Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Seelische Archetypen Der Magier, der Entdecker, der Rebell oder der Künstler - diese und weitere fantastisch anmutende Gestalten begegnen uns in Märchen, Filmen und auch in unseren Träumen, seit wird Kinder sind. Doch woher kommen sie? Woher stammen diese zeitlos und allgegenwärtig scheinenden Figuren und was steckt eigentlich hinter ihnen? Die kurze Antwort: Es ist nichts anderes als die Aufschlüsselung unseres Seelenlebens, das uns hier vor Augen geführt wird und welch mächtige Möglichkeiten das bietet, zeigt Ihnen nun dieses Hörbuch. Selbstfindung Guter Job, neues Auto, schicke Wohnung, toller Partner - und trotzdem sind Sie nicht so glücklich, wie Sie doch eigentlich sein sollten? Sie ernten Zuspruch, Anerkennung und gehören dazu, aber irgendwo tief drinnen fühlen Sie sich einfach nur leer? Kein Wunder, denn wer sein Leben nach anderen ausrichtet, verliert sich selbst - aber die gute Nachricht ist: Das lässt sich jederzeit ganz leicht ändern! Inneres Kind heilen Sagt man Ihnen nach, Sie seien ein Perfektionist? Sind Sie überaus harmoniesüchtig, reagieren Sie auf bestimmte Konflikte in der Partnerschaft mit Eiseskälte oder blinder Wut? Wollen Sie es anderen oft recht machen, bis Sie sich erschöpft fühlen, geht es sogar bis hin zur Selbstaufgabe? Sind es immer ähnliche Situationen, in denen Sie ungewöhnlich emotional reagieren? Dies alles könnten Hinweise sein, dass Sie in Ihrer Kindheit Narben davongetragen haben, die noch auf eine Heilung warten. Ich möchte Sie auf eine Zeitreise einladen. Eine Reise in Ihre Vergangenheit. Resilienz trainieren Es gibt Menschen, die einen genauen Plan davon haben, wie sie ihre Ziele konsequent erreichen, und keinerlei Zweifel aufkommen lassen, dass sie das auch wirklich schaffen. Andere Menschen hingegen haben keine dieser Eigenschaften und fühlen sich deshalb schnell überfordert oder einer Situation gar nicht erst gewachsen. Jetzt kommen wir zu der Frage, was ist der entscheidende Unterschied zwischen ihnen?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 407
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Alle Ratschläge in diesem Buch wurden sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags für jegliche Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Seelische Archetypen
Der Kompass zu mir selbst
Inneres Kind verstehen & heilen
Innere Stärke & Willenskraft trainieren
- Das Praxisbuch -
Wie Sie die 12 Archetypen der Seele leicht verstehen, Ihre Persönlichkeit neu entdecken und zu einem authentischen Leben finden
Luisa Wienberg
Was wir Instinkte nennen, sind physiologische Impulse, die mit den Sinnen «außen» wahrgenommen werden. Gleichzeitig erscheinen sie aber auch «innen» in Fantasien und verraten ihre Gegenwart oft durch symbolische Bilder. Diese «inneren» Erscheinungen sind es, die ich als Archetypen bezeichne. Ihren Ursprung kennt man nicht; sie tauchen jederzeit auf, überall in der Welt.
~ C.G. Jung, Der Mensch und seine Symbole
Wer schon einmal über den Begriff der Archetypen gestolpert ist, hat in diesem Zusammenhang sicher auch den Namen Carl Gustav Jung gehört. Doch sind die Archetypen der Seele weder seine Erfindung noch seine Entdeckung. Wie der Begriff Archetyp – von archaisch, frühzeitlich – bereits vermuten lässt, ist dieses Konzept viel älter, auch wenn Jungs Lebenszeit und die Zeit seiner Arbeit in den 40er- und 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts ebenfalls schon eine Weile zurückliegen. Vielmehr hat er dieses uralte Konzept wiederentdeckt, aufgegriffen und in eine für unsere Zeit besser verständliche Sprache übertragen. Die ursprüngliche Idee der Archetypen stammte nämlich aus der Antike, von einem ebenfalls sehr bekannten Menschen: dem Philosophen Platon. Die Archetypen als Idee zu bezeichnen, trifft es jedoch auch nicht so richtig, was also sind sie denn nun? Platon nannte die Archetypen Formen und damit kommen wir ihrer Bedeutung bereits um einiges näher.
Am besten ließe sich der Begriff jedoch definieren, legte man beide Namen zusammen und machte daraus die archetypischen Formen der Seele. Auf diese Art entsteht langsam ein Bild, welches die wahre Bedeutung dieses doch ein wenig abstrakten Begriffes erahnen lässt.
Archetypen sind so etwas wie uralte Formen oder Schablonen, die Teil unser aller Seelen und Persönlichkeiten sind. Sie sind komplex und vielschichtig, denn zum einen beschreiben sie bestimmte Erfahrungen und die damit einhergehenden Emotionen, die ein grundlegender Teil des menschlichen Lebens und damit uns allen gemeinsam sind. Gleichzeitig kann man sie auch als eigenständige Persönlichkeiten oder Persönlichkeitsanteile betrachten, die uns allen innewohnen. Man kann sich das so vorstellen wie bei Menschen mit gespaltener Persönlichkeitsstörung – heute dissoziative Identitätsstörung oder DIS –, die über viele verschiedene Egos verfügen.
Diese Egos treten situationsbedingt auf und übernehmen die Kontrolle, dabei zeigen sie sich stark unterschiedlich. Damit will ich natürlich nicht sagen, wir alle seien geisteskrank, denn bei dieser Persönlichkeitsstörung liegen selbstverständlich traumatische und krankhafte Ursachen dafür vor, dass diese Anteile, die in uns allen leben, beginnen, ein Eigenleben zu führen. Dennoch sind wir alle im Grunde zutiefst gespalten, denn unsere Seele besteht aus dem komplexen Zusammenspiel der verschiedensten Persönlichkeitsanteile.
Im Normalfall arbeiten diese einzelnen Anteile mehr oder weniger harmonisch zusammen, im Falle der dissoziativen Persönlichkeitsstörung gibt es jedoch zu viele innere Konflikte, um auch nur eine halbwegs ungestörte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Doch auch bei geistig gesunden Menschen geraten diese inneren Anteile immer wieder einmal in Konflikte und verlangen so von uns beständiges geistiges Wachstum, um diese lösen zu können. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Archetypen nicht nur wichtig, sondern sie kann auch überaus hilfreich dabei sein, sich selbst und andere Menschen sowie das Leben an sich besser zu verstehen. Indem wir die Archetypen verstehen, können wir auch die menschliche Reise durch das Leben verstehen. Wir können unseren eigenen, höchst individuellen Sinn im Leben finden und unsere Berufung. Wir können begreifen lernen, warum uns bestimmte Dinge immer wieder geschehen, warum bestimmte Emotionen in uns auftauchen und uns zu Handlungen bringen, die scheinbar untypisch für uns sind. Zu guter Letzt können sie uns vor allem dabei helfen, Harmonie und Frieden in uns selbst zu finden und wahrhaft authentisch zu leben.
Die Beschäftigung mit den Archetypen kann und wird uns jedoch auch an unsere eigenen Grenzen führen, denn sie konfrontiert uns auch mit unseren dunklen Anteilen und den Eigenschaften unseres Selbst, die wir als falsch empfinden, verdrängen und nicht sehen wollten: unseren Schatten. Deshalb wird sich dieser Weg auch von Zeit zu Zeit unangenehm oder gar erschreckend und beängstigend anfühlen. Aus genau diesem Grund wird Persönlichkeitsarbeit so häufig gemieden oder zu früh abgebrochen. Doch wenn wir uns unseren Schatten nicht stellen und sie ignorieren, werden sie sich früher oder später gegen uns wenden. Dabei helfen uns gerade die Archetypen mehr als jedes andere Modell der Psychologie, unsere dunklen Triebe, Charaktereigenschaften und Emotionen wirklich in der Tiefe zu verstehen. Das macht sie zu unschätzbaren Helfern dabei, uns selbst und andere besser zu verstehen und somit die Qualität unserer Beziehungen zu verbessern. Möglich wird dies, indem die Archetypen in Formen daherkommen, die uns allen zutiefst vertraut sind:
Sie begegnen uns in den klassischen Charakteren unserer Märchen genauso wie in Filmen und Büchern. Der Held und der Bösewicht sind nur ein Beispiel für Archetypen in unendlich vielen Geschichten. Indem wir diese Charaktere durch Geschichten erleben können, lernen wir sie in der Tiefe kennen. Wir verstehen, was sie bewegt und warum sie so sind, wie sie eben sind, denn es ist immer bedeutend einfacher, andere zu verstehen als sich selbst. Geschichten spiegeln uns unsere eigenen inneren Prozesse, sodass wir sie wiedererkennen können. Dadurch können sie uns auch unsere blinden Flecken aufzeigen. Das ist der eigentliche Zweck hinter der Existenz der alten Märchen. Doch es gibt noch einen anderen „Ort“, an dem uns die Archetypen regelmäßig begegnen: in unseren Träumen. Dort sprechen sie zu uns und geben uns Antworten auf unsere Fragen und Probleme, dort halten sie uns den Spiegel gnadenlos vors Gesicht und genau dort haben wir die beste Chance, ihre Botschaft zu verstehen. Dies bringt uns wieder zurück zu Carl Gustav Jung, denn die psychologische und analytische Traumdeutung, die er entwickelte, nutzt eben dieses Konzept der Archetypen für die Entschlüsselung von Traumbotschaften.
Jung war einer der drei Begründer der analytischen Psychologie und Kollege von Sigmund Freud, dem „Vater“ der Tiefenpsychologie1. Ebenfalls an dieser Stelle zu benennen, wäre noch Alfred Adler, der die Individualpsychologie begründete. Diese drei Ärzte und Psychologen lebten zur gleichen Zeit und prägten der Psychologie ihren eigenen Stempel auf, wie es bisher kein anderer geschafft hat. Dabei haben sich Freud und Adler jedoch weit mehr damit befasst, die seelischen Triebkräfte zu studieren, als damit, wie man dieses Wissen für die menschliche Entwicklung nutzbar machen kann. Für Jung war dies jedoch der Hauptgrund, sich mit den „psychischen Abgründen“ der Menschen zu befassen. Er strebte nach einer ganzheitlichen Psychologie, die sowohl kranken als auch gesunden Menschen ermöglichen sollte, die ihnen innewohnenden Kräfte zu nutzen, um sich selbst bestmöglich entwickeln zu können. Er empfand ein Leben in einem Zustand der inneren Harmonie und Ausgeglichenheit als grundlegendes Menschenrecht. Deshalb suchte Jung nach Wegen, die es jedem Menschen, ganz unabhängig von Herkunft, Bildungsstand und gesellschaftlicher Schicht, ermöglichen sollten, diesen Weg zu finden und zu gehen.
Als Jung auf das Konzept der Archetypen stieß, begriff er deren übermächtiges Potenzial, um uns auf dieser menschlichen Reise als Wegweiser und Orientierung zu dienen. So entstand die analytische Psychologie von Carl Gustav Jung, die bis heute unumstritten einer der Grundpfeiler der modernen Psychologie ist und die im Kern mit ebendiesen seelischen Archetypen arbeitet. Das hier vorliegende Werk soll dieses Konzept nun ausführlich beleuchten und erklären, um es für jeden greifbar und verständlich zu machen, sowie gleichzeitig Wege aufzeigen, wie wir dieses Wissen für uns selbst, unsere Persönlichkeitsentwicklung und unsere persönliche Lebensreise nutzbar machen können.
1Tiefenpsychologie: Es handelt sich hierbei um ein Teilgebiet der Psychologie, welches sich darauf konzentriert, die Inhalte des Vor- und Unbewussten sichtbar zu machen, um seelische Probleme zu lösen.
Ziel dieses Buches ist es, dem Leser ein umfassendes und vor allem grundlegendes Verständnis über die Thematik der seelischen Archetypen zu vermitteln. Es soll ihn in die Lage versetzen, das hier vermittelte Wissen für sich selbst und den Weg seiner Persönlichkeitsentfaltung praktisch anwenden zu können. Dafür ist es zunächst einmal notwendig, zu verstehen, warum der Weg der Persönlichkeitsentfaltung überhaupt wichtig ist und wie diese letztendlich zu einem erfolgreichen, harmonischen und vor allem zufriedenen Leben führen kann, auch wenn es sich dabei sicher um keinen einfachen Weg handelt. Deshalb beginnen wir, uns im ersten Kapitel mit den Grundlagen der analytischen Psychologie zu beschäftigen, damit, wie sie entstand und wie ihr Begründer, Carl Gustav Jung, die Psyche des Menschen verstand. Da das von ihm entwickelte Persönlichkeitsmodell so komplex und vielschichtig, wie die Thematik der Archetypen selbst, ist, betrachten wir vergleichsweise auch die Modelle seines Konkurrenten: Sigmund Freud. Hierbei handelt es sich um leichter verständliche Varianten, die sich in Grundzügen jedoch in Jungs Modell widerspiegeln und somit eine echte Verständnishilfe sein können. Diese wird auch dringend benötigt, wenn wir uns abschließend Jungs Individuationsprozess widmen, also dem Weg der Selbstentfaltung, auf dem die Archetypen von so überaus großem Nutzen sein können.
Direkt im Anschluss daran, im zweiten Kapitel, kommen wir bereits auf die grundlegendsten archetypischen Formen zu sprechen: Anima und Animus oder, anders gesagt, die männlich-weibliche Polarität, die unser aller Wesen zugrunde liegt. An dieser Stelle wird ein tiefgehendes Verständnis der Polarität vermittelt, mit dem Ziel, endlich die Verwirrung über die Geschlechterrollen sowie die ewige Frage „Was ist männlich und was ist weiblich?“ in Klarheit zu verwandeln. In diesem Kapitel lernt der Leser ganz praktisch, was es bedeutet, seine inneren männlichen und weiblichen Anteile auszubalancieren, und natürlich auch, wie dies zu bewerkstelligen ist. Ein Persönlichkeitstest gibt hier Aufschluss darüber, wie gut diese polaren Anteile bereits in Balance sind und woran noch gearbeitet werden muss.
Im dritten Kapitel widmen wir uns dann weiteren archetypischen Grundformen, die in Form der seelischen Jahreszeiten und der menschlichen Entwicklungsphasen daherkommen. Die seelischen Jahreszeiten unterliegen ganz bestimmten emotionalen Qualitäten und bringen jeweils eigene, spezifische Anforderungen an den Menschen mit sich. Dabei gilt es, diese in Einklang mit der jeweiligen Entwicklungsphase zu bringen, die ebenfalls über jahreszeitliche Qualitäten verfügt. Auch hier erwarten den Leser wieder zahlreiche praktische Beispiele und Tipps zur Umsetzung des neuen Wissens. Kapitel vier widmet sich dann ganz ausführlich den sogenannten seelischen Archetypen, die sich als eigene Charaktere präsentieren. Ihre positiven und negativen Eigenschaften, ihre Motivationen und Emotionen werden ausführlich beleuchtet und erklärt. So lernt der Leser nicht nur, die entsprechende archetypische Energie in einem Menschen zu erkennen, sondern auch, diese in der Tiefe zu verstehen. Dabei konzentrieren wir uns auf die zwölf wichtigsten Typen, die auch in der Literatur und auf diversen Webseiten zu finden sind. Dies geschieht jedoch auf eine neue Art und Weise, denn die Archetypen werden häufig falsch verstanden oder zu einseitig betrachtet. Deshalb werden uns einige dieser Typen mit neuen, treffenderen Namen sowie mit viel mehr charakterlicher Tiefe begegnen. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns zum Abschluss damit, auf welche Art die Archetypen uns im Leben begegnen und dieses damit prägen. Wir entwickeln ein Verständnis für ihre Botschaft und ihr Geschenk und lernen, dieses praktisch anzuwenden und für uns zu nutzen.
Wer nun neugierig geworden ist auf das, was kommt, und die Begegnung mit den eigenen Schatten nicht scheut, der ist herzlich eingeladen, sich mit mir auf die Reise zu machen. Diese Reise enthält den Schlüssel zur Entwicklung des Bewusstseins und einem erfolgreichen Leben.
Aufbau, Struktur und Funktionsweise der menschlichen Psyche waren schon immer ein heiß umstrittenes Thema, welches bis heute nicht an Faszination verloren hat. Der Begriff Psyche stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt Seele, schon allein daraus lässt sich ableiten, wie lange die Menschheit sich bereits Gedanken darüber macht. Dennoch existiert bis heute kein einziges Modell, welches in der medizinischen Psychologie allgemeine oder alleinige Gültigkeit hätte. In der Antike wurde die Psyche des Menschen eher in einem religiösen oder spirituellen Kontext untersucht, dann kam die wissenschaftliche Revolution und sorgte dafür, dass der Blick auf die Psyche diesen Blickwinkel vollständig ausschloss. So entstanden die verschiedensten Modelle, entwickelt von mehr oder weniger bedeutenden Psychoanalytikern, die versuchten, die menschliche Psyche auf eine Ebene zu reduzieren, die mit wissenschaftlichen Methoden nachweisbar ist. Dies gelang den meisten auch mehr oder weniger gut, doch ist die Seele des Menschen bis heute ein wenig rätselhaft und bringt die gängigen Modelle, mit denen in der Psychoanalyse heute gearbeitet wird, auch gerne einmal in Bedrängnis.
In Bezug auf diese Thematik sticht Carl Gustav Jung2 aus der Masse der verschiedenen Modelle heraus, denn er verfügte neben seinen großen rationalen Fähigkeiten auch über eine starke spirituelle Ader. Sein Ziel war es, Wissenschaft und Spiritualität miteinander zu verbinden und das von ihm entwickelte Konzept des kollektiven Unbewussten – der „Heimat der Archetypen“ – bringt genau dies zum Ausdruck. In wissenschaftlichen Kreisen wurde er für seine unkonventionellen Ansichten gewissermaßen verteufelt, man betrachtete ihn als esoterisch, anstößig und provokativ und verbannte ihn schlussendlich aus der Scientific Community3. Dieser Ruf haftet ihm bis heute an, dennoch werden die Kosten für die Psychotherapie nach Jung von den Krankenkassen getragen, und das, obwohl diese Therapieform einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält. Auch wenn dies bis heute den Tatsachen entspricht, existieren jedoch einige wissenschaftliche Theorien aus anderen Forschungsbereichen, die ebenfalls auf die Existenz eines kollektiven Unbewussten hindeuten. Diesen Theorien widmen wir uns am Ende dieses Kapitels.
Die heutige Psychologie arbeitet mit den verschiedensten Ansätzen zur Heilung psychischer Störungen, bei denen auch unterschiedliche Modelle der Psyche zugrunde liegen. Für den Kontext dieses Buches würde es zu weit führen, sämtliche existierenden Modelle im Detail vorzustellen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die zwei Varianten, die für die Thematik der Archetypen von Bedeutung sind: auf die beiden Modelle, die Sigmund Freud entwickelte, also das topografische Modell und das Instanzenmodell, und auf das Modell von Carl Gustav Jung. Freuds Persönlichkeitsmodell ist bis heute nicht nur das bekannteste, sondern es findet nach wie vor seine Anwendung in der tiefenpsychologischen Psychotherapie. Gleiches gilt für Jungs Persönlichkeitsmodell, das der analytischen Psychotherapieform zugrunde liegt. Jungs Verständnis der menschlichen Psyche weist zumindest in Grundzügen einige Gemeinsamkeiten mit dem von Freud auf, stellt jedoch einen Blick auf die menschliche Psyche aus einer anderen, vor allem erweiterten Perspektive dar. Doch bevor wir uns mit Jungs Ansichten im Detail befassen, kommen wir zunächst zu den Grundlagen, also den Modellen von Sigmund Freud. Im Vergleich zu C. G. Jungs Modell der Psyche sind diese relativ einfach zu verstehen und bieten deshalb einen guten grundlegenden Einstieg in die Thematik, weil sie mit ähnlichen Strukturen, Dynamiken und Instanzen arbeiten wie Jung in seinem weit komplexeren Modell.
Dieses erste Modell wird heute immer wieder als Eisbergmodell der Psyche nach Freud angepriesen, angelehnt an das Prinzip, nach dem von einem Eisberg lediglich acht Prozent über Wasser liegen und damit sichtbar sind (Bewusstsein) und die restlichen zweiundneunzig Prozent verborgen unter Wasser liegen (Vor- und Unbewusstsein). Freud selbst hat diese Analogie jedoch nie herangezogen, um sein Modell zu beschreiben, es lässt sich nicht einmal genau nachvollziehen, wer diese zuerst aufbrachte. Dies sei jedoch nur am Rande erwähnt für all jene, die eigene Nachforschungen anstellen möchten, um tiefer in die Materie einzusteigen und dabei möglicherweise in Verwirrung geraten.
Im Zuge seiner praktischen Erfahrungen in der Arbeit mit Patienten erkannte Freud mit der Zeit, dass sein topografisches Modell nicht ausreichte, die komplexen Vorgänge in der Psyche eines Menschen hinreichend zu erklären. Es wurde notwendig, sich näher mit der Frage zu befassen, was darüber entschied, welche Inhalte bewusst und welche verdrängt wurden. Dabei stellte er fest, dass die Unterteilung der Psyche in „Orte“ nicht funktionierte, da es sich eher um unterschiedliche Instanzen zu handeln schien. Die topografische Einteilung, die er im ersten Modell getroffen hatte, wurde dadurch jedoch nicht ungültig, denn sie schien die drei Instanzen, die er erkannte, gewissermaßen zu durchziehen. So entstand sein Instanzenmodell, nach dem sich die menschliche Psyche in die Instanzen „Ich“, „Es“ und „Über-Ich“ aufteilt. Nun könnte man denken, das „Ich“ stehe für das Bewusstsein und das „Es“ für das Unbewusstsein, an dieser Stelle wird es jedoch etwas komplizierter, deshalb sehen wir uns die einzelnen Instanzen, ihre Entstehung und Funktionen einmal im Detail an.
Das Es
Zu Beginn, also bei der Geburt eines Menschen, existiert lediglich das Es, welches in seinen Grundlagen angeboren ist und sich nach der Geburt weiterentwickelt. Es enthält sämtliche Instinkte, Triebe und Bedürfnisse, die für das Überleben des Individuums notwendig sind, zum Beispiel die Bedürfnisse nach Nahrung, Liebe, Geborgenheit und Sicherheit. Das Es sorgt dafür, dass diese Bedürfnisse nach Erfüllung streben, es ist also geprägt durch seine Triebkraft und damit die erste frühe Form der sogenannten Libido. Je nachdem, wie und ob die Bedürfnisse eines Neugeborenen befriedigt werden und wie seine Umwelt auf diese reagiert, formt sich so mit der Zeit die Triebstruktur eines Menschen, die man auch als seinen unbewussten Charakter bezeichnen könnte. Wird das Kind in dieser Zeit überversorgt oder vernachlässigt, führt dies bereits zur Ausbildung einer problematischen Struktur.
Im Falle der Überversorgung entwickelt ein Kind einen unbewussten Grundcharakter, der die Erfüllung seiner Bedürfnisse als vollkommen selbstverständlich empfindet. Daraus kann im Extremfall zum Beispiel pathologischer Narzissmus entstehen, genauso wie eine Unfähigkeit, mit Problemen und Herausforderungen umzugehen. Kinder, die vernachlässigt wurden, entwickeln eher unbewusste, manipulative Verhaltensweisen, die ebenfalls später zu erheblichen Problemen im Sozialverhalten führen. Diese Kinder haben gelernt, dass ihre Bedürfnisse nur erfüllt werden, indem sie andere manipulieren, jedoch läuft diese Manipulation unbewusst ab. Als Erwachsene sind sie nicht in der Lage, Authentizität zu leben und echte, tiefe Beziehungen zu führen. Sie werden von den meisten Menschen wieder verlassen, sobald diese bemerken, dass sie manipuliert werden. Dadurch verstärkt sich die Notwendigkeit, andere zur Bedürfniserfüllung zu manipulieren, und es entsteht ein sich selbst verstärkender Teufelskreis, aus dem es kaum ein Entkommen gibt. Selbst im Falle optimaler Bedingungen, die zur Zeit der Entwicklung des Es bestehen, bleibt dieser Teil der Psyche doch zum größten Teil immer von der Dunkelheit des Unbewussten umhüllt und der Ratio und Vernunft unzugänglich. Freud selbst beschrieb das Es folgendermaßen:
„Es ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen.“
~ Sigmund Freud, 1944, Neue Folge der Vorlesungen, Seite →
Das Ich
Je älter ein Kind nun wird, desto mehr erfährt es sich selbst als ein von seiner Umwelt getrenntes Wesen. So entwickeln sich mit der Zeit das Bewusstsein für das eigene Ich und den eigenen Körper sowie eigene Gefühle und Bedürfnisse. Diese Entstehung des frühen Ichs beginnt ab dem vierten Lebensmonat und endet mit der Vollendung des vierten Lebensjahres. Dabei entsteht das Ich aus dem Es heraus und bildet gewissermaßen eine Schicht, die dieses umgibt und es begrenzt. Diese erste oder frühe Schicht ist jedoch noch weitgehend unbewusst und wurde geformt durch die frühen Prozesse der Sozialisierung, also durch die Art und Weise, wie die Umwelt des Kindes mit ihm agiert hat. Die Bedürfnisse und Emotionen, die auf diese Art im Kind entstanden sind, prägen seinen grundlegenden Charakter und wurden von Freud als „Triebabkömmlinge des Es“ bezeichnet. Ab dem fünften Lebensjahr beginnt das Ich, sich immer bewusster zu entwickeln, denn mit der Entstehung des frühen Ichs beginnt gleichzeitig auch die Ausbildung des Über-Ichs. Dadurch wird es für das Ich zunehmend notwendig, eine vermittelnde Funktion zwischen dem Es, dem Über-Ich sowie den Anforderungen der äußeren Realität einzunehmen.
Das Über-Ich
Beim Über-Ich handelt es sich schlussendlich um eine Instanz, die dem Kind zunächst von der Außenwelt aufgeprägt wird. Es handelt sich zu Beginn um die Werte und Normen der Menschen, die den größten Einfluss auf das Kind haben, also vor allem der Eltern, später dann auch der Erzieher und Lehrer, der Freunde und Verwandten sowie des weiteren sozialen Gefüges in Form von Staat und Gesellschaft. Das Kind lernt das „Richtig“ und „Falsch“ der sozialen Gruppe, in der es lebt, und entwickelt dann mit zunehmendem Alter, unter anderem auch durch Akte der Rebellion, zusätzliche, eigene Wertvorstellungen. Das Über-Ich ist deshalb so etwas wie die Idealvorstellung des eigenen Selbst, es gibt dem Menschen die Ziele vor, nach denen er strebt, und übernimmt auch die Funktion des (sozialen) Gewissens. Dabei bleibt es im Grunde das gesamte Leben hindurch flexibel und kann sich, sofern der Mensch dies will, immer wieder anpassen, erweitern oder neu formen. Wertvorstellungen können und werden im Laufe eines Lebens immer wieder überprüft und hin und wieder auch gänzlich erneuert. Da die Inhalte des Über-Ichs zu einem großen Teil jedoch lediglich vorbewusst sind, erfordert es bewusste Arbeit vom Ich, um dies zu ermöglichen.
An dieser Stelle sollte nun klar werden, dass keine dieser drei psychischen Instanzen als rein bewusst, vorbewusst oder unbewusst betrachtet werden kann. Vielmehr scheint Freuds erste, topografische Einteilung der Psyche sich gewissermaßen über sämtliche Instanzen zu verteilen. Jede einzelne Instanz, also sowohl das Es, das Ich als auch das Über-Ich, sind anteilig unbewusst, vorbewusst4 und bewusst zugleich, wobei der wahrhaft bewusste Teil tatsächlich den geringsten Raum einnimmt. Dennoch kann man auch dieses Instanzenmodell gewissermaßen als eine Art Topografie betrachten, denn wir haben es hier mit drei einander umgebenden Schichten zu tun. Im Kern findet sich das Es, mit dem die Menschwerdung beginnt, dieses wird umgeben vom Ich, welches wiederum vom Über-Ich umgeben wird. Das in der Mitte liegende Ich übernimmt dabei die wichtige Aufgabe, zwischen den triebhaften Forderungen des Es, den moralischen Ansprüchen des Über-Ichs und den Anforderungen der äußeren Realität zu vermitteln und diese bestmöglich miteinander in Einklang zu bringen. Somit ist der menschliche Charakter, nach Ansicht von Sigmund Freud, bestimmt durch seine angeborenen Triebe, deren bedingungslose Auslebung durch das Über-Ich begrenzt wird.
Jung befand Freuds Instanzenmodell nur in wenigen Grundzügen stimmig und entwickelte während seiner beruflichen Laufbahn ein eigenes Modell, welches mit dem seines Kollegen Sigmund Freud nur im Ansatz vergleichbar ist. Es ist um einiges komplexer und vielschichtiger, dennoch kann das Verständnis von Freuds Sichtweise auf die Psyche dabei helfen, die Theorien von Jung besser zu verstehen. Jung beschreibt die Psyche des Menschen mithilfe einer Struktur, die aus verschiedenen Instanzen besteht, also ähnlich wie Freud, und geht dabei auch auf die Dynamiken zwischen diesen ein. Darüber hinaus fügt Jung Freuds Instanzen noch weitere hinzu, die wissenschaftlich betrachtet (noch) nicht nachweisbar sind. Außerdem versteht er die Dynamiken innerhalb der Psyche sowie deren Entstehung anders als Freud. Zu Beginn werden wir uns jedoch erst einmal die einzelnen Instanzen genauer ansehen.
Das Selbst
Das Selbst bildet zum einen den Kern der Psyche, ist zugleich aber auch die Gesamtheit derselben, je nach Betrachtungsweise. Aus esoterischer oder spiritueller Sicht könnte man das Selbst als den göttlichen Wesenskern des Menschen betrachten, aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht eher als eine Art Keim der Psyche. Es ist deshalb sowohl Ursprung und Mitte der Persönlichkeit als auch deren Gesamtheit. Das Selbst wird als nicht bewusst betrachtet, doch gehen aus ihm das bewusste Ich und der unbewusste Schatten hervor. Es kennt keinerlei Polarität, auch wenn sie durch dieses entsteht, indem es Gegensätze hervorbringt. Es kennt nur sein Ziel und den Drang, dieses zu erreichen, den es an das Ich weitergibt.
Dennoch ist es nicht vergleichbar mit Freuds Über-Ich, denn das Über-Ich ist eine durch äußere Reize, also durch die Wertvorstellungen der Außenwelt, entstandene Instanz. Das Selbst hingegen ist von Geburt an vorhanden und kontrolliert die Vorgänge innerhalb der Psyche von Beginn an auf unbewusster Ebene.
Diese Instanz tatsächlich zu begreifen ist im Prinzip unmöglich, das Selbst entzieht sich jedem Versuch einer genauen Betrachtung oder Klassifizierung. Es ist nicht greifbar und doch spürbar. Jung selbst war der Auffassung, dass es dem Menschen niemals gelingen könnte, das Selbst vollständig bewusst zu machen und damit zu begreifen:
„Es übersteigt unser Vorstellungsvermögen, uns klarzumachen, was wir als Selbst sind, denn zu dieser Operation müßte der Teil das Ganze begreifen können. Es besteht auch keine Hoffnung, daß wir je auch nur eine annähernde Bewußtheit des Selbst erreichen, denn, soviel wir auch bewußt machen mögen, immer wird noch eine unbestimmte und unbestimmbare Menge von Unbewußtem vorhanden sein, welches mit zur Totalität des Selbst gehört. Und so wird das Selbst stets eine uns übergeordnete Größe bleiben."
~Jung 1933, S. 70 f
Das Ich
Beim Ich handelt es sich um den sich selbst bewussten Teil der menschlichen Psyche, um das Ich-Bewusstsein, welches durchaus mit Freuds Ich-Instanz vergleichbar ist. Es ist stark mit sich selbst identifiziert und besteht aus diversen Idealvorstellungen seiner Selbst und der Identifikation mit diesen Idealen. Es ist ein Zusammenspiel aus Emotionen, Gedanken, Erinnerungen und Wahrnehmungen, die das Ich formen, was Jung als einen sogenannten Komplex oder auch den Ich-Komplex bezeichnet. So besteht die gesamte Psyche aus einem Zusammenspiel der verschiedensten bewussten und unbewussten Komplexe, von denen das Ich nur einer unter vielen ist. Dabei bildet es jedoch das Zentrum aller bewussten Vorgänge. Man kann das Ich auch als das Ego oder das falsche Selbst bezeichnen, denn es ist eben nicht das Selbst, es ist sich dessen nicht einmal wahrhaftig bewusst. Hinzu kommt, dass auch das Ich nur zu einem kleinen Teil bewusst ist und von einem großen unbewussten Teil ergänzt wird.
Da das Ich sich selbst idealisiert, schiebt es alles, was nicht in seine Idealvorstellungen passt, von sich weg, so entsteht der Schatten. Gefühle, Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse, die vom bewussten Ich als negativ bewertet werden, werden durch Verdrängung in den unbewussten Teil geschoben und damit zum Schatten gemacht. So wie das Ich durch Verdrängung den Schatten erzeugt, erzeugt es auch durch Hervorhebung bestimmter Persönlichkeitsinhalte die Persona. Durch den Drang zur Individuation, der vom Selbst ausgeht, werden die verdrängten Anteile immer wieder zurück ins Bewusstsein streben, sei es über Träume oder Krankheitssymptome. Das Ich und das Selbst sind verbunden, schließlich ging das Ich aus dem Selbst hervor, so besteht eine Art von Kommunikation zwischen beiden, die dazu führt, dass das Ich durch Reflexion zum Selbst, also zu seinem Ursprung, strebt. Dies ist Teil des Individuationsprozesses und geschieht über die sogenannte Ich-Selbst-Achse, die natürlich nicht im physischen, sondern im übertragenen Sinne zu verstehen ist.
Die Persona
Unter Persona verstand Jung den Teil des Ich-Bewusstseins, der nach außen hin repräsentiert wird. Die hier gezeigten Charaktereigenschaften, Neigungen, Interessen und Emotionen werden durch das geprägt, was das Ich durch Übernahme der Werte und Normen der Außenwelt als richtig und positiv eingestuft hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles, was zur Persona gehört, auch echt sein muss bzw. dass die Persona alles zeigt, was tatsächlich in einem Menschen steckt. Aus diesem Grund wird sie auch als die Maske bezeichnet, denn sie ist eine idealisierte, angepasste Version des Ich-Bewusstseins. In diesem Zusammenhang kann man einen Bezug herstellen zu Freuds Über-Ich, jedoch nicht, indem man die Persona als Über-Ich bezeichnet. Vielmehr werden durch die Persona eben jene Aspekte eines Menschen zur Schau gestellt, die Inhalt von Freuds Über-Ich sind.
Der Schatten
Der Schatten entsteht gemeinsam mit der Persona eines Menschen aus einem simplen Grund. Damit das Ich-Bewusstsein die Persona erzeugen und aufrechterhalten kann, ist es notwendig, dass alles, was nicht zu der angestrebten Persona passt, aus dem Bewusstsein entfernt wird. Bewusste Anteile dauerhaft zu verbergen, würde einen enormen Energieaufwand bedeuten, weshalb die ungewünschten Anteile und Eigenschaften vom Ich in das Unbewusstsein verdrängt werden. Auf diese Art entsteht der Schatten des Menschen, der gänzlich unbewusst ist. Durch die Verdrängung ins Unbewusste sind diese Anteile, Neigungen und Eigenschaften jedoch nicht verschwunden, da auch das Unbewusste ja nur ein Teil des Ichs ist. Sie drängen ständig wieder nach oben, ins Licht des Bewusstseins. Diese Tatsache führt dazu, dass wir sie häufig unbewusst ausagieren und dies von unserer Umwelt durch entsprechende Reaktionen zurückgespiegelt bekommen. Solange diese Anteile jedoch der Verdrängung unterliegen, ist dies für den Menschen eben nicht wahrnehmbar und die Reaktion der Umwelt damit unverständlich. Erst wenn verdrängte Anteile zumindest vorbewusst werden, können Sie uns auffallen, jedoch immer noch unverständlich. Auf diese Art entsteht der Mechanismus der Projektion, bei dem uns an anderen Menschen genau die Anteile negativ auffallen und verärgern, die wir in uns selbst verdrängt haben.
Das persönliche Unbewusste, Anima und Animus
Jungs persönliches Unbewusstsein entspricht im Grunde Freuds Vorstellung des vor- und unbewussten Teils der menschlichen Psyche. Der Schatten ist ebenso ein Teil dieses Bereichs wie die Anima, also der weibliche Anteil eines Mannes, und der Animus, der männliche Anteil einer Frau. Das Unbewusstsein unterliegt nach Jung somit einer Polarität, die sich im Bewusstsein mehr oder weniger zeigt. Einige Menschen zeigen von Beginn an starke, scheinbar umgekehrte Polaritäten, zum Beispiel Frauen mit starker männlicher Ausprägung im psychischen Bereich oder umgekehrt. Andere Menschen hingegen erscheinen rein männlich oder rein weiblich, jedoch hat jedes Geschlecht seinen Gegenpol ebenfalls in sich und es gilt, diesen zu integrieren.
Das kollektive Unbewusste und die Archetypen
Hiermit kommen wir zu dem Aspekt von Jungs Persönlichkeitsmodell, der nicht nur absolut einzigartig ist und dadurch auch eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Das kollektive Unbewusste war auch der Hauptgrund für die überaus scharfen Kritiken der Fachwelt, denen Jung sich ausgesetzt sah. Nach Vorstellung von Freud existierte eben nur ein Unbewusstsein und er hielt dieses für angeboren. Jung differenzierte diese Vorstellung. Für ihn war das kollektive Unbewusste der Teil des Unbewussten, der tatsächlich angeboren ist, doch enthielt es noch keinerlei persönliche Anteile. Die individuellen Merkmale eines Menschen, die nach Freud bereits bei Geburt im Unbewussten angelegt sind, finden sich bei Jung als Anlage im Selbst. Das kollektive Unbewusste enthielte dagegen ein Sammelsurium des menschlichen Wissens und Erlebens sowie sämtlicher möglicher menschlicher Eigenschaften und Emotionen. Diese unendlich große Menge an Informationen zeigt sich in Form der Archetypen, indem menschliche Eigenschaften, Neigungen, Interessen, Stärken und Schwächen zu den unterschiedlichsten archetypischen Charakteren geformt werden.
Diese „Charaktere“, die Archetypen, leben tief in jedem von uns und geben unseren Weg vor, denn je nach Anforderungen der äußeren Welt greifen wir unbewusst auf diese Schablonen zu, um uns anzupassen. Somit formt sich das Ich aus den Inhalten des kollektiven Unbewussten und bildet so erst mit der Zeit eine individuelle Struktur und ein tatsächlich individuelles, persönliches Unbewusstsein heraus. Diese Entstehung des Individuums wird dabei noch zusätzlich geprägt durch die individuellen Eigenschaften des Selbst, welches ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt und so aus dem Unbewussten heraus den Menschen ein Leben lang in eine bestimmte Richtung treibt.
Psychische Dynamiken
Die Libido
Die von Carl Gustav Jung entwickelte analytische Psychologie5 versteht sich als Teilgebiet der Tiefenpsychologie nach Freud und Adler. Auch anhand dieser Tatsache kann man sein Modell der menschlichen Psyche als Weiterentwicklung von Freuds Instanzenmodell betrachten. Jegliche tiefenpsychologische Anschauung hat einen gemeinsamen Kern: die Dynamiken, die innerhalb der Psyche wirken, sowie die komplexe und einflussreiche Bedeutung des Unbewussten innerhalb dieser Dynamiken. Somit liegen diese Annahmen auch Jungs Modell der Psyche zugrunde, jedoch betrachtete er die Triebe, die dem Es entspringen, nicht als einzige Motivationskraft im Menschen. Freud nannte diese Triebenergie „Libido6“, wobei sie für ihn sexueller Natur war. Genau an diesem Punkt entstand die erste Unterscheidung im Modell von Jung, denn die Libido war für ihn eine im Grunde neutrale, psychische Energie, vergleichbar mit dem Chi der traditionellen chinesischen Medizin oder Platons Eros, welches die Lebensenergie des Menschen darstellt. Sexuelle Energie war für Jung lediglich eine von vielen Ausdrucksformen dieser Energie.
Genauso kann die Libido nach Jung auch als die Willenskraft eines Menschen betrachtet werden, wobei es unerheblich ist, ob sie konstruktiv oder destruktiv eingesetzt wird und wirkt. Die Menge an vorhandener Energie in der menschlichen Psyche ist immer gleich und wird lediglich ständig neu und auf verschiedene Art aufgeteilt. So wird ein Kleinkind seine Energie vorrangig auf die Erfüllung primärer Bedürfnisse richten, zum Beispiel auf Spiel und Nahrung. Sobald das Kind in die Schule kommt, teilt sich diese Energie neu auf, denn nun bestehen andere oder vielmehr erweiterte Anforderungen. Dabei unterschied Jung zudem zwischen einem progressiven und einem regressiven Energiefluss. Investiert ein Mensch Energie in Dinge, die ihn weiterbringen oder ihm guttun, zum Beispiel in Hobbys, Arbeit oder gute, zwischenmenschliche Beziehungen, bezeichnet man das als progressiven Energiefluss. Wird die psychische Energie jedoch in Dinge investiert, die keinen tatsächlichen Nutzen haben – dazu können Streitereien genauso gehören wie übermäßiger Konsum von Fernsehen oder Drogen –, nennt man dies einen regressiven Energiefluss. Ein regressiver Energiefluss führt dazu, dass die eingesetzte Energie gewissermaßen verpufft, da sie nicht tatsächlich zielführend ist. Gleichzeitig fehlt sie dann in anderen, meist wichtigeren Bereichen. Dies führt zu Störungen aller Art, unter anderem zu psychischen oder körperlichen Erkrankungen.
Der Individuationsprozess
Die nächste Unterscheidung oder vielmehr Ergänzung zu Freuds Ansichten traf Jung in Bezug auf das von Freud vertretene Kausalitätsprinzip der Psyche. Nach Freud ist die Psyche rein kausal, ihre Dynamiken unterliegen lediglich den Gesetzen von Ursache und Wirkung. Nach diesem Modell besteht die menschliche Psyche also lediglich aus Reaktionen auf die Reize der Umwelt, eigenverantwortliches Handeln ohne äußeren Anstoß existiert nicht. Jung ergänzte diese Ansicht durch das Finalitätsprinzip und erkannte somit in der menschlichen Psyche ein Ziel und damit eine weitere Dynamik: das Streben nach Zielen. Somit hat Jung dem Menschen eigenverantwortliches Denken und Handeln als erster Psychologe zuerkannt und ihn damit des Status einer Reiz-Reaktions-Maschine enthoben. An dieser Stelle kommen wir zur Individuation, der wohl wichtigsten Dynamik unserer Psyche. Dieser Prozess stellt das höchste Streben eines jeden Menschen dar und kann vereinfacht auch als Selbstfindungs- oder Selbstverwirklichungsprozess bezeichnet werden. Ziel der Individuation ist die Erfahrung der eigenen Vollständigkeit durch Bewusstwerdung der eigenen, unbewussten Anteile. Der Individuationsprozess verläuft jedoch nicht immer angenehm, weshalb er bei vielen Menschen bereits in frühem Alter ins Stocken gerät. Dennoch ist in der Vollendung dieses Prozesses das höchste Streben unseres Selbst zu finden.
Es geht im Rahmen der Individuation vor allem darum, sich selbst in der eigenen Vollständigkeit kennenzulernen. Das bedeutet, dass nicht nur die positiven Eigenschaften des Selbst in ihrer Gänze erkannt und integriert werden müssen, sondern auch die vermeintlich negativen. Dazu muss eine Neubewertung von „Richtig und Falsch“ stattfinden, die zu inneren Konflikten führen kann, jedoch zwingend notwendig ist. Für das Ich-Bewusstsein ist dies eine der schwierigsten und schmerzhaftesten Aufgaben, denn seine Hauptaufgabe ist es, ein positives Selbstbild zu erhalten. Deshalb verdrängt es immer wieder „negative“ Bilder, Emotionen und Eigenschaften, die ihm gewahr werden. Da die Seele jedoch immer zurück zur Vollständigkeit strebt, drängen diese unbewussten Inhalte immer wieder zurück ins Bewusstsein. So muss das Ich Wege finden, die eigene Widersprüchlichkeit anzuerkennen, um sich irgendwann als vollständig erfahren zu können. Für diesen Prozess ist eine bewusste Auseinandersetzung mit den Archetypen nicht nur äußerst sinnvoll, sondern auch besonders hilfreich. Denn eine Betrachtung bestimmter Charaktereigenschaften von außen kann uns dabei helfen, neue Blickwinkel und vor allem mehr Verständnis zu entwickeln.
Praxisbeispiel:
Ich-Selbst-Konflikt im Rahmen der Individuation
Es kann und wird im Laufe eines Lebens immer wieder vorkommen, dass das Ich eigene Wege gehen möchte, statt der vom Selbst angestrebten Richtung zu folgen. Meist kommt es zu solchen Situationen, wenn die Akzeptanz und Anerkennung durch andere größere Priorität haben als das Verfolgen eigener Wünsche und Ziele. Hierbei handelt es sich jedoch um einen wichtigen Teil innerhalb des Individuationsprozesses, denn dieser ist geprägt und zugleich angetrieben von inneren Konflikten. Im Grunde brauchen wir diese Konflikte, um überhaupt wachsen zu können, denn manchmal sind wir erst dann in der Lage, unser eigenes Potenzial zu erkennen, wenn wir daran gehindert werden, es auszuleben. Nehmen wir das Beispiel eines Kindes, welches mit großem kreativem Potenzial zur Welt gekommen ist. Dieses kreative Potenzial stellt das individuelle Potenzial dar, das sein Selbst entfalten möchte. Der Individuationsprozess dieses Kindes wird es also zeitlebens immer wieder in diese Richtung drängen. Nun wird das Kind jedoch in eine Familie geboren, die vollkommen andere, sogar gegenteilige Werte verfolgt.
Die Eltern sind zutiefst rationale und bodenständige Menschen von der Sorte, die alle kreativen Tätigkeiten als Zeitverschwendung ansehen und für die nur materieller Erfolg zählt. Dementsprechend werden sie das Kind prägen und es so immer wieder von seinem durch das Selbst vorgegebenen Weg abzubringen versuchen. Sie werden es drängen, einen bodenständigen Beruf zu ergreifen und seine Zeit nach ihren eigenen Wertvorstellungen sinnvoll zu gestalten. Das Kind wird nun immer wieder vor die Wahl gestellt: Entweder verfolgt es seinen eigenen Weg, gibt dem inneren Drang nach Kreativität nach und entfaltet auf diese Art seine ureigene, echte Persönlichkeit oder es gibt dem Druck von außen nach und passt sich an. Dann füttert es seine Persona, also sein falsches Ich. Diese Entscheidung hätte jedoch ihre Konsequenzen, denn das Kind würde damit immer mehr an Authentizität verlieren. Es würde eine Persona gestalten, die von seinem wahren Wesen nicht nur weit entfernt ist, sondern sogar den Gegensatz zu diesem darstellt. Seine wahren Werte würden dann vom Ich in den unbewussten Schatten geschoben, weil sie inkompatibel mit denen seiner sozialen Gruppe wären.
Doch alles, was in den Schatten verdrängt wird, drängt wieder zurück in das Licht des Bewusstseins. Dies muss so sein, weil das Ich sich nur dann selbst erkennen kann, wenn es sich all seiner Anteile bewusst ist. Werden Anteile, die ins Bewusstsein streben, jedoch immer wieder ignoriert und zurückgedrängt, führt dies auf lange Sicht in die Depression, und zwar in eine tatsächliche, klinische Depression. Wer sein wahres Selbst dauerhaft ignoriert, den bremst irgendwann der eigene Körper aus. Dies liegt daran, dass die unbewussten, verdrängten Anteile sich auf physischer Ebene manifestieren, wenn sie anders kein Gehör finden. Wenn wir gesund, glücklich und zufrieden sein wollen, dann müssen wir authentisch sein, auch wenn wir damit anecken. Authentisch zu sein bedeutet schlussendlich nichts anderes, als dem Weg zu folgen, den unser Selbst uns vorgibt. Glaubt jemand tatsächlich, etwas anderes zu wollen, als sein Selbst ihm vorgibt, so unterliegt er einer Täuschung.
Das Selbst ist unser wahres Wesen, wenn es auch nicht bewusst ist. Der Sinn des menschlichen Lebens liegt ja gerade darin, dieses Selbst zu erkennen und in seinem Ich zu spiegeln. Das bedeutet, die falsche Maske, die wir uns durch die Persona aufsetzen, muss im Laufe des Lebens immer mehr bröckeln und sich auflösen. Die Persona entsteht überhaupt nur, weil wir bestrebt sind, uns anzupassen. Dies ist grundlegend auch notwendig, jedoch müssen wir lernen, uns anzupassen, ohne uns selbst dabei zu verlieren.
Woher kommt denn nun dieses ominöse, nur schwer greifbare, kollektive Unbewusste? Jung zufolge ist es angeboren und stellt den Gegensatz zum kollektiven Bewusstsein der Menschheit dar, aus dem es seine Bilder speist. Dennoch ist dieses Kollektivbewusstsein kein Teil von Jungs Persönlichkeitsmodell, obwohl es helfen könnte, dieses besser zu verstehen. Darauf komme ich im Abschluss dieses Kapitels noch zurück. An dieser Stelle möchte ich zunächst auf die bereits angesprochenen Theorien eingehen, die eines Tages helfen könnten, die Theorie des kollektiven Unbewussten zu beweisen oder dies im Ansatz sogar schon tun. Da wäre zunächst die Theorie der morphischen Felder von Rupert Sheldrake, einem britischen Biologen und Autor. Dieser beschäftigte sich jahrelang mit der Evolution von Pflanzen mit der Fragestellung, wie sich diese aus einem einfachen Keim zu einer charakteristischen, ihrer Art entsprechenden Pflanze entwickeln können. Dieser Prozess nennt sich Morphogenese, was übersetzt so viel bedeutet wie „formgebender Prozess“.
In der Biologie wird diese Frage bis heute unzureichend beantwortet mit der Aussage, dass die Erscheinungsform einer Spezies in ihren Genen verankert ist. Da jedoch sämtliche Zellen eines Organismus über den exakt gleichen Code verfügen, ist es im Grunde ein Rätsel, woher zum Beispiel eine Zelle im Auge weiß, welche Form sie annehmen soll. Ihr genetischer Code ist zu einhundert Prozent identisch mit dem der Zellen in den Armen, Beinen, Organen und sämtlichen anderen Teilen des Körpers. So entstand der Begriff der morphogenetischen Felder, der nicht wirklich erklärt werden kann, denn niemand weiß, wie sie funktionieren. Die wissenschaftliche Gemeinschaft glaubt oder hofft lediglich, dass sich ihre Funktionsweise eines Tages durch bis heute unbekannte, chemische Prozesse erklären lassen wird. Rupert Sheldrake ließ diese Frage jedoch nicht los, denn er glaubte mit zunehmender Forschung immer weniger an die Möglichkeit einer solchen Erklärung. Somit stellte er 1981 die Theorie der morphischen Felder auf, nach der es sich bei diesen Feldern um tatsächliche Felder handelt, die auf Ebene der Energie wirken, ähnlich wie zum Beispiel elektromagnetische Felder, die ja bereits anerkannt und erforscht sind.
Die Theorie dieser Felder besagt vereinfacht ausgedrückt, dass eine Vielzahl an morphischen Feldern existiert. Diese enthalten sämtliche, für die Spezies, die auf diese Felder zugreift, relevanten Informationen. Auf diese Art erhalten diese Felder ihre formgebenden Eigenschaften. Für Sheldrake sind sie also so etwas wie ein kollektives Bewusstsein, welches die Ganzheitlichkeit selbstorganisierender Systeme erklären kann. Seiner Ansicht nach sind morphische Felder verantwortlich für die Organisation von Systemen auf Ebene der gesamten Existenz, sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos: „Atome, Moleküle, Kristalle, Zellen, Gewebe, Organe, Organismen, soziale Gemeinschaften, Ökosysteme, Planetensysteme, Sonnensysteme und Galaxien.“7 Auch wenn Sheldrakes Theorie bis heute lediglich ein nicht bewiesenes Gedankenexperiment darstellt und eher die Existenz eines kollektiven Bewusstseins ausdrückt, halte ich dies jedoch für nicht unerheblich bezüglich der Existenz eines kollektiven Unbewussten. Jung selbst glaubte an die Dualität oder Polarität der Existenz, also daran, dass alles, was existiert, zwei gegensätzliche Pole in sich trägt. Dies zeigt sich auch in der Anima und dem Animus, welche Teil seines Modells sind. Demnach muss auch ein kollektives Unbewusstsein existieren, wenn es ein kollektives Bewusstsein gibt.
Auch die Systemtheorie8 des Biologen Ludwig von Bertalanffy9, welche die Grundlage der systemischen Psychologie10 darstellt, weist auf die Existenz eines kollektiven Bewusstseins hin. Dabei sind die grundsätzlichen Gedankengänge dieser Theorie so etwas wie das psychologische Pendant zu Sheldrakes morphischen Feldern. Allein in diesen beiden Theorien finden wir also sehr deutliche Hinweise, dass das kollektive Bewusstsein und damit auch das kollektive Unbewusstsein eines Tages wissenschaftlich erklär- und nachweisbar sein werden.
Zugegeben, das Persönlichkeitsmodell von C. G. Jung, auf dem dieses gesamte Buch beruht, ist vielschichtig und komplex und schon von daher nicht ganz einfach zu verstehen. Hinzu kommt die erschwerende Tatsache, dass es über Komponenten verfügt, die für uns kaum greifbar sind, damit meine ich nicht nur das kollektive Unbewusste mit seinen Archetypen, sondern vor allem das Selbst, welches sich einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise vollständig entzieht. Auch der Prozess der Individuation ist nicht ohne Weiteres verständlich, denn auch, wenn er sich kurz zusammengefasst erklären lässt, gäbe es doch einiges mehr darüber zu sagen und zu verstehen. Aus all diesen Gründen möchte ich dieses Kapitel abschließen mit meiner eigenen, ergänzenden Sichtweise auf diese Inhalte. Diese habe ich bereits im vorigen Unterkapitel anklingen lassen, indem ich die Theorie der morphischen Felder und die Systemtheorie als möglicherweise zukünftigen Beweis für die Existenz des kollektiven Unbewussten mit einbrachte. Doch gibt es noch etwas anderes, das ich Jungs Theorie hinzufügen möchte, um sein Modell verstehbarer und greifbarer zu machen: das Analogieprinzip.
Dieses Prinzip ist weitgehend bekannt, zum Beispiel im Bereich der Esoterik, als eines der hermetischen Gesetze11 nach Hermes Trismegistos12: wie oben, so unten, wie innen, so außen, wie im Großen, so im Kleinen. Doch ist uns dieses Prinzip auch bei den morphischen Feldern bereits indirekt begegnet, und zwar bei der Aussage, dass diese Felder Systeme innerhalb der gesamten Existenz ordnen, sowohl im Makro- als auch im Mikrokosmos. Im Grunde handelt es sich hierbei um ein Prinzip, welches sich durch simple Beobachtung bestätigen lässt: So kreisen die Planeten um die Sonne wie Elektronen um einen Atomkern. Formen, die wir im Universum finden, wie zum Beispiel die Spiralform von Galaxien, finden sich vielfach im Kleinen auf der Erde wieder. Dabei ist besonders die Spiralform eine grundlegende Form für eine Vielzahl an Organismen, vom Brokkoli über Schnecken bis hin zur Form der Hörner einiger Huftiere.
Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Eine Erweiterung von Jungs Persönlichkeitsmodell um das Analogieprinzip macht dieses Modell und besonders das Selbst und den Individuationsprozess verstehbarer. Jung selbst glaubte an dieses Prinzip, genauso wie an die Existenz eines kollektiven Bewusstseins. Weshalb er beides nicht seinem Modell hinzufügte, darüber kann ich nur spekulieren. Im Folgenden möchte ich jedoch versuchen, sein Modell auf genau diese Art zu erklären.
Die gesamte Existenz unterliegt gewissen Prinzipien. Für diesen Erklärungsversuch relevant ist neben dem Analogieprinzip auch das Prinzip der Polarität. Demnach ist die Existenz nicht nur physisch vorhanden, in seiner Ausprägung durch Galaxien, Sterne und Planeten sowie Lebewesen aller Art, sondern auch auf einer energetischen Ebene. Auf dieser Ebene präsentiert sich die Existenz durch Quanten, Atome, Moleküle, Licht und jegliche Form von Energie sowie durch das Prinzip des Bewusstseins. Das Bewusstsein nach psychologischem Verständnis ist nicht physischer Natur und muss somit dem energetischen Aspekt der Existenz angehören. Jung wandte das Polaritätsprinzip zwar auf sein Persönlichkeitsmodell an, jedoch nur teilweise, indem er das persönliche oder individuelle Unbewusste unterteilte in die Anima und den Animus. Ich möchte dies nun ergänzen, indem ich es auf das gesamte Modell anwende. Dabei wende ich eine möglichst bildhafte Sprache an, die es ermöglichen soll, vor dem geistigen Auge ein Bild dieses Modells entstehen zu lassen.