Entmachtet diese Kirche - Maria Mesrian - E-Book

Entmachtet diese Kirche E-Book

Maria Mesrian

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Beschreibung

»Wem gehört die Kirche? Ist es die Kirche der Kardinäle und Bischöfe? Nein, sie gehört uns Menschen! Entmachtet den Klerus!«, fordern Lisa Kötter und Maria Mesrian – die zwei bekannten Mitbegründerinnen der Bewegung Maria 2.0. Die Aufdeckung von Machtmissbrauch monströsester Art erschüttert seit Jahren die römisch-katholische Kirche. Sexuelle Gewalt, Klerikalismus, Verschwendung und Empathielosigkeit gegenüber Opfern kirchlicher Gewalt machen die Menschen fassungslos. »So grauenvoll die Verbrechen sind, so sehr erschreckt auch die gutachterlich dokumentierte Gewohnheit des hohen Klerus, diese Verbrechen zu vertuschen. Das Versprechen, die Kirche Jesu zu sein, wird gebrochen«, sagen Maria Mesrian und Lisa Kötter. Scham, Schmerz und Solidarität mit den Geschädigten – das sind angesichts der erschütternden Erkenntnisse die Gefühle vieler Katholikinnen und Katholiken. Hunderttausende sind in den letzten Jahren aus der Kirche ausgetreten. Auch Lisa Kötter hat sich nach 61 Jahren entschieden, die römische Kirche zu verlassen. Als Christin kämpft sie jedoch weiter für Demokratisierung und Gleichberechtigung in der Kirche. Ihre Mitstreiterin Maria Mesrian ist noch Mitglied der römisch-katholischen Kirche und macht von innen Druck. Die beiden sind sich einig: Es braucht eine komplette Kehrtwende. »Wir alle müssen damit anfangen, diese Kirche endlich in Menschenorte zu verwandeln: in Aufwärmorte für die Heimatlosen, in Vertrauensorte, in Orte der gemeinsamen Suche und der Demokratie. Orte, die den Menschen und damit Gott dienen.« Den Gläubigen empfehlen Kötter und Mesrian ein Ende des Gehorsams. Von den Kirchenoberen fordern sie: »Hört auf, die Sehnsucht der Menschen nach Gemeinschaft, Liebe, Gerechtigkeit und Freiheit zu missbrauchen! Der einzige Weg ist Solidarität und Teilhabe, damit die Bedürftigen nicht nur in gefühlvollen Sonntagsreden vorkommen! Verabschiedet euch von eurer vorgestrigen klerikalen Hierarchie, demokratisiert euch gefälligst und spart euch eure Betroffenheits-Routinen!« Ein Buch randvoll mit Klartext, der vielen aus der Seele sprechen dürfte. Für eine Kirche der Zukunft – eine Kirche für die Menschen.

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Maria Mesrian / Lisa Kötter

Entmachtet diese Kirche

und gebt sie den Menschen zurück

Knaur eBooks

Über dieses Buch

»Wem gehört die Kirche? Ist es die Kirche der Kardinäle und Bischöfe? Nein, sie gehört uns Menschen! Und es wird Zeit, dass wir sie in Besitz nehmen!«

Maria Mesrian und Lisa Kötter

 

Die Aufdeckung von Machtmissbrauch monströsester Art erschüttert seit Jahren die römisch-katholische Kirche. Sexuelle Gewalt, Klerikalismus, Verschwendung und Empathielosigkeit gegenüber Opfern kirchlicher Gewalt machen fassungslos. Erschreckend ist auch die gutachterlich dokumentierte Gewohnheit des hohen Klerus, diese Verbrechen zu vertuschen.

Maria Mesrian und Lisa Kötter – zwei der wichtigen Stimmen der Reformbewegung Maria 2.0 – sind sich einig: »Es braucht eine komplette Kehrtwende. Wir alle müssen damit anfangen, DIESE Kirche endlich in Menschenorte zu verwandeln: in Aufwärmorte für Heimatlose, in Vertrauensorte, in Orte der Suche und der Demokratie. Orte, die den Menschen und damit Gott dienen.«

Inhaltsübersicht

Das Weite suchen

Liebe

Gnade

Gemeinschaft

Freiheit

Gerechtigkeit

Freiheit, Liebe, Gerechtigkeit, Gemeinschaft

Umsteuern

Einleitung

Das Weite suchen

»Wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen.«

Johann Wolfgang von Goethe

Der Satz von Johann Wolfgang von Goethe bestätigt uns Menschen inneren Reichtum, einen Besitz, der uns durch das Menschsein gegeben ist. Es gibt etwas Universales, von dem kein Mensch sich abwenden möchte: Wir alle haben eine Sehnsucht nach Liebe, Gemeinschaft, Freiheit und Gerechtigkeit.

Wenn Goethe recht hat und wir das, wonach wir uns sehnen, schon im Stillen besitzen, dann kann die Sehnsucht uns einen Weg zur erträumten Wirklichkeit bahnen.

 

Liebe, Gemeinschaft, Freiheit und Gerechtigkeit sind existenziell wichtig für jeden Menschen. Sie sind wie die »Grundnahrungsmittel« des Menschenlebens. Die Sehnsucht nach ihnen trägt uns durchs Leben, sie sind für uns der Maßstab unseres Geborgen-Seins in dieser Welt. Darum sind dies auch die Begriffe, die immer als Erstes und vor allem vereinnahmt werden von denen, die uns zu etwas bringen, die uns von etwas überzeugen wollen: ihre Zahnpasta zu kaufen, ihre Partei zu wählen, sie zu bewundern, ihnen Geld zu zahlen, ihrer Ideologie zu folgen oder an ihre einzig wahre »Göttliche Ordnung« zu glauben.

 

Manchmal ist es beklemmend zu sehen, wie sehr Menschen blind den Heilsversprechungen von Konsum, Politik oder Religion folgen, ohne ihren Verstand einzuschalten oder den Inhalt dieser Beteuerungen, seien es strahlend weiße Zähne, Weltfrieden oder ewiges Heil, auf die Qualität dieser vier »Grund-Lebensmittel« hin zu überprüfen und abzugleichen.

 

In diesem Buch geht es um die römisch-katholische Kirche. Eine Institution, die es immer verstanden hat, Herstellung, Rezeptur und Gebrauch dieser Lebensmittel zu okkupieren und den Menschen vorzuschreiben, was sie daraus zu kochen haben. Es gibt für diese Kirche nur ein einziges Rezept, sie nennt es Lehre, von dem sie behauptet, dass es das einzig richtige und allein selig machende sei. Jede andere Zubereitung sei angeblich unverdaulich und führe zum Tode. Das erinnert an die ehemalige DDR, wo die Gaststätten verpflichtet waren, bestimmte Speisen mit bestimmten Zutaten zum genau gleichen Preis anzubieten.

Es mag sein, dass es Menschen gibt, die die Sehnsucht verspüren, zu folgen und zu gehorchen. Oft geht einem solchen Bedürfnis jedoch eine Erfahrung von Angst und Enge voraus, die Manipulation und Deformation erst möglich machen. Aber in uns ist ein unwiderstehlicher Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung angelegt. Das ist ein Merkmal des menschlichen Daseins. Der freie Wille ist Gottes* Geschenk und Anspruch an uns.

 

Ein Grunddilemma der Kirche, die oft von Liebe spricht, ist, dass die Verfassungen, die sich moderne demokratische Gesellschaften geben und gegeben haben, die Kirche in punkto Barmherzigkeit und Nächstenliebe inzwischen längst überholt haben.

Ein zweites Grunddilemma der Kirche, die den Menschen Gemeinschaft anbietet, ist ihr Gehabe. Eine aus unserer Sicht oftmals hierarchisch organisierte Zwangskontrolle, die die Organisation bis in die letzten Glieder von Gemeinden beibehält – inklusive dem Recht, Einzelne und ganze Gruppen von der Gemeinschaft auszuschließen und zu verdammen. Das kann einer Un-Kultur von Denunziantentum und vorauseilendem devoten Gehorsam Tür und Tor öffnen und so einem System Vorschub leisten, das Weiterentwicklung, Eigenständigkeiten und Veränderungen in Gemeinden verhindert oder torpediert.

Ein weiteres Grunddilemma der Kirche, die von Freiheit spricht, ist, dass sie schon lange ihre Freiheit verloren hat: Die ersten christlichen Gemeinschaften besaßen noch die Freiheit der Ohnmacht und der Armut. Diese Freiheiten hat die jesuanische Bewegung eingetauscht, indem sie römische Staatsreligion wurde und sich damit in die Bünde und Abhängigkeiten weltlicher Macht begeben hat.

Und ein viertes Grunddilemma der Kirche, die von Gerechtigkeit spricht ist, dass sie das sich wandelnde Rechtsbewusstsein, den wachsenden Gerechtigkeitssinn und die Demokratisierungsbestrebungen in den sich weiter entwickelnden Gesellschaften und emanzipatorischen Strömungen ignoriert oder als »Zeitgeist«, dem man nicht folgen sollte, diffamiert.

 

Mit der befreienden Botschaft des Jesus von Nazareth im Rücken könnten wir Christ*innen fröhliche, gelöste, staunende, dem Leben und den Menschen vertrauende Leute sein, mit ansteckendem Gottvertrauen und tatkräftiger Nächstenliebe. Aber anstatt Gesellschaften zu inspirieren, in Teilhabe, Demokratisierung und Verwirklichung der Menschenrechte bis ins letzte Glied voranzuschreiten, läuft die Kirche freiheitlichen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie wir es sehen, bestenfalls hinterher. In vielen Fällen, grade wenn es um Gleichberechtigung und Emanzipation geht, versucht sie sogar zu bremsen.

Gerade auch da, wo es um Gerechtigkeit, Aufklärung oder Veränderung in den inneren Angelegenheiten der Kirche geht, die allerorten von aktiven Gläubigen gefordert werden, geschieht dies, wenn überhaupt, nur auf Druck und nur in Form von Minimalst-Bewegungen oder Veränderungssimulationen.

Dies gilt vor allem in den Bereichen der sexualisierten Gewalt, wo die Kirche furchtbare Schuld auf sich geladen hat. Verbrechen wurden nicht nur vertuscht, sondern ihnen wurde durch Verschweigen und Unfähigkeit zu Empathie und Fürsorge auch noch Vorschub geleistet. Auch bei der sogenannten Aufarbeitung wurde und wird immer wieder nur auf Druck von außen und aus Sicht vieler Beobachter*innen zu zögerlich agiert.

Es scheint: Im Dunkeln wurde anders gehandelt als im Hellen. Das ist ein Muster, das alle Bemühungen und Gutachten zur Aufklärung klerikalen »Fehlverhaltens« und zahlreicher Verbrechen durchzieht. Statt zu wirklicher Aufarbeitung kommt es immer wieder zu einer Art Aufarbeitungssimulation. Denn das, was aufgearbeitet werden kann, ist meistens nur das, was von den Kirchenherren an Gutachter*innen und Anwält*innen an Akten herausgegeben wird. Und selbst wenn die Verwalter der Akten ihre Archive heute komplett öffnen, so blieb und bleibt doch vieles unprotokolliert, vernichtet und ins Verschweigen geraunt. Es wird geschwiegen, bis wieder irgendeine mutige Person Zeugenschaft abgibt oder Journalist*innen nicht lockerlassen und Details des Grauens unter einem neuen Spotlight beleuchten. Dann wird dementiert, was der geweihte Mund hergibt, oder jemand ist zu alt und verwirrt oder kann sich nicht mehr erinnern. Zugegeben wird nur, wenn das Unrecht gar nicht mehr verborgen bleiben kann. Und es wird auf Zeit gespielt. Oft sind dann die Täter entweder bereits verstorben oder ihre Taten sind, zumindest nach weltlichem Strafrecht, verjährt.

 

Seit wir beide uns damit eingehender beschäftigen, wissen wir oft nicht, was erschreckender ist: die Empathielosigkeit den betroffenen Personen gegenüber – und zwar in Vergangenheit und Gegenwart – oder die Schamlosigkeit, mit der immer von Neuem verhindert wird, dass Unrecht benannt und so für die Geschädigten endlich so etwas wie Gerechtigkeit hergestellt werden kann.

Wir kennen derzeit kein einziges Gegenbeispiel, bei dem begangenes Unrecht, sei es sexuelle Gewalt gegen Kinder oder Schutzbefohlene oder andere Formen von Machtmissbrauch, von Kirchenherren ohne äußeren Druck benannt wurden. Nicht ein Oberhirte hat unseres Wissens nach bis heute von sich aus Unrecht personalisiert oder brüderliche Vertuschungs-Handreichungen benannt. Keiner hat nach unserer Kenntnis ohne medialen Druck damit begonnen, aufzuklären und aufzuarbeiten, geschweige denn das Unrecht wirklich von sich aus wiedergutzumachen. Stattdessen wird Schuld, so sie geweihte Herren der Kirche betrifft, oftmals »wegspiritualisiert«. Man spricht von Vergebung und Buße, die jedoch ohne Konsequenzen bleiben. Man sondert »Betroffenheitsquickies« ab über das Leid der Kinder, das man übersehen habe, und äußert ein Bedauern darüber, dass in den vergangenen Jahrzehnten das Bewusstsein für diese Taten und deren Konsequenzen für die Geschädigten noch nicht »im Blick war«. Wo die Hüter der reinen Lehre oftmals sehr schnell zur Stelle sind, um das Tun und Lassen »ungeweihter Menschen« zu richten, zu verurteilen und zu verdammen, gab es für die »Brüder im Nebel« stets brüderliches Verständnis und väterliches Verzeihen. Während das Münchner Gutachten vom Januar 2022 viel von diesem »brüderlichen Verständnis« dokumentiert, verzeichnet es kein »relevantes Fehlverhalten« des Bistums, wenn es um die Ahndung von sexuellen Verbrechen ging, die »Laien« begangen haben: Sie wurden, ganz im Gegensatz zu den klerikalen Verbrechern, angezeigt und gekündigt ohne Wenn und Aber.1

 

Es ist für unser Gewissen und unseren Glauben existenziell wichtig geworden, die »Frohe Botschaft« eines Jesus von Nazareth abzugleichen mit dem, was die Kirche lehrt. Wir sehen eine unvereinbare Diskrepanz zwischen dem, was sie meint, für das Leben der Gläubigen ableiten und anweisen zu können, und dem, was diesen Jesus, selbst für Nichtchristen, oft so anziehend macht: dass die Liebe zu Gott*2 nur wahr wird in der Liebe zum Nächsten. Dass Gottes*Erbarmen sichtbar wird in unserem Erbarmen füreinander. Und dass Gottes*Segen da wirkt, wo wir ein Segen sind.

 

Wenn Jesus sagt, der Sabbat sei für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat, so zeigt er uns einen Weg, unsere Sicherheiten und Regeln immer wieder im Lichte der sich verändernden Notwendigkeiten zu betrachten. Im Lichte der Liebe, also dem, was uns und unseren Mitmenschen guttut.

 

Wir leben nicht in einer starren Welt, sondern in einer, die sich ständig wandelt, anpasst und lernen muss, mit neuen Gegebenheiten umzugehen und zu überleben.

Wir selbst sind als Teil allen Lebendigens wandelbar, genau wie das Leben um uns herum. Und auch unsere Erkenntnis ist nicht statisch. Regeln für unser menschliches Zusammenleben sind immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob sie noch zu den Gegebenheiten und Erkenntnissen passen. Dafür haben wir unseren Verstand. Ein Gottesgeschenk, das wir nutzen sollen.

Wir sind keine perfekten, in Stein gehauene Skulpturen der Personen, die wir sein sollen und sein werden, als einzige Möglichkeit unseres Selbst. Nein! Wir sind, wie in der Genesis so wunderbar poetisch erzählt, aus Erde gemacht, aus einem wunderbaren weichen, formbaren Batzen Ton. Einem besonderen Material, das wir elastisch halten sollten – mit der Feuchtigkeit unserer Demut und unserem Bewusstsein, sterbliche Geschöpfe zu sein.

Wir haben viele Möglichkeiten, unser Leben zu formen. Das ist unsere Freiheit.

Unser Streben nach Optimierung geht oft einher mit Selbstüberschätzung. Das Alte Testament erzählt vom Turmbau zu Babel: Die Menschen wollten werden wie Gott*, an den Himmel rühren, selbst Schöpfer sein, Herr über Leben und Tod. Dabei holten sie sich – und holen wir uns auch heute – nicht nur blutige Nasen, sondern gehen das Risiko ein, unser Leben, unsere Welt, unsere Existenzgrundlagen zu verlieren.

Demut heißt, nicht nur zu erkennen, dass wir nicht perfekt sind, dass wir Fehler machen und all unser Schaffen endlich ist, sondern sie ist die Erkenntnis unseres Platzes vor dem Göttlichen: Wir sind Teil des endlichen, sich stets wandelnden Lebens.

»When too perfect, lieber Gott böse« – dieses Zitat stammt von Nam June Paik – einem koreanischen Künstler. Es ist ein sehr sehr kluger Satz. Denn das Perfekte ist tot. Es muss im Moment der Vollendung erstarren. Wenn es nichts mehr zu verbessern gibt, entweicht das Leben. Dann ist eine Wandelbarkeit ausgeschlossen. Eine Sinnesänderung nicht mehr vorgesehen.

Vielleicht hat die römische Kirche 1870 mit dem Beschluss, etwas Menschliches als unfehlbar zu titulieren, genau diese Grenze überschritten. Sie hat damit die Anmaßung Gott*gegenüber auf die Spitze getrieben und sich selbst in ihr Gefängnis unwandelbarer Wahrheiten gesperrt. Denn wie könnte ein Mensch, sei er auch Papst, jemals unfehlbar agieren. Seither muss diese Kirche auch ihre Kontrollsucht auf die Spitze treiben, erst recht in einer Welt, die sich schwindelerregend schnell verändert.

 

Wir Menschen kennen viele Korrektive und wir sehen mit jeder neuen Generation, dass die Sehnsucht nach Freiheit, Liebe, Gerechtigkeit und Gemeinschaft neue Formen annimmt, sich neue Wege bahnt, neue Defizite des Alten und Möglichkeiten des Neuen sichtbar macht.

Der römischen Kirche fällt es ungeheuer schwer, in diese sich stets wandelnden neuen Möglichkeiten Vertrauen zu setzen, also den Verstand als Gottesgeschenk zu betrachten und der Sehnsucht der Menschen den Göttlichen Funken zuzutrauen. Zahlreiche Verantwortliche in der Kirche – so sehen wir es – wittern überall Gottlosigkeit und Glaubensschwund, wenn Menschen versuchen, Licht und Luft in ihre alten Gemäuer zu bringen, und sich Gedanken über die ursprünglich schlichte Schönheit des Gebäudes machen.

Dort wo Menschen neue Worte für ihren Glauben suchen und andere Sichtweisen entdecken – auf das Göttliche, die Schöpfung oder auf die Beziehungen zwischen all dem –, da wächst das Misstrauen derer, die den Gral der einzig richtigen Glaubenswahrheiten hüten. Viele Amtsträger in der Kirche reagieren dann mit Verboten und Befehlen. Die Kontrollsucht und Gehorsamseinforderung der römischen Kirche ist ein Indiz für ihr tiefes Misstrauen den Menschen gegenüber. Und dieses tiefe Misstrauen scheint uns ein immenses Fehlen an Gottvertrauen zu sein. Denn wie Gottes-* und Nächstenliebe untrennbar verschränkt sind, so ist auch Vertrauen in Gott* und den Nächsten untrennbar aneinander gebunden.

 

Jesus hat diese Untrennbarkeit gelebt. Er hat die Ohnmacht des Kindes in der Krippe nie abgelegt. Sein Gottvertrauen war so unbedingt, dass er das konnte. Sein Gottvertrauen befreite ihn von der Angst. Menschenmacht hatte er nicht nötig. Kierkegaard sagt: »In Jesus scheint ein Gott auf, der uns Menschen unendlich vertraut«

 

Gottvertrauen ist keine Einbahnstraße. Jesus sagt: »Was ihr den Geringsten tut, das tut ihr mir.« Das zeigt die Gegenspur.