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Dieses E-Book entspricht 208 Taschenbuchseiten ... Als die achtzehnjährige Mila in einem Film den dänischen Schauspieler Jerrik Andersson entdeckt, spürt sie sofort die Seelenverwandtschaft zu ihm. Wie kann das sein, wo er doch siebenundzwanzig Jahre älter als sie und verheiratet ist? Um Näheres über die Liebe und Sehnsucht nach ihm sowie ihre intensiven Träume herauszufinden, schreibt sie sich – inzwischen vierundzwanzig – für zwei Auslandssemester in Kopenhagen ein. Als er dann plötzlich völlig unerwartet vor ihr steht, können beide ihrer gegenseitigen Anziehung nicht widerstehen und geben sich ungehemmt ihrer Leidenschaft hin. Jerriks Frau kämpft mit allen Mitteln darum, sie auseinanderzubringen – wobei sie auch vor drastischen Maßnahmen nicht zurückschreckt. Doch Mila lässt sich nicht unterkriegen und setzt alles daran, den Mann ihrer Träume wiederzugewinnen … Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 285
Impressum:
Ewiges Seelenband | Erotischer Roman
von Luna Ravn
Luna Ravn wurde 1986 in Dänemark geboren und lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland. Sie liebt Mangas, den japanischen Modestil „Sweet Lolita“, ist ein Film- und Serienjunkie und bemalt leidenschaftlich gern Ball-Jointed Dolls. Mit ihren sehr realistischen Puppen als Darstellern veröffentlicht sie im Internet erotische Fotogeschichten und schreibt heiße Liebesgeschichten. Momentan pendelt die Weltenbummlerin zwischen der Schweiz, Deutschland und Dänemark, um für jede Geschichte neu inspiriert zu werden. Auf ihren Reisen wird sie immer von ihrem Mann und ihrem kleinen Chihuahua-Papillon-Mischling namens Panda begleitet.
Lektorat: Marie Gerlich
Originalausgabe
© 2018 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © Likoper @ istock.com
Umschlaggestaltung: elicadesign/autorendienst.net
ISBN 9783862777402
www.blue-panther-books.de
Kapitel 1
Mila huschte am Dozenten vorbei und setzte sich leise in die dritte Reihe, in der Carolin ihr einen Platz frei gehalten hatte.
»Verdammt! Ich hab voll verpennt«, flüsterte Mila.
»Ist mir auch schon passiert.« Caro kicherte leise. »Hör zu, ich hab meine Eltern gefragt und die haben nichts dagegen, wenn du bei uns deinen Geburtstag und auch Weihnachten feierst. Das wird bestimmt richtig toll. Ich freue mich schon.«
»Danke, Caro! Ich freue mich auch. Das wird mega cool«, strahlte Mila und umarmte ihre Freundin. Ihr Geburtstag kurz vor Weihnachten näherte sich – der erste ohne ihre Mutter und ihre Großeltern. Es war ein wirklich merkwürdiges Gefühl, doch sie versuchte – mit Carolins Unterstützung – das Beste daraus zu machen.
Mila war bereits seit drei Monaten in Kopenhagen, wo sie zwei Auslandssemester absolvierte. Gleich nach ihrer Ankunft im September hatte Mila die dänische Studentin Carolin kennengelernt. Caro, wie sie von allen genannt wurde, war zweiundzwanzig und damit nur zwei Jahre jünger als Mila. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften und die deutsche Sprache und half Mila, sich auf dem Campus der Kopenhagener Universität zurechtzufinden. Mila ihrerseits ging mit zu Caros Deutschkurs, um den teilnehmenden Studenten beim Deutschlernen zu helfen. Die ersten Monate vergingen wie im Flug und Caro und Mila waren innerhalb kürzester Zeit unzertrennlich. Sie lernten zusammen, unternahmen viel in ihrer Freizeit und hatten nach dem Abschluss ihres Studiums sogar schon eine gemeinsame Reise durch Europa geplant.
***
In dieser Nacht hatte Mila nach sehr langer Zeit wieder einen merkwürdigen Traum.
Es war dunkel und ihr war kalt. An ihren Händen klebte eine schwarze Flüssigkeit, zäh wie Teer. Hastig versuchte sie, die klebrige Masse an ihrer Kleidung abzuwischen. Ein Wolf sah ihr dabei zu. Seine wunderschönen grünlichen Augen starrten sie an und versuchten ihr etwas zu sagen.
Dann wurde es hell und sie saß in einem geräumigen und wunderschön eingerichteten Wohnzimmer. Um sie herum auf der weißen Couch war Teer verteilt und sie geriet in Panik. Ihr Wolf stand weiterhin vor ihr und schaute ihr zu.
Plötzlich setzten sich Carolin und Jerrik Andersson – ein bekannter dänischer Schauspieler – zu ihr. Mila sah Caro an, dann Jerrik. Die beiden hielten sich an den Händen. Sie wusste nicht, was sie denken oder gar sagen sollte. Ihr Herz schmerzte und sie war eifersüchtig. Sekunden um Sekunden verstrichen, ehe sie reagierte. Schließlich stand sie auf, sah ihre Freundin hasserfüllt an und schrie: »Was soll das? Er gehört mir!«
Dann hob sie ihre Hand, um Caro eine Ohrfeige zu verpassen.
Mit rasendem Herzen wachte Mila auf. Ihr Mund war trocken und sie keuchte leise. Was hatte der Traum zu bedeuten?
***
Mila studierte Dänisch auf Lehramt an der Europa-Universität Flensburg. Kurz vor dem Abitur hatte sie noch absolut keine Ahnung gehabt, was sie eigentlich mit ihrem Leben anstellen sollte, bis sie zufällig einen dänischen Film mit Jerrik Andersson in der Hauptrolle gesehen hatte. Sie verspürte sofort eine enge Verbindung zu diesem Mann, auch wenn sie ihn noch nie persönlich getroffen hatte. Zuerst dachte sie, sie würde ihn einfach nur wegen seiner schauspielerischen Künste mögen, doch die Träume, die sie in der Prüfungsphase des Abiturs hatte, ließen sie nicht mehr los. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, als stünde mehr dahinter. Die Sehnsucht nach ihm wurde im Laufe der Zeit immer stärker und stärker und so entschloss sie sich, Dänisch zu studieren, um nach Dänemark gehen zu können und zu erkunden, wohin sie diese Träume führten.
Ihre Schulfreundin Lilia hatte sie dazu gebracht, Träume zu deuten und mehr als nur Hirngespinste darin zu sehen. Lilia kannte sich auch mit Reinkarnation, Sternzeichen und Seelentieren aus und hatte Mila erklärt, dass der Wolf, den sie schon oft im Traum, aber auch in der realen Welt gesehen hatte, ihr Seelentier sei. Er sei der Begleiter ihrer Seele und führe und beschütze sie in jedem ihrer Leben. Tatsächlich hatte Mila immer ein warmes, wohliges Gefühl im Herzen, wenn sie von dem Tier träumte, doch je älter sie wurde, umso seltener sah sie ihn in ihren Träumen.
Lilia glaubte fest an all diese Dinge und half Mila oft durch schwere Zeiten, doch als sie im Alter von sechzehn Jahren wegzog und der Kontakt abbrach, hatte Mila den Bezug zum Übernatürlichen verloren.
Erst als sie den Schauspieler Jerrik Andersson entdeckte, kamen diese merkwürdigen Träume zurück. Einmal träumte sie davon, dass er und sie in Kopenhagen direkt nebeneinander im obersten Stock wohnten. Ihre Wohnungen lagen so dicht nebeneinander, dass Mila über den Balkon in Jerriks Wohnung gelangen konnte. Zuerst sprachen sie miteinander, doch als Jerriks Frau heimkam, musste Mila rasch zurück in ihre eigene Wohnung.
In der nächsten Nacht setzte sich dieser Traum fort. Diesmal schneite es und es war eiskalt. Mila und Jerrik standen auf ihren Balkonen und unterhielten sich, als er sie plötzlich hastig zu sich herüberzog, aufgewühlt eine Tasche packte und sie dann nach draußen zerrte. Es war bereits Nacht. Der Schnee glitzerte im Mondschein und die Sterne funkelten am schwarzen Firmament. Sie stiegen in ein Auto und kauerten sich auf dem Rücksitz zusammen. Als sich der Fahrer umdrehte, erkannte Mila, dass es ihr Vater war.
Erschrocken erwachte sie und setzte sich im Bett auf. Ihren verstorbenen Vater im Traum zu sehen, warf sie immer aus der Bahn, denn sie vermisste ihn auch etliche Jahre nach seinem Tod schmerzlich.
All diese Träume mit Jerrik fühlten sich stets so real an. Ihr Herz pochte laut und sie konnte seine Wärme spüren, wenn er sie bei der Hand nahm.
Lilia hatte ihr einmal erzählt, unterschiedliche Menschen könnten gleiche Träume haben, auch wenn sie sich gar nicht kannten. Das Seelenband zwischen ihnen war dann aufgrund eines früheren Lebens so stark, dass sie im Traum zusammengeführt werden konnten. Hatte Jerrik vielleicht dasselbe geträumt?
Mila gingen tausend Gedanken durch den Kopf. Warum war sie überhaupt so sehr auf Jerrik Andersson fixiert? Ihre Seelen mochten vielleicht durch ein Seelenband verbunden sein, doch er war ein bekannter Schauspieler und sie nur eine Studentin, außerdem weitaus jünger als er. Was mochte sie überhaupt an diesem alten Mann? Er hatte bereits einige Fältchen im Gesicht und grau meliertes Haar. Ja, seine grün-braunen Augen waren wundervoll, doch er war siebenundzwanzig Jahre älter als sie. Warum maßte sie sich überhaupt an, so etwas über ihn zu denken? Sie hatte ihn noch nie persönlich getroffen oder mit ihm gesprochen, also warum war es ihr so wichtig, dass er nur ihr gehörte?
Sie ließ sich auf ihr Kopfkissen fallen und schlief über diesen Gedanken langsam wieder ein. Seine Augen, sein Haar, seine breiten Schultern, seine Hände, auf deren Handrücken man die Adern deutlich sehen konnte – all diese Dinge schätzte sie sehr an ihm nebst all der guten Rollen, die er spielte, und Filme, die er drehte. Sie war total in ihn vernarrt.
Ein Klingeln ließ sie hochschrecken. Was war das? Es klingelte ein zweites Mal. Die Türklingel?
»Verdammt, ich habe verschlafen!«, schrie sie, obwohl sie niemand hören konnte. Schon wieder! Rasch öffnete sie mit einem Knopfdruck die Tür im Erdgeschoss, sodass Caro den Fahrstuhl nach oben nehmen konnte.
»Oh Gott, das tut mir leid. Ich habe voll verpennt.« Mila ließ Caro herein und suchte ihre Sachen zusammen. Heute besuchte sie ihre Freundin zum ersten Mal zu Hause. Wie ihre Eltern und ihr jüngerer Bruder wohl waren? Schnell stopfte sie alle wichtigen Sachen für die Feiertage in einen kleinen schwarzen Koffer – Nachtwäsche, Zahnbürste, Wechselwäsche, Socken und etlichen anderen Kram, den frau eben so brauchte.
»So! Ich bin fertig! Lass uns gehen!«
»Du weißt schon, dass es nur ein paar Tage sind? Oder wolltest du etwa bei mir einziehen?«, kicherte Caro, als sie den vollgestopften Koffer anschaute.
»Äh … war das ein Angebot?« Mila lachte laut und schob ihre Freundin samt Koffer aus der kleinen Studentenwohnung. Auf dem Weg zu Caros Elternhaus am Rand von Kopenhagen machten sie einen kurzen Abstecher zum Weihnachtsmarkt und tranken einen Glühwein. Mila war sehr glücklich darüber, an ihrem Geburtstag und an Weihnachten nicht allein sein zu müssen. Aber trotz aller Vorfreude auf die kommenden Tage war sie auch äußerst aufgeregt. Doch war das nicht ganz normal, wenn man zum ersten Mal in einem fremden Haus übernachtete? Allerdings war es dieses Mal irgendwie anders. Sie war fröhlich und aufgeregt, gleichzeitig spürte sie aber einen Kloß im Hals. Was erwartete sie?
***
Als sie die letzten Meter zu Fuß von der Bushaltestelle liefen, erkannte Mila bereits, dass dies eine noblere Gegend war. Die Häuser waren groß und hatten einen weitläufigen Vorgarten. Caros Eltern schienen ziemlich viel Geld zu haben. Kein Wunder, dass sie ihr erlaubt hatten, Mila über die Feiertage mit nach Hause zu nehmen. Ob einer mehr oder weniger am Weihnachtsessen teilnahm, tat sicher nichts zur Sache.
Caro schloss die massive, verschnörkelte Haustür auf und bat Mila herein. Der Boden des Eingangsflures war mit weißem Marmor besetzt, an der Decke hing ein großer Kronleuchter. Eigentlich sah es hier aus wie in der Eingangshalle einer großen Villa. Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ihre Augen funkelten wie die Kristalle des Kronleuchters, während sie die Treppe hinaufstieg und sich umsah, als wäre sie in einem Museum.
»Ja, hier wohne ich«, grinste Caro.
»Wow, das ist ja ein Palast!«, antwortete Mila, die selbst aus bürgerlichen Verhältnissen stammte. Caros Zimmer war modern und geschmackvoll eingerichtet: Weiße Bücherregale ragten an den Wänden empor und beherbergten viele tolle Romane unterschiedlichster Kategorien. Ein mit weißem Tüll behangenes Himmelbett stand in der Mitte des geräumigen Zimmers, das Fenster war eigentlich eine breite Glastür, die zu Caros privatem Balkon führte, auf dem sie sich im Sommer sonnen konnte.
»Du hast es echt schön hier!«, sagte Mila beeindruckt.
»Caro! Wir wollen zu Mittag essen!«, rief ihre Mutter aus der Küche.
»Wir kommen!«
»Oh mein Gott, Mittagessen?«, sagte Mila aufgeregt.
»Ja, das wird toll! Du wirst meine Familie kennenlernen. Ich hoffe sehr, dass du sie magst.«
»Solltest du nicht eher hoffen, dass sie mich mögen?«, kicherte Mila.
»Haha, ach was! Da hab ich keine Bedenken«, erwiderte Caro und ging als Erste die Treppe hinunter. Mila folgte ihr.
An den weißen Wänden im Treppenaufgang hingen Fotos der beiden Kinder sowie Malereien, die Mila beim Hinabsteigen der Stufen intensiver betrachtete, während Caro bereits in der Küche verschwunden war. Langsam schritt Mila die letzte Stufe hinunter, als sie mit jemandem zusammenstieß.
»Oh, Entschuldigung!«, sagte sie erschrocken und blickte nach oben – in wunderschöne, grün-braune Augen, die ihr einen Stromschlag vom Herzen bis in den Bauch verpassten.
Konnte es sein …?
Kapitel 2
Mila und der Mann starrten sich an. Beide hatten eine Art Déjà-vu und regten sich nicht.
Aus der Küche ertönten Geräusche von klirrendem Geschirr und Besteck. Der Timer piepte und die Ofentür wurde geöffnet, es duftete köstlich. Die beiden hatten sich immer noch keinen Millimeter bewegt. Es war, als wären sie sich bereits vertraut. Mila kannte ihn natürlich, doch sie wagte es kaum, seinen Namen auszusprechen.
»Jer-rik«, flüsterte sie.
»Das ist mein Vater, Mila!«, durchbrach Caro die Stille.
»Oh … äh … hallo. Freut mich sehr«, stotterte diese und zwang ein Lächeln auf ihr perplexes Gesicht.
»Guten Tag. Willkommen in Kopenhagen«, sagte der Schauspieler und schüttelte ihr die Hand. Auch ihm war dieser Moment unheimlich vorgekommen. Auch er hatte das Gefühl, als hätte er sie schon einmal gesehen. Diese großen braunen Augen kamen ihm so bekannt vor.
***
Alle saßen bei Tisch und aßen den Braten, den Caros Mutter Agatha zubereitet hatte. Es war eine sehr herzliche Runde, es wurde gegessen und geplaudert. Mila hatte einige Schwierigkeiten, dem Gespräch immer zu folgen, da ihr doch noch viele dänische Wörter in ihrem Wortschatz fehlten, doch was sie nicht verstand, wurde einfach auf Englisch wiederholt. Allerdings hatte Mila auch alle Hände voll zu tun, Jerrik Andersson nicht anzustarren. Hatten ihre Träume ihr etwa immer sagen wollen, dass sie Jerrik eines Tages treffen würde? Sie war total durcheinander und konnte es nicht fassen, dass er ihr gerade gegenübersaß. In der Realität sah er noch schöner aus als auf den Fotos und in den Filmen. Dabei war er so bodenständig geblieben – ein ganz normaler Mensch mit einer normalen Familie, die beisammensaß und zu Mittag aß. Mila fühlte sich verdammt wohl in seiner Nähe.
Alle halfen, den Tisch abzuräumen. Mila spürte eine merkwürdige Anspannung, wenn sie Jerrik näher kam oder sie sich aus Versehen berührten. Es lief ihr dann eiskalt den Rücken herunter. Vorsichtshalber mied sie jeglichen Augenkontakt. So gern hätte sie ihm gesagt, was sie alles geträumt hatte, ihn gefragt, ob er dieselben Träume hatte. Sie wollte ihn umarmen und küssen. Um diese Gedanken zu vertreiben, schüttelte sie leicht den Kopf. Schließlich befand sie sich hier im Hause ihrer neuen Freundin. Da konnte sie doch nicht daran denken, ihren Vater zu verführen. Was für ein bizarrer Gedanke war das denn? Mila schämte sich für ihre schmutzigen Gedanken.
***
Der Rest des Tages war ruhig verlaufen. Mila und Carolin waren am Nachmittag im Kino gewesen und hatten danach noch den Weihnachtsmarkt besucht, weil sie Caros neunzehnjährigem Bruder Lars versprochen hatten, ihm gebrannte Mandeln mitzubringen.
Jetzt lag Mila auf der Luftmatratze, die als Gästebett diente, starrte an die durch die Straßenlaternen spärlich beleuchtete Decke und ließ den Tag Revue passieren. Caro schlief bereits und schnarchte dabei leise. Mila kicherte innerlich, weil es sich so süß anhörte. »Wo hast du mich nur hingebracht, Caro?«, wisperte sie kaum hörbar.
Leise klopften die Regentropfen an das Fenster, der Wind jaulte und in der Ferne donnerte es. Diese Nacht war äußerst ungemütlich. Mila krabbelte aus dem Bett und zog sich hastig ihren Morgenmantel an. Auf nackten Füßen verließ sie das Zimmer und huschte zum Bad. Besetzt. Im unteren Stockwerk brannte noch Licht, also tapste sie auf Zehenspitzen die eiskalte Marmortreppe hinunter und ging zur Gästetoilette.
Da sie Durst hatte, machte sie danach noch einen Abstecher in die Küche. Es war ihr unangenehm, zu so später Stunde in einem fremden Haus umherzuwandern, doch Caro hatte ihr eingeschärft, sich wie zu Hause zu fühlen und sich zu nehmen, was immer sie brauchte. So öffnete sie behutsam den Kühlschrank und holte eine Flasche Wasser heraus. Wo waren noch gleich die Gläser? Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, den richtigen Schrank zu finden, öffnete plötzlich jemand hinter ihr einen der oberen Schränke und holte ein Glas heraus.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragte Jerrik mit seiner wunderschönen tiefen Stimme, die Mila so vertraut vorkam.
»Ja, ich … ich habe Durst«, antwortete sie zittrig und drehte sich zu ihm um.
Stille.
Wieder sahen sie sich einfach nur an. Warum tat er das? Er war doch verheiratet und er kannte sie nicht und sie war doch viel zu jung und …
»Ich glaube, ich kenne dich.«
»Was?«, stieß Mila perplex und piepsig aus, als hätte sie ihn nicht verstanden.
»Haben wir uns schon mal irgendwo getroffen?«, fuhr Jerrik fort.
»Nicht in diesem Leben«, erwiderte sie und schüttelte dabei langsam den Kopf. Mila hatte einen dicken Kloß im Hals, trat aber wie von selbst sehnsüchtig einen Schritt näher an ihn heran. Es fühlte sich so richtig und doch so falsch an. Was war in ihrem früheren Leben nur passiert? Noch niemals zuvor hatte sie eine so starke Verbindung zu jemandem gespürt wie zu ihrem Seelenpartner Jerrik. Der 51-Jährige trat ebenfalls einen Schritt auf sie zu und riss sie aus ihrer Gedankenwelt heraus, als sich seine Lippen auf ihre legten. Bereitwillig öffnete sie leicht ihren Mund, um seiner Zunge Zutritt zu gewähren. Ihr Herz schlug wie wild gegen ihren Brustkorb und ein Blitz schoss durch ihren Körper. Beide wussten, dass es nicht richtig war, und doch konnten sie es nicht lassen. Mila legte ihre Arme um Jerriks Hals und vergrub ihre Finger in seinen Haaren. Seine Bartstoppeln piekten und kratzten an ihrer zarten Haut. Er hob sie hoch und setzte sie auf die kalte Küchenzeile, was ihr eine Gänsehaut bescherte. Sie klammerte sich an ihm fest, ihre Küsse wurden wilder und heißer. Mila machte sich an den Knöpfen seines Hemdes zu schaffen und zog es ihm über die Schultern – sie liebte seine breiten Schultern. Inzwischen war sie so erregt, wollte ihn so sehr, dass sie nicht an mögliche Konsequenzen dachte.
Er befreite sie von ihrem Morgenmantel und seine Lippen tasteten sich von ihrem Hals über ihr Schlüsselbein bis hin zur Brust. Sanft saugte er an ihrem Nippel und biss dann zärtlich hinein. Ein zufriedener Seufzer entglitt Mila, worauf sie sich erschrocken den Mund zuhielt. Sie musste leise sein, denn sie wollte nicht, dass jemand geweckt wurde.
Jerrik trug sie in sein Arbeitszimmer, schloss hinter sich ab und legte die junge Frau auf dem breiten Sofa ab. Ihre Wangen waren gerötet und ihr Blick verklärt. Sie zitterte. War es die Aufregung, die sie so um den Verstand brachte, oder die Tatsache, dass Jerrik Andersson sie gerade verführte?
Vorsichtig zog er ihr das Top und den spitzenbesetzten Tanga aus. Mila griff zögerlich zu seiner Jeans, öffnete Knopf und Reißverschluss. Jerrik half nach und schob seine Hose samt Unterhose herunter. Ihr stockte der Atem. Sie würden Sex haben. Sie würde jetzt tatsächlich mit Jerrik Andersson schlafen. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust und brannte lichterloh vor Leidenschaft. Jerrik war fordernd, aber gleichzeitig auch zärtlich und liebevoll. Er drang vorsichtig in sie ein. Sie wollte ihn so gern fragen, warum er das gerade tat. Wollte wissen, was er fühlte, doch sie brachte kein Wort heraus, als er seine Hüfte immer fordernder vor und zurück bewegte. Er war so tief in ihr drin. Sie konnte seinen schnellen Herzschlag hören, sein Atem kitzelte auf ihrer feuchten Haut. Noch nie da gewesenes Glück durchströmte sie und kleine Tränen rollten über ihre Wangen. Jerrik hielt inne und wischte die Tränen mit seinen Daumen ab.
»Ist bei dir alles okay?«, fragte er. Mila nickte selig.
Jerrik setzte sich auf die Couch und zog Mila mit sich. Sie klammerte sich ganz fest an ihn, küsste ihn gierig und ließ sich mit einem tiefen Seufzen auf ihn herab. Zunächst bewegte sie sich langsam auf und ab, dann immer schneller. Auch wenn sie krampfhaft versuchte, leise zu sein, entglitt ihr doch ab und zu ein leises Stöhnen, was Jerrik noch mehr erregte.
Niemals hätte sich Mila erträumt, einmal Sex mit Jerrik Andersson zu haben. Sie schwebte im siebten Himmel. Es fühlte sich so gut, so richtig und doch so falsch an. Beide hielten sich fest umklammert und atmeten laut, als sie gemeinsam zum Höhepunkt kamen. Jerriks Penis pulsierte in ihrer Mitte. Seine Haarspitzen waren nass vom Schweiß auf seiner Stirn. Nach einem abschließenden Kuss löste sie sich von ihm.
Mit schwachen, zitternden Knien stand sie vor ihm und sammelte ihre Unterwäsche ein, um sich wieder anzuziehen.
Kurz bevor sie das Zimmer verließ, griff Jerrik nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich heran. Seine Augen waren so rein und klar wie die Augen ihres Seelentieres. Sie strahlten etwas Ehrliches und Starkes aus.
»Ich liebe dich«, flüsterte er.
Kapitel 3
Ihr rasender Herzschlag weckte Mila. Sie schlug die Augen auf, sah sich um und seufzte traurig. Es war – leider – nur ein Traum gewesen. Ihr Gesicht glühte, als sie daran dachte, was Jerrik im Traum mit ihr angestellt hatte.
Die Sonne ging langsam auf und färbte den Raum in sanften, warmen Tönen. Mila konnte nach diesem Traum nicht mehr einschlafen. Die große Wanduhr über Caros Zimmertür tickte und sie zählte die Sekunden. Außerhalb des Zimmers waren Schritte zu hören. War der Rest der Familie etwa schon wach? Gegen neun Uhr dreißig kam Caro zu sich, sah Mila wach auf der Matratze liegen und sprang ohne Vorwarnung auf sie drauf.
»Happy Birthday, Mila!«, schrie sie fröhlich.
Erschrocken schaute die ihre Freundin an. »Ach ja, da war ja was«, sagte sie perplex.
Mittlerweile duftete es köstlich nach Kaffee und frischen Brötchen. Draußen zwitscherten ein paar Vögel, die über den Winter nicht in den Süden geflogen waren. Heute war der 23. Dezember und Mila feierte ihren 25. Geburtstag.
Die Freundinnen zogen ihre kuscheligen Morgenmäntel und Hausschuhe über und schritten die breite, herrschaftliche Treppe hinunter. Das Haus war zwar groß und sehr modern und gradlinig eingerichtet, aber dennoch verbreitete es eine wundervolle Wärme, die Mila sehr genoss. Als die beiden in die Küche kamen, saß Jerrik bereits am Tisch, trank Kaffee und las Zeitung. Er war leger gekleidet mit einem blauen T-Shirt und einer schlichten, schwarzen Stoffhose und hatte eine Lesebrille auf der Nase. Natürlich schossen Mila direkt wieder die Bilder ihres Traumes in den Kopf. Mit roten Wangen und gesenktem Kopf folgte sie Caro und sagte leise »Guten Morgen«.
Jerriks Gesicht war immer noch auf die Zeitung gerichtet, doch seine Augen folgten Mila im Vorbeigehen heimlich. Dachte er, sie würde es nicht bemerken? Seine Augen hafteten an ihr wie Kletten. Hatte er womöglich erkannt, dass sie auf ihn stand? Das wäre ja mega peinlich.
Caro flüsterte ihrem Vater etwas ins Ohr, als sich ihre deutsche Freundin Kaffee in eine Tasse goss.
»Oh!«, sagte Jerrik erstaunt und stand auf. »Alles Gute zum Geburtstag, Mila.«
Beide wussten nicht genau, was sie nun tun sollten. Hände schütteln? Umarmen? Stattdessen starrten sie sich nur an. Seine Augen durchbohrten sie, als wollte er ihre Gedanken lesen. Mila vergaß alles um sich herum. Fast hätte sie ihre Tasse fallen lassen, doch Jerrik bemerkte ihren gelockerten Griff und hielt die Tasse rechtzeitig fest.
»Ach Gott! Danke, Jerrik«, sagte sie erschrocken, als wäre sie aus einer Trance aufgewacht, und nahm ihm die Tasse aus der Hand. »Oh … verdammt, ich meine Herr Andersson. Tut mir leid, ich äh …«, stotterte sie aufgeregt.
»Nenn mich ruhig Jerrik«, sagte er mit einem charmanten Lächeln und setzte sich wieder, um die Zeitung weiterzulesen. Caro hatte ein Tablett mit Brötchen, Wurst und Marmelade zusammengestellt, welches sie mit in ihr Zimmer nehmen wollte.
»Wow, was war das denn grad?«, fragte Caro verdutzt auf dem Weg in den ersten Stock.
»Ich … ich kenne deinen Vater aus seinen Filmen«, sagte Mila.
»Was? Echt jetzt?«, fragte Caro erstaunt.
»Ja, ich habe seine Filme auf Dänisch geschaut, um meine Sprachkenntnisse zu trainieren.«
»Was? Ist ja krass. Hätte nicht gedacht, dass man seine Filme auch außerhalb Dänemarks kaufen kann. Warum hast du nicht gestern schon was gesagt?« Caro war sichtlich überrascht. Sie hatte wohl keine Ahnung, wie bekannt ihr Vater eigentlich war. Die Freundinnen setzten sich auf das große Bett und aßen Brötchen und unterhielten sich.
»Was sollen wir nachher machen? Es ist dein Tag, Mila. Du entscheidest!«
»Hmm. Gute Frage. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Wir können uns ja erst mal fertig machen und dann zur Einkaufsmeile fahren?«, schlug das Geburtstagskind vor.
»Ja, super Plan. Ach ja, dein Geschenk bekommst du heute Abend beim Abendessen. Es ist bei uns Tradition, dass die gesamte Familie anwesend ist. Ich weiß, ist eigentlich super ätzend, aber da musst du jetzt durch«, kicherte sie und verschluckte sich fast an ihrem Marmeladenbrötchen.
»Hey Caro, nicht sterben, okay?!« Mila klopfte ihr auf den Rücken.
»Alles gut«, hustete ihre Freundin mit Tränen in den Augen, weil sie zur gleichen Zeit husten und lachen musste.
Nachdem sie das Geschirr weggeräumt hatten, ging erst Caro duschen, dann tat Mila es ihr gleich. Das Badezimmer war geräumig mit weißen Fliesen an den Wänden und auf dem Boden. Die Eckbadewanne bot Platz für mindestens drei Personen und hatte anscheinend auch eine Whirlpool-Funktion. Die Dusche war bodengleich und durch große Glaswände abgetrennt. Mila wollte die Dusche am liebsten nie wieder verlassen, denn der riesige Duschkopf ließ das Wasser in winzigen Strahlen auf die Haut prasseln, was sich wie eine Massage anfühlte. Innerlich seufzend drehte sie das warme Wasser ab und trat einen Schritt auf die Glastür zu, auf deren Oberkante sie ihr Badetuch abgelegt hatte. Dabei rutschte sie mit dem rechten Fuß auf den glatten Fliesen aus und fiel mit einem Poltern zu Boden. Leise stöhnend vor Schmerz versuchte sie aufzustehen, konnte jedoch nicht auf dem Fuß auftreten.
Caro klopfte an die Badtür: »Alles okay?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Mila, immer noch auf dem Boden sitzend.
»Kann ich reinkommen?«
»Ja, ist nicht abgeschlossen«, ächzte sie.
Caro kam ins Bad gestürmt und sah Mila mit dem Handtuch zugedeckt auf dem Boden in der Dusche liegen. »Papa!«, rief sie. Jerrik kam ins Bad gelaufen.
»Was ist passiert?«, fragte er, als er Mila erblickte. »Bist du ausgerutscht?«
Als sie nickte, öffnete er die Glastür und sah sich Milas bereits blau angelaufenen und geschwollenen Fuß an.
»Ich glaube, er ist verstaucht«, stellte er fest, als er den Knöchel abtastete und die junge Frau schmerzhaft das Gesicht verzog. Er hob sie hoch und trug sie ins Zimmer seiner Tochter. Mila wünschte, dieser Moment würde niemals zu Ende gehen. Jerrik war so stark und roch unfassbar gut nach einem himmlischen Aftershave oder Eau de Toilette. Sie schaute ihn an und musterte seine Bartstoppeln und kleinen Lachfältchen. Bevor er sie auf der Luftmatratze absetzte, blickte er ihr in die Augen und öffnete leicht seine Lippen. Mila wünschte sich so sehr, er würde sie küssen, doch sie wusste genau, dass er das niemals tun würde. Warum war das Band zwischen ihnen so stark? Oder glaubte Mila nur, diese Verbindung zu spüren, und interpretierte viel zu viel in seine Blicke und Gesten hinein? Jerrik schluckte schwer und wandte seinen Blick ab.
»Mila, zieh dich bitte an. Ich fahre dich ins Krankenhaus«, sagte er in einem barschen Ton und verließ das Zimmer.
»Soll ich dir helfen?«, fragte Caro.
»Ja, das wäre lieb. Tut mir leid, dass ich so viel Arbeit mache. Ich bin so ungeschickt. Ich glaube, da war Shampoo auf dem Boden und deshalb bin ich ausgerutscht.« Mila machte sich Vorwürfe.
»Das macht doch nichts. Hauptsache, du hast dir nichts gebrochen.« Caro lächelte sie an und half ihr beim Anziehen.
Wenige Minuten später kam Jerrik wieder in Carolins Zimmer und fragte, ob Mila fertig sei, was diese bejahte. Allerdings bestand Jerrik darauf, dass seine Tochter daheimblieb und das Chaos in ihrem Zimmer aufräumte. Seine Stimme klang etwas gereizt. Milas Bauchgefühl war nun noch schlechter als zuvor, denn offensichtlich hatte sie ihn verärgert.
Jerrik trug Mila zum Auto – einen schwarzen Porsche Cayenne, der mit beigefarbenen Ledersitzen ausgestattet war. Innen roch es nach Zigarettenqualm und frischem Leder. Kaum hatte Jerrik den Motor gestartet, stellte er die Sitzheizung ein, denn Mila zitterte am ganzen Leib. Sie konnte sich selbst nicht erklären, ob es die Kälte oder die Aufregung war. Mit Schwung verließ Jerrik die Auffahrt und fuhr Richtung Innenstadt. Nervös knetete Mila den Saum ihres Jackenärmels und schaute ihn kurz an. In Gedanken formulierte sie, was sie sagen wollte, doch sie brachte keinen Ton heraus. Sie war unfähig, mit ihm zu kommunizieren, denn offensichtlich hatte die Aufregung ihren ganzen Körper gelähmt. Plötzlich hörte sie sich sagen: »Tut mir leid.«
Hatte sie sich grad tatsächlich entschuldigt? Erschrocken schaute sie zu Jerrik, dessen Miene sich etwas lockerte.
»Jerrik, es tut mir leid, dass ich dir solche Umstände mache. Ich bin so ungeschickt«, stammelte sie.
Jerrik schaute sie erstaunt an. Entschuldigte sie sich etwa gerade bei ihm? Sie hatte doch gar nichts falsch gemacht. War er etwa so unhöflich gewesen? Dabei versuchte er doch nur, seine Aufregung zu überspielen. Dieses Mädchen machte ihn total verrückt. Vor allem konnte er sich überhaupt nicht mehr konzentrieren, seit er in der letzten Nacht von ihr geträumt hatte, was ihm gleichzeitig verriet, woher er sie kannte – nämlich aus seinen Träumen. Er wollte sie keinesfalls kränken. Was sollte er antworten?
»Tut mir leid, wenn ich ruppig war. Ich bin nur etwas gestresst wegen der Arbeit. Es ist nicht deine Schuld«, erklärte er in einem liebevollen Ton und parkte den Wagen vor einem hellgrauen Gebäude, welches wohl das Krankenhaus war.
Jerrik hob Mila aus dem Auto und trug sie zum Haupteingang. Ein Sanitäter, der gerade das Gebäude verließ, hielt ihnen die Tür auf. Es war ihr sichtlich peinlich, aber ein bisschen fühlte sie sich auch wie eine Prinzessin in den Armen ihres starken Ritters. Caro durfte niemals erfahren, dass Mila in ihren Vater verknallt war. Niemals!
Milas Fußknöchel war tatsächlich verstaucht. Der Arzt verschrieb ihr eine Salbe und verband ihren Fuß. Mit den Krücken, die sie ebenfalls erhalten hatte, humpelte sie zum Auto zurück.
Auf der Rückfahrt waren beide still. Jerrik rauchte eine Zigarette und Mila sah ihn ab und zu aus dem Augenwinkel an. Er sah so toll dabei aus, wie er mit beiden Händen das Lenkrad festhielt, die Kippe zwischen seine Schneidezähne geklemmt hatte und mit scharfsinnigem Blick den Verkehr beobachtete. Milas Herz pochte schnell und laut vor Aufregung. Unruhig starrte sie auf seine Handrücken, auf denen sich deutlich die Adern abzeichneten. Die Haut an seinen Fingerspitzen und am Handrücken war rau und trocken. Am liebsten hätte sie ihm die Hände eingecremt. Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, waren sie wieder zurück im Haus der Anderssons.
Mila quälte sich mit Caros Hilfe aus dem Auto und humpelte zur Haustür.
Statt eines Stadtbummels blieben die Mädchen daheim und schauten den ganzen Tag Filme. Am Nachmittag aßen sie Käsekuchen und Donuts. Mila entschuldigte sich beinah alle zehn Minuten für die Umstände, doch Caro war sehr verständnisvoll und herzlich. Wie eine Königin bediente und verwöhnte sie ihre Freundin. Zum Abendessen gab es die Reste vom Vortag und Vanillepudding zum Nachtisch. Mila liebte Vanillepudding und obwohl sie eigentlich schon satt war, aß sie noch ein zweites Schälchen. Ihre Freundin räumte zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Mutter den Tisch ab. Jerrik genoss seinen Whisky und sah sie ab und zu kurz an. Manchmal, wenn er seinen Mund etwas öffnete und leicht Luft holte, sah es so aus, als würde er etwas sagen wollen, aber dann atmete er abrupt aus, trank einen Schluck und musterte das edle, braune Getränk in seiner Hand.
»Papa, wo ist … du weißt schon«, flüsterte Caro und deutete auf Mila.
»Was?«, fragte er geistesabwesend.
»Das Geschenk«, zischte sie.
»Ach so! Im Wohnzimmer … auf dem Couchtisch«, erwiderte er.
Caro kam aus dem Wohnzimmer mit einem kleinen Geschenk zurück. Es war in goldenes Papier gehüllt und mit einem hellen Organzaband umwickelt.
»Für mich?«, fragte Mila verdattert, als ihre Freundin das kleine Päckchen vor ihr abstellte und lächelnd nickte.
Vorsichtig zog sie an dem Organzaband, sodass sich die Schleife öffnete, und löste behutsam den Klebestreifen von dem funkelnden Papier. Eine kleine schwarze Schachtel kam zum Vorschein. Mila schaute erst ihre Freundin, dann Jerrik – welcher ihr lächelnd zunickte – an. Sie hob den Deckel der Schachtel, ihre Hände zitterten vor Aufregung. Zum Vorschein kam ein sehr dezentes, rot-goldenes Armband von Cartier. In der Mitte war ein rosafarbener Saphir eingesetzt. Mila traute ihren Augen nicht. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Wertvolles und Schönes gesehen.
»Gefällt es dir?«, fragte Caro ihre Freundin mit leuchtenden Augen.
»Ja, ich … aber ist es nicht … zu teuer?«, stammelte Mila.
»Meine Mutter ist Stammkundin. Sie bekommt Rabatt!«, sagte Caro und lachte dabei, während sie aufsprang, um dem Geburtstagskind das Armband anzulegen.
»Vielen Dank«, brachte Mila unter Freudentränen heraus und umarmte ihre Freundin und auch Agatha, die glücklich schmunzelte. Lars gab ihr die Hand und zwinkerte ihr zu. Dann sah sie zu Jerrik, der ein charmantes Grinsen auf den Lippen hatte. Er nahm ihre Hand und durchbohrte sie mit seinen betörenden Augen, sodass Mila der Atem stockte. Sie schnappte laut nach Luft und tat dann so, als hätte sie ein Kratzen im Hals. Hustend drehte sie sich zur Seite und versuchte, ihr glühendes Gesicht vor allen zu verbergen. Mann, wie peinlich war das denn? Wenn jetzt keiner mitbekommen hatte, dass sie in Jerrik verknallt war, dann waren sie alle blind.
***
Es war bereits nach Mitternacht. Caro schlief tief und fest, doch Mila war noch wach. Die Sterne am schwarzen Nachthimmel zählend schaute sie aus dem großen Fenster. Sie musste schon wieder auf die Toilette, obwohl sie gar keine Lust hatte, aufzustehen. Ihr Fuß schmerzte höllisch und sie war es nicht gewohnt, mit Krücken zu gehen. Innerlich rollte sie genervt die Augen und zog ihren Morgenmantel über. Morgen würde sie zum Abendbrot sicherlich keinen Tee mehr trinken. Leise versuchte sie den Flur entlangzuhumpeln, doch ihre nackten Füße machten ein patschendes Geräusch auf dem glatten Marmorboden. Jemand duschte im großen Badezimmer, also musste Mila wie in ihrem Traum zum Gäste-WC ins Erdgeschoss. Mit Müh und Not hatte sie es gerade geschafft, drei Stufen hinunterzusteigen, als Jerrik ihr die Gehhilfen wegnahm, auf die oberste Treppenstufe legte und sie hinuntertrug. Total perplex schaute sie ihn an und hielt sich an seinen breiten Schultern fest.
»Ist das wieder ein Traum?«, fragte sie aus Versehen laut.
»Diesmal nicht«, antwortete Jerrik, als wüsste er, wovon sie sprach.
Kapitel 4
Mila betätigte die Toilettenspülung, wusch rasch ihre Hände und verließ den schmalen Toilettenraum, der nach Meer und Strand roch und auch genauso eingerichtet war. Der kleine Keramikleuchtturm auf dem Spiegelschrank zog jedes Mal ihre Aufmerksamkeit auf sich, denn er erinnerte sie an ihre Heimat.
Mit leidverzerrtem Gesicht stolperte sie aus der Tür. Der Schmerz zog von ihrem dicken, heißen Knöchel bis in den Oberschenkel. »Autsch!«, quälte sie aus sich heraus und hielt sich am Türknauf fest.
Es war dunkel im Haus. Im obersten Stock leuchtete lediglich ein schwaches Nachtlämpchen, das in einer Steckdose im Flur steckte. Im Erdgeschoss schien warmes Licht aus Jerriks Arbeitszimmer. Sie schaute hoch zur Treppe. Ihre Krücken lagen immer noch auf der obersten Stufe. Ja, super. Wie sollte sie es nur dort hochschaffen? Warum hatte Jerrik sie hier alleingelassen? In Gedanken meckerte sie und schüttelte enttäuscht den Kopf, bevor sie langsam zur Treppe humpelte. Ihr verstauchter Fuß hatte die erste Stufe noch nicht berührt, da hob Jerrik sie hoch.
»Hey, das schaffst du nicht allein.«