Erfolgreiches Kita-Management - Wolfgang Klug - E-Book

Erfolgreiches Kita-Management E-Book

Wolfgang Klug

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Beschreibung

Gutes Kita-Management umfasst Organisation, Qualitätsentwicklung, Führung, Finanzierung und Personalentwicklung. Es gelingt, wenn Kita-Leitung und Träger zusammenarbeiten. Um die vorhandenen Mittel möglichst effizient für die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder zu verwenden, sollten wesentliche "Stellschrauben" des Managements in den Blick genommen werden. Wie können wir unsere Kita zukunftsfähig machen? Wie kann die Organisation in der Einrichtung gestaltet und wie können Arbeitsabläufe optimal abgestimmt werden? Praxisorientiert und leicht verständlich zeigen die Autoren in der aktualisierten 4. Auflage des Buches, wie das Unternehmen Kita gelingen kann.

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Seitenzahl: 252

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Prof. Dr. Wolfgang Klug und Prof. Dr. Jens Kaiser-Kratzmann lehren Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03006-4 (Print)

ISBN 978-3-497-61409-7 (PDF)

ISBN 978-3-497-61410-3 (EPUB)

5., aktualisierte Auflage

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von © panthermedia.net/Jacky Simanzik

Satz: JÖRG KALIES – Satz, Layout, Grafik & Druck, Unterumbach

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Worum es uns geht

1 Einführung: aktuelle Entwicklungen

1.1 Entwicklung der Nachfrage nach Kita-Plätzen und Strukturen der Kita

1.2 Qualitätsentwicklung und Zertifizierung

2 Professionalität und Fachlichkeit in der Kita

2.1 Gesellschaftliche Anerkennung der pädagogischen Berufe

2.2 Was ist eine „Profession“?

2.3 Herausforderungen zum Erlangen gesellschaftlicher Anerkennung

2.4 Auf dem Weg zur Professionalisierung

2.4.1 Fachlichkeit auf der Mikroebene

2.4.2 Evidenzbasierung

2.4.3 Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis

3 Was wir über Organisationen wissen müssen

3.1 Einführung in organisationswissenschaftliche Grundlagen

3.2 Funktionale organisatorische Bedingungen für soziale Organisationen

3.3 Das lernende Kita-Unternehmen in seiner Umwelt

3.4 Tools I: Organisations-Check

3.5 Tools II: Schritte zur Stakeholder-Analyse

4 Verfahren der Qualitätsentwicklung

4.1 Bildungstheoretisch orientierte Verfahren

4.1.1 Verfahren auf der Grundlage standardisierter Qualitätseinschätzungen

4.1.2 Modulare Verfahren

4.2 Qualitätsentwicklung als Konstruktionsleistung des Teams

4.2.1 Integrierte Qualitäts- und Personalentwicklungsverfahren (IQUE)

4.2.2 Kronberger Kreis

4.3 Kundenorientierte Qualitätsentwicklung

4.3.1 Das KTK-Gütesiegel des Caritas Bundesverbands e. V

4.3.2 Das Bundesrahmenhandbuch Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder

4.3.3 Das Qualitätsmanagementhandbuch „Tageseinrichtungen für Kinder“ der Arbeiterwohlfahrt

5 Führung und Leitung – vom „Palaver“zur strukturierten Personalarbeit

5.1 Führen statt palavern: Grundlegendes zur Personalarbeit

5.2 Strukturelle Voraussetzungen für sinnvolle Führungstätigkeit

5.3 Lästig, aber nötig: Methoden der Personalgewinnung

5.4 Führen mit Zielen: motivierende Führung im Kita-Unternehmen

5.5 Führen mit Anspruch: fördern und fordern

5.6 Personal als Kapital: Personalentwicklung

5.7 Tools I: Schritte zum Personalmanagement

5.8 Tools II: Schritte zu einem Mentoringprogramm

6 Finanzierung

6.1 Die „Neuen Steuerungsmodelle“ – aktuelle Entwicklungen

6.2 Finanzierungsgrundlagen

6.2.1 Subjektfinanzierung durch Gutscheinmodelle

6.2.2 Formelbasierte Modelle

6.3 Finanzierung in den Bundesländern

6.4 Betriebswirtschaftliche Grundlagen der Budgetierung

6.5 Controllingverfahren: die Balanced Scorecard

6.6 Controlling praktisch: die Balanced Scorecard für Kitas

6.7 Einführung des Budgetierungssystems

7 Zusammenfügen, was zusammengehört: Das lernende Kita-Unternehmen wird Wirklichkeit

7.1 Das St. Galler Managementmodell und die Konsequenzen für das lernende Kita-Unternehmen

7.2 Bausteine des lernenden Kita-Management-Unternehmens

7.3 Professionelle Trägerstrukturen

7.4 Praktische Schritte zur Strategieentwicklung

7.5 Motor der Organisationsentwicklung: die Qualitätszirkel

7.5.1 Grundsätzliches über QZ

7.5.2 Organisation eines QZ

7.6 Kreativ Probleme lösen

Literatur

Register

Worum es uns geht

Alle würden sicher darin übereinstimmen, dass eine Investition in die Kinder und damit in den Nachwuchs einer Gesellschaft eine sinnvolle Investition ist. Bei aller Diskussion um die vorhandenen Strukturen und die Verbesserung derselben durch die Bereitstellung von mehr finanziellen Mitteln und die Definition von Qualitätsstandards darf aber nicht vergessen werden, dass die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen auch von einem guten Management begleitet werden muss.

Dabei geht es nicht nur um das Management der Kindergartenleitung, sondern auch und mindestens ebenso sehr (nur leider häufig vergessen) um das Management des Trägers. Wesentliche „Stellschrauben“ des Managements müssen in den Blick genommen werden, um Defizite zu vermeiden und die vorhandenen Mittel möglichst effizient für die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder zu verwenden.

An dieser Stelle ein kurzes Wort zur „Existenzberechtigung“ dieses Buchs. Es herrscht wahrlich kein Mangel an mehr oder weniger gelungenen Managementbüchern für Kitas. Oft sind darin sehr komplexe Themen in kleine „Häppchen“ zergliedert. Es wird vorausgesetzt, dass die Leserschaft ohne Begründung betriebswirtschaftliche Konzepte der Budgetierung übernimmt, ihr wird bisweilen zugemutet, Führungskonzepte im Stil von Elternratgebern („Die 10 Gebote der Mitarbeiterführung“) einfach zu „glauben“. Das alles ist bestenfalls gut gemeint, verfehlt aber den eigentlichen Prozess der Professionalisierung der Leiterinnen und Leiter von Kitas.

Die Leiterinnen und Leiter haben, so unsere feste Überzeugung, Anspruch darauf, dass die vorgeschlagenen Methoden wissenschaftlich begründet werden und nicht zum Glaubensbekenntnis oder zum Rezeptbuch verkümmern.

Dieses Buch ist also im engeren Sinne kein „Ratgeber“, es geht den anspruchsvolleren Weg des Wissenstransfers, es will diese Überzeugungsarbeit mit der Emanzipation der an Kitas beteiligten Fachkräfte verbinden. Am Ende ist – so bleibt jedenfalls zu hoffen – der besser Informierte auch der Erfolgreichere.

Wir legen der Leserin und dem Leser nunmehr die dritte, vollständig revidierte Auflage des Unternehmenshandbuchs für Leiterinnen und Leiter sowie Träger von Kitas vor, in der sich vieles verändert hat (z. B. ist ein Koautor hinzugekommen, das Buch hat an Umfang zugenommen), die oben dargelegten Überzeugungen aber haben sich erhalten. Dass es eine dritte Auflage gibt, zeigt, dass diese Überzeugung von der Leserschaft geteilt wird.

Zum Zweck der besseren Lesbarkeit haben wir für die Leitungstätigkeiten durchweg die weibliche Schreibweise („Leiterin“) verwendet, im Übrigen wurden männliche und weibliche Schreibweisen unsystematisch angewendet.

Ein Dank zum Schluss darf nicht fehlen: Ilse Raetsch sei ausdrücklich für ihre redaktionelle und grafische Unterstützung gedankt, die von ihr gesetzten Grafiken tragen ganz wesentlich zur Qualität dieses Buchs bei.

Eichstätt im April 2016,

Wolfgang Klug und Jens Kratzmann

1 Einführung: aktuelle Entwicklungen

Seit der ersten Auflage dieses Buchs sind mittlerweile 15 Jahre vergangen. Eine Zeit, in der sich im Bereich der Kindertageseinrichtungen eine Menge getan hat. Wir wollen daher diese vollständig überarbeitete dritte Auflage mit einer Skizzierung der Entwicklungen der letzten 15 Jahre beginnen, welche die in dieser Neuauflage vorgenommenen wesentlichen Veränderungen begründen.

1.1 Entwicklung der Nachfrage nach Kita-Plätzen und Strukturen der Kita

Der zu Beginn des Jahrtausends prognostizierte Rückgang der Nachfrage nach Kita-Plätzen aufgrund des demografischen Wandels ist entgegen den Erwartungen nicht eingetreten, da parallel ablaufende gesellschaftliche Wandlungsprozesse die Folgen des Geburtenrückgangs für die Kita ausgleichen, ja sogar umkehren. Die Situation ist seit ca. den 2010er Jahren geprägt durch Knappheit an Kita-Plätzen, welche die Eltern in die Not bringt, einen Platz für ihr Kind in einer geeigneten Kindertageseinrichtung zu ergattern. Im Wesentlichen kam es dazu durch einen immer früheren Eintritt in die Kindertageseinrichtung, der sich zunächst auf Kinder im Kindergartenalter (drei bis sechs Jahre) beschränkte. Kinder besuchten seit 2000 immer häufiger die Kindertageseinrichtung bereits im Alter von drei Jahren. 90 % der Dreijährigen in Westdeutschland besuchten im Jahr 2015 eine Kindertageseinrichtung gegenüber 74 % im Jahr 2006. In Ostdeutschland liegt dieser Anteil historisch bedingt auf dem hohen Niveau von 94 %, das in Westdeutschland erst ab einem Alter von vier Jahren erzielt wird. Zudem ist der Anteil an Ganztagsbetreuung der Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt in diesem Zeitraum spürbar von 25 % auf 77 % gestiegen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 2016).

Faktoren der Entwicklung

Zu dieser Entwicklung beigetragen haben mehrere Faktoren. Ein zentraler Faktor ist die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Müttern, die tendenziell früher, also in den ersten Lebensjahren der Kinder, wieder in den Beruf einsteigen wollen. Die Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern unter einem Jahr ist nach Daten des Mikrozensus nach wie vor sehr gering und sogar leicht gesunken (möglicherweise ein Effekt der Einführung des Elterngeldes). Dagegen ist der Anteil erwerbstätiger Mütter mit Kindern zwischen einem und zwei Jahren in den Jahren 2006 bis 2011 von 33 % auf 41 % und bei Müttern mit Kindern zwischen zwei und drei Jahren von 42 % auf 54 % gestiegen (BMFSFJ 2012). Dieser Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Müttern hat zu einer verstärkten Nachfrage nach Betreuungsplätzen beigetragen und den Trend einer sinkenden Nachfrage aufgrund des Geburtenrückgangs vollständig ausgeglichen, wahrscheinlich sogar umgekehrt.

Rechtsanspruch auf Förderung

In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle für Kinder ab dem dritten Lebensjahr in § 24 SGB VIII im Jahr 1996 zu sehen. Dieser Rechtsanspruch wurde zum 1. August 2013 mit der Einführung eines Rechtsanspruchs für Kinder unter drei Jahren noch erweitert. § 24 SGB VIII wurde auf Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahrs ausgeweitet und es wurde ein Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege verbindlich festgelegt. Dieser Anspruch gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Damit ging ein enormer Ausbau der Kinderbetreuungsplätze auf nahezu 600.000 Plätze im Jahr 2015 einher, der die Gewährleistung dieses Rechtsanspruchs sicherstellen sollte. Die Anzahl der Kindertageseinrichtungen ist zwischen 2006 und 2013 um knapp 8 % gestiegen, wobei ein großer Teil der zusätzlichen Plätze für die Kinder unter drei Jahren überwiegend durch die Schaffung zusätzlicher Gruppen in vorhandenen Kindertageseinrichtungen erreicht wurde. In den folgenden zwei Jahren kamen weitere 2.000 Einrichtungen hinzu, wodurch die Anzahl an Kitas für Kinder bis zum Schuleintritt im März 2015 auf 51.000 stieg. In Westdeutschland ist die Anzahl der betreuten Kinder unter drei Jahren in Tageseinrichtungen von 278.842 im Jahr 2007 auf 593.699 Kinder im Jahr 2015 gestiegen. Die Betreuungsquote für einjährige Kinder stieg im Zeitraum von 2006 bis 2015 von 5,4 % auf 28,3 % und für zweijährige Kinder von 16,7 % auf 55,1 % (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016).

Familien mit Migrationshintergrund

Neben dem allgemeinen Trend zum früheren Eintritt in die Kindertageseinrichtung ist ein hoher Anteil der erhöhten Platznachfrage auf Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund zurückzuführen. Der gesellschaftliche Wunsch nach einer Verbesserung der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, die durch einen möglichst frühen Eintritt in die Kindertageseinrichtung gefördert werden sollte, wurde wiederholt formuliert und spielt auch in der aktuellen Flüchtlingssituation eine wichtige Rolle. Im Sinne einer interkulturellen Pädagogik erhoffte man sich dadurch sowohl die Herstellung von Familienkontakten zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund als auch die Verständigung zwischen Kindern unterschiedlicher Herkunft. Mittlerweile hat sich der Fokus dabei sehr stark auf die Förderung sprachlicher Kompetenzen migrationsbedingt mehrsprachig aufwachsender Kinder in Kindertageseinrichtungen verengt. Insofern ist der Zuwachs an Kindern trotz Geburtenrückgang auch auf die verstärkte Nachfrage von Familien mit Migrationshintergrund nach Plätzen in Kindertageseinrichtungen zurückzuführen. Die Besuchsquoten von Ausländerinnen in Kindertageseinrichtungen vor der Einschulung ist beispielsweise nach Daten des sozioökonomischen Panels in den Jahren 1984 bis 2003 von 49 % auf 67 % gestiegen (Becker / Treml 2011, 62). Mittlerweile existieren nur noch geringe Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Bei den unter 3-Jährigen sind diese Unterschiede noch deutlich stärker ausgeprägt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012; Bertelsmann Stiftung 2015).

Trägerlandschaft

Bezüglich der Trägerlandschaft gab es nur leichte Veränderungen. Nach wie vor sind im Jahr 2015 die öffentlichen und freien Träger die bedeutendsten für den Bereich der Kindertageseinrichtungen. Privatgewerbliche Träger und Betriebskindertageseinrichtungen spielen nach wie vor eine untergeordnete Rolle (4,1 % bei den unter 3-Jährigen und 1,4 % bei den 3- bis 6-jährigen Kindern). Die freien Träger haben gegenüber den öffentlichen Trägern etwas an Bedeutung gewonnen. Ungeachtet dessen sind die öffentlichen Träger aber mit rund einem Drittel der betreuten Kinder in Kindertageseinrichtungen immer noch bedeutsam. Konfessionelle Wohlfahrtsverbände haben eher bei den unter 3-jährigen Kindern an Bedeutung gewonnen, wogegen die nichtkonfessionellen Wohlfahrtsverbände ihren Anteil bei den drei- bis 6-jährigen Kindern ausgebaut haben. Die konfessionellen Wohlfahrtsverbände sind dennoch mit rund 930.000 der rund 2,6 Millionen betreuten Kinder bis sechs Jahre insgesamt immer noch der bedeutendste Träger von Kindertageseinrichtungen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014).

Problem: qualifiziertes Personal

Durch die erhöhte Nachfrage nach Plätzen in Kindertageseinrichtungen stehen Träger heute nicht mehr vor der Problematik, die vorhandenen Plätze mit Kunden zu füllen. Eher besteht heute die Problematik, das hohe Platzangebot durch ausreichend qualifiziertes Personal sicherzustellen. Diese Problematik zeigt sich jedoch weniger generell als regional begrenzt. Die Anzahl an Vollzeitäquivalenten bei pädagogisch und leitenden Tätigen in Kindertageseinrichtungen ist im Zeitraum von 2006 bis 2018 von 352.771 auf 620.653 gestiegen (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019). Nach einer Prognose des Deutschen Jugendinstituts reicht das zu erwartende neu qualifizierte Personal der nächsten Jahre aus, um das Ausscheiden des Personals aus dem Arbeitsfeld der Kindertageseinrichtungen sowie den erhöhten Platzbedarf auszugleichen.

Personalengpässe sind zu erwarten

Allerdings gilt dies nur für den Fall, dass der Status quo der Qualität in Kindertageseinrichtungen auf dem vorhandenen Niveau bestehen bleibt und die Betreuung für Kinder unter drei Jahren nicht weiter ausgebaut wird. Soll eine Qualitätsverbesserung durch Verbesserung des Personalschlüssels angestrebt und sollen die Betreuungswünsche für Kinder unter drei Jahren realisiert werden, so ist zukünftig mit Personalengpässen zu rechnen (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2017). Entsprechend müssen Träger künftig wohl weniger mit Kundenknappheit als eher mit Personalknappheit rechnen.

Personalgewinnung und Professionalisierung gewinnen dadurch für das Kita-Management an Bedeutung. Es ist zunehmend die Frage zu stellen, wie qualifiziertes Personal in einer Einrichtung zu halten ist und was das Management tun kann, um zur Professionalisierung des Personals beizutragen. Ein eigenständiges Kapitel zur Professionalisierung wurde deshalb in diesem Buch neu aufgenommen (Kap. 2).

Bedeutet nun der ausgebliebene Rückgang der Nachfrage nach Plätzen in Kindertageseinrichtungen, dass wir die Orientierung am Kunden völlig zur Seite legen können, und dass sich die Kita getrost auf sich selbst konzentrieren kann? Nein. Eine andere Begrifflichkeit hat sich etabliert und ist in die Gesetzgebung sowie in die Bildungspläne der Länder eingeflossen. Es ist der Begriff der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern.

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern

Was ist darunter zu verstehen? Der gemeinsame Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen der Jugendministerkonferenz und Kultusministerkonferenz legt diese partnerschaftliche Zusammenarbeit mit folgenden Worten fest:

„Aufgrund der gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsverantwortung wirken Fachkräfte und Eltern partnerschaftlich zusammen. Regelmäßige Gespräche mit den Eltern über das Kind sowie Informations- und Bildungsangebote für Eltern in der Tageseinrichtung sind von großer Bedeutung. Bei Entscheidungen über wichtige Angelegenheiten, die die Tageseinrichtung betreffen, sind die Eltern entsprechend zu beteiligen“ (Jugendministerkonferenz und Kultusministerkonferenz 2004, 6).

Im § 22a Abs. 2 SGB VIII ist diese Maßgabe folgendermaßen formuliert:

„Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten

1mit den Erziehungsberechtigten und Tagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses,

2mit anderen kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen, insbesondere solchen der Familienbildung und -beratung,

3mit den Schulen, um den Kindern einen guten Übergang in die Schule zu sichern und um die Arbeit mit Schulkindern in Horten und altersgemischten Gruppen zu unterstützen.“

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bedeutet damit nicht nur eine Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten der Kinder, sondern auch eine Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, die an der Erziehung und Bildung der Kinder sowie an der Familienbildung beteiligt sind.

Erläuterung des Begriffs „Erziehungspartnerschaft“

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit ist somit bundesweit verbindlich vorgeschrieben und findet sich auch in landesrechtlichen Regelungen wieder. Im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) wurde beispielsweise in Art. 11 eine Erläuterung des Begriffs „Erziehungspartnerschaft“ vorgenommen und dargelegt, was darunter zu verstehen ist. Demnach soll das pädagogische Personal die Vielfalt menschlichen Lebens unterschiedslos einbinden und partnerschaftlich mit Eltern zusammenarbeiten. Dies beinhaltet die regelmäßige Information der Eltern über die Lern- und Entwicklungsprozesse sowie die Erörterung wichtiger Fragen der Bildung, Erziehung und Betreuung des Kindes. Neben diesen gesetzlichen Festlegungen hat der Begriff auch in fachlich-normative Grundlagen Einzug gehalten und wird in nahezu allen Bildungsplänen der Länder mehr oder weniger ausführlich erwähnt (Viernickel / Schwarz 2009).

ressourcenorientierte Unterstützung

Mit dem Begriff der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft hat sich seit Ende der 1990er Jahre ein Wandel weg von der Vorstellung einer Vermittlung von Wissen und Können in der Erziehung – die Vorstellung eines Kompetenzgefälles zwischen Erzieherinnen und Eltern liegt dem zugrunde – hin zu einer ressourcenorientierten Unterstützung bei der Erziehung der Kinder vollzogen (Hartung 2012). Viernickel (2006) verortet den Beginn dieses Wandels der Begrifflichkeit weg von der Elternarbeit hin zur Erziehungspartnerschaft etwa auf das Jahr 1997. Nach ihrer Definition zeichnet sich der Begriff der Erziehungspartnerschaft durch Gemeinsamkeit im Handeln und / oder in den Zielen sowie durch symmetrische Austauschprozesse ohne Machthierarchien aus. Herzustellen sei demnach eine gleichberechtigte wertschätzende Beziehung, die als das Ergebnis eines längeren Prozesses gesehen wird. Kundenorientierung mag nach Viernickel diesem Prozess entgegenstehen, wenn eine recht starke Position der Eltern in einem Nachfragemarkt nach Einrichtungsplätzen vorhanden ist.

Dienstleistungen und Bedürfnisse im Sozialraum

Diese Vorgabe der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern ist es, die heute die Orientierung am Kunden begründet. Nicht im Sinne einer vollständigen Ausrichtung der gesamten Einrichtung an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden zum Zwecke der Kundengewinnung. Vielmehr geht es sowohl um einen gleichberechtigten Abgleich der in der Einrichtung ablaufenden Dienstleistungen mit den Bedürfnissen der Eltern und Familien des Sozialraums, die Information der Eltern über die Entwicklung ihrer Kinder sowie eine Beteiligung der Eltern an den Entscheidungsprozessen der Einrichtung. Hierbei spielen Qualitätsentwicklungsverfahren eine wichtige Rolle und werden daher in einem gesonderten Kapitel in diesem Buch behandelt (Kap. 4).

1.2 Qualitätsentwicklung und Zertifizierung

Studien seit Mitte der 1990er Jahre, die auf standardisierten Qualitätseinschätzungen der pädagogischen Umgebung wie die KES (Kindergarteneinschätzskala) oder die CLASS (Classroom assessment scoring system) beruhen, verweisen sowohl national als auch international immer wieder auf eine mittlere Qualität in Kindertageseinrichtungen, wobei sich die Qualität emotionaler Unterstützung durch die Fachkräfte und die organisationale Qualität auf höherem Niveau bewegen als die Qualität der Unterstützung beim Lernen oder die Anregungsqualität. Bereichsspezifisch betrachtet findet sich insbesondere für die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung in der Kindertageseinrichtung nicht nur in Deutschland ein unzureichendes Niveau (Peisner-Feinberg et al. 2014; Tietze et al. 2013; Sylva et al. 2004). Qualitätsentwicklung ist entsprechend zu einem wichtigen Thema geworden, das seit Ende der 1990er Jahre eine höhere politische Aufmerksamkeit erfahren hat.

Qualitätsmanagement in Kitas

Aufschluss über das Ausmaß der Umsetzung von Qualitätsmanagementverfahren in den Kindertageseinrichtungen gibt die Studie „Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung“ (Viernickel et al. 2013). Im quantitativen Teil der Studie wurden anhand einer Stichprobe von 704 Einrichtungen in sowohl öffentlicher als auch freier Trägerschaft Daten zu Verbreitung und Umsetzung von Qualitätsmanagement(QM)-Verfahren erhoben. Demnach entspricht die praktische Umsetzung von QM-Systemen nur zum Teil den gesetzlichen Anforderungen. Knapp die Hälfte der Kindertageseinrichtungen (48 %) arbeitet mit einem Qualitätsmanagementsystem. Bei der Anwendung eines QM-Modells zeigt sich ein sehr heterogenes Bild: 9 % der Einrichtungen verfügen über ein trägerinternes System. Weitere Modelle sind das „Qualitätsmanagement in evangelischen Kitas“ (6 %), die „DIN EN ISO 9000ff.“ (5 %), der „Nationale Qualitätskriterienkatalog (QKK)“ (4 %), das „KTK-Gütesiegel des KTK Bundesverbandes e. V.“ (3 %), das „Qualitätsmanagement in Kitas der AWO“ (3 %), die „Qualitätsentwicklung im Situationsansatz (QuaSi)“ (2 %), „QuiK – Qualität in Kitas“ (2 %), „Das PARITÄTISCHE Qualitätssystem“ (1 %), „Integrierte Qualitätsentwicklung (IQUE)“ (1 %), die „Kindergarten Skala (KES-R)“ (1 %) (Viernickel et al. 2013). Entsprechend schlussfolgern die Autoren, dass das Thema Qualitätsmanagement in die elementarpädagogische Praxis zwar Einzug gehalten hat und als gemeinsame Aufgabe von Team und Leitung wahrgenommen wird, jedoch befindet sich die Anwendung von Qualitätsmanagementsystemen in der Praxis nach wie vor in der Entwicklung.

verschiedene Qualitätsinitiativen

Folge der Diskussion um die Qualität in Kindertageseinrichtungen sind verschiedene Qualitätsinitiativen, die dazu beitragen sollen, die Qualität in Kindertageseinrichtungen zu erhöhen. Qualitätsentwicklung wird entsprechend zu einem bedeutsamen Thema, das Träger in Kindertageseinrichtungen nicht mehr umgehen können. Diskussionen um Qualitätssiegel und Zertifizierungsverfahren gehen sogar so weit, die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen an die Vergabe eines Qualitätssiegels zu koppeln. Tietze (2008) spricht sich beispielsweise für eine Sicherung der Qualität in Kindertageseinrichtungen durch das „Deutsche Kindergarten Gütesiegel“ aus, das idealerweise träger- und bundesländerübergreifend eingeführt werden sollte. Ähnlich sprechen Anger und Seyda (2006) von Mindeststandards und Evaluierung, um eine Mindestqualität garantieren zu können. Diskowski (2008) sieht die Notwendigkeit einer „beständigen Qualitätsbeobachtung des Systems“. Berlin ist mittlerweile mit der Qualitätsvereinbarung Tageseinrichtungen (QVTAG) durch die Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Sport (2008) so weit gegangen, die Qualitätsentwicklung durch eine externe Evaluation verbindlich für alle Kindertageseinrichtungen festzulegen. Inwieweit dies bundesweit eingeführt wird, bleibt derzeit noch abzuwarten. Ungeachtet von mit Sanktionen belegten Verpflichtungen zur externen Evaluation ist es mittlerweile für Träger von Kindertageseinrichtungen unumgänglich, Qualitätsentwicklungsverfahren in ihren Einrichtungen durchzuführen. Ein eigenständiges Kapitel in diesem Buch greift diese Thematik auf (Kap. 4).

2 Professionalität und Fachlichkeit in der Kita

2.1 Gesellschaftliche Anerkennung der pädagogischen Berufe

Die Jahre 2005 bis 2015 können zweifellos auch als ein Zeitalter der Akademisierung des Erzieherinnenberufs bezeichnet werden. Wie in anderen Ländern auch wurde die Ausbildung auf akademisches Niveau gehoben, ohne dass die Fachschulausbildung verschwand. Die Gründe für die Akademisierung sind vielfältig:

Forderung nach zunehmender Akademisierung

■Ein Grund, der mit der Qualität der Fachausbildung der Erzieherinnen gar nichts zu tun hat, liegt im politischen Anspruch der OECD, die Zahl der jungen Menschen mit einem Hochschulabschluss zu erhöhen. Wie der Spiegel meldet, rügt die OECD Deutschland für eine geringe Akademikerrate (Kollenbroich 2015). Die deutsche Politik sieht sich daher gezwungen, möglichst viele Berufe zu akademisieren, um die Akademikerquote zu erhöhen. Pflege- und Erziehungsberufe waren die ersten Berufe, deren Ausbildung z. T. in Hochschulen verlagert wurde, andere Berufe wie z. B. Hebammen oder Physiotherapeutinnen folgten.

defizitäre Ausbildung

■Von den Fachkräften selbst wurde die klassische Erzieherinnenausbildung häufig als defizitär kritisiert, insbesondere hinsichtlich des diagnostischen Umgangs mit Kindern mit psychischen Auffälligkeiten oder Behinderungen, der Förderung ausländischer Kinder oder der Elternarbeit.

■Insbesondere wurde bemängelt, dass zwar methodische Kenntnisse im Rahmen der Ausbildung an Fachschulen vermittelt wurden, dass aber die wissenschaftlichen Hintergründe kaum reflektiert würden. Man wisse zwar, „wie“ etwas funktioniert, aber nicht „warum“.

■Die gesellschaftliche Anerkennung für die nichtakademischen Erzieherinnenberufe wurde als ausbaufähig empfunden.

Besonders der Grund mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung erscheint häufig ursächlich dafür, dass sich – entgegen Prognosen von berufener Seite (so schreibt Textor o. J.: „So fürchte ich, dass es auf absehbare Zeit nicht zu einer ,Akademisierung‘ des Erzieherberufs kommen wird.“) – die Akademisierung unaufhaltsam fortsetzt und damit die Forderung nach einer Aufwertung des Erzieherinnenberufs einhergeht (Verdi 2015).

Bezahlung und Rahmenbedingungen

„Wenn wir nach einem Maßstab für gesellschaftliche Anerkennung suchen, finden wir ihn“, so Hilde von Balluseck, in „Arbeitsbedingungen, Autonomie, Arbeitsbelastung und Bezahlung.“ (Balluseck 2008, 22) Sollte dem so sein, müssten eigentlich diejenigen Berufe am besten bewertet werden, die sich mit dem wichtigsten Gut einer Gesellschaft befassen, und da es nichts Wichtigeres gibt als Kinder („Kinder sind unsere Zukunft“), müsste die gesellschaftliche Anerkennung für pädagogische Berufe kaum noch zu übertreffen sein.

Der Blick in die Realität lehrt eines Schlechteren: Was die Bezahlung und die Rahmenbedingungen des Personals betrifft, konnte man im Focus (Szarek 2012) lesen:

„Die Politik, der heute so sehr am Ausbau der Kinderbetreuung gelegen sei, habe es viele Jahre lang verschlafen, für attraktive Rahmen- und Arbeitsbedingungen im Erzieherberuf zu sorgen‘, findet Norbert Hocke, Leiter des Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Vor allem bei der Bezahlung habe sich fast nichts getan – und das, obwohl die Leistungsanforderungen an die Erzieher stetig gestiegen seien. ‚Das Lohn und Gehaltsgefüge in diesem Segment ist überhaupt nicht mit dem anderer Berufe zu vergleichen, bei denen die Ausbildung ähnlich lang dauert‘.“

Selbst im Vergleich mit anderen pädagogischen Berufen (z. B. Lehrerinnen) schneiden frühpädagogische Fachkräfte bezüglich des Gehalts schlecht ab. Es verwundert daher nicht, dass die überwiegende Zahl der Berufsangehörigen mit dem Prestige des Berufs, mit Aufstiegsmöglichkeiten, aber auch mit der Höhe des Einkommens sehr unzufrieden sind (Balluseck 2008). Eine Erklärung für das Phänomen des merkwürdigen Auseinanderklaffens zwischen dem gesellschaftlichen Bedarf an pädagogischen Fachkräften und deren Wertschätzung findet Stefan Sell (Szarek 2012) in der fehlenden Professionalisierung:

„,Seit den 80er-Jahren hat der Erzieherberuf in der Gesellschaft eine stetige Abwertung erfahren‘, sagt Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der FH Koblenz. Hätten vor dreißig Jahren noch viele Erzieherinnen und Erzieher Mittelschichtsfamilien entstammt und Abitur mitgebracht, habe sich die professionelle Betreuung von Kindern in den letzten Jahren in Richtung eines Zuverdienst-Berufs entwickelt.“

Privilegien durch Status

Ein Blick auf die besser bezahlten Berufe zeigt in der Tat: Gesellschaftliche Privilegien sind häufig mit dem Status einer „Profession“ verbunden. Damit verknüpft eine Gesellschaft Aspekte wie berufliche und fachliche Autonomie, hohes Einkommen, Spezialwissen für ein bestimmtes Wissensgebiet. Insofern ist es kein Zufall, dass für den Bereich der Frühpädagogik Professionalisierungsprozesse gefordert werden (Balluseck 2008). Es mag sich von daher lohnen, Bedingungen aufzuzeigen, die für einen gelingenden Professionalisierungsprozess konstitutiv sind.

2.2 Was ist eine „Profession“?

Ganz allgemein verstehen wir unter „Profession“

„eine gehobene Form von Beruflichkeit […] Diese moderne Beruflichkeit zeichnet sich gegenüber der traditionellen Form des Berufs durch eine eher abstrakte und unspezifische Qualität des beruflichen Wissens aus, durch eine zunehmende Individualisierung sowie durch ein hohes Maß an Selbststeuerung, auch hinsichtlich der Beteiligung der Betroffenen am Prozess der Berufskonstruktion“ (Meyer 2000, 14 f.).

Professionen: Merkmaltheoretischer Ansatz

Diese „gehobene Form von Beruflichkeit“ lässt sich gemäß dem „Merkmaltheoretischen Ansatz“ weiter operationalisieren, indem man Merkmale beschreibt, die einer Profession in Abgrenzung zu anderen Berufen zugeschriben werden:

■theoretische, wissenschaftlich fundierte Spezialausbildung zur Erklärung und Behandlung von gesellschaftlich relevanten Problemen,

■wissenschaftliches, systematisches Fachwissen angeeignet und vermittelt mittels spezieller Verfahren,

■Expertenstatus für bestimmtes Fachgebiet,

■ethischer Berufskodex,

■Organisation der Professionsangehörigen in einem Berufsverband, der Berufszugang kontrolliert,

■Ausübung der Tätigkeit im Dienste des Gemeinwohls,

■Autonomie der Profession (Knoll 2010; Bock 1997; Mieg 2005).

Ein Professionsstatus ist dann erreicht, wenn diese Merkmale erfüllt sind. In der an die anglo-amerikanische Berufssoziologie angelehnten Theorietradition wird besonders das letzte Merkmal sehr betont. Es bezeichnet

■einerseits die Verfügungsgewalt der Profession über fachliche Leistungen, indem „Professionen […] Standards der Leistungsbewertung (schaffen) und kontrollieren“ (Mieg 2005) und

■andererseits die Befugnis, Berufsausbildung und Berufszugang in eigener Verantwortung zu regeln. Die in Deutschland übliche Organisationsform für den Berufseintritt und die Überwachung der Profession ist die Berufskammer (z. B. Ärztekammer oder Rechtsanwaltskammer). So erteilt z. B. die Ärztekammer denen, die die vorgeschriebene akademische Ausbildung durchlaufen haben, die Approbation, sprich die Erlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Heilkunst.

Machttheoretische Professionstheorie

Kritik an diesem Ansatz übt die „Machttheoretische Professionstheorie“. Sie stellt die Vorrechte und Privilegien von Professionen ins Zentrum der Überlegungen. Kritisiert wird die herrschaftslegitimierende Funktion der Professionen in der modernen Industriegesellschaft. Eine kleine Gruppe von Berufsangehörigen sichere sich eine Reihe von materiellen oder immateriellen Privilegien (Daheim 1992), indem sie ein Gut, auf das die Gesellschaft angewiesen ist, monopolisiere (Kurtz 2002). Die angebliche Bindung an das „Gemeinwohl“ sei eine Ideologie, um diese Machtpositionen zu legitimieren. In der Professionalisierungsdebatte gehe es also weniger um Kompetenz einer Berufsgruppe als vielmehr um Macht zur Durchsetzung von Verteilungsinteressen. In letzter Konsequenz dienten Professionalisierungsprozesse damit der Verfolgung monopolistischer Ziele (Kurtz 2002).

reflexives Professionalisierungs-modell

Eine dritte Theorie lässt sich aus der hermeneutischen Tradition ableiten und ist spezifisch aus dem Bereich der Pädagogik entstanden. Die Kritik des „Reflexiven Professionalisierungsmodells“ am merkmalstheoretischen Modell besteht darin, dass das merkmalstheoretische Modell den eigentlichen „Bezug zu Fragen der Professionalität gänzlich ignoriert“ (Thole / Polutta 2011, 109), indem es der Profession statusfixierte, formale, zertifizierbare, funktionalistische, aber letztlich fachfremde Kriterien zugrunde legt. Vielmehr sind pädagogische Professionen bezogen auf die Bearbeitung lebenspraktischer Krisen (Oevermann 1996). Die Bearbeitung solcher Krisen verlange ein Arbeitsbündnis zwischen dem Pädagogen und dem Klienten, die Beziehung stehe im Mittelpunkt des Veränderungsprozesses, daraus entwickle sich ein Dialog um die Lebenspraxis, in welchem die Professionelle Lebensfragen stellvertretend für die Klientin deuten könne. Insofern die Beziehung zur Klientin eine je einmalige Fallkonstellation begründe, sei pädagogisches Handeln niemals vollständig standardisierbar, vielmehr müsse es sich immer neuen Überraschungen stellen. Praktisches Handeln müsse wegen des immanenten und durch diffuse, unklare und unberechenbare Problemsituationen vorgegebenen situativen Handlungszwangs immer im Vorgriff auf künftige Begründungsfähigkeit stattfinden. Erst durch Reflexion und Supervision könne diese Begründung im Nachhinein geleistet werden. Ein pädagogischhermeneutischer Professionalisierungsbegriff fragt also nicht mehr nach (soziologischen) Merkmalen von Professionalität, sondern nach „spezifischer Qualität sozialpädagogischer Handlungspraxis“ und „dringt in den Mikrobereich sozialpädagogischen Handelns vor, in dem es darum geht, die Wissensbasis einer spezifisch pädagogischen Kompetenz zu ermitteln.“ (Dewe / Otto 2018, 1204) In der Konsequenz einer Verlagerung der Professionalitätsansprüche in das praktische Handeln ergibt sich zwangsläufig die Betonung der Reflexion des eigenen Handelns als strukturelle Voraussetzung für Professionalität. Denn wenngleich wissenschaftliches Wissen die Begründungsbasis für das Handeln ist, ist „Wissen“ nicht gleich „Können“. Um Handeln mit seiner eigenen Logik zu professionalisieren, bedarf es der reflektierten Praxis. Deshalb kann man etwas pointiert sagen: Professionen sind die strukturellen Orte der Vermittlung von Theorie und Praxis.

semi-professionelle Tätigkeit

Die Implikationen dieser Theorien sind klar: Nach der merkmaltheoretischen Theorie ist Soziale Arbeit und auch die Erziehungstätigkeit in der Frühpädagogik keine professionelle oder allenfalls eine semiprofessionelle (halbprofessionelle) Tätigkeit, weil einige zentrale Merkmale der Profession fehlen (z. B. berufliche Autonomie in der Zulassung zum Beruf (Approbation), Bindung an eine Berufsethik, Expertenstatus). Nach Etzioni (1969) ist eine Semiprofession eine Berufsgruppe (wie z. B. die Sozialarbeit oder die Pflegeberufe), deren Professionalisierung – aus welchen Gründen auch immer – noch auf halbem Weg steht.

alternative Professionalität

Nach dem machttheoretischen Ansatz ist die Einteilung in Professionen, Semiprofessionen und andere Berufsgruppen nicht sinnvoll (Honig et al. 2004; Cloos 2007), weil sie keinen allgemeinen Nutzwert hat, sondern nur der Sicherung der Privilegien einiger weniger dient. Demnach wird den Berufsgruppen bewusst der Professionsstatus verweigert, weil man sonst die Ressourcen teilen müsste. Die Konsequenz ist:

„Verabschiedet hat man sich weitgehend von einem Vergleich mit den klassischen Professionen, zumal festgestellt werden musste, dass aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen die klassischen Professionen einige der ihnen zugewiesenen Merkmale nicht mehr erfüllen können“ (Cloos 2010, 28).

Schon vor einigen Jahrzehnten hat deshalb Olk von der „alternativen Professionalität“ sozialpädagogischer Berufe gesprochen (Olk 1986, 40).

Deprofessionalisierung

Eine hermeneutisch-reflexive Professionstheorie wird sich weigern, die Wirkungsfrage aus der Mikroebene des Klientinnen-Pädagoginnen-Verhältnisses auf eine quasi objektive Ebene der „What-works-Forschung“ zu verlagern. Für die hermeneutisch-reflexive Professionstheorie ist eine Orientierung an Programmen, Manualen oder Checklisten gleichbedeutend mit einer Deprofessionalisierung (Ziegler 2003).

Jenseits dieser professionstheoretischen Debatte, die sich leicht mit vielen anderen Ansätzen anreichern ließe, stellt sich die Frage, welche Strategie für die pädagogischen Berufe die erfolgversprechendste ist, um ihr Ziel zu erreichen, die gesellschaftliche Anerkennung zu steigern.

2.3 Herausforderungen zum Erlangen gesellschaftlicher Anerkennung

Es gibt in pädagogischen und sozialen Berufen keinen Konsens über das „richtige“ Modell (Höltz 2014), wir können uns auch hier nicht für eines der Modelle entscheiden. Höltz (2014) betont, dass Praktiker sich häufig auf das Mikrosystem als „Ort“ der Professionalität beziehen, während Lehrende an Hochschulen die Makroebene ansehen.

Reflexionsarbeit im pädagogischen Berufsalltag

Sicher ist es wichtig, wie Balluseck im Sinne eines reflexiven Professionsmodells zum Ersten auf den Zusammenhang von Professionalität und der „Qualität pädagogischen Handelns“ (Balluseck 2008, 25) zu verweisen, also auf die Bedürfnisse der Subjekte, auf ihre Förderung und Anerkennung. Zum zweiten ist – auch hier ist Balluseck und anderen vorbehaltlos zu folgen – die „Kompetenz und Selbstreflexivität, mit Ungewissheit umgehen zu können“ (Balluseck 2008, 25) unentbehrlich, weshalb für pädagogische Berufe „Reflexionsarbeit“ (Göhlich 2011) zu den unabdingbaren Voraussetzungen von Professionalität gehört. In diesem Zusammenhang erscheint die Einrichtung von Studiengängen für Frühpädagogik an Hochschulen eine sinnvolle Investition (zur Geschichte und Begründung der Akademisierung Labonté-Roset / Cornel 2008