Erbin der Götter - Mary E. Marten - E-Book

Erbin der Götter E-Book

Mary E. Marten

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Beschreibung

"ES GIBT KEINE ZUFÄLLE!" Naledi, mit einem "dämonischen" Feuermal behaftet und als Säugling ausgesetzt, wird im letzten Augenblick davor bewahrt, gebrandmarkt und als Sklavin verkauft zu werden. Danach aber nimmt ihr Retter Bero, bislang Sucher im Dienst der skrupellosen Schuldensammlerin namens Recha, sich ihrer nur widerwillig an. Seine Neugier und sein Kampfgeist regen sich jedoch, als beide erkennen, dass ein Geheimnis Naledis sternförmiges Mal umgibt und Verfolger ihnen auf den Fersen sind. Nach Lyff, seinem ehemaligen Lehrmeister in den Kampfkünsten, taucht so allzu bald auch Ises auf, eine weitere Sucherin und Beros einstige Kampfgenossin, die noch immer in Rechas Schuld steht. Naledi wird tiefer und tiefer in Gefahren, Rätsel und Wahrheiten verstrickt, die sich zwischen ihr, ihrem Mal, Bero und ihren Verfolgern entspinnen. Welche beängstigende, übermenschliche Macht schlummert da in ihr? Wie weit kann sie Bero vertrauen, warten doch auch in dessen Innerstem bodenlose, bedrohliche Abgründe?! Immerhin war er vollstreckender Arm der gnadenlosesten aller Schuldensammlerinnen!

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Für alle, die „ein Mal tragen“, sichtbar oder unsichtbar. Für alle, die nicht auf ihre Fähigkeiten vertrauen. Für alle, die nicht glauben, dass „mehr“ in ihnen steckt. Für alle, die „anders“ sind.

Ihr seid mehr als dieses „Mal“. Ihr könnt mehr, als ihr glaubt. In euch steckt mehr – habt den Mut, es zu entdecken. Ihr seid richtig, so, wie ihr seid, denn Leben bedeutet unendliche Vielfalt!

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Kapitel 1

Zagor, größte Stadt am südöstlichen Rand der Steinwüste

Das Gedränge der Menschen, der Lärm der Stimmen und Geräusche und der durchdringende Gestank nach Schweiß, Fäkalien, in der Sonnenwärme verderbenden Fisch- und Fleischabfällen sowie der Geruch der in den Garküchen angebotenen Mahlzeiten betäubten seine feinen Sinne. Die Vorzüge einer Stadt? Wohl kaum! Es kostete ihn Mühe, sich gegen all das abzuschotten, aber schließlich ebbten die Eindrücke ab. Stoisch und entschlossen bahnte er sich derweil seinen Weg über den überfüllten Platz und ignorierte das Fluchen derer, die er dabei anrempelte. Zuletzt warf er einem bettelnden Mann in schmutzstarrender Kleidung nichts weiter als einen kurzen, warnenden Blick zu. Das genügte, um diesen abwehrend die verkrüppelte Hand heben und – wie die vielen anderen zuvor schon – erschrocken zurücktaumeln zu lassen. Dabei stieß er gleich noch zwei weitere Bettler mit nässenden, eitrigen Wunden an den nackten Unterschenkeln und Armen beinahe um.

Schnaubend setzte er seinen Weg fort. Zagor hatte sich nicht verändert und würde es auch niemals. Er jedoch auch nicht. Oder vielleicht doch: Er hatte es vermocht, sich einen noch dickeren Panzer der Gleichgültigkeit und Härte zuzulegen – ein Umstand, den er als wohltuend und erleichternd empfand.

Die Sonne näherte sich bereits dem westlichen Horizont und er bewegte sich von ihr fort, die Kapuze seines grauen Umhangs tief in die Stirn gezogen. So verbarg er nicht nur seine auffallenden Augen, auch sein seit etlichen Tagen unrasiertes Gesicht lag im Schatten. Selbst seine Waffen – Schwerter, Messer und die Streitaxt – hatte er unter dem weiten Umhang verborgen. Ärgerlich umständlich, aber notwendig, wenn er sie bei sich tragen und doch möglichst unauffällig bleiben wollte. Und auffallen wollte er hier auf keinen Fall! Sein Aufenthalt hier sollte im Gegenteil so kurz wie möglich gehalten sein und die Person, die er hier aufsuchen wollte ...

Grunzend berichtigte er sich selbst und warf einen scharfen Blick über seine Schulter: Die Person, die er hier aufzusuchen gezwungen war, würde hoffentlich mit dem heutigen Tag endgültig aus seinem Leben verschwinden. Freiheit wie auch Schuldenfreiheit waren schwer zu erlangen und seinen Weg dorthin hatte er oft genug beinahe mit dem Leben bezahlt.

Als er sein Augenmerk wieder nach vorne richtete und eben um die nächste Ecke in eine etwas weniger belebte Gasse biegen wollte, blähte ein Windstoß Umhang und Kapuze für einen Augenblick. Ein kleines Mädchen schräg vor ihm stieß prompt einen erschrockenen Laut aus und rannte hastig davon. Im gleichen Moment aber weckte auch etwas in seinem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit. Er blieb abrupt stehen, drehte den Kopf erneut und ließ seinen durchdringenden Blick über die breite Straße schweifen, die er soeben verlassen wollte.

Alles schien wie zuvor: Hier Menschen mit Waren in ihren Körben, Kisten, Säcken und Karren, dazwischen sich drängende Käufer, die gegen Tagesende vermutlich auf niedrigere Preise hofften. Irgendwo in einer dunklen Gasse johlten ein paar Männer, vermutlich sturzbetrunken. Dort ein magerer Junge, der mit dem soeben gestohlenen, seit dem Morgen sicher längst trocken gewordenen Brot davonstürzte und ein hinter ihm herfluchender Bäcker. Weiter vorne zwei streitende ältere Weiber, die sich nun gegenseitig an den Haaren zogen, plärrende Kinder, aufflatternde Raben, zwei Straßenhunde, die knurrend und bellend um irgendetwas Fressbares kämpften. Zwischen alldem jener kahlköpfige, rotbärtige Sklavenhändler, den er bei seiner Ankunft auf dem Weg zum Mietstall bereits gehört und gesehen hatte. Nicht zu vergessen dessen beiden Gehilfen und zwei offenbar unfähige Wachen, die vier aneinandergekettete Menschen zwischen sich führten: zwei ältere Männer mit von Sonne und Wetter gegerbter Haut, eine hellhäutige und -haarige Frau mittleren Alters, deren linkes Bein kürzer als das rechte war, sowie eine junge Frau mit langen, braunen Haaren. Ihr Hautton deutete eher auf einen Mischling hin. Und eine fette Ratte, die soeben von einem lauernden Kater angesprungen wurde und auf ihrer Flucht jenem Sklavenhändler zwischen die Füße geriet ...

Zagor. Stinkende, überfüllte Stadt am Ende eines gewöhnlichen Markttags. Was immer dieser Eindruck gewesen war, er war verschwunden. Oder nur Einbildung gewesen.

Die Häuserecke versperrte ihm sogleich die Sicht, als er weiterging.

...

Er fluchte lautlos, als er dennoch erneut abrupt innehielt, sich umwandte und noch einmal um die Ecke spähte, diesmal dicht an der Hauswand stehend. Es mochte nur ein Gefühl gewesen sein, aber er hatte gelernt, auf seine Eindrücke zu vertrauen.

...

Das Bild war das gleiche.

Die Fensteröffnungen ... leere Dächer ... erste Händler, die ihre letzten Waren zusammenpackten ...

Ein Zupfen an seinem Umhang.

„Herr? Braucht Ihr einen Führer? Ich kenne mich hier aus und für eine Kupfermünze ...“

Er wirbelte herum und verzog wütend das Gesicht, als der knochendürre Junge zu spät reagierte und rücklings auf den Boden fiel, mitten in irgendeinen Schmutzhaufen undefinierbarer Herkunft.

„Verschwinde!“, knurrte er, doch diese Warnung war überflüssig, denn der Bursche krabbelte bereits rückwärts von ihm fort, bevor er sich aufrappelte und davonstürzte.

Was immer dieser Eindruck gewesen war, er war fort. Zeit, den Lohn für seinen letzten Auftrag einzufordern.

Der kühle Schauder, der mir für einen kurzen Moment die Nackenhärchen aufzurichten schien, war verschwunden, als wir von der Straße ab- und in den Zugang zu jenem Hinterhof einbogen. Aber mir blieb ohnehin keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Orbas Befehl war knapp und unmissverständlich:

„Rauf da, los doch! Und ihr nehmt ihnen die Ketten ab und kontrolliert sie auf Wunden. Aufgescheuerte Knöchel drücken den Preis, genauso wie verhungert aussehende Gerippe. Also sorgt dafür, dass sie ihre Ration Brot und Wasser bekommen. Wofür bezahle ich euch eigentlich? Muss ich euch jeden Tag aufs Neue alles vorbeten? Nichtsnutzige Hohlköpfe!“

Ich sah erst gar nicht auf, als die Helfer unter den wachsamen Augen der beiden gedungenen Wachen zuletzt auch mir grob erst die Fuß- und dann auch die Handfesseln öffneten, bevor das Gitter des Käfigs zufiel und sorgfältig versperrt wurde.

Zum vierten Mal in vier Tagen landete ich am Abend wieder hier in diesem Wagen. Morgen würde Orba auch meinen Preis herabsetzen. Übermorgen wollte er die Stadt verlassen und bis dahin den kümmerlichen Rest seiner menschlichen Ware loswerden, um sich nicht länger mit ihnen zu belasten. Sein Weg würde ihn zurück zu seinem Schiff und über das Meer führen, neue Sklaven zu fangen. Wenn er mich nicht endlich als Hausoder Feldsklavin losschlagen könne, werde es eben ein Hurenhaus werden.

Auch jetzt, unmittelbar bevor er sich zur Nacht wieder in das Gasthaus begeben würde, in dessen schmuddeligem, engem Hinterhof dieser Wagen mit dem aufgesetzten Gatterkasten stand, warf er mir einen wütenden Blick zu. Einen Blick, der mir geraten erscheinen ließ, mich wieder still in eine Ecke zurückzuziehen.

Schnaubend musterte er mich dennoch und schnaubend winkte er einem seiner Helfer.

„Wo findet man hier den nächsten Schmied oder Hufschmied?“

„In der Nähe des Stadttores. Aber wozu braucht Ihr einen? Die Pferde sind erst kürzlich beschla...“

„Du Spatzenhirn, das weiß ich selbst! Die da war ein schlechter Kauf und ich habe keine Lust, weniger für sie zu bekommen, als ich selbst ausgegeben habe. Schon genug, dass sie seit Tagen mein Brot frisst. Sobald die Leute ihr Feuermal sehen, will sie niemand mehr haben. Abergläubisches Pack ... Ich will wissen, ob man ihr es ausbrennen oder mit einem Zeichen überdecken kann. Lieber ein Brandzeichen als das da, kapiert?“

„Ja, Herr, verstehe.“

„Gut für dich! Jetzt beweg verdammt noch mal deinen faulen Hintern und versorg sie! Und wehe, die Wachen schlafen wieder ein! Das da ist mein Eigentum und wenn du nicht darauf aufpassen kannst, kannst du sehen, wo du bleibst!“

„Ja, Herr. Ich werde ...“

Orba wartete seine Antwort gar nicht mehr ab, sondern kehrte ihm fluchend den Rücken zu und stapfte davon.

Jeder im Hof hatte seine Worte hören können, auch die anderen drei Sklaven – die mich mieden wie eine Aussätzige, seit sie das Mal an meinem Oberarm bemerkt hatten.

Ich zog die Beine an, schlang meine Arme um die Unterschenkel und legte die Stirn auf meine Knie. Eine weitere Nacht, noch dazu eine in der Furcht, von einem glühenden Eisen gebrandmarkt zu werden.

Und doch eine Nacht mehr, in der ich am Leben war.

Das Haus war groß und beeindruckend, nicht nur weil es im besten Viertel in unmittelbarer Nähe zum großen Marktplatz lag. Das traf auf viele stattliche Häuser zu. Dieses jedoch stach heraus: Seine Fenster waren auffallend groß, die massive Eingangstür gleich doppelflügelig und mit aufwändigen gusseisernen Verzierungen beschlagen und die Sandsteinmauer der Fassade reich mit kunstvollen Steinmetzarbeiten verziert: Drachenköpfe mit weit aufgerissenen, hauerbewehrten, feuerspeienden Mäulern, die sich bezeichnenderweise mit Ranken dornenbewehrter Pflanzen abwechselten. Das Auffallendste aber war der kleine Rundturm am First über dem Eingang, von dessen Spitze aus man sogar über die Stadtmauer hinweg blicken konnte. Seine Lichtöffnungen und Scharten jedoch wirkten dunkel, fast schwarz, und er erinnerte sich nur zu gut daran, dass auch der schmale, gewendelte Treppenaufgang dort hinauf finster war.

Dreimal schlug er mit der Faust gegen die massive Tür und nur fünf Herzschläge später öffnete der alte Mann sie. Mühsamer als früher.

„Führ mich zu deiner Herrin“, forderte er ohne jeden Gruß.

„Willkommen zurück. Tretet ein, Ihr werdet bereits erwartet“, verneigte er sich – weniger tief und deutlich schwankender als früher.

Das Innere des Hauses empfing ihn wie so oft mit erfrischender Kühle und Stille. Auch das Dämmerlicht war einmal mehr eine Wohltat für seine Sinne. Noch immer war dieser Bereich des Gebäudes kahl und karg und während er äußerlich gelassen wartete, dass der schwächliche Alte die Tür endlich wieder zuschob, rief er sich die Anordnung der Räume, Flure und Ausgänge ins Gedächtnis zurück. Beinahe fünf Jahre seines Lebens hatte er hier verbracht, bevor er ...

„Folgt mir, hier entlang“, unterbrach der Greis seine Erinnerungen. Vor ihm herschlurfend geleitete er ihn geradewegs auf die Tür zu, die zum Speiseraum führte. Sie aß also noch immer zeitig zu Abend.

„Hier herein“, öffnete er nach kurzem Anklopfen und ohne auf eine Aufforderung zum Eintreten zu warten.

„Du bist zwei Tage zu spät“, verzichtete auch sie auf einen Gruß. „Was hat dich aufgehalten? War dein Auftrag zu schwer oder bist du zu guter Letzt zu zögerlich geworden? Zu alt ganz sicher nicht, du bist in der Blüte deiner Leistungsfähigkeit! In jeder Hinsicht, würde ich meinen“, endete sie doppeldeutig.

Noch immer, nach all den Jahren, klang ihre Stimme klar und jung, voller Lebendigkeit. Niemand kannte ihr wahres Alter, doch sie musste inzwischen über sechzig Jahre alt sein und es war ihm ein Rätsel, woher sie ihre jugendliche Stärke nahm. Nicht einmal die weißen Strähnen über ihrer Stirn und an den Schläfen ließen einen Schluss auf ihre inzwischen verstrichenen Lebensjahre zu, sie wirkte nahezu alterslos, wie sie so dasaß. Dasaß wie eine Spinne in ihrem Netz, die ihre Beute zu sich kommen ließ. Er konnte sich jedenfalls nicht erinnern, dass sie dieses Haus je verlassen hätte. Nicht durch den Haupteingang, nicht, während er sich hier aufgehalten hatte. Was gleichbedeutend war mit: Wann immer es ihr beliebte und vermutlich auch durch Pforten und auf Wegen, die selbst er nicht entdeckt hatte.

„Ich bin pünktlich, wie du sehr wohl weißt“, widersprach er kalt. „Ich sagte schon bei meinem Aufbruch, dass ich es in der von dir anberaumten Zeit nicht schaffen würde. Mir hätten schon Flügel wachsen müssen. Und nein, der Auftrag war nicht zu schwer, wie es auch die anderen zuvor nicht waren. Was Zögerlichkeit ist, wirst du mir jedoch erklären müssen, ich kenne dieses Wort nicht.“

Ihre grazile Gestalt hinter dem Tisch täuschte nicht darüber hinweg, dass auch sie über beachtliche Fähigkeiten in Kampf und Selbstverteidigung verfügte. Tatsächlich war sie ihm in seinen jungen Jahren in so mancher Hinsicht durchaus überlegen gewesen. Wie es sich hierin jetzt verhielt, war zumindest noch unsicher. Und noch immer argwöhnte er, dass sie niemals jemanden ihre wahre Kunst und Stärke sehen ließ, denn das hieß stets, sich dem Gegner gegenüber eines entscheidenden Vorteils zu berauben.

Sie winkte ihn näher und ihr nahezu faltenloses Gesicht verzog sich zu einem spöttischen Lächeln.

„Leg deinen Umhang und die Waffen ab. Gorgo? Wasserschüssel und Tuch für meinen Gast, er wird sich wenigstens grob vom Staub seiner Reise befreien, denn er wird mit mir speisen. Sorgt auch für ein heißes Bad und frische Kleidung, es sollte sich noch genügend in einer seiner Truhen befinden. Es soll ihm hier an nichts mangeln.“

„Ich danke, aber ich gedenke, diese Stadt noch vor Toresschluss wieder zu verlassen.“

„So? Nun, ich fürchte, dich enttäuschen zu müssen. Für heute Nacht solltest du besser als mein Gast in meinem Haus bleiben. Morgen früh geht eine Karawane in Richtung Norden, eine weitere übermorgen in Richtung Meer. Einer der beiden kannst du dich anschließen.“

Mit einer langsamen Bewegung schob er die Kapuze nach hinten und funkelte sie mit bewusst forschendem Blick an.

„Gastfreundschaft? Ohne Gegenleistung? Weshalb? Werdet Ihr zum Abschied am Ende rührselig? Ohne einen triftigen Grund werde ich nicht von meinen Plänen abweichen!“

Sie lachte leise, dann winkte sie ihrem Diener mit unmissverständlicher Geste, ihren Anweisungen Folge zu leisten.

„Dein Kommen wurde bemerkt. Aus welchem Grund auch immer dein Können, unsichtbar zu bleiben, in Zagor versagt ... Was die Bettler weitertragen, findet Eingang auch in das Ohr der Wachsoldaten. Lerne, wie ein normaler Mensch Mitleid zu zeigen, und man wird in dir nur einen normalen Menschen sehen. Lerne, Mensch unter Menschen zu sein, und du verschreckst niemanden.“

Mitleid! Etwas, das sie zeitlebens nie gekannt hatte! Doch bevor er etwas hätte sagen können, waren bereits zwei weitere Diener eingetreten und sie fuhr unbeeindruckt fort:

„Und jetzt gehorche mir, Sucher, es ist zu deinem Besten! Nehmt ihm den staubigen Umhang ab und legt seine Waffen griffbereit neben der Tür auf den Tisch, das sollte seinem Sicherheitsbedürfnis genügen.“

Er zögerte kurz, dann nickte er den beiden Burschen sein Einverständnis zu. Es brodelte jedoch in seinem Inneren, während er ihrer Aufforderung nachkam. Es war eine Sache, jetzt noch einen Streit mit ihr vom Zaun zu brechen. Etwas, dem er nicht aus dem Weg gegangen wäre. Etwas, das er nach all den Jahren fast schon herbeisehnte. Eine ganz andere Sache aber war, sich möglicherweise tatsächlich mit einem Haufen Wachsoldaten anzulegen, von denen einige seit seinem letzten Aufenthalt innerhalb dieser Stadtmauern nicht gut auf ihn zu sprechen waren. Verflucht sei jener Abend, jene Taverne, das willige Schankmädchen und sein dank des schweren Weins gelöstes Mundwerk! Eine Kombination, die zusammen mit seiner aufgestauten Wut ein ungutes Ende genommen hatte. Eine Kombination, zu der er es niemals wieder kommen lassen würde!

„Woher wissen sie von meiner Ankunft? Ich weiß genau, dass sie mich nicht bemerkt haben. Um diese Zeit herrscht großes Gedränge an den Toren. ... Oh, verstehe. Die Münder der Bettler sind aus gutem Grund verschlossen gegen die Wachen. Es sei denn, du hast sie aufgefordert, ganz bestimmten Wachposten Nachricht über mein Eintreffen zu geben!“, ging nun auch er zum Du über.

Diesmal kicherte sie und wedelte halbherzig mit der Hand.

„Erraten. Morgen früh werden andere an den Toren stehen und niemand wird dich aufhalten. Um der Wahrheit also die Ehre zu geben: Ich wollte noch einmal Zeit mit dir verbringen. Sagen wir einfach, um der alten Zeiten willen. Um in Erinnerungen zu schwelgen.“

Er schnaubte betont laut, verhielt mitten in der Bewegung und hielt ihren Blick fest, worauf hin sie ebenso betont seufzte und das Lächeln von ihrem Gesicht verschwand. Ihr Ton wurde sachlich.

„Also schön, Sucher, wie du meinst. Du hast deinen Auftrag erfüllt?“

„Wortgetreu.“

„Wo ist es?“

„Wie du es wünschtest, habe ich es der Aufseherin im Tempel in Bursal übergeben.“

„Alles ging reibungslos vonstatten? Zeugen?“

„Ich habe dafür gesorgt, dass es keine gibt. Zwei Sklaven musste ich daher töten und ihre Leichen verschwinden lassen, beim Herrn und der Herrin des Anwesens genügte ein starkes Betäubungsmittel im Abendessen.“

„Spuren?“

„Ich hinterlasse keine Spuren! Was sie finden konnten, waren Hinweise, die auf eine Entführung deuten, an der die beiden Sklaven beteiligt waren. Beleidige mich nicht, ich bin kein Anfänger!“

Ihr Mund verzog sich erneut zu einem Lächeln, doch diesmal war es kalt und berechnend. Sie beugte sich leicht vor, die tiefblauen Augen zusammengekniffen.

„Es ist also sichergestellt, dass es weder aufgefunden werden kann, noch jemals wieder einen Fuß aus diesem Tempel heraus setzt? Niemand außer dir und mir weiß, wo es ist?“

Er kümmerte sich wie stets nicht um Regeln oder Manieren, als er nicht nur seine Hände in der angereichten Wasserschale reinigte, sondern gleich reichlich Wasser schwungvoll in sein Gesicht beförderte, bevor er sich mit dem nach Blüten duftenden Tuch abtrocknete. Der kostbare Teppich unter seinen staubbedeckten Stie feln würde wasserfleckig werden, doch das interessierte ihn nicht. Auch seine ‚Gastgeberin‘ ließ dies unkommentiert.

Diesmal jedoch nahm er sich Zeit mit der Antwort und ließ sich erst auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder. Sie hatte ihn tatsächlich erwartet, denn dieser Platz war gedeckt, die Speisen noch warm, wenn nicht gar heiß. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich zu fragen, woher sie wusste, was sie wusste und woher ihre Fähigkeiten rührten. Jetzt jedoch flackerte diese Frage wieder in ihm auf.

„Ja. Eure großzügige Zuwendung an den Tempel war nur eines der überzeugenden Argumente für die Aufseherin. Zumindest genauso überzeugend dürfte aber meine Drohung gewesen sein, sie zu foltern und zu verstümmeln, wenn sie oder jemand in ihrem Auftrag je nach seiner Herkunft forschen werde. Oder sie beide zu töten, wenn es den Tempel verlassen würde.

Was den Rest angeht: Nur zu bald wird es ohnehin keine Erinnerung mehr an sein ehemaliges Zuhause haben – wenn es die überhaupt schon hat. Ein ungewolltes Bastardkind unter zahllosen. Willkommene Tempeldienerin, der es an nichts mangeln wird. Außer an Freiheit.“

Sein Gegenüber ließ sich wieder zurücksinken und mit einem winzigen Lächeln auf den Lippen winkte sie einen der Burschen heran, Wein einzugießen. Er wartete jedoch nicht, sondern nahm sich mit der Linken von den bereitstehenden Platten, um sich seinen Teller vollzuladen, während er mit der Rechten den von außen beschlagenen Krug griff und sich großzügig einschenkte.

„Bring mir Wasser zum Verdünnen“, forderte er jedoch und sie nickte schmunzelnd.

„Dann ist es getan und du hast ein weiteres Mal deinen Auftrag erfüllt. Dein Anteil an der Entlohnung ...“, deutete sie mit dem Kopf in Richtung Tür, doch er warf nur einen kurzen Blick auf den prall gefüllten Geldbeutel, den der Alte soeben dort neben seinen Schwertern ablegte. Goldmünzen, die sicherlich kaum annähernd den Wert des kaum ein Jahr alten Mädchens aufwogen. Schon gar nicht den Wert seines Lebens! Eines Tages würde sein Gegenüber vermutlich ein Zehn- oder Zwanzigfaches seines heute ausgezahlten Lohnes von den Eltern fordern dafür, ihnen ihre Tochter wieder zuzuführen.

„Nicht die einzige Entlohnung“, nuschelte er dennoch mit vollem Mund und nickte in Richtung ihrer beringten Hand.

„Es ist nicht sehr höflich, seine Gast- und gleichzeitig Auftraggeberin daran zu erinnern ...“

„Ich war noch nie höflich. Weshalb sollte ich jetzt damit beginnen?“ Er spülte den Bissen mit einem kräftigen Schluck herunter und nickte, als der junge Diener mit dem Wasserkrug herantrat, um den Becher aufzufüllen.

„Ja, warum solltest du?“, hob sie ihren Becher, prostete ihm zu und nippte dann daran. „Plaudern wir doch nun ein wenig! Was willst du fortan mit deinem Leben anfangen, Sucher? Was wird jetzt deine Bestimmung sein, hm?“

„Das lass meine Sorge sein.“

„Oh, ich sorge mich nicht darum. Oder um dich. Ich kenne jedoch Männer und Frauen wie dich, die, nachdem sie ihre Freiheit erworben haben, rat- und rastlos umherziehen und zuletzt doch wieder das tun, was sie annähernd zeit ihres Lebens getan haben: Entweder sie verdingen sich wieder als Sucher zu höheren Löhnen oder sie werden zu Söldnern und Auftragsnehmern. Wer einmal Blut vergossen hat und dem Tod oft genug ins Gesicht sah, kann nicht mehr ohne dies sein. Meine Frage war aus reiner Neugier geboren. Ich wäre sogar einer kleinen Wette nicht abgeneigt, was meinst du?“

Er tunkte ein Brotstück in das Fett seines Bratenstücks und schob es sich in den Mund, wischte Mund und Kinn mit dem Ärmel ab und hielt ihren amüsierten Blick fest.

„Eine Wette? Ob ich es ihnen gleichtun oder einen anderen Sinn und Inhalt für mein Leben finde?“

„Richtig.“

Ein weiterer Bissen – diesmal ein riesiges Stück Fleisch – wanderte zu dem Brot in seinen Mund und zum ersten Mal seit seiner Ankunft verzog ein Grinsen sein Gesicht.

„Lass es darauf ankommen. Wenn du von den anderen weißt, dann wirst du es irgendwann auch von mir wissen. Sag mir ...“, nahm er einen weiteren Schluck und stellte dann den beinahe geleerten Becher fort, rülpste in voller Absicht laut und fixierte sie erheitert, bevor er völlig unvermittelt wieder ernst wurde. „Sag mir, wie du es anstellst! Du hast deine Augen und Ohren überall, weil du deine Spitzel überall hast. Aber das kann es nicht alleine sein. Welche schwarzen Künste übst du aus, um all das zu wissen, was du weißt?“

Sie legte ihre Gabel fort, lehnte sich entspannt zurück, beide Arme auf die Lehnen ihres Stuhls gelegt. Dann schmunzelte sie, kicherte und lachte zuletzt.

„Ich habe mich schon lange gefragt, wann du mir diese Frage stellen würdest. Fast habe ich geglaubt, du würdest nie fragen.“

„Und?“

Ihre Augen funkelten, als sie sich wieder vorbeugte und die Hände rechts und links neben ihrem Teller ablegte. Hände, die er in jenen fünf Jahren oft genug siegreich hatte kämpfen sehen.

„Meine Antwort werde ich dir geben, wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen.“

Er lachte auf, nahm einen letzten Schluck Wein, schob dann seinen kaum zur Hälfte geleerten Teller fort und erhob sich.

„Mit anderen Worten: Ich werde es nie erfahren, denn morgen trennen sich unsere Wege endgültig. Meine Schulden sind beglichen, mein letzter Lohn liegt dort, den Ring, der meine Freiheit besiegelt, wirst du mir geben, noch bevor ich diesen Raum verlasse. Und neue Schulden werde ich bei dir nicht machen, also werden unsere Pfade sich nicht mehr kreuzen, es sei denn, zufällig und unbeabsichtigt.“

Ihr rechter Mundwinkel wie auch ihre rechte Augenbraue hoben sich zu einem eigenartigen und gleichzeitig spöttischen Schmunzeln. Dann zog sie einen goldenen Ring mit umlaufender Gravur aus seltsamen Zeichen von ihrem Daumen und warf ihn gekonnt in hohem Bogen quer über den Tisch in seine Richtung. Seine Hand schoss reflexartig vor, schloss sich blitzschnell um den glänzenden Reif und nur einen Augenblick später hatte er ihn sich an den linken Ringfinger geschoben.

„Alle Schulden sind getilgt“, betonte er mit tiefer Stimme. „Und da du mich als Gast bezeichnet und eingeladen hast: Hab Dank für die kostenlose Mahlzeit samt Bett zur Nacht. Ich werde morgen in aller Frühe aufbrechen, also sage ich jetzt lebwohl. Achte auf dich, Recha von Zagor, denn eines Tages werden dir deine Art und deine Geheimnisse zum Verhängnis.“

Er neigte den Kopf so knapp, dass man es fast hätte übersehen können. Noch während er seine Waffen und den prallen Geldbeutel einsammelte, hörte er ihr leises Lachen.

„Es gibt keine Zufälle, Bero von Zagor.“

Eine Ansicht, die er teilte, doch das behielt er für sich.

„Alles hat seinen Sinn, seinen Zweck und seine Bestimmung. Deine ist es, ein Sucher zu sein. Anderen gegenüber kannst du dies leugnen, aber nicht vor mir. Und auch nicht vor dir selbst“, setzte sie hinzu.

Er kniff die Augen zusammen, wandte sich jedoch zur Tür, ohne darauf zu antworten. Erst als seine freie Hand schon auf dem Türgriff lag, hielt er inne, denn zum ersten Mal seit langer Zeit vermochten ihre Worte, ihn zu überraschen:

„Was, wenn ich dir anbieten würde, dass ich in deiner Schuld stünde? Für einen weiteren, einen letzten Auftrag, der dich nicht einmal weit fort von hier führen würde.“

Etwas Animalisches in ihm glühte auf, brannte in seiner Brust und leckte gierig an seinem Willen, so wie Flammen an trockenen Reisern leckten. Recha die Schuldensammlerin in seiner Schuld! Diese Aussicht war derart verlockend, dass sein Herz vor Begehrlichkeit schneller schlug. Er lechzte regelrecht danach, seinerseits nach all dieser Zeit eine Forderung an sie stellen zu dürfen, die sie nicht würde ausschlagen können!

„Ich sehe, ich habe dein Interesse geweckt.“

Noch immer zögerte er, die Hand am Griff.

„Ich hätte jedoch vermutet, dass du sofort gierig einwilligst! Wo bleibt dein Wunsch, es mir heimzuzahlen, Sucher? Rache für die geraubten Jahre, die zahllosen Aufträge, die ich dir erteilt habe und die dir einer nach dem anderen Stück für Stück deine Seele nahmen! Rache dafür, dass du ungezählte Male dein Leben aufs Spiel setzen musstest, nur weil ich es dich hieß! Oder solltest du doch zu zögerlich geworden sein? Lieber kein Risiko mehr eingehen, jetzt, da du die Freiheit hast, zu gehen, wohin der Wind dich treibt?“

Nach wie vor verharrte er, ihr den Rücken zukehrend und dem unentschiedenen Pendeln zwischen dem Tier und seinem Selbst in seinem Inneren nachspürend.

„Und?“, fragte sie schließlich. „Ich bin kein besonders geduldiger Mensch!“

‚Entscheide schnell und stets der Vernunft gehorchend! Gib einem Gefühl nach bei einer Entscheidung, und du bist verloren!‘, hörte er die mahnenden Worte seines einstigen Lehrers in seinem Geist.

„Ich denke darüber nach und lasse es dich wissen“, beschied er sogleich gepresst.

„Willst du mich zappeln lassen? Oder soll ich bitten? Weder das eine noch das andere wird geschehen, Bero. Mein Angebot gilt bis zum morgigen Sonnenaufgang. Danach werde ich einen meiner anderen Sucher oder Sucherinnen damit beauftragen.“

„Wenn die Zeit derart drängt und du weitere Sucher hast, die noch dazu in deiner Schuld stehen, weshalb gehst du dann das Risiko ein, mir eine Schuldigkeit anzubieten? Wo ist der Haken?“, drehte er sich halb herum, behielt die Hand jedoch am Türgriff.

„Eben weil die Zeit drängt und weil dieser Auftrag nach dem Besten verlangt. Ich sagte lediglich, dass er dich nicht weit wegführen würde, nicht, dass er leicht zu erfüllen ist. Was sagst du?“

„Dass ich Einzelheiten hören will, bevor ich eine Entscheidung treffe“, knurrte er.

Ihre Augen wurden schlagartig schmal.

„Du weißt genau, dass dies gegen jegliche Vereinbarung wäre!“

„Nicht ich bin es, der etwas von dir will, du willst etwas von mir. Meine Regeln, nicht die deinen. Ich wähle fortan aus, wohin mich mein Weg führt und womit ich mich befassen werde. Wie also entscheidest du?“

Ihre Augen bohrten ihren Blick mehrere Herzschläge lang in den seinen, doch dieser Art von Einschüchterungsversuch war er längst gewachsen.

„Du musst eine junge Frau finden, töten und ihren Leichnam unbemerkt aus den Mauern dieser Stadt schaffen. Sie darf niemals gefunden, geschweige denn, wiedererkannt werden.“

„Weshalb kein Unfalltod?“

„Eine Möglichkeit, die diesmal nahezu unmöglich wäre. Weil nicht einmal der Schatten eines Zweifels aufkommen darf. Schon gar nicht dürfte ihr Tod oder Verschwinden mit mir in Zusammenhang gebracht werden.“

Er zog die Augenbrauen zusammen und eine tiefe Falte entstand über seiner Nasenwurzel.

„Du weißt sehr wohl, dass bislang nie jemand an meinen Scheinbeweisen etwas Verdächtiges fand.“

„Mein Auftrag, meine Forderungen und Anweisungen. Sie stehen nicht zur Diskussion.“

„Wer ist die Frau und was hat sie dir getan, dass du ihren Tod wünschst? Was bedeutet sie dir, dass du dich in meine Schuldforderung zu begeben bereit bist?“

Sie lehnte sich zurück und wirkte entspannt wie zuvor.

„Nichts. Es geht nicht um mich, Sucher. Sie ist nur ein Auftrag, den ich erhielt und an dich weitergebe. Muss ich dich erinnern, dass ich dafür garantiere, dass jeder angenommene Auftrag erfüllt wird? Rechtzeitig? Mir persönlich bedeutet sie nichts und wäre es nicht ein Auftrag, der innerhalb dieser Stadt läge ...“

Deshalb schloss sie einen vorgetäuschten Unfalltod aus?

„Etwas, das du früher niemals angenommen hättest. Weshalb also jetzt? Bist du Zagors müde?“

Gedachte sie etwa, dieses Haus hier aufzugeben und in eine andere Stadt zu ziehen? Möglich wäre es, denn ihr Name war in großen Teilen des Reichs bekannt, ihr Ruf eilte ihr voraus. Zumindest in der Welt der finsteren Wünsche, Begehrlichkeiten und der Häscher. Doch sie blieb ihm auch diese Antwort schuldig.

„Du gehst zu weit. Es ist meine Sache, welche Aufträge ich annehme und welche nicht.“

„Und das Gleiche gilt für mich! Gute Nacht, Recha. Und leb wohl.“

„Du ebenso – einstweilen. Denn ich glaube fest, dass wir uns wiedersehen werden!“, kam es gerade laut genug, dass er es noch hören konnte.

Weder das heiße Bad noch die viel zu junge Sklavin, die sie ihm „zur Entspannung“ in sein Zimmer schickte, vermochten, seine Gedanken von diesem letzten Gespräch abzulenken. Das Bad nahm er dankend an, die Sklavin jedoch schickte er mit knappen, wenn auch halbwegs freundlichen Worten wieder hinaus. Unter diesem Dach würde er nie wieder eine Frau haben und was die Reinigung und Pflege seiner Waffen und Ausrüstung anging: Abgesehen von der Säuberung seiner Stiefel gab er aus gutem Grund selbst hier nichts in andere Hände.

Die kühle Nachtluft brachte nur vorübergehend wohltuende Erleichterung. Schon bald würde ich wieder frieren und anders als die drei anderen, die sich zumindest dicht an dicht nebeneinanderlegten, blieb ich in meiner Ecke alleine.

Der Wachposten erhob sich ein weiteres Mal, fluchte und kontrollierte erneut das schwere Schloss an unserem Käfig, bevor er zur Mauer schlurfte und seine Blase leerte. Nachdem er, abermals fluchend, zurück an seinem Platz angelangt war, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. Vermutlich überlegte er einmal mehr, ob es angeraten wäre, mich für ein kurzes Vergnügen hier herauszuholen oder ob die Gefahr, dabei erwischt zu werden, zu groß wäre.

Er ließ sich zu meiner Erleichterung auch heute grunzend wieder an dem kleinen Feuer nieder und ich senkte die Lider aufs Neue in der Hoffnung, wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf finden zu können.

Die Kälte der Nacht hatte mich wie üblich mehrmals geweckt, doch der Tag dämmerte für meinen Geschmack viel zu früh heran. Und mit ihm war auch der von Orba beauftragte Helfer viel zu früh auf den Beinen, um nach einem Schmied zu suchen, der Orbas Wünschen nachzukommen bereit war. Noch lag der Hof im dämmrigen Grau, noch lag die halbe Stadt sicher im letzten Schlaf, doch er hatte nichts Eiligeres zu tun und würde den Schmied somit vermutlich aus seinem Bett holen.

Mir wurde übel und mein leerer Magen zog sich krampfhaft zusammen bei der Vorstellung, von einem rotglühenden Eisen gebrandmarkt zu werden.

Die beiden Wachen lagen schnarchend irgendwo in einer Ecke des Hofes. Orbas zweiter Helfer, dem während der letzten beiden Stunden der Nacht die Aufgabe des Wachehaltens oblag, hatte sich darangemacht, den Eimer mit unseren Ausscheidungen zu leeren und uns frisches Wasser und Brot zu besorgen. Müde und entsprechend mürrisch schob er den noch immer stinkenden Eimer durch die rasch geöffnete Luke in der Gattertüre, die er ebenso rasch wieder verschloss. Ohne sich die Hände zu waschen, griff er danach sogleich zu den letzten beiden trockenen, flachen Broten. Er warf sie uns ähnlich achtlos herein, wie man Schweinen ihr Futter hinwirft, und reichte den bedeutend kleineren Wassereimer nach.

„Da ... Wehe, ihr teilt nicht gerecht, dann setzt es Hiebe! Bevor ich Orbas Schläge einstecken muss, werde ich euch welche verabreichen! Los, du da, raus aus der Ecke, steh endlich auf!“, stieß er mich mit der Hand grob an der Schulter an.

Ich hatte nur darauf gewartet, dass er sich mir näherte, hob den Kopf und warf ihm einen flehenden Blick zu.

„Warum hilfst du mir nicht? Du warst doch selbst einst ein Sklave!“, flüsterte ich hastig. „Willst du wirklich zusehen, wie sie mich verstümmeln? Öffne das Schloss und ich verspreche, dass niemand ...“

„Halt deinen Mund! Dir zu helfen würde bedeuten, selbst wieder zum Sklaven zu werden! Du wirst es schon überstehen, so groß ist das Mal an deinem Arm nicht. Und wage es nie wieder, mich darum zu bitten, dir zur Flucht zu verhelfen, hast du verstanden?“, zischte er, meinen Kopf an meinen Haaren dicht ans Gitter zerrend. Mit einem Ruck gab er mich wieder frei und ich ächzte, als meine Stirn dadurch gegen den rauen Bretterboden stieß.

„He! Hab ich nicht gesagt, dass ihr teilen sollt, verfluchtes Pack? Gebt ihr gefälligst auch ein halbes Brot!“ Er fasste nach dem langen Stock, der unerreichbar weit weg an der Deichsel des Wagens lehnte, und stocherte damit zwischen den Stäben hindurch, bis einer der Männer mir grunzend eine recht klein ausgefallene Hälfte herüberwarf.

„Als ob es noch nicht genügt, uns mit so einer zusammenzusperren“, murrte er, kuschte jedoch, als ihm abermals mit dem Stock gedroht wurde.

Hatte ich mich anfangs bemüht, sie von meiner Harmlosigkeit – besser gesagt: der Harmlosigkeit meines Feuermals – zu überzeugen, war ich inzwischen nur noch froh, dass sie mich in Ruhe ließen. So trank ich auch jetzt meinen Anteil am Wasser, der gerade einmal zwei volle Kellen betrug. Erst dann hockte ich mich kauend wieder in meine Ecke, von der aus ich wenigstens den größten Teil des Hofes und den Zugang zur Gasse im Auge behalten konnte.

Ich war unschuldig, aber das interessierte niemanden. Ich war weder eine Hexe noch von Dämonen besessen oder verflucht, doch das war unwichtig. Ich hatte noch nie jemandem ein Leid zugefügt und die Anschuldigungen, die gegen mich vorgebracht worden waren, waren aus der Luft gegriffen. Erfunden von einer eifersüchtigen jungen, schwangeren Frau, die keine Dienerin unter ihrem Dach duldete, die ihr Mann möglicherweise nur zu bald wieder auf sein Lager ziehen könnte.

Das Grau des drohenden Tages lichtete sich viel zu schnell und sowohl im Hof als auch im Gasthaus erwachten die ersten Geräusche zum Leben.

...

Es gab keine Götter, zu denen es sich zu beten lohnte. Und die Angst schnürte meine Kehle zu, sodass ich nach wenigen Bissen schon den Rest des kargen Mahls in die Taschen meines längst verschmutzten Kleides schob.

Offenbar gab ich mich trotz aller Furcht der Hoffnung hin, auch den heutigen Abend noch zu erleben und es dann herunterschlingen zu können.

Lange bevor irgendjemand im Haus erwacht war, hatte er sich angekleidet und alle seine hier noch aufgefundenen Kleidungsstücke zu zwei festen Bündeln zusammengeschnürt. Beide Schwerter wieder auf dem Rücken tragend, Kampfaxt und Messer in der seitlichen und hinteren Scheide des Gürtels über seiner schwarzledernen Hose und das bedeutend kleinere im Schaft des Stiefels musterte er den einstmals dunkelgrünen, inzwischen fahlgrau verwaschenen Umhang. Er hatte keine Kapuze, doch es würde auch so gehen. Ein breites, längliches Tuch wie eine Kopfbedeckung locker um Kopf und Schultern gewickelt würde genügen, würde die Schwertgriffe sogar noch besser verbergen, auch wenn es sie im Notfall noch schwerer greifbar machte. Andere Kleidung als gestern. Er gedachte, mit seinem Pferd in der Nähe des Tores zu warten, bis die von Recha erwähnte Karawane aufbrechen würde. Ein weiterer Reiter fiel kaum auf und die Wachsoldaten kontrollierten ohnehin eher die, die kamen, als die, die gingen.

Die Gassen und Straßen lagen noch im letzten Grau der Nacht, als er das Haus verließ. Bewusst nicht durch die Hintertür und die kleine Pforte in der Mauer, denn er machte sich keinerlei Illusionen darüber, dass sein Gehen unbemerkt bleiben würde. Inner halb von höchstens zehn Minuten war er am Mietstall angelangt, hatte den schlafenden Pferdeknecht unsanft aus seinen Träumen geholt, ihm weitere Münzen für die vergangene Nacht in die Hand gezählt und sattelte sodann eiligst sein untergestelltes Pferd. Noch färbte die hinter dem Horizont wartende Sonne den Himmel allenfalls rosig, als er sein Tier am Zügel durch die Seitengassen führte und zuletzt an der Ecke zum Marktplatz noch einmal verhielt.

Die Ruhe eines frühen Morgens, in die sich allenfalls die ersten leisen Geräusche einer erwachenden Stadt mischten. Lauschend drehte er den Kopf, schloss zuletzt auch die Augen – und sofort mischte sich noch etwas in diese Ruhe: eine undeutliche Stimme, dann eine zweite. Den Blick in diese Richtung lenkend knurrte er. Dieselbe Stelle wie gestern. Noch lagen die Gasse hinter und Straße und Marktplatz vor ihm in verschlafenem Frieden, doch als er seine Sinne ein zweites Mal anstrengte, hörte er Schritte. Zwei Personen, von denen der eine bedeutend kräftiger auftrat. Murren. Worte, die er nicht verstehen konnte. Leises Klirren von Metall auf Metall.

Sie kamen näher und er drängte sein folgsames Reittier zurück, behielt die Straße nun nur noch mit einem Auge im Blick, den Kopf dicht an die Hauswand bringend.

Das Grau entließ zögerlich zwei Gestalten. Eine davon erkannte er wieder: einer der Helfer des Sklavenhändlers. Der mit den strohblonden Haaren und dem leicht schielenden Blick. Und der andere ...

Er kniff die Augen zusammen, um Einzelheiten erkennen zu können. Dicke Lederschürze, ausgeprägte Muskelstränge an Schultern, Armen, Nacken und Brust, weithin sichtbare weil dunkle und weiße Narben und Brandverletzungen an den großen, kräftigen Händen und Unterarmen, unterschiedlich lange Eisenstäbe mit eigenartig gebogenen Enden über der Schulter ... Ein Hufschmied oder Schmied.

Es brauchte keine große Klugheit oder langes Nachdenken, um darauf zu schließen, wozu diese Eisenstäbe dienten.

Schnaubend zog er sich hinter die Ecke zurück und wartete, bis die Schritte abgebogen und leiser geworden waren. Der rote Schein stieg schon am Himmel auf und irgendwo krähte ein erster Hahn. Sogleich antwortete ein zweiter Hahn weiter weg, dann ein dritter, vierter. Im Haus hinter ihm erhoben sich prompt dessen Bewohner für den Tag.

Die Stadt erwachte und mit diesem ersten Hahnenschrei würden die Tore geöffnet werden. Innerhalb der nächsten halben Stunde dürfte die Karawane aufbruchbereit sein. Spätestens. Oder sich schon dem Stadttor nähern. Dem, das er zu durchschreiten gedachte, denn der Handelsweg führte erst eine ganze Weile in südwestliche Richtung, bevor er sich nach Süden und Westen aufgabelte.

Noch einmal kontrollierte er das wenige Gepäck, bevor er sich in den Sattel schwang und sein Pferd auf die Straße lenkte. Ihm konnte gleich sein, dass der Glatzkopf seine Sklaven zu brandmarken gedachte. Das Einzige, was ihn kümmerte, war seine neu gewonnene Freiheit.

„Die da? Und was ist mit den anderen? Sag bloß, du hast mich vor Sonnenaufgang aus dem Bett geholt, nur um einem Mädchen ein Zeichen zu verpassen?“

„Nur die da, ja. Und mein Herr wird dich schon angemessen entlohnen, sofern das Feuermal hinterher nicht mehr als solches zu erkennen sein wird. Du bist hoffentlich nicht abergläubisch wie die meisten hier.“

Der Schmied spie abfällig aus, betrachtete mich abwägend und zuckte dann die Schultern.

„Es braucht schon mehr als ein Mal, um mich in die Flucht zu schlagen! ... Ihr werdet ein anständiges Feuer brauchen, das da reicht ja kaum mehr, einen Spatz zu braten!“, nahm er die mitgebrachten Eisenstäbe von der Schulter und schob deren verschnörkelte Enden in die noch vorhandene Glut, bevor er sich mir wieder zuwandte. „Wo ist es denn, dieses Mal? Bekomme ich wenigstens was von ihr zu sehen?“

Ich hatte mich längst angstvoll erhoben und drängte mich jetzt voller Panik in die hinterste Ecke des Käfigs.

„Vorne an ihrem Arm, gleich unterhalb der Schulter. Ihr da, steht gefälligst auf und schürt das Feuer, ihr Faulpelze!“, trat er einer der beiden verschlafenen Wachen gegen den Stiefel. „Und du komm her!“, befahl er, näherte sich dem Käfig und knurrte wütend, als ich seinen Händen auswich und mich dazu wieder von den Gitterstäben fortbewegte.

Er würde schon die Tür öffnen und mich holen müssen und vielleicht war dies meine letzte und einzige Gelegenheit zur Flucht: Der Schmied sah nicht aus, als ob er flink wäre oder überhaupt ein großes Interesse hätte, eine fliehende Sklavin aufzuhalten. Die Wachen ihrerseits erhoben sich gerade erst murrend und gähnend und wenn ich schnell genug war und den richtigen Moment erwischte, mich gegen die sich öffnende Tür werfen, herausspringen und dann davonrennen konnte ...

Doch ich hatte nicht mit den anderen gerechnet: Vier Hände packten mich urplötzlich an Armen und Haaren und so sehr ich mich auch wehrte, wand und trat, sie drängten mich mit aller Kraft nach vorne und gegen das Gitter.

„Hier, Meister Schmied! Versengt ihr das verfluchte Dämonenzeichen, damit wir endlich sicher sind vor ihr! Brennt es ihr aus!“, keifte die Frau dazu, trat nun ebenfalls neben mich und zog und zerrte so lange, bis der Ärmel meines Kleides endgültig abriss und das Mal, das ich seit meiner Geburt trug, frei lag. Der Ausschnitt wurde nun nur noch von einem dünnen Streifen Stoff über der Schulter gehalten.

„Das ist es, seht her! Es sieht aus wie ein Stern, nicht? Ein Drudenfuß!“

Meine Wange und Schläfe wurde mit Gewalt gegen den Käfig gedrückt und ich musste die Augen verdrehen, um den Schmied wenigstens halbwegs im Blick zu behalten. Er musterte meine nackte Schulter, wirkte kurz enttäuscht, trat dann jedoch heran und beäugte das Mal genauer.

„Für mich sieht das eher aus wie ein Klecks, aber jedem nach seinem Wünschen, Wollen und Glauben. Es wird nicht schwer sein, das da mit einem Brandzeichen zu überdecken, aber wenn das kein Bader machen soll: Ich übernehme keine Verantwortung dafür, dass sie es überlebt. Ich kenne mich mit Pferden aus, nicht aber mit Menschen. Wenn ihr das nicht vernünftig versorgt und sie bekommt Wundbrand ...“

„Das lass meine Sorge sein, Schmied. Woltar, geh in die Küche, hol sämtliche Glut aus Esse und Ofen und bring einen Blasebalg mit. Das dort dauert sonst viel zu lange, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

Orba. Offenbar hatten ihn die Stimmen im Hof geweckt, denn er war noch dabei, sein Hemd in die Hose zu stopfen.

„Es ist also dein Ernst“, versetzte der Schmied, doch Orba schnaubte nur als Antwort.

„Na schön, wie du meinst, Händler. Welches soll es sein? Ich schlage vor, zwei Dreiecke übereinanderzulegen, beim zweiten Mal ein Stückchen gedreht. Das ergibt dann wenigstens einen gleichförmigen Stern statt nur einen ‚Drudenfuß‘.“

„Meinetwegen. Was verlangst du?“, winkte er dem mit einem großen, mit Glut gefüllten Metalleimer heranstaksenden Woltar, er sollte gefälligst etwas schneller machen.

Der Schmied zog alle Eisen bis auf eines wieder aus der Glut und nickte zufrieden, als Orbas Helfer vorsichtig den gesamten Inhalt des Eimers zu den Resten des nächtlichen Feuers leerte. Ein ansehnlicher Haufen immer noch rotglühender Holzkohle, die mich jedoch wimmern ließen, zumal die Luft aus dem Blasebalg sie jetzt sehr rasch hellrot aufleuchten ließ.

„Für zehn Kupferstücke mache ich ihr ein schönes, gleichmäßiges Brandzeichen“, schob der Schmied daraufhin den Stab im so entstandenen Haufen zurecht und nickte erneut, als Woltar einen Tritt von Orba erntete und sogleich den schon etwas lädiert aussehenden Blasebalg weitaus eifriger betätigte. „Sauber und gleichmäßig, sofern ihr sie gut genug festhaltet.“

„Zehn Kupferstücke? Dafür kann ich mir ein Brandzeichen kaufen und es selbst machen! Du bekommst fünf, höchstens!“

„Fünf? Das ich nicht lache! Ihr habt mich aus dem besten Schlaf gerissen und wenn ich nicht wenigstens acht bekomme, gehe ich gleich wieder und ihr könnt euch einen anderen suchen. Viel Glück schon jetzt, denn niemand ...“

„Es bleibt bei fünf. Und auch nur, weil ich heute meinen großzügigen Tag habe“, fiel Orba ihm ins Wort. Und als der Schmied kopfschüttelnd den Mund öffnete und weiterfeilschen wollte, hob er die Hand.

„Fünf, mein letztes Wort. Sonst kannst du unverrichteter Dinge gehen und bist umsonst aus dem Bett gestol pert. Machst du deine Sache jedoch so gut, wie du tönst, lege ich ein sechstes Kupferstück darauf. Ich erwarte allerdings ein wahrhaft präzise gesetztes Zeichen, denn sei dir gewiss, dass vier Mann in der Lage sein werden, sie festzuhalten! Ich will, dass dieses verdammte Mal nicht mehr zu sehen ist, nicht einmal mehr zu erahnen!“

Der Schmied stieß den Atem ungenutzt wieder aus, dann grinste er plötzlich.

„Es verdirbt dir den Preis, richtig? Hahaha, verstehe. Na gut, fünf Kupferstücke und ein weiteres, wenn dir meine Arbeit gefällt. Doch in jedem Fall einen Becher Dünnbier zu einem halben Kupferstück nach getaner Arbeit, denn sie macht nun mal Durst und mein Magen ist noch leer.“

„Einverstanden. Fangt an, holt sie da heraus.“

Ich schrie auf, als sie mich in Richtung Tür zerrten, trat wie wild nach ihnen, stemmte mich gegen ihre Bemühungen und schrie ununterbrochen weiter, als die Hände der Söldner mich an der geöffneten Tür in Empfang nahmen.

Das Schimpfen und Fluchen der Männer übertönte sofort mein Schreien und Flehen und endete erst, als Orbas Faust urplötzlich gegen meine Schläfe donnerte.

Alles drehte sich und ich sackte zusammen, wäre sicher auf dem schmutzigen Hof zu Boden gefallen, wenn sie mich nicht festgehalten und dann der Länge nach auf dem Rücken gleich neben dem Gluthaufen ausgestreckt hätten.

Lichtpunkte blitzten hinter meinen Lidern auf, die ich kaum offenzuhalten in der Lage war. Es dauerte viel zu lange, bis meine Angst und mein Verstand wieder die Oberhand über die drohende Bewusstlosigkeit gewannen. Gerade forderte der Schmied, dass man meinen Arm seitlich weit genug vom Körper wegziehen und festhalten müsse.

Orba nickte grimmig und kaum zogen sie an meinem Hand- und Ellenbogengelenk, begann ich mich wieder mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu wehren und schrie mir die Lunge aus dem Hals, bettelte und flehte um Hilfe und Erbarmen ...

... bis Orbas bärtiges Gesicht direkt über meinem auftauchte.

„Es reicht, du kleine, diebische Hure!“

Etwas ruckte und riss an meinem Kleid und nur einen Augenblick später rammte er mir ein Stück des Stoffes in meinen Mund.

„Und jetzt haltet sie gefälligst fest! Du auch, lass den verdammten Blasebalg! Sie hat ohnehin schon die halbe Stadt geweckt mit ihrem Geschrei und ich habe keine Lust auf all die schaulustigen Gaffer! Tu deine Arbeit, Schmied! Jetzt!“

Das Gewicht von vier kräftigen Männern hielt mich nur einen Wimpernschlag später nieder, presste meine Arme, Schultern und Beine schmerzhaft fest auf den Boden und nun riss auch das letzte Stück Stoff über meiner Achsel, als Orba daran zerrte. Meine Brust war halb entblößt, doch selbst das kümmerte mich nicht mehr. Meine gesamte Aufmerksamkeit lag jetzt bei dem Mann, der mich für eine Handvoll Kupferstücke zu verstümmeln bereit war.

Der Schmied hingegen gab sich unbeeindruckt und ich starrte ihn tränenblind aus weit aufgerissenen Augen an, als er erst noch einmal die Farbe und Temperatur der dreieckigen Form am Ende des Stabes kontrollierte.

Als er es zum zweiten Mal aus der Glut holte und Orba grollend etwas zu ihm sagte, nickte er zu meinem Entsetzen.

„Na gut, das wird reichen. Haltet sie gut fest, ich muss es schon genau setzen können ...“

Ich erstarrte. Die Angst in mir wurde übermächtig und ich würgte aus mehr als einem Grund gegen den Knebel, als das glühende Eisen in mein Blickfeld kam, sich meiner nackten Schulter näherte. Schon spürte ich die sengende Hitze, die davon ausging, noch während der Schmied es leicht drehte und den Winkel, in dem er es auf mich herabzusenken gedachte, korrigierte ...

Kapitel 2

Er hatte sein Pferd zurück in die andere Richtung gelenkt, noch bevor er die Mitte des Marktplatzes erreicht hatte. Weder darüber legte er sich Rechenschaft ab, noch darüber, weshalb er im Zugang des Hofes absaß und seinem sorgfältig abgerichteten Reittier mit einem einzigen Wort samt dazugehöriger Geste befahl, dort stehen zu bleiben. Nach einem einzigen Rundblick – die ersten Neugierigen eilten, angelockt von dem Geschrei, hinter ihm herbei – öffnete er das Schloss des Gatterkastens. Jedermanns Aufmerksamkeit lag auf dem, was sich da mitten im Hof abspielte. Und welcher Schwachkopf auch immer den Schlüssel in Reichweite abgelegt hatte, ihm gehörte das Fell über die Ohren gezogen.

Eine einzige stumme Geste mit dem Kopf genügte, um die noch darin befindlichen Gefangenen auf ihre Gelegenheit zur baldigen Flucht aufmerksam zu machen.

Und dann, die Hand am Riegel, machte er sich bereit, die Tür zu öffnen. Die Vorderseiten des Umhangs hatte er über die Schultern zurückgeschlagen, das Tuch vom Kopf geschoben. Gelassen, ruhig und doch in höchster Aufmerksamkeit, bereit, im Bruchteil eines Wimpernschlags zu reagieren.

Als der Schmied sich der wehrlosen Frau mit dem glühenden Eisen näherte, spürte er, wie die Kälte in seinem Blick auch jetzt wieder die Farbe seiner Augen in das flüssig wirkende, metallene Grauschwarz verwandelte.

„Das würde ich an deiner Stelle lassen!“

Seine Stimme blieb gedämpft, dennoch schien sie von den Wänden des Hofes mehrfach wie ein Echo zurückgeworfen zu werden.

Erst jetzt bemerkten sie ihn und schlagartig lagen sämtliche Blicke auf ihm – abgesehen von dem der Frau, die fast noch ein Mädchen schien.

„Was ... He, was soll das? Nimm deine Finger vom Riegel, du ver...“, wurde der Sklavenhändler zunehmend lauter und wandte sich ihm mit geballten Fäusten zu.

„Ich sagte, dass ich das an deiner Stelle lassen würde, Schmied! Nimm das Eisen fort, wenn du deine Hand behalten willst!“, unterbrach er ihn. Er spürte, wie die Blicke der drei Sklaven voller Anspannung zwischen ihm und der Gruppe Männer um die Frau herum hin und her huschten.

„Und ich sage, dass du deine Finger da wegnehmen ...“ Der Riegel quietschte und diesmal unterbrach der Kahlkopf sich selbst: „Halt! Sie gehören mir und wenn du ...“

„Du hörst nicht zu! Ein letztes Mal also: Weg mit dem Eisen, dann lasst sie los, oder ich lasse die Drei laufen! Wer sollte mich auch davon abhalten? Ihr gewiss nicht!“

„Bezahl für sie, dann kannst du mit ihnen machen, was dir beliebt!“, rief der Rotbart wütend. „Und wenn du die da haben willst: Auch sie ist zu verkaufen, mit oder ohne neue Verzierung! Wagst du es jedoch, mein Eigentum zu stehlen, indem du ihnen zur Flucht verhilfst, hetze ich dir sämtliche Wachen der Stadt ...“

„Ich bezahle nicht für Menschen. Und du wirst niemanden mehr verkaufen können, wenn du mir nicht Folge leistest. Meine letzte Warnung, auf die nur noch Taten folgen werden“, hob nun auch er die Stimme, was den eigenartigen Widerhall im Hof minderte.

„Wie du willst! Wir sind in der Überzahl, wer ist hier also der Dumme, he?“

Der Glatzkopf deutete den beiden Wachen grollend mit dem Kopf, sie sollen gefälligst ihrer Pflicht nachkommen. Sie waren jedoch kaum auf den Beinen und hatten ihre minderwertigen Schwerter gezogen, als er schon die Tür geöffnet hatte, mehrere Schritte zur Seite gesprungen war, eines seiner eigenen Schwerter in der Hand. Genauso schnell hatte er zu seiner Axt gegriffen und ließ sie nun in der Linken kreisen, bereit, sie in Richtung des offenbar lebensmüden Schmieds zu schleudern.

Doch jemand anderes war seines Lebens offenbar noch weit überdrüssiger: Der erste Angreifer war heran – und schrie gellend auf, als seine Hand nur einen Sekundenbruchteil später knapp über dem Handgelenk abgetrennt wurde und, den Griff des Schwertes noch immer umklammernd, im Dreck landete. Der Zweite versuchte zwar sofort, seinen Angriff abzubrechen und seitlich auszuweichen, doch zu spät. Mit einem zweiten Hieb der glänzenden Klinge, die aufblitzend eine elegante Kurve in der Luft beschrieb, schlug er das ohnehin schartige Blatt seines Gegners nur eine Handbreit über dem Heft ab. Es fiel klirrend zu Boden und der totenbleiche Söldner torkelte unter diesem Ruck zur Seite und starrte hilflos und entsetzt seinen vor Schmerzen brüllenden Kameraden an, der vergeblich versuchte, die Blutung seines Armstumpfes zu stoppen. Noch weiter zurückweichend stierte er sodann wieder in seine Richtung – er hob nur auffordernd beide Augen brauen und sofort warf der Feigling den nutzlosen Rest seiner Waffe fort, um sein Heil in der Flucht zu suchen.

Die absolute Stille im Hof wurde nur unterbrochen von den abgehackten, gepressten Schreien des verstümmelten Söldners, doch der kümmerte ihn nicht. Genauso wenig wie der nasse Fleck, der sich zwischen dessen Beinen ausbreitete und zu seinen Füßen eine gelbliche Pfütze bildete.

„Helft mir! Ich verblute, helft mir doch!“, brüllte der verkrüppelte Mann nun und wankte auf die anderen zu. Seine linke Hand hielt er fest um den blutverschmierten Stumpf, wodurch die Blutung zumindest nachließ. Niemand rührte sich hingegen von der Stelle, alles schien wie erstarrt darauf zu warten, was als Nächstes geschehen würde.

Zeit, dies alles zu einem raschen Ende zu führen, bevor jemand seine Geistesgegenwart zurückerlangen und die Wachsoldaten alarmieren würde!

„Schmied?“, fragte er dunkel und ließ erneut die Axt in der Linken kreisen.

Der kräftig gebaute Mann hatte ebenfalls sämtliche Farbe verloren und in betont langsamen Bewegungen trat er jetzt von der sich noch immer wehrenden und keuchenden Frau fort. Zuletzt legte er das Brandeisen neben der Glut auf den Boden, ohne ihn auch nur für einen winzigen Moment aus den Augen zu lassen.

„Gute Entscheidung. Verschwinde und nimm den da mit. Binde seinen Arm ab, die nötige Kraft dazu hast du. Ein Bader kann sich kümmern. Wenn er sich einen Bader leisten kann.“

Auch er gehorchte und zog den keuchenden, wimmernden Mann einfach hinter sich her – man machte ihnen sehr bereitwillig Platz.

„Und jetzt zu euch: Lasst sie los! Ihr habt drei Herzschläge lang Zeit, euch zu überlegen, was euch lieber ist: Leben und Unversehrtheit oder Gehorsam gegenüber eurem Brotherrn dort! Drei, zw...“

Die beiden Helfer sprangen bereits auf und von ihr fort, kaum dass er zu zählen begonnen hatte.

„Verschwindet.“

Sie nahmen stumm Reißaus, sich zwischen den immer zahlreicher werdenden Schaulustigen hindurchdrängend, und ließen den bleichen Glatzkopf zurück, der jetzt ohnmächtig mit den Zähnen knirschte.

Die junge Frau hustete, würgte und keuchte, nachdem sie sich von ihrem Knebel befreit hatte. Noch auf den Knien warf sie ihm einen zutiefst verängstigten Blick zu.

„Steh auf und geh dort hinüber. Warte dort“, befahl er ihr und näherte sich währenddessen dem Sklavenhändler, der sich hilfesuchend umsah, zurückwich und zuletzt nach dem langen Stock griff – was ihm nur ein spöttisches Lächeln entlockte.

Die Axt wieder in den Gürtel schiebend näherte er sich dem Rotbart schneller, als dieser sich von ihm entfernen konnte. Er musste sich beeilen, denn das Geschrei und Gebrüll hatte inzwischen derart viele Neugierige herbeigerufen, dass der Durchgang bald versperrt sein würde. Doch ein Letztes würde er noch tun ...

Seine Bewegungen waren tausende Male eingeübt: Mit einem einzigen Griff hatte er im Vorbeigehen das Brandeisen vom Boden aufgehoben. Mit einem gekonnten Hieb kürzte er gleich darauf den Stock, mit dem der Sklavenhändler im drohte, bis auf ein kleines Stöckchen und nun hielt er dem gegen die Hauswand gepressten Mann drohend die Spitze seiner Klinge an die Kehle.

„Du willst einen Menschen als Eigentum kennzeichnen? Dann wähle jetzt deine Kennzeichnung! Dein Auge? Du wirst fortan nur noch eines auf das richten können, was du so sehr begehrst. Oder lieber deine Hand? Du wirst nur noch mit einer Blutgeld scheffeln können. Oder ein Brandmal als ewige Erinnerung an den heutigen Tag? Und wähle rasch, sonst tue ich es!“

„N...nicht, bitte! Ich flehe ... DAS BRANDMAL, DAS BRAN... Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!“

Die umstehenden Männer und Frauen schrien entsetzt auf, doch der Sklavenhändler übertönte sie alle mit seinem Gebrüll.

Noch während das dampfende Eisen klirrend auf dem Boden auftraf, rannte er auf die wankende junge Frau zu, zog sie am Arm zu sich heran und pfiff nach seinem Pferd. Er saß auf, kaum dass es durch sein Steigen und Wiehern Platz geschaffen hatte.

„Los, komm“, reichte er ihr die Hand, die sie glücklicherweise ohne Zögern ergriff. Und kaum saß sie hinter ihm, stieß er dem Hengst beide Fersen in die Seiten ...

Grollend beugte er sich tief über den Hals seines Reittiers und nicht wenige Passanten sprangen ihnen im letzten Moment aus dem Weg. Dennoch knurrte er wütend. Die Strecke bis zum Tor war nicht weit, doch viel zu viele Menschen hatten jetzt sein Gesicht gesehen, waren Zeugen der Geschehnisse. Und obwohl der Umhang rasch wieder nach vorne gezogen und das Tuch über seinen Kopf gezerrt war, war das zitternde, halbnackte Mädchen hinter ihm zu auffällig. Viel zu auffällig, um noch unbemerkt und vor allem ohne aufgehalten zu werden durch das Westtor zu gelangen.

Schwierigkeiten, die er sich selbst zuzuschreiben hatte. Weshalb bei allen Göttern hatte er sich auch eingemischt? Er hätte Zagors Mauern längst hinter sich lassen können!

Ärgerlich auf sich selbst änderte er die Richtung, ließ sein Tier mehrfach um irgendwelche Ecken biegen, nutzte jede enge und dunkle Seitengasse, bevor er endlich anhielt und über seine Schulter nach hinten blickte.

„Ich frage, du antwortest. Kurz und schnell. Wer bist du?“

„M... Mein Name ist ...“

„Der interessiert mich nicht. Ich will wissen, wer du bist. Schnell.“

„Ich war Dienerin in ...“

„Was hast du verbrochen, um versklavt zu werden?“

„Nichts! Ich habe nichts ge...“

„Natürlich!“, unterbrach er sie spöttisch. „Kannst du bei jemandem in der Stadt unterkommen?“

Kopfschütteln. „Nein. Man kennt meinen Herrn und ...“

„Du sollst kurz und knapp antworten, ich habe keine Zeit für viele Worte!“, zischte er wütend. „Also: Familie oder Bekannte? Freunde, die dich eine Weile verstecken würden?“

„Nein.“

Er knurrte unwillig und knirschte mit den Zähnen, dann warf er einen Blick nach vorne und in die hinter ihnen liegende Gasse.

„Steig ab“, forderte er.

„Ihr wollt mich zurücklassen? Ich wäre nirgends sicher und ...“

„Gehorche!“, drehte er sich im Sattel, fasste nach ihr und beförderte sie unsanft vom Rücken seines Pferdes, hielt ihren Arm jedoch so lange umklammert, bis sie sicheren Stand gefunden hatte.

„In der rechten Satteltasche finden sich eine Hose und ein Hemd. Zieh beides an. Jetzt. Keine Zeit für Scham.“

Es dauerte viel zu lange, bis sie beides gefunden, herausgezerrt, sich entkleidet und wieder angekleidet hatte. Er behielt indessen die dunkle Gasse wachsam im Blick, doch ihm entging keineswegs, dass sie zwar mager, an den richtigen Stellen aber durchaus wohlgerundet und entsprechend begehrenswert war. Und ihm entging nicht, dass die Haut unter ihrer Schulter hochrot war. Nicht nur von einem eigenartig geformten Mal, sondern auch von der Hitze, die das zu lange über ihr verhaltende Eisen abgestrahlt hatte. Doch sie schien noch immer unter dem Eindruck des ausgestandenen Schreckens zu stehen, denn sie verzog deshalb nicht einmal das Gesicht. Nun, der Schmerz würde später kommen.

Hosenbeine und Ärmel viel zu langsam und umständlich aufkrempelnd sah sie ihn nun angstvoll an.

„Gut. Jetzt reiß ein breites Stück Stoff von deinem Kleid ab. Wir müssen deine Haare und dein Gesicht verbergen, so gut es geht. Schneller, das geht alles viel zu langsam!“

Sie gehorchte. Endlich.

Wer immer er war, was immer er vorhatte: Er war meine einzige Rettung und egal, was später mit mir werden würde, ich tat, was er mich hieß.

Mit aller Kraft und trotz des beständigen Zitterns meiner Hände zerrte ich so lange mit Fingern und Zähnen, bis ich ein breites und langes Stück vom Rock abgerissen und ähnlich wie er um Kopf und Schultern gewickelt hatte.

Er nickte, finster zwar, aber beifällig. Dann reichte er mir stumm die Hand und zog mich wieder hinter sich auf den Rücken des Pferdes, das die ganze Zeit über absolut ruhig dagestanden hatte.

„Du tust genau, was ich sage und wann ich es sage! Du redest nicht und regst dich nicht, solange ich dich nicht dazu auffordere! Ich werde weder mein Leben noch das meines Pferdes für dich riskieren, verstanden?“

Wir trabten an und er schien auf eine Antwort zu warten.

„Hast du das nicht schon? Vorhin?“, wagte ich, leise zu fragen.

„Das war kein Wagnis. Keiner von denen war ein würdiger Gegner. Wagnis wäre jedoch, irgendwo so lange zu verweilen, bis deine Gegner in der absoluten Überzahl sind. Zeit ist immer entscheidend für Erfolg oder Misserfolg. Wie also lautet deine kurze Antwort?“

„Ja.“

„Gut. Wir verlassen die Stadt durch das Osttor und legen größtmögliche Entfernung zwischen ihr und uns zurück, dann sehen wir weiter. Leg deine Arme um meinen Bauch und lass los, wenn ich es verlange. Ich muss nötigenfalls ungehindert an meine Waffen gelangen und notfalls musst du abspringen. In diesem Fall spring sofort zur Seite, um meinen Waffen und den Hufen meines Pferdes zu entgehen.“

Wieder verstummte er und ich bejahte rasch.

„Gut“, wiederholte er. „Wir haben also eine Abmachung. Vorläufig. Du gehorchst jedem meiner Worte und als Gegenleistung hast du mein Wort, dass ich dir aus der Stadt und damit zur Flucht verhelfe.“

„Ja. Einverstanden“, krächzte ich.

Er grunzte und offenbar fühlte er sich durch meinen Tonfall zu einer Ergänzung genötigt: „Ich halte stets mein Wort, sofern mein Schuldner ... sofern im Gegenzug die Einhaltung eines gegebenen Wortes gilt.“

Schuldner?

Er regte sich.

„Ich werde gehorchen!“, versprach ich rasch und nun endlich schien er zufrieden.

„Danke“, flüsterte ich, als wir uns irgendwann der Stadtmauer und damit dem östlichen Tor näherten.

„Danke mir nicht“, grollte er. „Erinnere dich lieber an dein gegebenes Wort!“