Evangelische Kirche in Ober-Ramstadt - Gerhard Markert - E-Book

Evangelische Kirche in Ober-Ramstadt E-Book

Gerhard Markert

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Beschreibung

Vor 300 Jahren wurde in Ober-Ramstadt in der neu erbauten Kirche der erste Gottesdienst gefeiert. Aus diesem Anlass und im Hinblick auf das Reformationsjubiläum entstand diese Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde mit möglichst vielen authentischen Texten.

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Inhaltsverzeichnis

Kirche in Ober- Ramstadt

Das Kirchengebäude

Die Reformation in Hessen

Das evangelische Ober-Ramstadt

Die neue Kirche

Orgel

Prälat-Diehl-Haus

Behindertenwohnhaus

Paten- /Partnergemeinde Hohenweiden

Von der Kleinkinderschule zum Familienzentrum

Blatt oder Brief

Kirche in Ober- Ramstadt

Kirche ist Gebäude, Kirche ist Gemeinde – beides.

Die heutige Evangelische Kirche wurde vor dreihundert Jahren errichtet. Als die baufällige, mittelalterliche Kirche durch einen neuen Bau ersetzt werden musste, war in ihr seit zwei Jahrhunderten evangelisch gepredigt worden. Aufs Jahr genau fallen zwei Jubiläen zusammen: »500 Jahre 95 Thesen Luthers« und »300 Jahre Ober-Ramstädter Kirche«. Ob man den Thesenanschlag als das Reformationsjubiläum begehen soll, sei dahingestellt; auch in Hessen gibt es über Jahrzehnte hin Marksteine der Reformation.

Auch zum Kirchenjubiläum ist eine Bemerkung angebracht. Der erste Gottesdienst in der neuen Kirche konnte 1717 gefeiert werden, also genau 200 Jahre nach dem Thesenanschlag. Die Einweihung wurde erst ein Jahr später begangen, als endlich die Geländer an der Empore fertig waren.

Anlass für dieses Heft sind die 300 Jahre seit Bestand der heutigen Kirche, sein Inhalt umspannt die gesamte Geschichte der Gemeinde. Die chronologische Gliederung hält sich weitgehend an die Abfolge der Amtszeiten der Pfarrer, der »Series Pastorum«, und wird nur bei einigen Kapiteln rückblickend unterbrochen.

Das Kirchengebäude

Die älteste (Ur)Kunde von einer Kirche in „Ramstadt“ stammt aus dem Jahr 1318, wonach der dortige Kirchsatz dem Grafen Berthold von Katzenelnbogen zusteht.

»Ramstadt« könnte auch Nieder-Ramstadt sein, aber die Patrozinien sprechen eindeutig: »Zu unserer Lieben Frau« ist die Kirche des Volkes im Modautal, »Sankt Katharinen« (Nieder-Ramstadt) ist eine Kirche des Adels (auf dem Frankenstein).

Erste Informationen über die Kirche und die Gemeinde erhält man aus dem Bericht des Superintendenten Petrus Voltzius, der im Jahr 1557 eine Bestandsaufnahme über die kirchlichen Verhältnisse seines Amtsbereiches verfasste und Wissenswertes über die Geistlichen, Kirchengebäude, Pfarr- und Kastenvermögen, Schulen und Stipendien berichtete. Von unserer Gemeinde heißt es: »Ober-Ramstadt hat ein pastorei und ein pfarrkirche darin gehoren Frankenhausen, der Hain und Wembach. Hat zwei altaria gehapt, den ersten zu unßer lieben frauen, den andern zu St.Wendel, genannt der fruemeße altar; unser lieben frauen altar hat ein pfarrherr beneben den pastorei gehabt, den zu S.Wendel hat ein fruemeßer sampt der capellen zu S.Wendel eingehabt. Item die capell vor dem Dorf zu S.Wendling ist abgebrochen und die gefell in den Kasten geordnet.«

Wo diese Kapelle stand, dürfte kaum mehr einwandfrei zu ermitteln sein. Zwei Plätze kommen in Betracht: Der heutige Mühlberg, an dem sich noch Reste alten Gemäuers befinden, oder die Nähe des Wehrs im Talgrund. Auf letzteres weisen folgende Bemerkungen im alten Gerichtsbuch hin: 'St.Wendel uff dem Wehr', 'St.Wendel am Bach'.

Der Standort der Pfarrkirche wurde erst 1969 bekannt; er war völlig in Vergessenheit geraten. Ende des 19. Jahrhunderts schrieb Pfarrer von Wachter: »Über den Standort der Kirche ist in der Chronik keine Erwähnung getan, und konnte ich auch bei älteren Leuten, deren Erinnerung bis zum Anfang des Jahrhunderts zurückging, keine Auskunft erhalten. Ein Baustein aus der alten Kirche ist hoch über dem Portal in einem helmbedeckten Kopf aus Sandstein, dessen Bedeutung unbekannt, eingemauert.« Die Büste eines Ritters im Harnisch, wie er um 1500 üblich war, ist rätselhaft, weil solche Skulpturen eigentlich nur in Patronatskirchen zu finden sind.

Erst bei der Renovierung 1969 erhielt man Klarheit, als in der heutigen evangelischen Kirche Reste der Fundamente gefunden wurden. Nach dem Bericht von Hartmut Lischewski, der die archäologischen Untersuchungen durchführte, konnte man aus Mauerresten und verfüllten Fundamentgräben mehrere Bauperioden ableiten:

spätkarolingisch-ottonisch

Die älteste Kirchenanlage war ein kleiner Saalbau, den vermutlich im Osten ein rechteckiger Chorraum abschloss.

romanisch - frühgotisch

Bei der Erweiterung des Kirchenraumes zu einer romanischen Saalkirche wurden offenbar Süd- und Westwand beibehalten. Dieser zweite Bau erreichte bereits die Breite der heutigen Kirche, während die Länge des Kirchenschiffes nur etwa 2/3 betrug. Im Osten schloss sich jenseits eines Bogens ein rechteckiger Chorraum an. Dabei erhielt der Altar den Standort, den er bis heute innehat.

gotisch

Etwa um 1300 wurde die Kirche umgebaut, wobei der Kirchenraum in den Maßen unverändert blieb. Der Chor wurde wohl wegen Baufälligkeit abgetragen und durch einen Neubau ersetzt. Südlich am Chor stand ein quadratischer Turm, dessen Nordmauer zugleich den südlichen Chorabschluß bildete. Dieser Turm war Teil der Kirchenbefestigung und primär wohl zur Verstärkung der östlichen Angriffsseite angelegt. Man wird sich diesen als einen massiven, fast fensterlosen, nur mit Lichtschlitzen versehenen Wehrturm vorstellen müssen, der – der Zeit entsprechend – einen hohen, achtseitigen Helm getragen haben dürfte. Noch im Spätmittelalter wurde der Turm abgerissen und durch einen neuen im Westen ersetzt. Auch dieser wird nicht minder wehrhaft als der ältere und gleich ihm mit einem achteckigen spitzen Helm bedeckt gewesen sein, an dem Ecktürmchen bestanden haben. Bei Abtragung des älteren Turmes wurde die südliche Chormauer beschädigt, denn die dort vorhandene Mauer ist jünger als die übrigen dieser Periode und gegenüber der älteren um 0,65 m nach Süden versetzt; damit wurde allerdings die Symmetrie zum Schiff gestört.

Lischewski erläuterte diesen Bericht anhand einer Planskizze, die der Abbildung 1 zu Grunde liegt.

Abb.1 Bauphasen der Kirche in Ober-Ramstadt (gestrichelt: spätkarolingisch-ottonisch, schraffiert: Erweiterung 1717)

Lischewskis Bericht gibt keine Auskunft, wo der neuere, im Spätmittelalter errichtete Turm stand. Der Pfarrchronik zufolge soll er sechs Nebentürmchen besessen haben. Ebenso wenig Informationen gibt es über das Uhrhaus.

10 cm

5 cm

Abb. 2 Bei der Renovierung 1969 wurden im Schutt unter dem Fußboden zwei behauene Steine gefunden, eine Säulenbasis und eine Rosette.

Als bei der Außenrenovierung 1991 der Putz entfernt wurde, kam ein Mauerwerk aus regellosen Steinen zutage, in dem aber auch glatt zugerichtete Sandsteinquader enthalten sind. Anscheinend wurde das Material der alten Kirche weitgehend wiederverwendet.

Abb. 3 Der »helmbedeckte Kopf« am Giebel (Foto 1991)

Abb. 4 Mauerwerk an der Südwand

Die Reformation in Hessen

Prälat Wilhelm Diehl hat in seinen »Beiträgen zur hessischen Kirchengeschichte« das Zeitalter der Reformation ausführlich beschrieben: »In dem Gebiet, das wir heute Hessen-Darmstadt nennen, geht jedem von einer ‘Oberkeit’ in ihrem Territorium unternommenen Reformationswerk eine evangelische Bewegung voraus, die freilich mitunter nur einzelne Teile dieses Territoriums erfasste. Es kann mithin mit Bestand behauptet werden, dass alle diese Reformationswerke von dem Willen eines, mitunter sehr starken, Volksteils getragen waren, mithin nicht ausschließlich und nicht in erster Linie ‘Herrenwerk’ gewesen sind. Freilich darf das, was diese ‘Herren’ vollbrachten, auf der anderen Seite auch nicht unterschätzt werden. Sie haben der Bewegung von unten nach oben eine großzügige Arbeit von oben nach unten folgen lassen, die sich sowohl als Erfüllung wie als Ausbau darstellt.«

Luthers 95 Thesen sind das Symbol der Reformation; deshalb begehen die Protestanten am 31. Oktober 2017 das 500-jährige Jubiläum; das Bild des hammerschwingenden Mönchs wurde allerdings aus gutem Grund beiseite gelegt. Luther hatte sie als Thesen für eine akademische Disputation verfasst. Anlass war eine vom zuständigen Erzbischof ausgegebene, vom Kirchenvolk missverstandene Dienstanweisung für die Ablassprediger in den Kirchenprovinzen Mainz und Magdeburg.

Luther bat Albrecht, den Erzbischof beider Diözesen, diese Schrift durch eine andere zu ersetzen und schickte ihm am Vorabend von Allerheiligen beiliegend die 95 Thesen. Zum Disputieren kam niemand, keiner der angeschriebenen Theologen fand es wert zu antworten, Erzbischof Albrecht informierte den zuständigen Bischof von Brandenburg und die Kurie in Rom – ohne merkliche Wirkung. Dass Luthers Thesen in der Öffentlichkeit, vor allem unter Laien, Aufsehen erregten, lag daran, dass es auch um Geld und den Missbrauch der Volksfrömmigkeit ging. Der Nürnberger Ratsherr Kaspar Nützel war der erste, der sie ins Deutsche übersetzte; das weitere besorgten die Druckerpressen. Deshalb sollte Luther zum Widerruf gezwungen werden: im April 1518 in Heidelberg vom Konvent des eigenen Ordens, im Oktober in Augsburg durch den päpstlichen Legaten Cajetan und im Juli 1519 in Leipzig durch Johann Eck, aber Luther war nicht umzustimmen. Das Verfahren gegen ihn geriet aber ins Stocken, weil nach dem Tod des Kaisers Maximilian im Januar 1519 die Wahl des Nachfolgers für die Kurie wichtiger war. Erst auf Betreiben Ecks wurde die Luthersache wieder aufgegriffen und im Sommer 1520 mit der Androhung des Bannes abgeschlossen. Im August 1520 wandte sich Luther »An den christlichen Adel deutscher Nation« mit dem Aufruf „ob Gott doch durch den Laienstand seiner Kirche helfen wollte, sintemal der geistliche Stand, dem es billiger gebührt, ganz unachtsam geworden ist.“ Auf einem Konzil sollten die Missstände erörtert und beseitigt werden. Die Wirkung in der Öffentlichkeit war beträchtlich: Innerhalb einer Woche waren 4000 Exemplare verkauft. Die Gleichberechtigung der Laien begründete Luther in einer weiteren Schrift – an den geistlichen Stand in Latein: »De captivitate Babylonica ecclesiae« (Über die Babylonische Gefangenschaft der Kirche). Er nahm die Sakramentenlehre der Papstkirche auf den Prüfstand des Evangeliums; von den sieben Sakramenten blieben nur zwei: Taufe und Abendmahl. Gravierend war seine Absage an die Priesterweihe, d.h. an die Sonderstellung der Kleriker. Anfang Dezember, drei Jahre nach den 95 Thesen, verbrannte er öffentlich die Bücher des Kirchenrechts und die päpstliche Bulle. Was das zu bedeuten hatte, erklärte er in der Schrift »Wider die Bulle des Antichrists«. Kurz danach trat diese in Kraft; die Vollstreckung oblag der weltlichen Obrigkeit, also dem Kaiser. Luthers Landesherr, Kurfürst Friedrich von Sachsen, erreichte, dass sein Professor vor Kaiser und Reichsständen gehört wurde – auf dem Reichstag in Worms im April 1521. Luther verweigerte den Widerruf und verfiel der Reichsacht. Als er auf der Heimreise kursächsisches Gebiet erreichte, wurde er auf Befehl des Landesherrn in Schutzhaft genommen. Auf der Wartburg hatte er Zeit, das Neue Testament zu übersetzen. Er saß allein „im Reich der Vögel“. Die Entwürfe schickte er zu Melanchthon nach Wittenberg zur wissenschaftlichen Begutachtung. Der Dritte im Team saß in Torgau: Georg Spalatin, der Hofsekretär des Kurfürsten, bekannt und geschätzt wegen seiner sprachlichen Ausdruckskraft. Im Oktober 1522 kam die erste Auflage auf den Markt, gedruckt bei Lukas Cranach. Luther war seit Februar wieder in Wittenberg. Die Bedrohung durch die Reichsacht hielt sich in