Eternity Online - Mikkel Robrahn - E-Book

Eternity Online E-Book

Mikkel Robrahn

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Beschreibung

Das ganze Leben ist ein Spiel – und der Tod auch. Eternity Online ist ein faszinierender Fantasyroman über die Welt der Online-Rollenspiele. Eternity Online ist das größte Online-Rollenspiel der Welt. Aber nicht jeder darf hinein: Erst nach dem Tod in der wirklichen Welt kann man das Nachleben in einer virtuellen verbringen. Abenteuer erleben, Monster bekämpfen und gemütlich in Tavernen abhängen bis in alle Ewigkeit. Rob ist nur einer von zahllosen Frischlingen, die in Avataris ihr neues Leben beginnen – natürlich ohne die geringste Erinnerung an ihre Vergangenheit. Doch irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Die Bewohner reagieren seltsam, die ganze Umgebung scheint ihm feindlich gesonnen. Und spätestens als eine Scharfrichterin ihn gefangen nimmt und mit dem endgültigen Tod bedroht, ahnt er, dass eine fast unmögliche Quest vor ihm liegt.

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Seitenzahl: 536

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Mikkel Robrahn

Eternity Online

 

 

Über dieses Buch

 

 

Eternal Online ist das größte Online-Rollenspiel der Welt. Aber nicht jeder darf hinein: Erst nach dem Tod in der wirklichen Welt kann man das Nachleben in einer virtuellen verbringen. Abenteuer erleben, Monster bekämpfen und gemütlich in Tavernen abhängen bis in alle Ewigkeit.

Rob ist nur einer von zahllosen Frischlingen, die in Avataris ihr neues Leben beginnen – natürlich ohne die geringste Erinnerung an ihre Vergangenheit. Doch irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Die Bewohner reagieren seltsam, die ganze Umgebung scheint ihm feindlich gesonnen. Und spätestens als eine Scharfrichterin ihn gefangen nimmt und mit dem endgültigen Tod bedroht, ahnt er, dass eine fast unmögliche Quest vor ihm liegt.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Mikkel Robrahn, geboren 1991 in Norddeutschland, verbrachte einen Großteil seiner Jugend in phantastischen und virtuellen Welten unzähliger Videospiele. Da überraschte es auch niemanden, dass er nach der Schulzeit schnell eine Karriere in der Games-Branche begann. Mittlerweile reicht es ihm nicht mehr, nur die Welten anderer zu besuchen, sondern er entwickelt für seine Geschichten auch eigene.

Inhalt

[Widmung]

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kleines Glossar

Die Klassen

Tanks

Damage Dealer

Magier

Die Spezies

[Die Spezies: Menschen, Squans, Grotns, Eollyans]

Danksagung

Für meinen Mops Oskar,

für den ich es mit jedem Endboss von Avataris aufnehmen würde

Kapitel 1

»Willst du leben?«, schrien die Stimmen im Chor.

»Ja«, brüllte Rob und stemmte sich gegen die Kraft, die ihn in dem Strudel aus blauem Leuchten hielt.

»Dann lass los.«

Rob wollte es, aber da war nichts, woran er sich festhielt. Er war in einem Meer aus Energie gefangen. »Ich versuche es«, rief er den Gestalten zu, die am Rand standen und alles beobachteten. Die tief herabgezogenen Kapuzen verdeckten ihre Gesichter. Sie hielten sich an den Händen wie bei einer Beschwörung.

»Willst du leben?«, schrien sie wieder im Chor.

»Ich will«, brüllte Rob zurück.

»Dann lass los, lass dein altes Leben hinter dir.«

Da verstand Rob. Er schloss die Augen und stemmte sich nicht mehr gegen den Strudel. Die Energie nahm ihn auf wie Treibholz im Wellengang, trieb ihn umher und auf die Gestalten zu.

»Verrate uns deinen Namen, Seele«, rief die Gestalt in der Mitte. Offenbar der Anführer. Er war zu groß für einen Menschen, aber durch das allgegenwärtige blaue Leuchten war nicht zu erkennen, was sich unter der Robe befand.

Es gab nicht viel, was er über die eigene Existenz wusste. Seine Erinnerungen reichten nur ein paar Sekunden in die Vergangenheit, bis zu dem Punkt, an dem die Gestalten in den Roben begonnen hatten, ihn anzuschreien. Weder wusste er, was er war, noch wer er war. Aber die Antwort kam ihm mit solch einer Selbstverständlichkeit über die Lippen, dass sie stimmen musste. »Rob.«

Für einen Moment herrschte Stille, und Rob fürchtete, dass die Beschwörung abrupt abbrechen würde. Aber die Gestalten hielten die Arme gestreckt.

»Rob?«, fragte eine Frauenstimme. »Das klingt nicht nach einem Champion.«

Rob sah an sich hinab und bemerkte, dass er über gar keinen Körper verfügte. Er selbst war nicht mehr als dunkelblaue Materie in dem Strudel. Hektisch griff er nach seinem Gesicht, nur um festzustellen, dass er keine Hände hatte, mit denen er tasten konnte. »Was passiert hier?«

»Wir holen dich aus dem Totenreich zurück«, sagte der Anführer. »Aeya braucht neue Champions in ihren Reihen. Wirst du ihr im Krieg gegen Garraks Monster zur Seite stehen?«

Rob wusste, dass seine weitere Existenz davon abhing, dass er die richtigen Antworten gab. »Ja.«

»Schwörst du, deine Fertigkeiten in den Dienst der freien Völker zu stellen?«

»Ja.«

»Schwörst du, unsere Armeen zum Sieg zu führen, bis Avataris durch Aeyas Licht von Garraks Schatten befreit ist?«

»Ich schwöre.« Rob hatte keine Ahnung, wem oder was er zustimmte. Er würde aber alles tun und sagen, um eine körperliche Form zu erlangen.

»Dann soll es so sein. Wir, die Seelenzauberer, holen dich aus dem Meer der Seelen zurück, Rob.« Die Gruppe streckte die Arme empor, murmelte etwas, was schnell in einen Gesang überging. Zwischen den Fingern entstand ein grünes Leuchten. Kugeln, groß wie Hummeln, die sich zu einem Band aus Energie verbanden, das auf Rob zuschoss und ihn packte. Instinktiv stemmte er sich dagegen.

»Wehre dich nicht«, mahnte der Anführer.

Rob fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen, aber er ließ locker. Wenn er in dem Seelenmeer nicht ertrinken wollte, musste er den fremden Gestalten vertrauen. Langsam zogen sie ihn aus der bläulichen Masse, bis er über ihnen schwebte.

»Nun verrate uns, wer du bist, damit wir dein Antlitz wiederherstellen können.«

»Rob«, wiederholte er.

Einer der Zauberer seufzte.

»Und wer bist du, Rob?«, wollte der Anführer wissen. »Welche Taten hast du einst auf den Schlachtfeldern vollbracht?«

»Ich …« Er stockte. Schlachtfelder? Taten? Er spürte, dass sie alle eine große Geschichte erwarteten. Aber da war nichts. »Ich weiß es nicht«, sagte er ehrlich.

»Du weißt es nicht?«, japste eine besonders kleine Zauberin rechts von ihm.

»Nein.«

»Das ist nichts Ungewöhnliches«, sagte die Gestalt in der Mitte mit väterlichem Ton. »Wir können uns gar nicht vorstellen, welchen Terror ihr dort draußen im Krieg erlebt habt. Die Schrecken, die euch nachts heimgejagt haben. Es ist ganz normal, dass das Bewusstsein diesen Teil abschirmt, bevor er zu einem Feuer wird, das alles verschlingt.« Er reckte die Arme noch ein Stück höher in die Luft und rief: »Aber willst du mit uns neue Heldengeschichten schreiben?«

Intuitiv nickte Rob mit dem Kopf, den er nicht hatte. »Ja, auf jeden Fall.«

»Dann sag uns: Welcher Spezies gehörst du an?«

»Ich … was?«

»Bist du ein Mensch, ein Squan, ein Gront oder ein Eollyan?«

Rob brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Wie konnte er etwas anderes sein als ein Mensch? Es war, als würde ihn jemand danach fragen, wie viele Finger eine Hand hatte.

»Also?«

»Ein Mensch«, rief er. »Natürlich.«

»Natürlich?« Wieder die kleine Zauberin. Ihre Stimme quiekte. »Was soll das denn –«

»Ein Mensch also.« Der Anführer schnitt ihr das Wort ab. »Und wie hast du ausgesehen?«

Rob suchte hektisch nach Erinnerungen, stellte sich mit aller Kraft vor, vor einem Spiegel zu stehen. »Ich glaube …« Er zögerte. »… schwarzes Haar.«

»Verstanden«, erwiderte der Anführer.

»Ein Bart, aber kein voller.«

»Das können wir ändern, wenn du magst.«

Rob ging nicht darauf ein. Vor seinem inneren Auge stellte er sich Arme und Füße vor. »Meine Haut ist blass, und ich bin dünn. Nicht klein, aber auch nicht groß.«

»Verstanden«, wiederholte der Anführer. »Seelenzauberer, lasst uns unser Werk in Aeyas Namen verrichten. Wir wissen nun, was wir über dich wissen müssen, Rob. Lass es einfach geschehen.«

Da es Rob, der gerade nicht mehr als eine leuchtende Kugel Energie war, an Alternativen mangelte, kam er der Bitte des Anführers nach. Mit einer Mischung aus Angst und Neugier beobachtete er, wie die Zauberer unter ihm erneut die Arme hoben und ihren Gesang anstimmten. Es waren Worte, die er nicht verstand. Aber er spürte ihre Wirkung. Das grüne Leuchten, zuvor zwischen den Fingern der Magier, kam dieses Mal direkt aus ihm, füllte ihn mit einer wohligen Wärme aus. Rob schloss, was er für seine Augen hielt, und versuchte, den Moment einfach geschehen zu lassen. Dann wurde aus der Wärme ein Brennen, und es fühlte sich an, als würde flüssiges Feuer durch seine Blutbahnen schießen.

»Aufhören!«, brüllte er. »Brecht es ab!«

Aber die Seelenzauberer ließen sich nicht beirren. Der Chorgesang setzte sich fort und fand, kurz bevor Rob glaubte, das Bewusstsein zu verlieren, seinen Höhepunkt, als der Anführer rief: »Aeya, erhöre unsere Worte. Wir bringen dir einen neuen Champion aus dem Seelenmeer. Wenn du ihn für würdig hältst, dann lass ihn übertreten!«

Rob explodierte. Die Energie, aus der er bestand, flog in grünen Schlieren in alle Richtungen, verteilte sich wie Feuerwerk im Raum.

 

Für einen Moment war da nichts.

Keine Gedanken, keine Gefühle, keine Sorgen, keine Empfindungen. Dann fühlte er den rauen, kalten Stein unter der nackten Haut.

Rob hob vorsichtig den Kopf. Lichter zogen Streifen vor den Augen, Geräusche drangen gedämpft an seine Ohren.

»Willkommen zurück«, hörte er jemanden sagen, und eine der Kapuzengestalten beugte sich zu ihm herab. Der massige Körper verriet den Anführer. »Aeya hat unsere Worte erhört.«

Robs Atem ging schwer und tief, das Blut pulsierte in den Adern. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, sie zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen, aber es war, als würde er Blätter in einem Sturm fangen wollen. Zögerlich glitten seine Finger über die Wangen und das Kinn. Ein rauer Vollbart.

»Ich habe ein bisschen nachgeholfen«, sagte der Anführer.

Rob schüttelte sich und gelangte zu vollem Bewusstsein. »Was ist passiert?«

»Du bist in einem Seelenturm. Wir haben dich zurück ins Reich der Lebenden geholt, damit du als Champion für Aeya kämpfen kannst.«

»Kämpfen?« Seine Worte klangen dünn. Rob wusste nicht viel über sich, aber er war sich sicher, dass er nicht kämpfen wollte.

»Du wirst Zeit brauchen, bis du deine alte Stärke zurückerlangst. Aber in Avataris gibt es genug Abenteuer und Aufträge, die auf dich warten, bis du in den Reihen der Armee gegen Garrak marschieren kannst. Das hat keine Eile.«

»Was?« Er versuchte aufzustehen, aber die Beine waren weich, und die Schwerkraft zog ihn hinab. Kalter Schweiß ließ seine Haare auf der Stirn kleben. »Das alles ist ein Missverständnis. Ich bin kein Held, ich bin kein Champion, ich bin …« Er brach den Satz ab. Denn in diesem Moment drang die Erkenntnis, dass er gar nicht wusste, wer oder was er war, wie eine rostige Klinge in ihn ein.

»Alles gut, beruhige dich. Eine vorübergehende Amnesie ist völlig normal«, sagte die Gestalt und zog ihre Kapuze zurück. Zum Vorschein kam eine bärenartige Fratze mit braunem Fell. Sie sah ihn aus großen, dunklen Augen an. Freundlich, aber als sie die Mundwinkel hochzog, entblößte sie lange, spitze Zähne.

Rob wollte den Mund aufreißen und schreien, aber er blieb stumm, und alles wurde wieder schwarz.

Kapitel 2

Rob schreckte auf und rang nach Luft. Fürchterliche Albträume hatten ihn geplagt. Bärenhafte Wesen, die ihn wiederbelebt hatten. Die eigene Existenz, die nur aus einem Leuchten bestand. Der Schrecken saß noch tief, als er sich an die Kante des Bettes setzte und den Kopf zwischen die Hände legte. Hinter seiner Stirn tobte ein Gewitter, das jeden klaren Gedanken unter dichten Wolken zurückhielt.

Das Zimmer war nicht größer als eine Abstellkammer. Das Bett nahm fast den ganzen Platz ein, daneben stand ein Stuhl, und fahles Licht fiel durch das offene Fenster. Er kannte den Raum nicht, war sich aber sicher, dass es eine logische Erklärung für all das gab. Sie war nur unter den Kopfschmerzen vergraben.

Wiederbelebung, davon hatte die Kapuzengestalt gesprochen. Aber Rob war nicht gestorben. Oder? Verzweifelt suchte er in dem Labyrinth aus Erinnerungen nach einem Anhaltspunkt für das, was gerade passierte. Aber immer, wenn er glaubte, einen Gedanken zu erhaschen, entglitt er ihm.

Mit einem Poltern flog die Tür auf. Ein Fellknäuel auf zwei Beinen betrat den Raum, und Rob verwarf die Erkenntnis, dass die Erinnerungen an seine Wiederbelebung ein Traum gewesen waren. Das Knäuel musste sich strecken, um den Knauf zu erreichen und die Tür hinter sich zu schließen. Sein Fell war weiß, und es hatte Ähnlichkeit mit einem Meerschweinchen. Einem sehr großen Meerschweinchen, das auf den Hinterpfoten lief. Es trug ein schwarzes Leinengewand; auf der Brust waren eine silberne Faust und fünf Sterne aufgestickt.

»Guten Tag«, quiekte das Wesen und sandte Blitze aus Schmerz in Robs Kopf.

»Guten Tag«, murmelte er und entschied, erst mal mitzuspielen, bis er wusste, was hier vorging. Bis seine Erinnerungen zurückkehrten.

»Ich bin Rekrutierungsoffizierin Shani.« Das Meerschweinchen blieb vor ihm stehen und musterte ihn aufmerksam. »Alles in Ordnung?«

»Schmerzen«, flüsterte Rob und zeigte auf seinen Schädel.

»Ach, das vergeht schon wieder. Das sind ganz normale Nebenwirkungen.« Sie zog sich unter lautem Knarzen einen Stuhl heran.

»Vielen Dank für das Mitgefühl.«

»Gern geschehen«, sagte Shani ehrlich. »Wollen wir anfangen?«

Rob sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Wir müssen Euren Übergang aus der Totenwelt zurück ins Leben besprechen. Wir haben viel Zeit und Ressourcen in die Wiederbelebung gesteckt. Eine langfristige Investition, die sich hoffentlich bald für das Reich auszahlt«, erklärte sie und rollte ein Stück Papier aus. Rob wollte etwas sagen, aber Shani unterband es mit einer Bewegung ihrer Pfote. »Ihr habt bestimmt viele Fragen, aber dazu kommen wir noch. Möglicherweise werden meine Ausführungen ein paar davon beantworten. Also …« Sie begann mit feierlicher Stimme abzulesen: »Avataris ist in Gefahr. Bedroht durch Garraks Schatten und seine unheilbringenden Horden, haben die freien Völker eine Allianz unter dem Schutz der Göttin Aeya gebildet, um die Angriffe abzuwehren. Ihre Seelenmagier beschwören gefallene Helden, die auf den Schlachtfeldern vor hunderten Jahren gestorben sind. Ihre Seelen treiben seitdem im Meer aus Energie, das alles und jeden umgibt, ziellos umher. Euch haben sie bei ihrem Beschwörungsritual entdeckt und zurückgeholt. Denn es braucht neue Helden, die an Aeyas Seite gegen Garraks Monster kämpfen und schlussendlich Avataris von allem Bösen befreien.«

»Zu viele Namen«, flüsterte Rob. Die Zauberer hatten schon solche Sachen erzählt, aber das machte die Verwirrung nicht geringer. »Was ist Aeya?«

Das meerschweinartige Wesen riss die Augen auf. »So einen Fall von Amnesie hatte ich auch noch nicht. Eigentlich sollten die Erinnerungen langsam zurückkehren.« Dann tippte sie auf die Stickerei über ihrer Brust. »Aeya ist der einzige Grund, warum die freien Völker noch existieren. Sie ist das Leben, das Blumen blühen und Fische schwimmen lässt. Sie schützt uns vor dem Übel, das im Norden lauert und nach unseren Ländereien trachtet. Sie ist die Faust, die zurückschlägt.« Theatralisch patschte das Wesen auf die silbern aufgestickte Faust.

»Verstehe«, murmelte Rob, auch wenn er den Eindruck hatte, dass ihm Shani lediglich Fragmente hinwarf. Zusammensetzen musste er sie selbst. »Ihr seid im Krieg?«

»Wir sind im Krieg«, korrigierte sie. »Und schon sehr lange.«

»Wie lange?«

Das Wesen zögerte kurz. »Ich kann mich nicht erinnern, dass es mal keinen Krieg gab.«

»Und ich soll kämpfen?«

»Deswegen haben wir, die Heldenliga, Euch wiederbelebt, ja. Aber keine Angst, wir werden Euch nicht direkt in eine Rüstung stecken und an die Frontlinie zu den Splitterstreifen schicken. Nein, kommt erst mal in Avataris an, sammelt Euch, entdeckt Eure Talente und Fähigkeiten neu. Alle Champions, die wir hier wiederbeleben, sind ein bisschen eingerostet. Wie ein Schlachtross, das zu lange im Stall stand.« Sie lachte über den Vergleich. »Aber die Bewohner haben genug Aufgaben für Euch, um Euch bei Laune und auf Trab zu halten.«

»Ich soll den Laufburschen spielen?«

Shani legte den Kopf schräg. »Manchmal ist das tatsächlich der Fall. Wenn ein Brief das Dorf wechseln soll oder wichtige Zutaten für einen Trank gebraucht werden, kann es durchaus sein, dass man Euch als Laufburschen benutzt. Das gehört dazu. Die großen Monster kommen noch schnell genug.«

Für Rob waren das keine Aufgaben für einen Champion oder Helden, aber immerhin deutlich ungefährlicher, als Monster auf einem Schlachtfeld zu bekämpfen. »Ich will niemandem zu nahe treten und bin euch wirklich dankbar, aber habt ihr auch Arbeit, die hinter den Mauern einer großen Burg stattfindet?«

»Wir können Euch zurück ins Seelenmeer werfen. Dann würdet Ihr in der Energie verglühen.« Shani sagte es so beiläufig, als hätte sie ihm angeboten, ein heißes Bad zu nehmen. Mit großen Augen sah sie ihn an. Ihre Wimpern klimperten aufgeregt, und Rob hatte das Gefühl, eine Schlinge um seinen Hals würde sich zuziehen.

Auch wenn er noch nicht lange wieder am Leben war, hing er daran. Die eigene Unversehrtheit war ein hohes Privileg, das es so lange wie möglich zu erhalten galt.

»Also werdet Ihr Eure Fertigkeiten und Fähigkeiten in den Dienst Aeyas stellen und schwören, die freien Völker zu beschützen?«

»Was für Völker sind das?«, hakte Rob nach.

»Zu den freien Völker gehört ihr Menschen, aber auch wir Squans, die bärenhaften Gronts und die Eollyans. Wir haben uns unter dem Banner Aeyas verbündet, um gemeinsam Garraks Angriffe abzuwehren.« Wieder klopfte sie auf ihre Brust.

»Und ich war ein …«

»Ein Held. Ihr habt in Eurem früheren Leben auf den Schlachtfeldern von Avataris für Aeya gestritten und seid gestorben. Wahrscheinlich seid Ihr vor unzähligen Zyklen oder mehr gefallen. Nun hat sie Euch auserwählt, zu uns zurückzukehren und unsere Reihen zu stärken. Ihr seid etwas Besonderes.«

Rob fühlte sich nicht wie ein Held. Die Verwirrung verstopfte seinen Kopf wie ein Korken eine Flasche. »Ich habe nie auf irgendeinem Schlachtfeld gekämpft.«

»Aeya irrt nicht, das solltet Ihr nicht vergessen. Sie hat Euch auserwählt, und wer wäre ich, ihr einen Fehler zu unterstellen? Ich bin nur Rekrutierungsoffizierin der Heldenliga, und das hier hat schon alles seine Richtigkeit.« Dann fiel ihr Blick auf seine Hand. »Nun, das ist aber ungewöhnlich.«

Erst da fiel Rob das Stück Metall an seinem linken Ringfinger auf.

»Zeigt mal her«, sagte Shani, und noch bevor Rob reagieren konnte, hatte sie ihm den Schmuck vom Finger gezogen und hob ihn prüfend ins Licht. »Eigenartig, der macht Euch weder stärker noch klüger. Er wird Euch im Kampf nicht helfen. Lasst Euch beim nächsten Schmied ein paar Kupfermünzen dafür geben.« Dann legte sie den Kopf schräg. »Schön ist er, keine Frage. Ihr seid aber der erste Champion, der mit so einem Ring hier auftaucht. Sieht ein bisschen wie das Zeug aus, das Melfana herstellt.« Der freundliche Unterton wich aus ihrer Stimme. »Woran erinnert Ihr Euch noch?«

Rob nahm ihr den silbernen Ring ab. Wer Melfana war, fragte er nicht. In den letzten Minuten waren genug Namen auf ihn eingeprasselt. Er betrachtete die floralen Elemente, die Blüten, die in das Metall eingearbeitet waren und einen blauen Stein einfassten, und hatte zum ersten Mal das Gefühl einer Verknüpfung zu seinem vorherigen Leben. Nein, er würde ihn nicht bei dem nächsten Schmied verkaufen. »Ich weiß nicht mehr viel«, gestand er und zählte auf, was ihm in den Sinn kam: »Nur meinen Namen, was Menschen sind, wofür man ein Schwert nutzt und wie man auf einem Pferd reitet. Wie ein Bier schmeckt, wie man einen Braten zubereitet und den Geruch von Gras nach einem Regenschauer im Frühling.« Er streifte den Ring zurück auf den Finger. »Aber ich habe keine Ahnung, was Squans sind, wer Aeya ist und wie Garrak aussieht.«

»Das ist doch eine Basis, mit der sich arbeiten lässt. Solange Ihr Eure Waffe zu schwingen wisst, werdet Ihr der Heldenliga und den freien Völkern gute Dienste leisten. Die Wissenslücken werden wir schnell füllen«, sagte Shani nun wieder freundlich. Sie zeigte auf den Ring. »Sucht Euch lieber etwas Magisches.«

Rob schüttelte den Kopf. »Er ist wunderschön.«

»Ja, aber das nützt Euch nichts, wenn Ihr einem übel gelaunten Ork gegenübersteht, der schlecht geschlafen hat, weil ihm ein Stück Hähnchenknochen im Zahnfleisch steckt.«

Er sah von dem Ring auf. »Ein Ork?« Den Begriff hatte er schon irgendwo gehört.

»Auf die lassen wir Euch erst los, wenn Ihr genug Erfahrung im Kampf gesammelt habt, keine Angst.« Sie rollte das Stück Papier wieder auf. »Also, werdet Ihr Eure Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Dienst von Aeya stellen?«

Rob zögerte. Er wollte keine Abenteuer erleben, keine Monster bekämpfen. Aber er wollte auch nicht zurück in das Seelenmeer und seine Existenz als blauer Blob fortführen. »In Ordnung.«

»In Ordnung? Das habe ich schon weitaus enthusiastischer gehört. Aber ich will es durchgehen lassen.« Shani zog Federkiel und Tintenfässchen aus ihrer Robe, tunkte die Spitze in die Flüssigkeit und unterschrieb. Dann hielt sie Rob das Schriftstück hin.

»Einfach unterschreiben«, sagte sie, als Rob mit dem Lesen der ersten Zeilen begann. »Da steht nur, dass Ihr für Aeya kämpft, Euch Garrak nicht anschließt und Euch verpflichtet, die freien Völker zu schützen. Selbstverständlichkeiten also.«

Rob nickte und kritzelte etwas unter das Papier, das mit viel Phantasie seinen Namen ergab.

»Wunderbar, das freut mich. Wie fühlt Ihr Euch?«

»Fürchterlich«, gestand Rob und streckte den Rücken durch. Jeder Knochen und jeder Muskel in seinem Körper schmerzten. So eine Wiederbelebung war eine ziemlich anstrengende Angelegenheit.

»Das ist nichts Ungewöhnliches. Hier.« Sie zog aus einer anderen Tasche ihrer Robe eine Phiole. Die Flüssigkeit darin war blutrot. »Trinkt das, dann geht es Euch sofort prächtig.«

Rob betrachtete argwöhnisch das ihm angebotene Fläschchen. »Was ist das?«

»Mit Euch werden die Ausbilder viel Spaß haben, Ihr wisst ja wirklich gar nichts mehr«, erwiderte Shani. »Das ist ein Heiltrank und – der Name lässt es vermuten – der wird Euch heilen. Keine Angst, wir beleben Euch nicht erst unter großer Anstrengung wieder, um Euch dann zu vergiften. Garraks Attentäter schlagen immer wieder zu, aber ich bin keine davon.«

Er zögerte noch einen Moment, dann griff er zu, entfernte den Korken und trank die zähe Flüssigkeit. Warm floss sie die Kehle hinab, und mit jedem Schluck fühlte er sich besser.

»Und?«, fragte die Squan.

Rob setzte die Phiole ab und wischte sich mit der Hand über den Mund. Die Schmerzen, die seinen Körper bis vor wenigen Augenblicken noch gepeinigt hatten, waren verschwunden wie ein unbewachtes Bier in einer vollen Kneipe. Er streckte erst die Beine, dann die Arme und zum Schluss den ganzen Körper. Er fühlte sich prächtig. »Wie neugeboren.«

»Ihr seht auch gleich viel gesünder aus.« Shani konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Kommt, ich zeige Euch das Gelände und bringe Euch zum ersten Auftraggeber. Von da aus könnt Ihr die Heldenreise beginnen.« Sie watschelte auf die Tür zu. »Wir gehen erst mal in die Rüstkammer und schauen, dass wir etwas Vernünftiges für Euch finden. So kann ich Euch nicht entlassen.«

Rob sah an sich hinab. Er trug ein Nachtgewand aus Leinen. Nichts, worin man einem Monster gegenübertreten sollte. Oder einem Auftraggeber. Er erhob sich von der Bettkante und folgte der Rekrutierungsoffizierin auf einen Gang, der nur von Fackeln erleuchtet wurde. Unzählige Türen gingen davon ab, hinter denen Rob Gespräche vernahm.

»Die Seelenzauberer waren heute fleißig. Sie haben viele neue Champions aus dem Seelenmeer gefischt«, sagte Shani und lief weiter bis zu einer Wendeltreppe. »Eine Etage tiefer.« Sie wollte gerade hinabsteigen, da hielt sie inne. »Moment.«

Ihnen kam eine Gestalt entgegen, und Rob hätte ohne den Heiltrank, den er kurz zuvor eingenommen hatte, wieder das Bewusstsein verloren. Ein Bär mit braunem Fell, gehüllt in eine Lederrüstung. Darüber trug er einen schwarzen Wappenrock, auf dem die silberne Faust mit den fünf Sternen abgebildet war. Er sah aus wie das Wesen, das Rob nach seiner Wiederbelebung begrüßt und in die Ohnmacht geschickt hatte.

»Aeyas Segen mit dir, Shani«, brummte er. »Danke.«

Shani, die sich gegen die Wand gedrückt hatte, um dem Bären Platz zu machen, nickte. »Aeyas Segen mit dir, Börn. Gerne.«

Der Riese verschwand mit lauten Schritten nach oben.

»Was war das?«, flüsterte Rob vor Angst.

Shani, die bereits die ersten Stufen hinabgegangen war, drehte sich um und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. Die dunklen Streifen über ihren grünen Augen stachen klar aus dem weißen Fell heraus. »Was meint Ihr?«

Rob zeigte dorthin, wo der Bär die Treppe nach oben genommen hatte. »Warum laufen hier Bären durch die Gegend?«

»Oh, ich vergesse immer wieder, dass Ihr eine komplette Amnesie habt. Das war ein Gront. Freundliche Gesellen, die man aber nicht ärgern sollte. Seid froh, dass sie auf unserer Seite und nicht auf Garraks kämpfen.« Shani umgriff mit ihren weichen, warmen Pfoten seine Hände. »Das hier muss alles sehr verwirrend für Euch sein.«

Rob nickte, sagte aber nichts. Sein Kopf fühlte sich an, als hätte ein fürchterlicher Sturm darin gewütet und alles durcheinandergeworfen. »Ich bin hier richtig, oder?«

»Ihr seht aus wie ein Champion, glaubt mir. Solange Ihr geradeaus laufen und ein Schwert führen könnt, mach ich mir keine Sorgen, dass Ihr da draußen nicht Euren Weg gehen werdet«, sagte Shani und wandte sich um. »Kommt, vielleicht sehen wir unterwegs auch noch eine Eollyan.«

Rob folgte ihr die Treppe hinab in den nächsten Flur und von dort in einen riesigen Raum, in dem sich unzählige Regale aneinanderreihten. Es herrschte ein reges Treiben, und zu seiner großen Erleichterung sah Rob nun auch ein paar Menschen. Sie wuselten umher, räumten Gewänder und Waffen in die Regale und füllten Listen aus.

»Wen bringst du uns denn heute, Shani?«, wollte eine Frau wissen. Sie war in Robs Alter und hatte die feuerroten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

»Das ist Rob, und er braucht etwas für die Welt da draußen.«

Die Frau musterte ihn aufmerksam. »Leder wird es für den Anfang tun. Womit kämpfst du am liebsten?«

Rob sah sie an, und sie schaute aufmerksam zurück. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus, dann sagte er: »Ich habe keine Ahnung.«

»Frisch wiederbelebt, keine Erinnerungen an sein vorheriges Leben, alles noch ein bisschen …« Shani wirbelte mit der Pfote durch die Luft und suchte nach dem richtigen Wort. »… schwierig.«

Die Frau nickte, als würde sie verstehen, dann zählte sie langsam auf: »Schwerter, Äxte, Hammer, Dolche, Speere, Bögen, Armbrüste.«

»Ihr wisst doch, was das ist, oder?«, fragte Shani und musterte ihn aufmerksam.

Rob seufzte. »Ich bin nicht dumm, ich habe nur vergessen, wer ich bin.«

»Wer Ihr wart«, korrigierte ihn das gigantische Meerschweinchen.

»Also?«, fragte die Rothaarige.

»Ein Schwert, denke ich.« Er hatte seines Wissens nach keine Ahnung vom Kampf mit der Klinge, aber ein Schwert war simpel: Es hatte zwei scharfe Seiten und ein spitzes Ende. Das waren drei Möglichkeiten, den Feind im Kampf zu verwunden. Der Gedanke beruhigte ihn.

»Kommt sofort«, sagte die Frau und verschwand zwischen den Regalen.

»Unglaublich, oder?«, bemerkte Shani.

Rob sah sie fragend an.

»Dieses Lager hier. Wir sind perfekt ausgestattet und können garantieren, dass ihr alle mit der richtigen Ausrüstung in euer neues Leben startet.«

»Vielleicht solltet ihr den wiederbelebten Champions erst mal ein bisschen Ruhe gönnen, damit sie sich sammeln können«, entgegnete Rob und sah sich um. Er war nicht der Einzige, der neu eingekleidet wurde. Am anderen Ende des Raumes wurde einem der bärenhaften Gronts gerade eine Robe über den Kopf gezogen. Als die flauschigen Ohren und großen Augen zum Vorschein kamen, sah Rob in dem Gesicht die gleiche Verwirrung, die er selbst spürte.

»Das Böse gönnt sich auch keine Ruhe. Die Bewohner unseres Landes finanzieren das alles hier mit ihren Abgaben an die Heldenliga und erwarten natürlich, dass Ihr ihnen zu Hilfe kommt, wenn sie sie brauchen. Und damit meine ich nicht nur die Bedrohung durch Garraks Horden, nein, Diebe und Schergen gibt es bei uns auch zur Genüge. Wölfe, die die Tiere der Bauern reißen, Wegelagerer oder Goblins, die sich in den Wäldern vermehren und unsere Siedlungen bedrohen. Wenn Ihr einen Tipp hören wollt: Fangt mit den kleinen Herausforderungen an, sammelt Erfahrung, werdet stärker, und dann führt Euch Euer Weg früher oder später zu den Splitterstreifen.«

»Splitterstreifen?«

»Ein Landstrich zwischen Aeyas und Garraks Reich. Ein unwirtlicher Ort, verwüstet durch einen Zauber. Aber die Erde ist voll wertvoller Seelensplitter, die wir brauchen, um Helden wie Euch in unseren Türmen zu beschwören.«

Rob kam bei den ganzen Informationen kaum hinterher.

»Bitte schön.« Die Rothaarige hielt ihm neue Kleidung und ein Schwert hin.

Wenige Augenblicke später war Rob in eine Lederrüstung gehüllt, und ein Schwert baumelte am Gürtel. Er sah an sich hinab.

»Macht eine gute Figur«, urteilte Shani. »Ich mag die braunen Lederstreifen, die quer über die Brust verlaufen. Die lassen Euch breiter wirken, bisschen bedrohlicher. In den Taschen werdet Ihr noch die eine oder andere Überraschung finden, schaut Euch das in einem ruhigen Moment an. Noch ein Tipp, bevor ich Euch gleich in die Freiheit entlasse: Sucht Euch möglichst schnell einen Rucksack. Ihr werdet für die Aufträge allerhand Belohnungen bekommen und auf Euren Abenteuern viele Gegenstände finden, die Ihr nicht alle mit den Händen tragen könnt.«

»Ein Rucksack, verstanden«, wiederholte Rob. Wölfe, Wegelagerer und ein Rucksack – das klang nicht gerade nach Aufgaben für einen Champion. Aber lieber prügelte er sich mit verlausten Kötern als mit Orks.

»Kommt«, sagte Shani und verließ den Raum, vor dem weitere Rekrutierungsoffiziere mit anderen wiederbelebten Champions bereits Schlange standen.

Sie nahmen die Treppe nach oben in eine opulente Halle. Goldene Kerzenleuchter hingen von der Decke, und ein roter Teppich führte über die Stufen zu einem Tor. Links und rechts davon hingen schwarze Banner mit der silbernen Faust darauf.

Vor der Tür stand ein Wesen, ein bisschen größer als Rob selbst. Seine Haut sah aus, als wäre sie von Rinde überwuchert, und das Haar erinnerte an Gras. Darüber trug es ein Gewand, wie es auch Shani anhatte.

»Das ist was?«, flüsterte Rob, während sie auf das Wesen zugingen.

»Das ist Alain Fermen, der Rekrutierungsoberoffizier der Heldenliga. Er ist ein Eollyan.«

»Aeyas Segen mit dir, Shani«, grüßte Alain Fermen, und seine Worte hallten von der hohen Decke wider. »Wie ich sehe, bringst du uns einen neuen Champion?« Er musterte Rob mit gelben Augen, die an Edelsteine erinnerten.

»Aeyas Segen mit dir, Alain«, wiederholte die Squan die Begrüßung. »Er wird unserem Reich gute Dienste leisten. Hast du einen ersten Auftrag für ihn?«

»An Aufgaben wird es uns nie mangeln«, erwiderte Alain und wandte sich dem Neuling zu. »Willkommen zurück in unseren Reihen. Danke für Euren Dienst, den Ihr in Eurem vorherigen Leben für uns geleistet habt. Ich bin mir sicher, dass viele Monster unter Eurer Klinge gefallen sind.«

Rob war davon alles andere als überzeugt, doch er deutete ein Nicken an.

»Nicht weit von hier gibt es ein kleines Dorf, Ihr werdet es nicht verfehlen, wenn Ihr dem Weg folgt. Meldet Euch dort beim Wirt der Taverne. Er hat mit einer kleinen Plage zu kämpfen und kann einen Recken wie Euch gebrauchen.«

»Plage?«, hakte Rob nach.

»Nichts, womit ein Champion wie Ihr nicht fertig werdet.« Als Alain lächelte, zogen sich tiefe Furchen durch die Rindenhaut, wie Risse in einem Baumstamm. »Natürlich müsst Ihr erst noch Eure alten Fähigkeiten wiederentdecken, aber das kommt mit der Zeit. Seid nicht ungeduldig mit Euch selbst. Und solltet Ihr dennoch unsere Hilfe benötigen, findet Ihr in jeder größeren Stadt eine Stube der Heldenliga.«

»Also, viel Erfolg«, sagte Shani. »Macht mir da draußen keine Schande, ja?«

Rob sah zum Portal. Er wollte nicht dort raus, in eine Welt, die er nicht kannte, die voller Gefahren war. »Einfach dem Weg folgen?«

»Vielleicht seht Ihr schon die Rauchfahne des Kamins, wenn Ihr durch die Tür tretet«, sagte Alain. »Berichtet dem Wirt, dass ich Euch schicke. Solange Ihr auf dem Weg bleibt, habt Ihr wenig zu befürchten.«

»Alles klar«, erwiderte Rob, auch wenn ihm nichts klar war. Alle hielten ihn für einen wiedergeborenen Helden, aber er fühlte sich wie ein Niemand. Doch wie gefährlich konnte eine Plage in einer Taverne schon sein?

Als er auf die Flügeltür zutrat, öffnete sie sich wie von selbst. Rob trat hindurch, hinaus in eine ihm unbekannte Welt und hinein in ein Abenteuer, das er nie gesucht hatte.

Kapitel 3

Rob ließ sich Zeit. Er hatte keine Eile, diese Taverne und den Wirt zu erreichen. Der Rekrutierungsoberoffizier hatte nicht geklungen, als würde es bei dieser Plage um Leben und Tod gehen.

Die Rauchschwaden des Kamins hatte er tatsächlich sofort gesehen. Eine dunkle Wolke, die sich malerisch vom hellen Himmel abhob.

Auch sonst gefiel ihm, was er von Avataris sah. Der Weg, dem er folgte, war ein ins Grün getretener Pfad. Ein Wald säumte die Strecke, und aus den Baumkronen erklangen Gesänge verschiedener Vögel. Nichts deutete auf die Anwesenheit von Monstern oder anderweitigen Gefahren hin.

Rob betrachtete den Ring an seinem Finger. Shanis Reaktion war seltsam gewesen. Allgemein war vieles seltsam. Konnte es wirklich sein, dass er ein wiedergeborener Champion war? Dass er in seinem vorherigen Leben in einer glänzenden Rüstung auf Schlachtfeldern gegen die schrecklichsten Monster gekämpft hatte, die sich ein Mensch nur vorstellen konnte?

Oder ein Squan.

Oder ein Eollyan.

Wenn er schon ein Leben in Avataris verbracht hatte, dann hatte er offenbar nicht viel Zeit mit den anderen Spezies verbracht. Er war sich sicher, dass er überdimensionierte, sprechende Meerschweinchen selbst im Tod nicht vergessen würde.

Er war so in Gedanken versunken, dass er die Frau erst bemerkte, als sie links von ihm aus dem Gebüsch sprang.

»Ich habe nichts bei mir!«, rief er und taumelte ein paar Schritte zurück, wobei er die Axt in ihrer Hand nicht aus den Augen ließ.

»Ich … was?« Sie legte den Kopf leicht schräg.

Rob tastete hektisch nach dem Schwertgriff, der durch seine plötzliche Bewegung am Gürtel hin und her wippte. »Lass mich in Ruhe!«

»Was sollte ich denn von dir wollen?«, fragte die Frau und stemmte ihre freie Hand in die Hüfte. Die Waffe ließ sie locker baumeln.

»Mich ausrauben!« Er zeigte auf die Axt. Mit der anderen Hand zog er endlich sein Schwert.

»Dich ausrauben? Warum?« Sie wischte sich die schwarzen Haare aus dem dunklen, verschwitzten Gesicht. Ihre athletische Figur ließ darauf schließen, dass sie durchaus in der Lage war, ihn seiner wenigen Habseligkeiten zu berauben.

»Weil ich …« Rob überlegte. »Weil du so was tust?«

»Danke, dass du fragst. Nein, so was tue ich nicht. Solange du für Aeya streitest, sind wir Verbündete.«

»Oh.« Der Laut drang aus Rob wie Luft aus einem Blasebalg. Er ließ das Schwert langsam sinken. »Du bist auch ein Champion?« Nun fiel ihm auf, dass sie eine ähnliche Lederrüstung trug wie er.

»Noch fühle ich mich nicht so, aber das wird sich ändern. Wie lange bist du schon aus dem Seelenturm raus?«

Rob warf einen Blick zurück. In der Ferne zeichnete sich der Schemen des Turms noch ab. »Mein erster Gang im Freien.«

»Oha, ein Frischling. Eigentlich wollte ich dich nur fragen, ob du hier in der Nähe Wölfe gesehen hast. Die Schneiderin im Dorf braucht ein paar Pelze.«

Langsam ließ Rob den Blick schweifen. »Wölfe? « Er schluckte. »Die können uns doch nicht ein Schwert in die Hand drücken und dann auf ein Rudel Wölfe loslassen.«

»Das werte ich als Nein.«

»Tut mir leid«, erwiderte Rob, aber er war sehr froh, keine Wölfe gesehen zu haben. Denn er war sich nicht sicher, ob er dann von der Begegnung noch hätte berichten können.

»Du bist auf dem Weg zum Wirt?«, wollte die Frau wissen und schulterte die Axt.

»Genau, ich soll da eine Plage bekämpfen.«

»Ich weiß, ich weiß. Viel Erfolg, bestimmt läuft man sich noch mal über den Weg.«

»Auf Wiedersehen«, sagte Rob, und sogleich war sie im Dickicht des Waldes verschwunden.

 

Er erreichte die Taverne, ohne Bekanntschaft mit den gesuchten Wölfen oder weiteren Champions zu machen. Die Schänke war Teil eines Dorfes, das aus ein paar Häusern, einem Brunnen und Stallungen bestand. Auf dem Dorfplatz liefen Gestalten umher, die sich nicht für den Neuling interessierten. Menschen, Squans, Gronts und Eollyans. Die freien Völker von Avataris.

Die Versuchung war groß, sich ein bisschen umzusehen, aber solange er mit den Regeln der neuen Welt nicht vertraut war, hielt sich Rob an den Auftrag.

Er betrat die Taverne und stand in einem großen Schankraum. Nur wenig Licht fiel durch die verschmutzten Fenster hinein und tauchte die Einrichtung in ein gemütliches Orange. Die Luft war abgestanden, und es roch nach einer Mischung aus verschüttetem Bier und Helden, die mehr Zeit in der Wildnis als im Badezuber verbrachten. Der Tresen zog sich über die komplette Rückwand, dahinter erhoben sich mächtige Fässer – und der Wirt, so groß wie ein Bär. Ein Gront. Das grau gefleckte Fell war unter einem braunen Hemd und einer Schürze versteckt, die mal weiß gewesen war. Als er seinen Gast bemerkte, sah er hoch und hörte auf, den Tresen zu polieren.

»Was kann ich für Euch tun?«, brummte er.

Rob wäre am liebsten wieder rückwärts rausspaziert. »Plage?«, brachte er hervor.

»Ihr seid wegen des Auftrags hier?«, fragte der Wirt, und seine Miene hellte sich schlagartig auf.

Rob nickte nur.

»Ich hätte nicht gedacht, dass man mir so schnell Hilfe schickt. Kommt her.« Er winkte ihn mit der Pranke zu sich hinüber.

Mit wackeligen Schritten durchquerte Rob den Schankraum, wich Stühlen und Tischen aus. Im Kamin brannte ein Feuer, das wohlige Wärme im Raum verteilte. Am Tresen angekommen, versuchte er, sich möglichst entspannt und natürlich anzulehnen. »Wie kann ich zu Diensten sein?«, fragte er und fühlte sich sofort wie ein Aufschneider.

»Ich habe seit einiger Zeit mit einer Plage zu kämpfen. Die Biester fressen sich durch Kisten und Säcke, plündern meine Vorräte. Ohne Knüppel gehe ich gar nicht mehr da runter.« Er zeigte auf eine Falltür hinter dem Tresen. Sie war im Holzboden eingelassen, und ein Eisenring war daran befestigt. »Das letzte Mal haben sie mir ins Bein gebissen, da habe ich um Unterstützung gebeten.«

»Was genau hat Euch gebissen?« Rob beschlich das Gefühl, dass er die Antwort nicht hören wollte.

»Ratten.«

»Ratten?«, fragte er ungläubig.

»Fiese Biester.« Der Wirt drehte sich um, bückte sich und hob ein paar Scheite auf. Dann humpelte er zum Kamin und legte Holz nach. Die Flamme loderte auf, und Rob wich unwillkürlich zurück, schirmte die Augen ab.

»Das Humpeln kommt von dem Biss?«, fragte er.

Der Hüne schüttelte den Kopf. »Einst wollte ich Abenteurer werden wie Ihr, aber dann habe ich einen Pfeil ins Knie bekommen. Danach habe ich meine Leidenschaft für frisch gezapftes Hopfen und deftige Eintöpfe entdeckt. Das ist auch, was ich Euch als Belohnung für diesen Auftrag anbieten kann: eine kostenlose Mahlzeit.«

Rob hatte nicht gewusst, dass es sogar eine Belohnung geben würde. Mit Wölfen würde er sich nicht so schnell anlegen, aber was konnten ein paar Ratten schon anstellen? Schließlich hatte er ein Schwert. Seine Hand wanderte zum Knauf. »Wie viele?«

»Wenn Ihr drei erschlagt, würdet Ihr mir schon sehr helfen.«

Drei Ratten. Die Biester waren flink, aber Rob konnte sie in die Enge treiben. Außerdem war es ihm lieber, Nagetiere statt Garraks Monster zu jagen. »Ich ziehe ihnen einfach was mit meinem Schwert über, und dann ist gut?«

Der Wirt hob beide Hände. »Nie im Leben würde es mir einfallen, Euch zu erzählen, wie Ihr Eure Arbeit zu machen habt. Solange die Biester verschwinden und ich wieder in meine Vorratskammer kann, bin ich zufrieden. Also haben wir eine Vereinbarung? Eine warme Mahlzeit und ein frisch gezapftes Bier gegen drei Rattenschwänze?«

»Abgemacht«, sagte er in einem Anflug aus Übermut, die ihm das Schwert an seinem Gürtel verlieh. Außerdem knurrte sein Magen.

»Dann öffne ich mal das Portal zur Unterwelt«, erwiderte der Wirt und packte den Eisenring. Das Holz und die Scharniere ächzten unter der ruckartigen Bewegung. »Ich setz schon mal die Suppe auf.«

Der Geruch alter Zwiebeln und feuchter Luft kam Rob entgegen. Er starrte die Treppenstufen hinab, und Angst kroch seinen Nacken hinauf wie eine fette Spinne.

»Nur ein paar Ratten«, murmelte er und stieg hinunter.

Unten angekommen stand er im Dreck. Man hatte hier keinen Boden verlegt, sondern lediglich ein Loch in die Erde gegraben. Es war kalt, und nur durch die Öffnung über ihm fiel spärliches Licht. Die Wände bestanden aus Regalen, die bis zum Anschlag mit Kisten, Gemüse, Fässern und Holz gefüllt waren. Der Wirt, so schien es Rob, war gern auf große Besuchergruppen vorbereitet.

Er drehte sich um. Weit und breit keine Ratten zu sehen. Rob überlegte, wie er die Nager am besten anlocken könnte. Langsam zog er das Schwert und drehte sich im Kreis.

»Kommt her und lasst euch erschlagen«, flüsterte er in die Dunkelheit.

Die Ratten tauchten nicht auf.

Er griff in das Regal und nahm ein Stück Käse in die Hand. Einen Versuch war es wert. Er warf es in die Mitte des Raums.

Für einen Moment passierte nichts, dann ging alles ganz schnell.

Eine Ratte sprang hinter einer Kiste hervor. Sie war groß wie eine Katze, hatte blutrote Augen und Fangzähne so spitz wie Nägel. Rob bereute sofort, sich auf den Auftrag eingelassen zu haben. Er hätte den Wirt fragen sollen, warum der nicht selbst die Keule schwang und den Viechern eines überzog.

Ratten waren in Avataris nicht einfach nur Ratten. Sie waren Bestien und verlangten keinen enthusiastisch geschwungenen Knüppel, sondern Helden.

Rob wich zurück, bis er ein Regal im Rücken spürte. Das Monster verdrückte den Käse mit einem Happs. Rob hielt das Schwert vor sich, nicht um zuzuschlagen, sondern um das Vieh auf Abstand zu halten. Der Versuch wurde mit einem tiefen Knurren beantwortet. Die Monsterratte war noch nicht satt.

»Zurück!«, rief Rob.

Das Biest dachte nicht daran. Sein Schwanz peitschte hin und her, und wie eine Raubkatze vor dem Sprung drückte sie den Oberkörper nach unten, während das Hinterteil in die Luft ragte.

Dann sprang sie.

Rob schlug zu.

Die Schwertspitze bohrte sich in den Dreck. Die Ratte hatte nicht mal ausweichen müssen. Schon rammte sie die spitzen Vorderzähne in sein Schienbein.

»Scheiße!«, schrie er auf. Der Schmerz brannte, das Biest hatte die Zähne durch die Lederhose gebohrt – und hing dort nun fest.

Rob ließ die Klinge hinabsausen und traf das Vieh direkt auf den Schädel. Zwei weitere Schläge waren nötig, bevor der Körper erschlaffte.

»Geht doch.« Er keuchte und betrachtete die Wunde. Sie blutete, sah aber nicht aus, als würde er daran sterben. Vorausgesetzt, die Monster übertrugen keine Krankheiten. Vielleicht sollte er jemanden draufschauen lassen, der sich damit auskannte.

Mit dem fünften Hieb trennte er den Schwanz vom Körper und betrat schon die erste Stufe, da packte ihn die Erkenntnis wie eine kalte Hand im Schlaf.

Der Wirt wollte drei Rattenschwänze.

Ein Rattenschwanz war besser als keiner, redete sich Rob ein. Aber er wusste, dass das Quatsch war. Die Leute hielten ihn für einen Champion, und auch wenn er selbst nicht dran glaubte, war es besser, sie vorerst in diesem Glauben zu lassen.

Sein Blick wanderte zum Schienbein. Es blutete nicht mehr. Und immerhin wusste er nun, was ihn erwartete. Es waren nicht nur Ratten, sondern Monster. Aber eines hatte er schon erschlagen, das würde ihm auch zwei weitere Male gelingen. Solange sie ihm nicht an die Hauptschlagader sprangen, war es machbar.

Ein tiefer, ehrlicher Seufzer verließ seine Kehle, dann machte er kehrt und schnappte sich ein weiteres Stück Käse. Es war größer als das letzte. Sollte die Ratte ruhig eine schöne Henkersmahlzeit haben, bevor Robs Schwert sie in die ewigen Jagdgründe schickte.

Er hatte nicht bedacht, dass mehr Käse auch mehr Ratten anlockte. Plötzlich tauchten drei von ihnen aus der Dunkelheit auf. Offenbar hatten sie unter den Regalen und hinter den Kisten gelauert. Ihre roten Augen leuchteten auf, als sie auf das Stück Käse zuschlichen. Sie fauchten sich gegenseitig an, keine wollte voranpreschen, aber auch den anderen nichts schenken. Sie belauerten sich gegenseitig.

»Oh, scheiße«, murmelte Rob, der ahnte, wie es ausgehen würde.

Die Mutigste von den dreien machte einen Sprung und verschlang das größte Stück, ließ den anderen beiden nur Krümel übrig. Wie Verhungerte stürzten die sich auf die Reste. Der Käse war schneller verschwunden als Robs Überzeugung, diesen Auftrag erfolgreich abzuschließen.

»Ich bin gar nicht hier«, flüsterte er, als die drei Nagetiere sich ihm zuwandten.

Sie rissen die Augen auf, fauchten und verbündeten sich gegen den gemeinsamen Feind. Vielleicht lag es an dem Rattenschwanz, den er in der einen Hand hielt, vielleicht mochten sie einfach keine Menschen. Gleichzeitig stürzten sie auf Rob zu, der nach hinten taumelte und ins Straucheln geriet. Mit dem Schwert fuchtelte er vor sich herum, als würde er Fliegen verscheuchen wollen.

Die Monster ließen sich davon nicht beirren. Sie waren auf der Jagd. Wieder übernahm das größte Exemplar die Initiative und sprang mit voller Wucht gegen Rob, der das Gleichgewicht verlor und auf den Hintern fiel.

»Verschwindet!«, schrie er und schlug blindlings in die Luft. Er erwischte irgendetwas, konnte sich aber nicht darüber freuen, denn eines der Monster biss ihm schmerzhaft in den Unterarm.

Wenn das sein neues Leben war, wäre er lieber tot geblieben.

Rob hielt sich den Arm, da landete eines der Biester auf seinem Brustkorb. Sein Atem stank nach verfaultem Fleisch, Speichel tropfte von den Fangzähnen. Rob schloss mit seinem kurzen Leben ab. Wiedergeburten waren nichts für ihn, und er würde dorthin zurückgehen, woher er auch immer gekommen war.

Es polterte, dann flog die Ratte im hohen Bogen von ihm weg.

»Die andere musst du selbst machen, sonst gibt der Wirt dir nicht die Belohnung«, sagte eine Frau. Sie war in der Düsternis kaum zu erkennen. »Los jetzt, sonst muss ich die auch noch erschlagen.«

Rob rappelte sich auf. Die verbliebene Ratte konnte sich nicht entscheiden, ob sie die ominöse Fremde oder Rob angreifen sollte. Die beste Eingebung, nämlich das Heil im Dunkel der Kammer zu suchen und am Leben zu bleiben, kam ihr anscheinend nicht. Mit einem schnellen Schwerthieb schickte Rob sie in das Reich der Toten.

»Ich hab das Gequieke der Tiere und dein Geschrei oben gehört und dachte, ich schaue mal nach«, sagte die Frau und hielt ihm eine Hand hin. Erst jetzt erkannte Rob, wer ihm gerade das Leben gerettet hatte: die Wolfsjägerin aus dem Wald. »Ich bin Lunita.«

Er packte zu. »Rob, und danke.«

»Kein Problem. Man erwartet etwas anderes, wenn man sich auf Ratten einstellt. Aber du bist der Erste, von dem ich höre, der nicht mit ihnen fertig geworden ist.« Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Wollen wir deinen Auftrag abgeben und die Belohnung abholen?«

 

Wenige Minuten später saßen sie sich an einem Tisch gegenüber. Das Feuer im Kamin umarmte den Schankraum mit Wärme. Es roch nach Bier, Eintopf und dem Schweiß der Abenteurer, die die Taverne zum Bersten füllten. Es waren Vertreter aller Spezies, die gemeinsam an den Tischen saßen, aßen und sich von ihren Abenteuern erzählten. Manche hatten die Ausrüstung der Heldenliga angezogen, andere hatten sich schwere Mäntel übergeworfen, trugen Schulterpolster aus Leder und Helme und Hüte. Ein Squan musizierte auf einer Querflöte eine fremde Melodie, andere tanzten und grölten dazu. Eine ausgelassene Stimmung herrschte, frei von Sorgen und Gedanken, und Rob hatte die Hoffnung, dass er bald mit ihnen feiern und kämpfen würde. Seite an Seite, wie ein richtiger Held.

Vorerst widmete er sich aber dem Inhalt seines Tellers. Dicke Fleischklumpen schwammen in der trüben Flüssigkeit, und ihm schwante, welche Tiere der Wirt hier in seinem Essen verarbeitete.

Ihm verging der Appetit.

Er griff zum Bier und genoss jeden Zug. Daran konnte er sich gewöhnen.

»Die Suppe ist wirklich gut«, sagte Lunita, brach ein Stück Brot auseinander, stopfte sich die Hälfte in den Mund und spülte es mit Bier herunter.

Rob zögerte. »Ich hätte mit den Ratten fertig werden müssen, oder?«

»Ach, das waren ja keine gewöhnlichen Nager.«

»Dafür habe ich mich doch ganz gut geschlagen, oder?« Er versuchte sich an einem Grinsen, aber er kannte die Antwort.

Lunita zog einen Mundwinkel hoch. »Wir machen noch einen Helden aus dir.«

»Wie lange bist du schon hier?«

Sie überlegte kurz. »Erst ein paar Tage. Aber seitdem bin ich viel in der Gegend rumgekommen und gehe meiner Pflicht als Heldin nach.«

»Was bedeutet das?«, fragte Rob und nahm einen weiteren Schluck Bier. Die Suppe stand unangetastet vor ihm.

»Ich erledige Aufträge und sammle Erfahrung. Ich merke, wie mit jedem erschlagenen Monster meine alten Kräfte mehr zurückkommen. Die Lunita, die vor ein paar Tagen aus dem Seelenturm gestolpert ist, hätte keine Chance mehr gegen die, die heute vor dir sitzt.«

»Müssen wir immer Monster bekämpfen?«, fragte Rob und hoffte, dass sie ihm sagen würde, dass ein Großteil der Arbeit darin bestand, Bücher in Archiven zu sortieren oder Erledigungen für gebrechliche Bürger zu machen. Auch wenn es ihm am Anfang komisch vorgekommen war, dass er als Champion unter anderem Botengänge übernehmen sollte, erschien es ihm nun sehr reizvoll.

»In der Regel«, erwiderte sie. »Isst du das noch?« Ohne seine Antwort abzuwarten, zog sie den Teller zu sich und tunkte ihr Brot in die Suppe. »Ich will nicht wissen, woraus diese Suppe besteht, aber sie ist köstlich. Wie viele Aufträge hast du schon angenommen?«

»Das hier war mein erster.«

»Sie haben dir nichts vom Auftragsbuch erzählt, oder? Das musste ich auch erst selbst herausfinden.«

Langsam schüttelte er den Kopf.

»Deine Rüstung müsste hinten Taschen haben, gut versteckt, über dem Hintern.« Lunita griff zum Beweis hinter sich und zog ein in schwarzes Leder gehülltes Buch hervor.

Rob tastete danach, suchte die Öffnung und fand sie. Es war ein feiner Schlitz im Leder. Darin ertastete er ein Buch und zog es hervor. Die silberne Faust mit den fünf Sternen war darauf abgebildet. Es war schwer und dick wie ein Ziegel.

»Wie?«, japste er.

»Du fragst dich, wie es möglich ist, ein Buch an deinem Körper mitzuführen, ohne es zu merken?« Lunita lachte laut auf. »Wenn du weitersuchst, findest du dort auch noch eine Karte. Magie, Rob, so und nicht anders. Wir sind Helden, für uns gelten die gemeinen Regeln nicht. Wir stehen über ihnen. Schlag es auf.«

Rob kam der Aufforderung nach.

»Die durchgestrichenen Aufträge sind die, die du erledigt hast. Da sollte das mit den Ratten stehen, richtig?«

Rob nickte, und sein Blick flog über die Zeilen. Die Buchstaben waren in geschwungenen Lettern und mit Tinte auf das Papier gebracht.

Auftrag: Der Wirt des Dorfes Tumbeln hat mit einer Rattenplage zu kämpfen. Er bittet dich, drei Ratten in seinem Keller zu erschlagen und ihm zum Beweis drei Rattenschwänze abzuliefern.

Belohnung: Eine warme Mahlzeit und ein Bier.

Die Rattenschwänze waren ausgehändigt, das Bier und die warme Mahlzeit hatte er bekommen.

»Wer füllt das aus?«

»Weder du noch ich, sondern die Magie. Du wirst ständig von den Bewohnern um Hilfe gebeten, und jemand muss Buch führen, damit wir die Übersicht nicht verlieren. Ein kleiner Helfer, der unser Heldenleben erleichtern soll. Ich rate dir, die Texte gut zu lesen. Als ich vorhin die Wölfe gesucht hatte, habe ich den halben Wald abgegrast, weil ich die Beschreibung nicht ordentlich gelesen habe. Mein Fehler.« Sie fischte mit den Fingern ein Stück Fleisch aus der Suppe und schob es in den Mund. Schmatzend fragte sie: »Mehr steht nicht drin, richtig?«

Rob wollte ihr schon zustimmen, schließlich hatte er nichts weiter angenommen, dann blätterte er die dicken Seiten um und sah einen Eintrag. Er überflog die beiden Zeilen, jeden einzelnen Buchstaben, aber verstand nicht.

»Was ist los?«, fragte Lunita.

»Das ergibt keinen Sinn«, sagte er, konnte den Blick aber nicht von dem Buch abwenden.

Auftrag: Finde sie.

Belohnung: Frieden.

Kapitel 4

Er verstand nicht, was da stand. Wenn Lunita recht hatte, sollte es gar nicht da stehen. Er hatte mit niemandem gesprochen, seit er den Seelenturm verlassen hatte, abgesehen von Lunita und dem Wirt hinter dem Tresen. Niemand hatte ihm gesagt, dass er irgendjemanden finden sollte. Es musste ein Fehler sein. Niemand war perfekt, auch die Magie nicht.

Er schob ihr das Buch hin und zeigte auf die Stelle. »Was bedeutet der Auftrag?«

Sie sah auf das Papier, dann ihn an. »Da steht nichts«, sagte sie zögerlich.

»Doch da steht, dass …« Er zog das Buch zurück zu sich und sah, wie die Buchstaben sich wieder formten. Sie hatten sich dem Blick seiner neuen Bekanntschaft entzogen. Der Auftrag war nur für seine Augen gedacht. »Entschuldige, ich glaube, mir ist die Sache mit den Ratten nicht bekommen.«

»Musst du dich ausruhen? Der Wirt hat oben ein paar Kammern.«

»Passt schon«, erwiderte Rob.

»Sicher?«, fragte Lunita. »Du bist kreidebleich.«

Sie.

Er schüttelte die Gedanken ab wie ein nasser Hund das Wasser. Wahrscheinlich hatte das Buch mal einem anderen Champion gehört, der den Dienst quittiert hatte. Wer auch immer dafür zuständig war, die alten Einträge zu entfernen, hatte seine Arbeit nicht gründlich gemacht.

»Sicher«, sagte er und trank den letzten Schluck Bier.

»Schon leer?«, fragte Lunita. »Komm, ich lad dich noch auf eine Runde ein.«

»Danke«, murmelte Rob und steckte das Auftragsbuch wieder weg.

»Schau dir so lange die Karte an. Die Gebiete, die du entdeckst, werden eingezeichnet. Die unbekannten sind noch vom Nebel des Krieges verdeckt.« Sie stand auf und verschwand in dem Getümmel aus Squans, Gronts, Eollyans und Menschen.

Rob zog ein Stück Papier aus dem Schlitz in seiner Hose. Es war viermal gefaltet, und an der oberen rechten Ecke war eine Windrose mit den vier Himmelsrichtungen eingezeichnet. Der Großteil der Fläche war leer, nur am unteren Rand befanden sich Zeichnungen. Rob sah einen kleinen Turm und Striche, die einen Wald darstellten. Ein Pfad zog sich bis zu einem Dorf. Es war mit einem roten X markiert.

Dort befand er sich gerade, in diesem Moment.

Die gezeichnete Fläche war nicht größer als eine Münze, und als Rob eine Vorstellung von den Dimensionen der Welt bekam, schluckte er. Viele Abenteuer, aber vor allem zahlreiche Gefahren, warteten auf ihn.

Er faltete das Papier und zuckte zusammen, da plötzlich eine in einen Umhang gehüllte Gestalt vor ihm saß. Sie musste sich wie eine Katze angeschlichen haben. Das Gesicht war durch die Kapuze verhüllt. Für einen Gront, Menschen oder Eollyan war sie zu klein, also handelte es sich wahrscheinlich um einen Squan. Rob gefiel die Präsenz der Gestalt nicht, sie hatte etwas Unheimliches an sich.

»Hier ist schon besetzt«, sagte er und versuchte sich an einem abweisenden Lächeln.

»Komm mit mir, du gehörst hier nicht hin.« Die Stimme war hoch wie die von Shani.

»Was?« Rob versuchte gerade noch, in dieser für ihn neuen Welt anzukommen, da sagte ihm schon jemand, dass er nicht hierhergehöre.

»Wachen laufen verstärkt Patrouille und suchen Aussätzige wie dich und mich. Wenn dir was an deinem Leben liegt, komm mit.« Die Gestalt zog ihre Kapuze zurück, und darunter kam das Gesicht eines Squans zum Vorschein.

»Wer seid Ihr?«, fragte Rob mit zitternder Stimme und sah sich suchend nach Lunita um. Die stand immer noch am Tresen und wartete darauf, bedient zu werden.

»An wie viel erinnerst du dich?«, fragte der Squan.

Robs Mund wurde trocken. Er schluckte hörbar. »Ich bin ein Champion von Aeya.«

»Von dem, was davor passiert ist«, ergänzte der Squan.

»Das ist egal. Ich bin ein Champion, das sagen alle.«

Der Squan lachte verächtlich. »Das erzählen sie, um uns bei Laune zu halten.« Dann legte er eine Hand auf den Tisch, und Robs Blick fiel auf den Ring. Er war nicht identisch mit seinem, der Stein fehlte, aber zweifelsfrei von denselben Händen geformt. Die Ornamente zeigten die gleiche Handschrift. »Willst du die Wahrheit hören? Willst du hinter die Leinwand blicken, die sie für uns bemalt haben?«

Er zögerte. »Wer seid Ihr?«

Ein Poltern ließ ihn zusammenzucken.

»Kontrolle!«, brüllte jemand.

Rob sah sich um, suchte den Grund für die Störung. In der Taverne wurde es schlagartig still. Die gute Laune und die entspannte Atmosphäre verschwanden wie der Rauch durch den Kamin.

Dann bemerkte er, dass der Squan fort war.

»Was ist hier los?«, flüsterte er und suchte im Getümmel nach dem Umhang. Aber es war, als hätte er nie existiert.

Dafür erschien Lunita mit zwei Bier. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie leise. »Es werden nur Garraks Spione gesucht. Der Hohe Rat hat vor kurzem eine Scharfrichterin ernannt, die mit ihrer Einheit, der Silbernen Garde, undichte Stellen findet und …« Sie ließ offen, was mit ihnen passierte, aber Rob konnte es sich vorstellen.

Hochgerüstete Soldaten schritten durch die Reihen. Sie steckten in schwarzen Rüstungen, die Helme mit Vollvisier verdeckten ihre Gesichter. Auf der Brust war die silberne Faust abgebildet. Wie Raubtiere auf der Suche nach dem dicksten Brocken Fleisch bewegten sie sich durch die Reihen der anwesenden Helden. Sie alle trugen Schwerter, und Rob fragte sich, warum ein Reich, das solche Soldaten in den eigenen Reihen wusste, es nötig hatte, Helden wie ihn wiederzubeleben.

Ein Soldat kam direkt auf ihren Tisch zu. Der silberne Mantel ließ den Staub aufwirbeln. Er blieb vor den beiden stehen.

»Aeyas Segen mit euch. Namen?«, brummte er aus tiefster Kehle. Rob war sich sicher, dass es sich um einen Gront handelte.

»R-r-rob«, stammelte er.

»Lunita.«

Der Soldat wandte sich Rob zu. Obwohl der die Augen hinter dem dünnen Schlitz nicht sah, spürte er den durchdringenden Blick. Es lag etwas in der Luft, das Rob nicht fassen, aber spüren konnte. Wie ein Funke, der jeden Moment zu einem Feuer werden würde.

Rob wollte etwas sagen, aber seine Gedanken formten nur Kauderwelsch, und so beschloss er, einfach den Mund zu halten.

»Er ist erst seit heute unter uns, er kann Garrak nichts verraten haben«, warf Lunita zu seiner Verteidigung ein.

Für einen Moment verharrte der Blick noch auf Rob, dann wandte sich der Soldat der Silbernen Garde seiner neuen Freundin zu. »Bleibt wachsam und meldet jedes Fehlverhalten direkt an uns.«

Lunita senkte das Haupt, und wenige Augenblicke später waren die Wachen aus dem Wirtshaus verschwunden. Während um sie das Leben zurückkehrte, rutschte Rob auf seinem Stuhl ein Stück tiefer.

»Was war das denn?«, fragte er und griff zum Bierkrug.

»Mit denen legst du dich besser nicht an.« Lunita sprach das Offensichtliche aus. »Die Scharfrichterin soll eine Gesandte von Aeya sein. Anscheinend vermutet man Saboteure und Verräter in unseren Reihen, die den Kampf gegen Garrak boykottieren. Sie sollen sie ausfindig machen und …« Wieder sprach sie es nicht aus.

Aber diesmal wollte Rob es hören. »Was?«

»Sie löschen die Saboteure aus. Vernichten sie unwiderruflich.«

»Sie bringen sie um?«

»Nein, das wäre nicht schlimm. Aber wenn sie dich hinrichtet, kehrst du nicht mehr zurück.«

Rob, der wieder zum Bierkrug gegriffen hatte, hielt in der Bewegung inne. »Was meinst du damit?«

»Mann, bei dir ist beim Übertritt in die Welt der Sterblichen wirklich etwas da oben verloren gegangen, oder?« Lunita tippte sich gegen die Stirn. »Rob, wir sind unsterblich, hast du das nicht verstanden?«

»Du meinst, wir können nicht sterben?«

»Doch, aber wir kehren immer wieder zurück. Wir sind Champions, keine einfachen Bürger.« Sie nickte in Richtung des Wirts hinter der Bar. »Wenn die Ratten mal irgendwann genug von ihm haben und ihn umbringen, dann ist er tot. Hätte ich vorhin nicht eingegriffen und dich gerettet, wärst du jedoch als Geist am nächsten Friedhof wiederauferstanden und hättest einfach in deinen leblosen Körper schlüpfen können. Wir sind anders als die.«

Rob zog die Augenbrauen hoch, dann schüttelte er den Kopf. »Du nimmst mich auf den Arm. Das ist irgendein grausamer Trick, den ihr mit allen Neulingen hier abzieht. Wie viele sind dabei schon draufgegangen, als sie herausfinden wollten, ob das stimmt? Habt ihr Wetten am Laufen?«

Lunita seufzte. »Vielleicht hätte dich die Garde doch mitnehmen sollen. Irgendwas stimmt mit dir nicht.«

Ihre Worte hallten in seinem Kopf nach, und er musste an die mysteriöse Gestalt denken, die Lunitas kurze Abwesenheit genutzt und sich zu ihm gesetzt hatte.

Du gehörst hier nicht hin.

Irgendwas stimmt mit dir nicht.

Nein, er hatte nur mit Nachwirkungen seiner Wiederbelebung zu kämpfen. Irgendwann würden die Erinnerungen zurückkommen. »Was weißt du noch über dein vorheriges Leben?«

»Nicht viel, ich glaube, mich zu erinnern, dass ich eine Händlerin war, bevor ich für unser Reich zur Waffe gegriffen habe. Aber das sind nur Erinnerungen, die mich nachts heimsuchen.«

»Aber das hier …« Er zeigte im Raum umher. »… das ist nicht neu für dich?«

»Was genau meinst du?« Ihre dunklen Augenbrauen zogen sich zu einem V zusammen.

»Das da.« Rob deute auf eine Squan und einen Gront, die sich am Kamin unterhielten. »Aeya. Avataris. Garrak.«

»Wieso sollte ich mich nicht daran erinnern?« Sie ließ die Frage klingen, als hätte er sich danach erkundigt, ob nach der Nacht der Tag kommt.

Er zögerte. Dann lehnte er sich vor und flüsterte: »Findest du das nicht auch alles merkwürdig?«

Lunita beugte sich auch vor. »Nein.«

»Dann stimmt vielleicht wirklich irgendwas nicht mit mir«, gab Rob zu.

»Ich mag dich, und ich will, dass du dich hier einfindest. Als ich hier neu war, wurde ich auch an die Hand genommen, und ich möchte diesen Gefallen gerne weitergeben. Was hältst du davon, wenn wir morgen gemeinsam ein paar Aufträge abarbeiten? Ich kann dir alles zeigen, und ich bin mir sicher, in ein paar Tagen bist du wieder ganz der Alte. Wir machen aus dir schon noch einen echten Champion, und bevor du dich versiehst, bist du wieder in den Splitterstreifen an der Front.«

Wer war der alte Rob gewesen? Hatte er wirklich in dieser Welt gelebt? Er wollte es herausfinden. »Gut, danke dir.«

»Nimm dir ein Zimmer oben in der Taverne, es ist bestimmt noch etwas frei. Nach einem Frühstück werden wir uns erst mal um das Wichtigste kümmern.«

»Das Wichtigste?«

»Ein vernünftiger Rucksack. Wie willst du sonst all die Sachen mitnehmen, die du draußen findest?«

Kapitel 5