung. Jeder von den Männern sollte sich für sich bis spätestens zum nächsten Tag einen Namen ausgedacht haben, den er auch bei Folter nicht vergessen könnte.

»Eure Abstammung, eure Eltern und Freunde dürft ihr nie vergessen, aber was nun kommt, das würde euer Leben vollständig verändern. Solange ich bei euch bin, habe ich mir ebenfalls einen Namen festgelegt.«

Er nannte ihn in Russisch. »Der Furchtlose«.

»So soll ich von allen angesprochen werden. Es kommen noch andere Verhaltensregeln, sie zu beachten, wird euer Schutz sein. Euer Lager befindet sich auf einer Anhöhe. Ein sich im Tiefflug annähender Hubschrauber, wird von mir eher erkannt werden als von euch. Unterbrecht alle Übungen schlagartig, wenn ihr von mir aufgefordert werdet, und geht euren alltäglichen Beschäftigungen nach. Ihr werdet aus der Höhe nicht nur mit Ferngläsern betrachtet, sondern auch fotografiert werden. Das wird vielen anderen Lagerstätten ebenfalls widerfahren werden. Lasst euch durch den Hubschrauber nicht irritieren. Bis zu euch bin ich meinen Verfolgern entkommen. Das soll auch weiterhin möglich sein. Der KGB wir auch noch in Europa auf mich Jagd machen. Mehr will ich nicht verraten. Vermeidet von vornherein, einen Verdacht auf euch zu lenken. Aus der Lubjanka in Moskau ist noch kein Häftling gesund entkommen. Das haben die Russen von den Nazis gelernt. Denkt auch an den Hubschrauber, der aus dem Nichts erscheinen wird. Sein Geräusch aus der Ferne werde ich eher als ihr erkennen. Der KGB wird seine besten Männer einsetzen, um meiner habhaft zu werden. Etwas möchte ich euch noch verraten. Wenn ich durch irgendeinen Umstand krank werde und sterbe, müsst ihr mich weit in der Steppe tief vergraben, dass mich auch kein Tier finden und ausgraben kann. Alle meine getragenen Kleidungsstücke müssten verbrannt werden.Das muss mit Vorsicht geschehen. Eine Rauchfahne ist weit zu erkennen. Dann seid ihr in Gefahr, weil ihr mir Nahrung und Unterkunft gegeben habt. Im linken Absatz meines Stiefels ist meine Identität zu finden. Im rechten Absatz befinden sich Diamanten. Die sind für euch in der Steppe aber wertlos. Diese Diamanten könnt ihr behalten. Mein Ausweis, der mich als ungarischer Staatsangehöriger ausweist, muss ebenfalls vernichtet werden. Damit begebe ich mich in eure Hand.«

»Du sollst nicht sterben. Wir haben an deinen Fähigkeiten gezweifelt. Du musst in deine Heimat zurückkehren können. Wir haben gehofft, auf euch zu stoßen. Ein Zufall hat uns geholfen.«

»Das Letzte, was ich euch verraten habe, darüber habe ich lange nachgedacht. Aber ohne Vertrauen gibt es kein Weiterkommen. Ich werde euch niemals härteren Qualen aussetzen, als ich es in meiner Ausbildung erlebt habe. Eure untrainierten Muskeln müssen mit den Mitteln, die eure Frauen kennen, gepflegt werden, wenn ihr Schmerzen erleidet. Ein malträtiertes Organ kann niemals korrekt bestimmte Griffe und Tätigkeiten ausüben. Ich war schon im Eismeer im Einsatz, bin alleine in einem kleinen Boot getrieben und wurde gerettet. Was ich in diesem Land mehr dem Zufall zu verdanken habe, das Resultat kennen sicherlich schon meine Auftraggeber. Vielleicht fragen sie sich nach einiger Zeit, wieso ich noch nichts von mir hören habe lassen. Der KGB wird jeder kleinsten gefundenen Spur nachgehen. Hoffentlich haben sie auch in der Herberge, in der ich die Nacht verbracht habe, alles, was ich berührt habe, von Fingerabdrücken entfernt. Dazu gehört auch bei euch das Essgeschirr, das ich benützt habe. Die Leute, die mich kontrolliert haben, als ich die Villa von Lew betreten habe, werden sicherlich in der Lubjanka verhört werden. Es steht ihnen unvorstellbar Schlimmes bevor. Vorerst genug.«

Erik machte eine Pause.

»Am Nachmittag könnt ihr euch erholen. Geht euren Beschäftigungen nach. Etwas ist mir noch eingefallen. Wenn euer Trainingspartner, der in der Rolle eines Gegners, euch in eine sehr schmerzhafte Situation gebracht hat, schlagt mit der freien Hand auf den Boden. Es ist das Zeichen, ihr gebt nach. Persönlich nehme ich an, die Liebe zu den Russen hat in euren Herzen keinen Platz. Es wird nicht ewig dauern. Die Sowjetunion befindet sich am Beginn eines Zerfalls. Bald wir es in eurem Land ein freieres Leben geben. Haltet durch. Ich habe mich euch vollständig anvertraut und damit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ihr kennt die Geräusche der Steppe, besonders in der Nacht, besser als jeder andere. Sprecht darüber mit dem Ältesten. Jede Person, die sich euren Tieren und dem Lager nähert, kann durch sein im Anschleichen entstehendes Geräusch erkannt werden. Gebt darüber Alarm. Leute, die hier vorbeikommen und etwas ausspionieren wollen, weist nicht von vornherein ab. Seid aber vorsichtig mit Äußerungen über euer Leben und vor allem über geänderte Gewohnheiten. Eine sofortige Abweisung hat keinen Sinn und hilft nicht. Es verstärkt einen Verdacht, denkt daran. Die Tiere sollten besonders in der Nacht besser bewacht werden. Die Wachen müssen aber abgelöst werden. Ihr Bedürfnis nach Schlaf wird sie zu unaufmerksameren Wächtern machen. Sie sollen auf Geräusche von ungewöhnlichen Tierlauten besonders achten. Dies sind keine Tiere. Es sind Menschen, die sich anschleichen. Das weiterzugeben ist wichtig, möglichst aber Geräusche vermeiden. Als Abschluss komme ich auf die Fallübungen zu sprechen. Ein plötzlicher Sturz zu Boden muss mit den Händen abgefangen werden, die zu Boden schlagen. Besser Muskelschmerzen in den Händen, als eine Rückenverletzung. Wer vom Pferd herunterstürzt, soll entweder mit seiner Linken oder Rechten noch, bevor der den Boden berührt mit der Hand gegen den Boden schlagen können. Wie ergeht es jenem, den ich zu Boden geworfen habe?«

»Sehr schlecht, er hat noch immer Schmerzen am Rücken. Er verdammt immer seine Ungläubigkeit. Er hat sich schon erkundigt, wie er in der Zukunft solche Würfe besser standhalten könnte.«

»Wenn er wieder einigermaßen gesund ist, soll er beim Training mitmachen.«

Dem Schamanen hatte man vielfältige Aufgaben übertragen. Einerseits war er in allen Gesundheitsfragen, wenn die Frauen nicht weiterwussten, der erste Ansprechpartner. Eine ungewöhnliche Kenntnis über Heilkräuter, neben der Überzeugungsgabe, diese Kräuter auch zu nützen.

Im Stillen bereute es der Furchtlose, so hart mit dem Mann umgegangen zu sein. Hoffentlich hat er keinen bleibenden Schaden an der Wirbelsäule erlitten. Dem Schamanen gefiel der Fremde, wie er ihn nannte, von Tag zu Tag besser. Er verlangte von den jungen Männern nichts, was er nicht selbst beherrschte. Das Vertrauen wuchs von Tag zu Tag. Zu Beginn waren die Übungen ungewohnt und man konnte darinnen keinen Sinn erkennen. Allmählich gewöhnten sie sich aber daran. Auch an einen Hinweis wurden sie ständig erinnert, nicht gegenüber anderen Menschen bestimmte Griffstellungen, solange es nicht notwendig war, ohne Grund auszuüben. Spezialisten des KGB könnten davon erfahren. Über die Folgen brauchen sie sich keine Gedanken machen.

Die Bartstoppeln wurden länger. Die Uhr hatte er in seinen Rucksack gegeben. Die Haut sollte gebräunt werden. Mit dem Turban am Kopf und seiner armseligen Kleidung würde er aus der Entfernung für einen Angehörigen des Stammes gelten. Sollten KGB-Leute vorbeikommen, wird er sie vielleicht in Arabisch ansprechen. Dieser Amerikaner hatte ihnen viel voraus. Die Frauen hatten den Furchtlosen von Beginn an gemieden. Doch einmal, als ein Hubschrauber zu hören war, hatte der Furchtlose Alarm gegeben. Die Übungen wurden unterbrochen und die normale Arbeit aufgenommen. Die Frauen waren in der Nähe geblieben. Zum Erstaunen aller breitete der Furchtlose seine Arme aus und winkte den Besatzungsmitgliedern. Als der Hubschrauber verschwunden war, wollte man über sein Verhalten Details wissen.

»Den Turban am Kopf habe ich getan, was ich in anderen Ländern gesehen habe. Damit habe ich der Besatzung guten Flug gewünscht. Sie werden eher mich, als einen von euch genauer beobachtet haben. Ich bin hier keineswegs der Chef. Ich weiß viel zu wenig, um nur einen Tag die Rolle des Chefs übernehmen zu können. Aber mit meinem Wissen und Können werdet ihr gesund bleiben. Gesund nach jedem Angriff von Personen, die euch eure Freiheit neiden. Zum Mut brauche ich euch nicht auffordern. Das erlebe ich täglich, wenn ihr eure schmerzenden Muskeln einsetzt.«

»Wann werden wir unsere Trainingspartner werfen können.«