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Der Magier, der Entdecker, der Rebell oder der Künstler – diese und weitere fantastisch anmutende Gestalten begegnen uns in Märchen, Filmen und auch in unseren Träumen, seit wird Kinder sind. Doch woher kommen sie? Woher stammen diese zeitlos und allgegenwärtig scheinenden Figuren und was steckt eigentlich hinter ihnen? Die kurze Antwort: Es ist nichts anderes als die Aufschlüsselung unseres Seelenlebens, das uns hier vor Augen geführt wird und welch mächtige Möglichkeiten das bietet, zeigt Ihnen nun dieses Buch. Wenn Sie tief in sich hineinblicken, werden Sie rasch feststellen: Sie sind nicht nur eins. Vielmehr leben in Ihnen unterschiedlichste Persönlichkeitsanteile und die höchste Lebenskunst ist, all die Anteile in bestmögliche Harmonie zu bringen. Dabei sind die Persönlichkeitsmodelle, der Individuationsprozess und schließlich die Archetypenlehre von C.G. Jung eine unschätzbar wertvolle Hilfe und in diesem Buch finden Sie nun die wichtigsten Konzepte leicht verständlich erklärt. Erfahren Sie alles über das ewige Gegenspiel von Animus und Anima, entdecken Sie die Jahreszeiten der Seele und finden Sie heraus, wie Sie Ihre Entwicklungsphasen damit in Einklang bringen können. Machen Sie sich schließlich mit den zwölf wichtigsten Archetypen vertraut und entschlüsseln Sie Schritt für Schritt den faszinierenden Komplex der menschlichen Seele. Zahlreiche einfache Praxisübungen ermöglichen Ihnen, Ihre neuen Kenntnisse konkret für Ihre persönliche Entwicklung zu nutzen und mit Tests und Gedankenübungen können Sie ab sofort gezielt daran arbeiten, Ausgeglichenheit und Freiheit in Ihrem Gefühlserleben zu genießen. Mit diesem Buch gelingt Ihnen ein großer Schritt auf dem Weg zu aufgeklärtem Gleichgewicht und tiefer Zufriedenheit. Ob Sie sich für Persönlichkeitstheorie interessieren, passionierter Hobbypsychologe sind oder neu in die faszinierende Welt der menschlichen Seele hineinschnuppern möchten – hier finden Sie inspirierende Antworten auf zahlreiche spannende Fragen.
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Seitenzahl: 171
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Seelische Archetypen - Das Praxisbuch -
Wie Sie die 12 Archetypen der Seele leicht verstehen, Ihre Persönlichkeit neu entdecken und zu einem authentischen Leben finden
Luisa Wienberg
Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags für jegliche Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.
Seelische Archetypen – Das PraxisbuchCopyright © 2022 Luisa Wienbergwww.inselliebe-verlag.de
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Für Fragen und Anregungen:[email protected] 2022
Inhalt
Vorwort
Dem Rätsel der Psyche auf der Spur
Die Psyche des Menschen
Sigmund Freuds Blick auf die menschliche Psyche
Carl Gustav Jungs kontroverse Persönlichkeitstheorie
Ergänzung von Jungs Persönlichkeitsmodell
Polarität verstehen – Anima & Animus
Polarität im Alltag: Wann ist welche Energie angebracht?
Das Leben im stetigen Fluss des Wandels
Frühling der Seele
Sommer der Seele
Herbst der Seele
Winter der Seele
Physische Entwicklungsphasen des Menschen auf Ebene der Psyche
Die seelischen Archetypen
Die zwölf wichtigsten archetypischen Formen
Der praktische Nutzen: Arbeit mit den Archetypen
Die tiefe Weisheit – ein Leben im Einklang
Was wir Instinkte nennen, sind physiologische Impulse, die mit den Sinnen «außen» wahrgenommen werden. Gleichzeitig erscheinen sie aber auch «innen» in Fantasien und verraten ihre Gegenwart oft durch symbolische Bilder. Diese «inneren» Erscheinungen sind es, die ich als Archetypen bezeichne. Ihren Ursprung kennt man nicht; sie tauchen jederzeit auf, überall in der Welt.
~ C.G. Jung, Der Mensch und seine Symbole
Wer schon einmal über den Begriff der Archetypen gestolpert ist, hat in diesem Zusammenhang sicher auch den Namen Carl Gustav Jung gehört. Doch sind die Archetypen der Seele weder seine Erfindung noch seine Entdeckung. Wie der Begriff Archetyp – von archaisch, frühzeitlich – bereits vermuten lässt, ist dieses Konzept viel älter, auch wenn Jungs Lebenszeit und die Zeit seiner Arbeit in den 40er- und 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts ebenfalls schon eine Weile zurückliegen. Vielmehr hat er dieses uralte Konzept wiederentdeckt, aufgegriffen und in eine für unsere Zeit besser verständliche Sprache übertragen. Die ursprüngliche Idee der Archetypen stammte nämlich aus der Antike, von einem ebenfalls sehr bekannten Menschen: dem Philosophen Platon. Die Archetypen als Idee zu bezeichnen, trifft es jedoch auch nicht so richtig, was also sind sie denn nun? Platon nannte die Archetypen Formen und damit kommen wir ihrer Bedeutung bereits um einiges näher.
Am besten ließe sich der Begriff jedoch definieren, legte man beide Namen zusammen und machte daraus die archetypischen Formen der Seele. Auf diese Art entsteht langsam ein Bild, welches die wahre Bedeutung dieses doch ein wenig abstrakten Begriffes erahnen lässt.
Archetypen sind so etwas wie uralte Formen oder Schablonen, die Teil unser aller Seelen und Persönlichkeiten sind. Sie sind komplex und vielschichtig, denn zum einen beschreiben sie bestimmte Erfahrungen und die damit einhergehenden Emotionen, die ein grundlegender Teil des menschlichen Lebens und damit uns allen gemeinsam sind. Gleichzeitig kann man sie auch als eigenständige Persönlichkeiten oder Persönlichkeitsanteile betrachten, die uns allen innewohnen. Man kann sich das so vorstellen wie bei Menschen mit gespaltener Persönlichkeitsstörung – heute dissoziative Identitätsstörung oder DIS –, die über viele verschiedene Egos verfügen.
Diese Egos treten situationsbedingt auf und übernehmen die Kontrolle, dabei zeigen sie sich stark unterschiedlich. Damit will ich natürlich nicht sagen, wir alle seien geisteskrank, denn bei dieser Persönlichkeitsstörung liegen selbstverständlich traumatische und krankhafte Ursachen dafür vor, dass diese Anteile, die in uns allen leben, beginnen, ein Eigenleben zu führen. Dennoch sind wir alle im Grunde zutiefst gespalten, denn unsere Seele besteht aus dem komplexen Zusammenspiel der verschiedensten Persönlichkeitsanteile.
Im Normalfall arbeiten diese einzelnen Anteile mehr oder weniger harmonisch zusammen, im Falle der dissoziativen Persönlichkeitsstörung gibt es jedoch zu viele innere Konflikte, um auch nur eine halbwegs ungestörte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Doch auch bei geistig gesunden Menschen geraten diese inneren Anteile immer wieder einmal in Konflikte und verlangen so von uns beständiges geistiges Wachstum, um diese lösen zu können. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Archetypen nicht nur wichtig, sondern sie kann auch überaus hilfreich dabei sein, sich selbst und andere Menschen sowie das Leben an sich besser zu verstehen. Indem wir die Archetypen verstehen, können wir auch die menschliche Reise durch das Leben verstehen. Wir können unseren eigenen, höchst individuellen Sinn im Leben finden und unsere Berufung. Wir können begreifen lernen, warum uns bestimmte Dinge immer wieder geschehen, warum bestimmte Emotionen in uns auftauchen und uns zu Handlungen bringen, die scheinbar untypisch für uns sind. Zu guter Letzt können sie uns vor allem dabei helfen, Harmonie und Frieden in uns selbst zu finden und wahrhaft authentisch zu leben.
Die Beschäftigung mit den Archetypen kann und wird uns jedoch auch an unsere eigenen Grenzen führen, denn sie konfrontiert uns auch mit unseren dunklen Anteilen und den Eigenschaften unseres Selbst, die wir als falsch empfinden, verdrängen und nicht sehen wollten: unseren Schatten. Deshalb wird sich dieser Weg auch von Zeit zu Zeit unangenehm oder gar erschreckend und beängstigend anfühlen. Aus genau diesem Grund wird Persönlichkeitsarbeit so häufig gemieden oder zu früh abgebrochen. Doch wenn wir uns unseren Schatten nicht stellen und sie ignorieren, werden sie sich früher oder später gegen uns wenden. Dabei helfen uns gerade die Archetypen mehr als jedes andere Modell der Psychologie, unsere dunklen Triebe, Charaktereigenschaften und Emotionen wirklich in der Tiefe zu verstehen. Das macht sie zu unschätzbaren Helfern dabei, uns selbst und andere besser zu verstehen und somit die Qualität unserer Beziehungen zu verbessern. Möglich wird dies, indem die Archetypen in Formen daherkommen, die uns allen zutiefst vertraut sind:
Sie begegnen uns in den klassischen Charakteren unserer Märchen genauso wie in Filmen und Büchern. Der Held und der Bösewicht sind nur ein Beispiel für Archetypen in unendlich vielen Geschichten. Indem wir diese Charaktere durch Geschichten erleben können, lernen wir sie in der Tiefe kennen. Wir verstehen, was sie bewegt und warum sie so sind, wie sie eben sind, denn es ist immer bedeutend einfacher, andere zu verstehen als sich selbst. Geschichten spiegeln uns unsere eigenen inneren Prozesse, sodass wir sie wiedererkennen können. Dadurch können sie uns auch unsere blinden Flecken aufzeigen. Das ist der eigentliche Zweck hinter der Existenz der alten Märchen. Doch es gibt noch einen anderen „Ort“, an dem uns die Archetypen regelmäßig begegnen: in unseren Träumen. Dort sprechen sie zu uns und geben uns Antworten auf unsere Fragen und Probleme, dort halten sie uns den Spiegel gnadenlos vors Gesicht und genau dort haben wir die beste Chance, ihre Botschaft zu verstehen. Dies bringt uns wieder zurück zu Carl Gustav Jung, denn die psychologische und analytische Traumdeutung, die er entwickelte, nutzt eben dieses Konzept der Archetypen für die Entschlüsselung von Traumbotschaften.
Jung war einer der drei Begründer der analytischen Psychologie und Kollege von Sigmund Freud, dem „Vater“ der Tiefenpsychologie1. Ebenfalls an dieser Stelle zu benennen, wäre noch Alfred Adler, der die Individualpsychologie begründete. Diese drei Ärzte und Psychologen lebten zur gleichen Zeit und prägten der Psychologie ihren eigenen Stempel auf, wie es bisher kein anderer geschafft hat. Dabei haben sich Freud und Adler jedoch weit mehr damit befasst, die seelischen Triebkräfte zu studieren, als damit, wie man dieses Wissen für die menschliche Entwicklung nutzbar machen kann. Für Jung war dies jedoch der Hauptgrund, sich mit den „psychischen Abgründen“ der Menschen zu befassen. Er strebte nach einer ganzheitlichen Psychologie, die sowohl kranken als auch gesunden Menschen ermöglichen sollte, die ihnen innewohnenden Kräfte zu nutzen, um sich selbst bestmöglich entwickeln zu können. Er empfand ein Leben in einem Zustand der inneren Harmonie und Ausgeglichenheit als grundlegendes Menschenrecht. Deshalb suchte Jung nach Wegen, die es jedem Menschen, ganz unabhängig von Herkunft, Bildungsstand und gesellschaftlicher Schicht, ermöglichen sollten, diesen Weg zu finden und zu gehen.
Als Jung auf das Konzept der Archetypen stieß, begriff er deren übermächtiges Potenzial, um uns auf dieser menschlichen Reise als Wegweiser und Orientierung zu dienen. So entstand die analytische Psychologie von Carl Gustav Jung, die bis heute unumstritten einer der Grundpfeiler der modernen Psychologie ist und die im Kern mit ebendiesen seelischen Archetypen arbeitet. Das hier vorliegende Werk soll dieses Konzept nun ausführlich beleuchten und erklären, um es für jeden greifbar und verständlich zu machen, sowie gleichzeitig Wege aufzeigen, wie wir dieses Wissen für uns selbst, unsere Persönlichkeitsentwicklung und unsere persönliche Lebensreise nutzbar machen können.
Z
iel dieses Buches ist es, dem Leser ein umfassendes und vor allem grundlegendes Verständnis über die Thematik der seelischen Archetypen zu vermitteln. Es soll ihn in die Lage versetzen, das hier vermittelte Wissen für sich selbst und den Weg seiner Persönlichkeitsentfaltung praktisch anwenden zu können. Dafür ist es zunächst einmal notwendig, zu verstehen, warum der Weg der Persönlichkeitsentfaltung überhaupt wichtig ist und wie diese letztendlich zu einem erfolgreichen, harmonischen und vor allem zufriedenen Leben führen kann, auch wenn es sich dabei sicher um keinen einfachen Weg handelt. Deshalb beginnen wir, uns im ersten Kapitel mit den Grundlagen der analytischen Psychologie zu beschäftigen, damit, wie sie entstand und wie ihr Begründer, Carl Gustav Jung, die Psyche des Menschen verstand. Da das von ihm entwickelte Persönlichkeitsmodell so komplex und vielschichtig, wie die Thematik der Archetypen selbst, ist, betrachten wir vergleichsweise auch die Modelle seines Konkurrenten: Sigmund Freud. Hierbei handelt es sich um leichter verständliche Varianten, die sich in Grundzügen jedoch in Jungs Modell widerspiegeln und somit eine echte Verständnishilfe sein können. Diese wird auch dringend benötigt, wenn wir uns abschließend Jungs Individuationsprozess widmen, also dem Weg der Selbstentfaltung, auf dem die Archetypen von so überaus großem Nutzen sein können.
Direkt im Anschluss daran, im zweiten Kapitel, kommen wir bereits auf die grundlegendsten archetypischen Formen zu sprechen: Anima und Animus oder, anders gesagt, die männlich-weibliche Polarität, die unser aller Wesen zugrunde liegt. An dieser Stelle wird ein tiefgehendes Verständnis der Polarität vermittelt, mit dem Ziel, endlich die Verwirrung über die Geschlechterrollen sowie die ewige Frage „Was ist männlich und was ist weiblich?“ in Klarheit zu verwandeln. In diesem Kapitel lernt der Leser ganz praktisch, was es bedeutet, seine inneren männlichen und weiblichen Anteile auszubalancieren, und natürlich auch, wie dies zu bewerkstelligen ist. Ein Persönlichkeitstest gibt hier Aufschluss darüber, wie gut diese polaren Anteile bereits in Balance sind und woran noch gearbeitet werden muss.
Im dritten Kapitel widmen wir uns dann weiteren archetypischen Grundformen, die in Form der seelischen Jahreszeiten und der menschlichen Entwicklungsphasen daherkommen. Die seelischen Jahreszeiten unterliegen ganz bestimmten emotionalen Qualitäten und bringen jeweils eigene, spezifische Anforderungen an den Menschen mit sich. Dabei gilt es, diese in Einklang mit der jeweiligen Entwicklungsphase zu bringen, die ebenfalls über jahreszeitliche Qualitäten verfügt. Auch hier erwarten den Leser wieder zahlreiche praktische Beispiele und Tipps zur Umsetzung des neuen Wissens. Kapitel vier widmet sich dann ganz ausführlich den sogenannten seelischen Archetypen, die sich als eigene Charaktere präsentieren. Ihre positiven und negativen Eigenschaften, ihre Motivationen und Emotionen werden ausführlich beleuchtet und erklärt. So lernt der Leser nicht nur, die entsprechende archetypische Energie in einem Menschen zu erkennen, sondern auch, diese in der Tiefe zu verstehen. Dabei konzentrieren wir uns auf die zwölf wichtigsten Typen, die auch in der Literatur und auf diversen Webseiten zu finden sind. Dies geschieht jedoch auf eine neue Art und Weise, denn die Archetypen werden häufig falsch verstanden oder zu einseitig betrachtet. Deshalb werden uns einige dieser Typen mit neuen, treffenderen Namen sowie mit viel mehr charakterlicher Tiefe begegnen. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns zum Abschluss damit, auf welche Art die Archetypen uns im Leben begegnen und dieses damit prägen. Wir entwickeln ein Verständnis für ihre Botschaft und ihr Geschenk und lernen, dieses praktisch anzuwenden und für uns zu nutzen.
Wer nun neugierig geworden ist auf das, was kommt, und die Begegnung mit den eigenen Schatten nicht scheut, der ist herzlich eingeladen, sich mit mir auf die Reise zu machen. Diese Reise enthält den Schlüssel zur Entwicklung des Bewusstseins und einem erfolgreichen Leben.
A
ufbau, Struktur und Funktionsweise der menschlichen Psyche waren schon immer ein heiß umstrittenes Thema, welches bis heute nicht an Faszination verloren hat. Der Begriff Psyche stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt Seele, schon allein daraus lässt sich ableiten, wie lange die Menschheit sich bereits Gedanken darüber macht. Dennoch existiert bis heute kein einziges Modell, welches in der medizinischenPsychologie allgemeine oder alleinige Gültigkeit hätte. In der Antike wurde die Psyche des Menschen eher in einem religiösen oder spirituellen Kontext untersucht, dann kam die wissenschaftliche Revolution und sorgte dafür, dass der Blick auf die Psyche diesen Blickwinkel vollständig ausschloss. So entstanden die verschiedensten Modelle, entwickelt von mehr oder weniger bedeutenden Psychoanalytikern, die versuchten, die menschliche Psyche auf eine Ebene zu reduzieren, die mit wissenschaftlichen Methoden nachweisbar ist. Dies gelang den meisten auch mehr oder weniger gut, doch ist die Seele des Menschen bis heute ein wenig rätselhaft und bringt die gängigen Modelle, mit denen in der Psychoanalyse heute gearbeitet wird, auch gerne einmal in Bedrängnis.
In Bezug auf diese Thematik sticht Carl Gustav Jung2 aus der Masse der verschiedenen Modelle heraus, denn er verfügte neben seinen großen rationalen Fähigkeiten auch über eine starke spirituelle Ader. Sein Ziel war es, Wissenschaft und Spiritualität miteinander zu verbinden und das von ihm entwickelte Konzept des kollektiven Unbewussten – der „Heimat der Archetypen“ – bringt genau dies zum Ausdruck. In wissenschaftlichen Kreisen wurde er für seine unkonventionellen Ansichten gewissermaßen verteufelt, man betrachtete ihn als esoterisch, anstößig und provokativ und verbannte ihn schlussendlich aus der Scientific Community3. Dieser Ruf haftet ihm bis heute an, dennoch werden die Kosten für die Psychotherapie nach Jung von den Krankenkassen getragen, und das, obwohl diese Therapieform einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält. Auch wenn dies bis heute den Tatsachen entspricht, existieren jedoch einige wissenschaftliche Theorien aus anderen Forschungsbereichen, die ebenfalls auf die Existenz eines kollektiven Unbewussten hindeuten. Diesen Theorien widmen wir uns am Ende dieses Kapitels.
Die heutige Psychologie arbeitet mit den verschiedensten Ansätzen zur Heilung psychischer Störungen, bei denen auch unterschiedliche Modelle der Psyche zugrunde liegen. Für den Kontext dieses Buches würde es zu weit führen, sämtliche existierenden Modelle im Detail vorzustellen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die zwei Varianten, die für die Thematik der Archetypen von Bedeutung sind: auf die beiden Modelle, die Sigmund Freud entwickelte, also das topografische Modell und das Instanzenmodell, und auf das Modell von Carl Gustav Jung. Freuds Persönlichkeitsmodell ist bis heute nicht nur das bekannteste, sondern es findet nach wie vor seine Anwendung in der tiefenpsychologischen Psychotherapie. Gleiches gilt für Jungs Persönlichkeitsmodell, das der analytischen Psychotherapieform zugrunde liegt. Jungs Verständnis der menschlichen Psyche weist zumindest in Grundzügen einige Gemeinsamkeiten mit dem von Freud auf, stellt jedoch einen Blick auf die menschliche Psyche aus einer anderen, vor allem erweiterten Perspektive dar. Doch bevor wir uns mit Jungs Ansichten im Detail befassen, kommen wir zunächst zu den Grundlagen, also den Modellen von Sigmund Freud. Im Vergleich zu C. G. Jungs Modell der Psyche sind diese relativ einfach zu verstehen und bieten deshalb einen guten grundlegenden Einstieg in die Thematik, weil sie mit ähnlichen Strukturen, Dynamiken und Instanzen arbeiten wie Jung in seinem weit komplexeren Modell.
Dieses erste Modell wird heute immer wieder als Eisbergmodell der Psyche nach Freud angepriesen, angelehnt an das Prinzip, nach dem von einem Eisberg lediglich acht Prozent über Wasser liegen und damit sichtbar sind (Bewusstsein) und die restlichen zweiundneunzig Prozent verborgen unter Wasser liegen (Vor- und Unbewusstsein). Freud selbst hat diese Analogie jedoch nie herangezogen, um sein Modell zu beschreiben, es lässt sich nicht einmal genau nachvollziehen, wer diese zuerst aufbrachte. Dies sei jedoch nur am Rande erwähnt für all jene, die eigene Nachforschungen anstellen möchten, um tiefer in die Materie einzusteigen und dabei möglicherweise in Verwirrung geraten.
Im Zuge seiner praktischen Erfahrungen in der Arbeit mit Patienten erkannte Freud mit der Zeit, dass sein topografisches Modell nicht ausreichte, die komplexen Vorgänge in der Psyche eines Menschen hinreichend zu erklären. Es wurde notwendig, sich näher mit der Frage zu befassen, was darüber entschied, welche Inhalte bewusst und welche verdrängt wurden. Dabei stellte er fest, dass die Unterteilung der Psyche in „Orte“ nicht funktionierte, da es sich eher um unterschiedliche Instanzen zu handeln schien. Die topografische Einteilung, die er im ersten Modell getroffen hatte, wurde dadurch jedoch nicht ungültig, denn sie schien die drei Instanzen, die er erkannte, gewissermaßen zu durchziehen. So entstand sein Instanzenmodell, nach dem sich die menschliche Psyche in die Instanzen „Ich“, „Es“ und „Über-Ich“ aufteilt. Nun könnte man denken, das „Ich“ stehe für das Bewusstsein und das „Es“ für das Unbewusstsein, an dieser Stelle wird es jedoch etwas komplizierter, deshalb sehen wir uns die einzelnen Instanzen, ihre Entstehung und Funktionen einmal im Detail an.
Zu Beginn, also bei der Geburt eines Menschen, existiert lediglich das Es, welches in seinen Grundlagen angeboren ist und sich nach der Geburt weiterentwickelt. Es enthält sämtliche Instinkte, Triebe und Bedürfnisse, die für das Überleben des Individuums notwendig sind, zum Beispiel die Bedürfnisse nach Nahrung, Liebe, Geborgenheit und Sicherheit. Das Es sorgt dafür, dass diese Bedürfnisse nach Erfüllung streben, es ist also geprägt durch seine Triebkraft und damit die erste frühe Form der sogenannten Libido. Je nachdem, wie und ob die Bedürfnisse eines Neugeborenen befriedigt werden und wie seine Umwelt auf diese reagiert, formt sich so mit der Zeit die Triebstruktur eines Menschen, die man auch als seinen unbewussten Charakter bezeichnen könnte. Wird das Kind in dieser Zeit überversorgt oder vernachlässigt, führt dies bereits zur Ausbildung einer problematischen Struktur.
Im Falle der Überversorgung entwickelt ein Kind einen unbewussten Grundcharakter, der die Erfüllung seiner Bedürfnisse als vollkommen selbstverständlich empfindet. Daraus kann im Extremfall zum Beispiel pathologischer Narzissmus entstehen, genauso wie eine Unfähigkeit, mit Problemen und Herausforderungen umzugehen. Kinder, die vernachlässigt wurden, entwickeln eher unbewusste, manipulative Verhaltensweisen, die ebenfalls später zu erheblichen Problemen im Sozialverhalten führen. Diese Kinder haben gelernt, dass ihre Bedürfnisse nur erfüllt werden, indem sie andere manipulieren, jedoch läuft diese Manipulation unbewusst ab. Als Erwachsene sind sie nicht in der Lage, Authentizität zu leben und echte, tiefe Beziehungen zu führen. Sie werden von den meisten Menschen wieder verlassen, sobald diese bemerken, dass sie manipuliert werden. Dadurch verstärkt sich die Notwendigkeit, andere zur Bedürfniserfüllung zu manipulieren, und es entsteht ein sich selbst verstärkender Teufelskreis, aus dem es kaum ein Entkommen gibt. Selbst im Falle optimaler Bedingungen, die zur Zeit der Entwicklung des Es bestehen, bleibt dieser Teil der Psyche doch zum größten Teil immer von der Dunkelheit des Unbewussten umhüllt und der Ratio und Vernunft unzugänglich. Freud selbst beschrieb das Es folgendermaßen:
„Es ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen.“
~ Sigmund Freud, 1944, Neue Folge der Vorlesungen, Seite 80
Je älter ein Kind nun wird, desto mehr erfährt es sich selbst als ein von seiner Umwelt getrenntes Wesen. So entwickeln sich mit der Zeit das Bewusstsein für das eigene Ich und den eigenen Körper sowie eigene Gefühle und Bedürfnisse. Diese Entstehung des frühen Ichs beginnt ab dem vierten Lebensmonat und endet mit der Vollendung des vierten Lebensjahres. Dabei entsteht das Ich aus dem Es heraus und bildet gewissermaßen eine Schicht, die dieses umgibt und es begrenzt. Diese erste oder frühe Schicht ist jedoch noch weitgehend unbewusst und wurde geformt durch die frühen Prozesse der Sozialisierung, also durch die Art und Weise, wie die Umwelt des Kindes mit ihm agiert hat. Die Bedürfnisse und Emotionen, die auf diese Art im Kind entstanden sind, prägen seinen grundlegenden Charakter und wurden von Freud als „Triebabkömmlinge des Es“ bezeichnet. Ab dem fünften Lebensjahr beginnt das Ich, sich immer bewusster zu entwickeln, denn mit der Entstehung des frühen Ichs beginnt gleichzeitig auch die Ausbildung des Über-Ichs. Dadurch wird es für das Ich zunehmend notwendig, eine vermittelnde Funktion zwischen dem Es, dem Über-Ich sowie den Anforderungen der äußeren Realität einzunehmen.
Beim Über-Ich