Everflame. Rowan - Josephine Angelini - E-Book

Everflame. Rowan E-Book

Josephine Angelini

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Beschreibung

Noch immer denkt Rowan jeden Tag an seine große Liebe. Doch Lilian hat seinen Vater ermordet und ist seitdem spurlos verschwunden. Plötzlich taucht sie wieder auf, behauptet aber, ihn nicht zu kennen. Auch ihre Kleidung wirkt fremdartig. Spielt sie ein böses Spiel mit ihm? Oder kommt das Mädchen tatsächlich aus einer Parallelwelt? Und vor allem: Hat Rowans und Lilians Liebe noch eine Chance? Mit "Everflame. Rowan", dieser E-Book Novelle in der Welt von Everflame von Bestsellerautorin Josephine Angelini, bekommt ihr erstmals einen Einblick in Rowans Perspektive der Geschichte!

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Rowan: Weltenwanderer

von Josephine Angelini

Wie üblich träume ich von sterbenden Menschen. Doch diesmal werden sie nicht von den Wirkern in Stücke gerissen. Diesmal bringen sie sich gegenseitig um und ich bin mittendrin. Ich stehe einfach nur da, während um mich herum eine Schlacht tobt. Ich bin unbewaffnet und keine Hexe unterstützt mich. Ich bin wehrlos. Aber das ist es nicht, was mich in Panik versetzt. Ich schrecke aus dem Schlaf hoch, weil ich weiß, dass ich das alles verursacht habe.

Ich hätte niemals auf dieser Seite des Krieges stehen sollen. Eigentlich hätte es diesen Krieg niemals geben dürfen, denn Lillian und ich wollten alles verändern. Doch daraus wurde nichts. Ich glaube sogar, dass ich alles noch schlimmer gemacht habe, und vermutlich ist das der Grund für die Schuldgefühle, die mich bis in meine Träume verfolgen.

Aber das ist Schnee von gestern. Ich habe genug getrauert. Um Lillian, um meinen Vater. Es reicht. Jetzt bin ich bereit für diesen Krieg.

Ich wurde Außenland geboren. Schlechte Grammatik, ich weiß, aber wir sagen nicht: »Ich wurde im Außenland geboren.« So sprechen nur Stadtleute. Gut, ich lebe in den Städten, seit ich sieben war, aber wie heißt es so schön? »Gib mir ein Kind, das jünger ist als sieben, und du weißt, wo sein Herz schlägt.« Meiner Erfahrung nach stimmt das. Auch wenn ich elf Jahre lang als Lord Fall, Haupt-Helfer der Hexe von Salem, ein Luxusleben geführt habe, sind die Erinnerungen noch da. Mein Herz schlägt für das Außenland. Ich werde richtig wach, öffne die Augen und denke, mein Herz ist bereits im Außenland.

Ich drehe mich im Bett um und sehe durch das Oberlicht rosa angehauchte Wolken. Bei Morgengrauen aufzustehen, liegt mir im Blut. Das hat Lillian immer wahnsinnig gemacht. Sie hat am Wochenende gern länger geschlafen, aber ich habe das nie geschafft. Für mich ist das Schlafen grundsätzlich schwieriger als für das Stadtvolk. Ich habe noch keinen Außenländer getroffen, der es nicht erwarten konnte, die Augen zu öffnen und sich dem neuen Tag zu stellen. Und sich zu vergewissern, dass er die Nacht überlebt hat.

Morgens mochte ich Lillian immer am liebsten, auch wenn sie mich angefaucht und mit Kissen nach mir geworfen hat. Ihre Haare waren total zerzaust, die Augen verquollen; sie sah morgens einfach schrecklich aus, und obwohl ich es nicht erklären kann, habe ich das besonders an ihr geliebt. Ich fand es schön, wie sie aussah, bevor sie ihre edlen Roben, den Schmuck und das Make-up angelegt hat. Bevor sie sich ihren Titel überstreifte. Manchmal frage ich mich, ob ich den Krieg hätte verhindern können, wenn es mir gelungen wäre, Lillian in diesem Zustand zu halten – verwuschelt, verschlafen und mit geröteter Nase. Vielleicht hätte ich dann auch einen Weg gefunden, sie daran zu hindern, die beiden Personen zu zerstören, die ich am meisten geliebt habe. Da und sie.

Ich dusche und ziehe mich an. Ich wähle meine schlichteste Kleidung – schlicht, aber dennoch aus den feinsten Stoffen. Merkwürdig, dass die einfachsten Sachen fast immer die teuersten sind. Eigentlich gibt es keinen Grund, mich betont einfach zu kleiden. Alles, was ich besitze, ist vom Feinsten. Lillian hat mir so viele wertvolle Kleidungsstücke gegeben, dass ich niemals alle tragen kann. Den Schmuck und die teuren Immobilien habe ich unauffällig verkauft und Alaric den Erlös zukommen lassen. Bei ihm landen auch all meine Einnahmen. Auch wenn man Blutgeld niemals reinwaschen kann, verschafft es mir und Alaric doch diebische Freude, zu wissen, dass ein Teil von Lillians Reichtum gegen sie verwendet wird.

Auf dem Weg zur Tür strecke ich kurz den Kopf in Da’s Zimmer und flüstere: »Osda sunalei.«

Keine Ahnung, wieso ich ihm immer noch Guten Morgen sage. Sein Geist ist nicht hier. Das war er nie. Er hat sich immer unwohl gefühlt, in diesem Zimmer zu schlafen, das seiner Ansicht nach riesig war. Ich betrachte sein schmales Bett – das schmalste, das ich finden konnte – und muss wieder daran denken, wie er behauptet hat, es wäre so groß, dass er das Gefühl hätte, darin zu ertrinken. Er hat höchstens zweimal im Monat hier übernachtet, obwohl ich ihm einen speziellen Pass besorgt habe, der es ihm gestattet hat, sich auch nach Einbruch der Dunkelheit innerhalb der Stadtmauern von Salem aufzuhalten. Er hat es nur mir zuliebe getan.

Und hier haben ihn Lillians Wachen verhaftet und mitgenommen. Im Außenland hätten sie ihn niemals gefunden.

Ich gehe an meiner Küche vorbei und frage mich, ob ich jemals wieder kochen werde. Es fehlt mir, aber ich kann mir nicht vorstellen, es zu tun. Ein großes Menü zuzubereiten, macht nur Spaß, wenn jemand da ist, der sich darüber freut.

Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt. An dieses halbe Leben, das ich jetzt führe. Ich erwische mich dabei, mit leeren Räumen zu sprechen oder Gedankenunterhaltungen mit mir selbst zu führen. Das erinnert mich an einen verrückten Trick, den Tristan mir gezeigt hat, als wir Kinder waren. Man stellt sich dabei in einen Türrahmen, hebt die Arme und drückt die Handrücken mit aller Kraft gegen beide Seiten des Rahmens. So lange und so fest man kann. Dann tritt man einen Schritt vor und wie durch Zauberei schweben die Arme nach oben. Sie fühlen sich ganz leicht an, tun aber auch weh. Immer, wenn ich mir einbilde, dass ich jemanden nach Hause kommen höre, muss ich an dieses Gefühl denken. Diesen schwerelosen Schmerz.

***

Ich verlasse mein Haus (ein weiteres Geschenk von Lillian) und haste durch die Straßen meines ach-so-angesagten Viertels. In der Nähe des Bahnhofs, des Parks und natürlich der Zitadelle. In der Nähe von Lillian. Sie hat mir das Haus vor fünf Jahren überschrieben. Ich nutze nur das oberste Stockwerk und das Dach. Alles andere ist vermietet und die Einnahmen gehen an Alaric. Natürlich habe ich vor diesem Jahr kaum Zeit in meiner Wohnung verbracht. Ich war meistens bei Lillian in der Zitadelle, aber wenn wir das Gefühl hatten, etwas Freiraum zu brauchen, haben wir gelegentlich getrennt übernachtet.

Es hat mir immer Freude gemacht, sie gelegentlich zu vermissen. Ich denke, das war einer der Gründe, aus denen ich jedes Jahr mit Da auf die Büffeljagd gegangen bin. Einen Monat von ihr getrennt zu sein, außerhalb der enormen Reichweite ihrer Gedanken, hat mich immer so begierig nach ihr werden lassen, dass ich kaum noch klar denken konnte. Es war aber nicht nur ein körperliches Verlangen. Mir fehlte auch das Wispern ihrer Gedanken in meinen; das Erleben ihres geschäftigen Geistes, der durch die vielen Aufgaben und Ziele hetzte, die sie sich jeden Tag gestellt hatte. Ich war immer so stolz darauf gewesen, wie selbstlos und ehrgeizig diese Ziele waren. Die Liste der zu erledigenden Dinge, die sie jeden Tag in ihrem Kopf abhakte, bestand Punkt für Punkt aus Projekten, welche die Welt zu einem besseren Ort machen sollten. Ich fand es großartig, ein Teil davon zu sein. Und an dem Tag, an dem die Gedanken verstummten, empfand ich nur noch Leere.

Ich gehe schneller, trete mit den Absätzen meiner Stiefel hart auf, als könnte ich diese unerwünschten Gedanken zerstampfen. Ich habe heute zu viel vor, um mich mit Geistern herumzuschlagen, aber offenbar kann ich sie nicht loswerden. Es hilft auch nicht, dass ich in Lillians Schatten lebe. Und zwar buchstäblich, denn der Schatten der Zitadelle erstickt das frühe Morgenlicht, als ich die Tür meines Lieblingscafés öffne. Bei diesem Gedanken muss ich trotz des Tee- und Gebäckdufts unwillkürlich bitter auflachen.

»Was ist so witzig, Rowan?«, fragt Mirabelle hinter dem Tresen.

Sie senkt den Kopf und blinzelt mich durch ihre Wimpern verführerisch an. Dabei drückt sie die Hände so fest auf den Tresen, dass ich ihre Brüste unmöglich übersehen kann. An diesem Morgen zieht sie wirklich alle Register. Ich brauche keinen Wunschstein, um zu erkennen, wie das Verlangen ihre Wangen erröten und ihre Lippen weich werden lässt. Ich frage mich, ob Leute wie Mirabelle, die kein bisschen magisches Talent besitzen, wohl ahnen, dass Helfer wie ich in sie hineinsehen und feststellen können, dass sie gerade ihren Eisprung haben, ihre Hormone verrücktspielen und ihr Hirn mit Dopamin überschwemmt wird, was jeden vernünftigen Gedanken ausschließt. Ich wette, das wäre ihnen peinlich.

»Ach, nichts«, sage ich.

Ich lächle sie an, wende den Blick aber schnell wieder ab. Ich will nicht, dass sie auf dumme Gedanken kommt. Sie ist ein hübsches und lustiges Mädchen, unterstützt unsere Sache, und ihr Körper ist wirklich bemerkenswert. Ich bin geschmeichelt, dass sie mich will, aber das ist nichts für mich. Ich habe versucht, Sex mit normalen Mädchen zu haben – weiterzuziehen, wie Tristan es ausgedrückt hat. Aber das ist nicht meine Art. Eine Beziehung ist nichts, was man so nebenbei aufbaut. Es muss von innen kommen, und zu meinem Pech weiß ich bereits, wie es sich anfühlt, jemanden aus tiefstem Herzen zu lieben. Und danach zieht man nicht einfach weiter, jedenfalls kann ich das nicht. Ich bin nicht wie Tristan. Wenn ich mir Mirabelle so ansehe, wünschte ich jedoch beinahe, so zu sein.

Sie beugt sich nach vorn, serviert mir das Übliche und der Blick ihrer geschminkten Augen huscht in den hinteren Teil des Cafés. »Er wartet schon«, flüstert sie.

Ich nehme meinen Tee und das Gebäck mit nach hinten. Ich erkenne den Boten sofort. Es ist derselbe, den Alaric beim vorigen Mal geschickt hat. Die grobe Übersetzung seines Namens lautet Schwimmender Otter. Er ist Außenländer, sieht aber aus wie ein Weißer, und deswegen hat Alaric ihn ausgesucht. Er erregt in der Stadt weniger Aufsehen. Otter ist vermutlich schon seit dem Morgengrauen hier. Erst dann lassen die Wachen Außenländer durchs Stadttor.