Fairies 1: Kristallblau - Stefanie Diem - E-Book

Fairies 1: Kristallblau E-Book

Stefanie Diem

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Beschreibung

**Es ist ein langer Weg zur anmutigen Schönheit einer Fairy …** Abgöttisch schön, betörend elegant und absolut stilsicher – das sind Eigenschaften, von denen die 18-jährige Sophie nur träumen kann. Bis sie zur Feier ihres Schulabschlusses ins exotische Lloret de Mar reist und dort dem atemberaubend gutaussehenden Taylor über den Weg läuft. Dieser entdeckt das in ihr, was sie niemals in sich sehen konnte: Sophie ist eine Fairy und gehört damit zu den schönsten Wesen des Universums. Zumindest fast, denn vor ihrer endgültigen Verwandlung muss die unsichere Abiturientin erst die Akademie der Fairies besuchen und all das lernen, was die Wesensart einer Fairy ausmacht. Und das ist nicht gerade wenig … //Alle Bände der zauberhaften Feen-Reihe: -- Fairies 1: Kristallblau  -- Fairies 2: Amethystviolett  -- Fairies 3: Diamantweiß  -- Fairies 4: Opalschwarz -- Fairies: Alle vier magischen Feen-Bände in einer E-Box!// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impress

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Stefanie Diem

Fairies 1: Kristallblau

Es ist ein langer Weg zur anmutigen Schönheit einer Fairy …

Abgöttisch schön, betörend elegant und absolut stilsicher – das sind Eigenschaften, von denen die 18-jährige Sophie nur träumen kann. Bis sie zur Feier ihres Schulabschlusses ins exotische Lloret de Mar reist und dort dem atemberaubend gutaussehenden Taylor über den Weg läuft. Dieser entdeckt das in ihr, was sie niemals in sich sehen konnte: Sophie ist eine Fairy und gehört damit zu den schönsten Wesen des Universums. Zumindest fast, denn vor ihrer endgültigen Verwandlung muss die unsichere Abiturientin erst die Akademie der Fairies besuchen und all das lernen, was die Wesensart einer Fairy ausmacht. Und das ist nicht gerade wenig …

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Vita

Danksagung

© privat

Stefanie Diem arbeitet und lebt gemeinsam mit ihrer Familie im Allgäu. Schon als kleines Kind verfügte sie über eine lebhafte Fantasie und dachte sich die tollsten Geschichten aus, die sie zu Papier brachte, sobald sie schreiben konnte. Das Schreiben hat sie seither nicht mehr losgelassen und zählt neben dem Lesen zu ihren größten Leidenschaften.

Für meine Familie

PROLOG

Graues Felsmassiv, das seine imposanten, verschneiten Gipfel wie spitze Reißzähne in den Himmel stößt, umgeben von dezentem Nebel, der sich wie ein Schleier über die gesamte Umgebung legt, durchbrochen von strahlendem Sonnenlicht, welches alles in bizarrem Funkeln erstrahlen lässt.

Inmitten dieses Panoramas überragt ein Berg alle anderen und stellt seine Brüder allein durch seine schiere Größe in den Schatten.

Und dort, wo die Welt am höchsten ist, befindet sich eine Höhle, in der ein junger und doch uralter Mann lebt.

Hier oben, verborgen vor der Menschheit mit ihren Plänen, Visionen, Ängsten, Sorgen und Problemen – in vollkommener Abgeschiedenheit, wartet er auf den einen Moment, in dem er ihr wieder begegnen wird.

Er sehnt und fürchtet diesen Augenblick gleichermaßen, bedeutet er doch, dass seine schlimmsten Ängste erneut Wirklichkeit werden und er sie erneut verlieren könnte.

***

Er blickte auf sein Zuhause, sein selbstgewähltes Gefängnis, und auf die dreizehn Steine, die vor ihm in einem perfekten Zirkel auf blutroten Samtkissen gebettet in einem seltsamen bläulichen Licht schimmerten. Wie lange er sie schon bewachte, das vermochte er mittlerweile nicht mehr zu sagen. Ein Jahrtausend? Ein Jahrhundert? Ein Jahrzehnt? Ihm kam es vor wie eine Ewigkeit.

Er stutzte, runzelte die Stirn, schaute auf die beiden letzten Steine, die nicht leuchteten, sondern dunkel und finster auf den Kissen ruhten.

Einer von beiden flackerte.

Kurz darauf begann auch der andere Stein zu schimmern und leuchtete schließlich hell auf.

Sein Herz setzte für einen Augenblick aus, nur um kurz darauf heftig zu pochen.

Das war er. Der Moment, auf den er so lange gewartet hatte.

Er stand auf, darum bemüht sich zu beruhigen, atmete tief ein und aus.

Es war Zeit.

Zeit wieder ins Leben zurückzukehren.

KAPITEL 1

»Im Moef ist heute Schaumparty«, verkündete Jana und nippte an ihrer Pina Colada.

»Ne, mir reicht’s noch vom letzten Mal. Da hab ich fast keine Luft bekommen bei all dem Schaum«, sagte Lina, schüttelte den Kopf und überprüfte ihre Schminke in einem kleinen Handspiegel. Sie sah wie immer fabelhaft aus, die blonden, langen Haare perfekt gestylt, saphirblaue Augen unter vollendet getuschten, langen Wimpern, ein makelloser Teint, frisch manikürte Fingernägel – dazu eine unglaubliche Figur, die wie immer in knallengen Jeans und einem sehr, sehr knappen Oberteil steckte. Kurzum: Lina vereinte alles in sich, wovon Mädels – und Jungs! – so träumten. Deshalb schleppte sie auch reihenweise Typen ab, während Jana und ich eher mauerblümchenmäßig danebenstanden mit unseren etwas pummeligen Figuren, die wir wie immer versuchten in weiteren Klamotten zu verstecken.

Ich war vor kurzem achtzehn Jahre alt geworden, hatte mein Abitur in der Tasche und verbrachte mit meinen beiden Freundinnen Lina und Jana eine Woche Party-Urlaub in Lloret de Mar, sozusagen noch einmal »die Sau rauslassen«, bevor für uns der wahre Ernst des Lebens beginnen würde. Wir hatten bereits drei Tage hinter uns, in denen wir keine Nacht vor fünf Uhr ins Bett gekommen waren. Tagsüber faulenzten wir in der heißen Sonne Spaniens und abends feierten wir und zogen von Disko zu Disko, bevor wir dann meistens am Strand landeten und den Sonnenaufgang genossen.

Es war dreiundzwanzig Uhr und wir saßen wie immer in einer Strandbar und tranken Cocktails zum »Aufwärmen«.

»Ich dachte, du liebst Schaumpartys?«, fragte ich und nahm einen Schluck von meinem »Sex on the Beach«.

»Das war früher mal, bevor ich beinahe erstickt wäre! Also mir ist’s egal. Sucht ihr was aus!«, entgegnete Lina genervt und stützte das Gesicht auf die Hände.

»Ich möchte ins St. Trop!«, verkündete Jana und zeigte uns einen Flyer. »Da ist heute Ladies Night. Für Mädels Eintritt frei!«

»Von mir aus.« Lina nickte und auch ich war einverstanden.

Wir tranken aus, bezahlten, und machten uns auf den Weg am Strand entlang zurück zur Hauptstraße. Dort herrschte bereits reges Treiben. Zahlreiche Animateure eilten auf beiden Straßenseiten auf und ab und drängten sich um die Mädchen und Jungen, um sie für die jeweils eigene Diskothek als Gäste zu gewinnen. Sie versuchten es mit allen Tricks, Free Shots, freiem Eintritt, dem Versprechen auf tolle Schaumpartys und so weiter.

Wir bemühten uns nach Kräften sie zu ignorieren und bogen in die Seitenstraße ab, in der sich die Diskothek St. Trop befand. Bereits von weitem sahen wir die lange Warteschlange, die sich vor dem Eingang drängte und hörten das Wummern der Bässe. Ich freute mich schon aufs Abtanzen und warf einen kurzen Blick in ein Schaufenster, um mein Outfit zu prüfen. Ich trug Bluejeans mit braunem Gürtel und breiter Schnalle, dazu ein weißes Spaghetti-Top und weiße Pumps mit wackelig hohem Absatz, auf denen ich jedoch erstaunlich gut laufen konnte. Meine dunkelbraunen Haare hatten sich in der hohen Luftfeuchtigkeit zu leichten Locken gekräuselt und ich trug sie aus Mangel an Frisuren-Kreativität offen, lediglich über dem Ohr nach hinten gehalten von einer weißen Kunststoffblüte. Geschminkt war ich, wie üblich, eher schlicht – dezentes Make-Up, das mich meistens noch blasser machte, als ich war, weißer Lidschatten, der meine grün-braun-blauen Augen nicht wirklich gut betonte, dazu schwarzer Kajal, schwarze Wimperntusche und natürlich ein zarter Hauch Rosé-Lipgloss. Ich fand mich hübsch, ein bisschen zumindest. Aber natürlich konnte ich auf keinen Fall mit Lina mithalten. Neben mir betrachtete sich auch Jana im Schaufenster. Mit ihren kupferroten, kurzen Haaren, den vielen Sommersprossen auf der Nase und den funkelnden grünen Augen war sie jedem sofort sympathisch. Ihr offenes, freundliches Wesen und herzhaftes Lachen hatten es mir leicht gemacht sie schnell ins Herz zu schließen. Inzwischen zählte sie zu meinen besten Freundinnen überhaupt – vor allem, da wir beide äußerlich nicht ganz so perfekt waren, wie wir es gern gewesen wären. Wieso wir Lina mit in diesen Urlaub genommen hatten? Keine Ahnung. Das wussten wir beide selbst nicht mehr so genau. Sie passte eigentlich nicht wirklich zu uns. Aber durch sie lernten wir meistens nette Jungs kennen und somit bereuten wir es nicht sie dabei zu haben und mit ihrer Zickerei, die sie Gott sei Dank meistens nur in den frühen Morgenstunden an den Tag legte, konnten wir mittlerweile gut umgehen.

Im Minutentakt rückte die Menschenschlange weiter und wir lugten bereits sehnsüchtig an den vor uns Stehenden vorbei zum Eingang in die Diskothek. Lina verdrehte genervt die Augen. »Wir hätten doch woanders hingehen sollen!«

»Ach, woanders stehen wir genauso Schlange«, meinte Jana und kramte in ihrer Handtasche.

Ich sagte nichts dazu, teilte aber im Stillen Janas Meinung. Wir zwinkerten uns zu und rückten ein Stück weit nach vorn.

Schließlich standen wir doch irgendwann den Türstehern gegenüber und zeigten brav unsere Ausweise vor. Die beiden muskelbepackten Männer ließen uns ein. Stickige, neblige Luft schlug uns entgegen und der Lärm wurde so laut, dass wir uns kaum mehr verständigen konnten. Dicht an dicht drängten sich die Menschen aneinander und auf der Tanzfläche herrschte bereits reges Treiben. Die Bässe wummerten, die Lichter zuckten und blitzten, farbige Scheinwerfer flirrten über die Köpfe und mittendrin standen wir und sahen uns ein wenig ratlos um. Wonach wir genau suchten, wussten wir nicht, aber es sah cool aus, wenn man sich umsah – so als würde man nach Bekannten Ausschau halten. Eine große Clique cooler Leute, mit denen man feiern konnte. Na gut, wonach Lina Ausschau hielt, wussten wir, sie suchte sich bereits ihr nächstes »Opfer«.

»Gehen wir nach oben?«, schrie Lina uns zu und deutete mit dem Finger auf eine Treppe, die auf die Galerie führte, welche um die ebenerdige Tanzfläche herum angelegt war. Wir nickten und folgten ihr nach oben, wo wir uns die von einer Animateurin versprochenen Free-Shots abholten und dazu noch einmal Cocktails bestellten. Dann traten wir ans Geländer und beobachteten die Tanzfläche unter uns.

Es dauerte nicht lange und ein gutaussehender, blonder Junge tippte Lina von hinten auf die Schulter und lud sie auf einen Drink ein, wozu diese natürlich nicht nein sagte. Somit waren es wieder mal nur noch Jana und ich. Wir grinsten uns an, bedeuteten Lina mit abwärts weisenden Zeigefingern, dass wir nach unten gehen würden, und begaben uns auf die Tanzfläche.

Ich liebte es mich den wummernden Bässen und zuckenden Blitzlichtern hinzugeben. Man konnte sich hier richtig in Trance tanzen und alles um sich herum vergessen. Völlig verzaubert schloss ich die Augen, bewegte meinen Körper im Takt der Musik, wiegte die Hüften von einer Seite zur anderen und tanzte immer ausgelassener.

Dann merkte ich, wie die Luft um mich herum dicker wurde. Ich hielt einen Moment inne, nahm das Kitzeln unter meinem Kinn wahr, wie sich meine Schultern bei jedem Atemzug schwer hoben und senkten, mein Körper nach Sauerstoff rang. Sofort kramte ich in meiner kleinen Handtasche. Panik erfasste mich, als ich das kleine Plastikrohr nicht finden konnte. Ich wurde von wiegenden, sich im Takt der Musik bewegenden Körpern von der Tanzfläche gedrängt, den Blick in meiner Tasche vergraben, in der ich natürlich aufgrund des matten Lichts nichts als Schwärze erkennen konnte.

Jemand legte mir eine Hand auf die Schulter.

»Alles klar?« Jana war mir gefolgt und musterte mich mit ernstem Blick.

Ich nickte und rang mir ein Lächeln ab.

»Ja, ja, ich … ich muss nur …« Mit einem Kopfnicken deutete ich auf die nächstgelegene Toilette und flüchtete förmlich vor ihrem misstrauischen Blick.

Im Mädchenklo angekommen, vor dem sich zum Glück ausnahmsweise einmal keine ewige Warteschlange befand, hastete ich schnell in eine Kabine und kramte im grellen Neonlicht erneut in meiner Tasche.

Gott sei Dank! Da war es!

Eilig schüttelte ich die längliche Plastikkassette, welche wie eine kleine Taschenlampe in meine Handfläche passte, schraubte den roten Deckel ab, atmete ganz aus, hielt mir die Kassette mit dem Mundstück an die Lippen und sog dann das Pulver in meine Lungen.

Es wirkte sofort. Ich bekam augenblicklich wieder Luft, meine verkrampften Schultern entspannten sich, das Keuchen und Pfeifen verschwand aus meiner Atmung.

Erleichtert atmete ich durch.

Der letzte Anfall lag schon eine Weile zurück und ich hatte schon daran geglaubt, dass die gute Meeresluft der Grund dafür war. Anscheinend hatte ich mich getäuscht.

Verbissen packte ich den kleinen Inhalator wieder in meine Handtasche, trat aus der Kabine und spritzte mir vor dem Waschbecken etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Verdammtes Asthma!

Als ich die Toilette wieder verließ, war Jana verschwunden. Ich warf einen Blick nach oben auf die Galerie, konnte dort jedoch weder Lina noch Jana entdecken. Die Disko war groß, wo konnten sie nur sein? Dabei hatten wir – zumindest Jana und ich – uns geschworen uns nicht aus den Augen zu verlieren. Na prima, drei Tage lang war es gut gegangen. Ich seufzte und legte die Hand an die Stirn, um mich ein wenig vor den heißen Scheinwerfern zu schützen. Was machte ich nur?

Nicht durchdrehen, riet mir meine innere Stimme und ich zwang mich tief ein- und auszuatmen, was jetzt glücklicherweise wieder problemlos möglich war. Die beiden würden schon wieder auftauchen. Früher oder später verlor Lina das Interesse an ihrer »Eroberung« und vielleicht war Jana auch einfach nur kurz nach draußen gegangen.

Ich setzte mich auf einen nahegelegenen Barhocker und ließ meinen Blick über die Menge schweifen.

Da entdeckte ich ihn. Er lehnte lässig an einer Säule, ein Bein an der Wand abgestützt, eine Hand in der Hosentasche vergraben, die andere um einen Drink geschlossen. Die dunklen, schulterlangen Haare fielen ihm in zerzausten Strähnen in die Stirn und darunter verweilten seine faszinierenden, dunklen Augen genau auf mir. Entsetzt und auch ein klein wenig geschmeichelt sah ich weg, nur um wenige Sekunden später wieder verstohlen hinzusehen. Er sah mich immer noch an! Mein Herz begann zu klopfen. Ich wagte noch einen kurzen Blick.

Ich schätze ihn auf ungefähr zwanzig Jahre, er war groß, mindestens eins neunzig und sehr lässig gekleidet. Dunkle Jeans und ein graues, aufgeknöpftes Hemd, dessen Ärmel locker hochgekrempelt waren und darunter ein enganliegendes, weißes T-Shirt. Und er sah noch immer zu mir herüber! Ich wurde ganz nervös. Konnte er wirklich mich meinen? Mich? Unsicher und etwas steif wanderte mein Blick links und rechts neben mich, aber da war niemand.

In dem Moment legte mir jemand den Arm um die Schultern.

»Hier bist du!«, schrie Jana mir ins Ohr. »Hab dich schon überall gesucht!«

»Du mich? Ich dich!«, entgegnete ich empört.

»Ich war nur kurz oben auf der Galerie!« Sie grinste von einem Ohr zum anderen.

»Hör zu, da ist so ein verdammt süßer Typ und er schaut ständig zu mir herüber!«, sagte ich und deutete auf die Säule, an der er – leider nicht mehr stand.

»Wo?«, fragte Jana.

»Ach, vergiss es. Wahrscheinlich hab ich ihn mir nur eingebildet«, seufzte ich.

Aber so jemanden konnte man sich doch nicht einbilden. Oder die Einbildung beschränkte sich darauf, dass er mich angesehen hatte.

»Lust auf einen Cocktail?«, fragte Jana und deutete zur Bar in meinem Rücken. Ich nickte und drehte mich samt Barhocker um.

»Entschuldigung, darf ich dir einen Drink spendieren?«

O – mein – Gott.

Ich sah in die dunklen Augen und versank förmlich darin, wurde praktisch von ihnen eingesogen. Er strich sich mit der rechten Hand die dunkelbraunen, beinahe schwarzen Haare aus der Stirn und sah mich fragend an. Jana neben mir grinste verblüfft.

»Und?«, fragte dieser wahnsinnig heiße Typ noch einmal und ich erhielt einen Stoß meiner Freundin von links.

»Äh ja, gerne«, stammelte ich.

»Na dann.«

Er lächelte mich an und ich konnte mich in Gedanken nur wiederholen: O – mein – Gott. Dieses Lächeln! Wahnsinn! Ich schmolz dahin.

»Also, was trinkst du?«, fragte er.

»Äh, äh, Ssee … ähm Caicaipirinha«, stammelte ich.

Er lächelte wieder (Gott, was wollte der von mir? Beinahe hätte ich wie üblich »Sex on the Beach« bestellt, aber das wäre doch mehr als zweideutig, oder?) und wandte sich an den Barkeeper. Im Hintergrund sah ich Jana, die mir von einem Ohr zum anderen grinsend ihren erhobenen Daumen in die Luft hielt und sich dann trollte in Richtung Galerietreppe. Super, ich war allein – bis sie schließlich oben am Geländer wieder auftauchte mit – o nein – Lina im Schlepptau. Na prima, die beiden hatten Logenplätze bei meinem Desaster-Flirt.

Ich sah zurück zu meinem edlen Spender, der mich zwischenzeitlich interessiert und ein wenig verschmitzt musterte.

»Also wie heißt du?«, fragte er und sah mich wieder mit diesen unglaublich dunklen Augen an. Hatten die überhaupt Pupillen? Wie konnten Augen so dunkel sein?

»Sophie«, antwortete ich.

»Sophie, schöner Name.« Er lächelte wieder und ich bemühte mich ebenfalls um ein Lächeln, das wahrscheinlich wie ein gequältes Grinsen aussah.

»Ich bin Taylor«, stellte er sich vor und reichte mir die Hand.

Engländer? Amerikaner?, schoss es mir durch den Kopf, aber er sprach akzentfrei Deutsch. Auf jeden Fall passte der Name irgendwie zu ihm. Taylor, wie Taylor Lautner. Ich grinste – mein Lieblingsschauspieler.

»Angenehm«, sagte ich und reichte ihm die Hand. Er hatte auch noch schöne Hände, könnte geradewegs aus dem Nagelstudio kommen.

»So förmlich?« Er grinste weiter anlässlich unseres steifen Händeschüttelns und nahm vom Barkeeper die beiden Drinks entgegen. Er zahlte und gab mir meinen Caipirinha.

»Na ja«, murmelte ich, weil ich nicht wusste, was ich auf diese Frage sagen sollte.

»Wo kommst du her?«, wollte er weiter wissen.

»Deutschland, Bayern«, sagte ich lasch. Mensch, ich war doch sonst nicht so wortkarg? Was war denn nur los mit mir?

»Bayern?« Er zog verwundert die Stirn kraus, lächelte aber gleich wieder. »Schönes Fleckchen Erde.«

»Warst du schon dort?«, fragte ich, um überhaupt etwas zu dieser Unterhaltung beizutragen. Er nickte.

»Ja, aber nur einmal bis jetzt. Ich habe dort nicht oft –« Er machte eine kleine Pause. »– geschäftlich zu tun.«

»Hast du hier geschäftlich zu tun?« Na also, langsam gewann ich meine Sprache wieder.

Er nickte. »Ich bin mit Kollegen hier, und du?«

So redeten wir ein wenig über Lina und Jana und er erzählte mir von seinen Kollegen Frank (er nannte ihn Frankie) und Natascha, die auch hier irgendwo im St. Trop sein mussten. Wir unterhielten uns ziemlich gut und langsam verlor ich auch meine Scheu. Taylor war richtig sympathisch, freundlich, nett, zuvorkommend – alles in allem mein Traummann. Er spendierte mir noch einen weiteren Caipirinha und noch einen und noch einen und langsam zeigte der Alkohol Wirkung. Ich wurde locker, entspannte mich und flirtete mit ihm, was das Zeug hielt. Schließlich führte er mich auf die Tanzfläche und wir tanzten uns die Seele aus dem Leib, immer beobachtet von meinen wachsamen Freundinnen oben auf der Galerie.

Ich tanzte mit dem tollsten Typen, der mir je begegnet war, mein Herz raste, in meinem Bauch schwebten tausend Schmetterlinge, ich konnte gar nicht aufhören ihn anzulächeln, fühlte mich wie in einem Kokon, blendete alles um mich herum aus, die Menschen, die Musik, die grellen Lichter. Es gab nur noch mich und ihn.

Inständig hoffte ich, es würde bald ein romantisches, ruhiges Lied zum Kuscheln kommen, wer weiß … Taylor lächelte mich wieder an und ich lächelte zurück. Mir war schon ein wenig schwindlig, was wahrscheinlich vom Alkohol herrührte, aber egal. Ich war jung und verdammt – genau deswegen war ich ja hier, um mit so schönen Jungs wie Taylor zu flirten und zu tanzen.

Die Musik hämmerte in meinen Ohren, der Beat dröhnte durch meinen ganzen Körper, das Stroboskoplicht verwirrte meine Augen und der Alkohol benebelte meine Sinne. Mir wurden die Knie weich und ich schwankte ein wenig. Ganz in der Nähe nahm ich vage die wabernden Gestalten von Lina und Jana wahr, die mich nicht aus den Augen ließen, wofür ich einerseits sehr dankbar und wovon ich anderseits ein wenig genervt war. Taylor ließ mich ebenfalls nicht aus den Augen. Er schmunzelte leicht und war sichtlich amüsiert über meinen Zustand. Aber daran war ja eigentlich er maßgeblich schuld. Schließlich kam es, wie es kommen musste. Mir wurde schlecht, ich verließ etwas torkelnd die Tanzfläche und stützte mich an einer Säule ab. Vor meinen Augen drehte sich alles und der Boden unter mir schwankte beängstigend. Sofort war Taylor an meiner Seite und sah mich besorgt an.

»Alles in Ordnung?«, fragte er und musterte mich eindringlich.

»Ähm ja, ja«, versicherte ich - nicht sehr überzeugend.

»Sollen wir ein wenig nach draußen an die frische Luft gehen?«, fragte er.

Oh oh, eigentlich eine gute Idee, aber man wusste ja immer, was Jungs mit dem Satz meinten: Sollen wir mal ein bisschen an die frische Luft gehen? Jana kam herüber und grinste.

»Na, alles klar?«

»Ähm, mir ist nur ein wenig schwindelig«, erklärte ich, was mir nun doch langsam etwas peinlich war.

»Verstehe.« Sie verschränkte wissend die Arme vor der Brust. »Willst du dich hinsetzen?«

»Ich habe sie gerade gefragt, ob sie ein wenig an die frische Luft möchte«, meldete sich Taylor zu Wort.

»Ja klar«, meinte Jana nun deutlich ernster. »Erst füllst du sie ab und dann willst du mit ihr an die frische Luft!« Bei den letzten Worten malte sie mit ihren Händen Anführungszeichen in die Luft und verschränkte dann wieder die Arme.

Er lächelte und hob abwehrend die Hände.

»Hey, ich wollte wirklich einfach nur an die frische Luft mit ihr!« Er sah sie mit diesen umwerfenden Augen an und da lächelte Jana.

»Ok, aber ich gehe mit!«

Taylors Blick wirkte ein wenig gequält. Konnte das sein? Dieser Typ wollte mit mir allein sein? Himmel!

»Ist in Ordnung, Jana. Er wird schon auf mich aufpassen.«

»Ja und wer passt auf ihn auf?«, fragte sie missmutig.

»Bleib einfach in der Nähe des Eingangs, ok?«, bat ich sie. Dann flüsterte ich ihr ins Ohr: »Komm schon, Jana, so ein Hammertyp und er will mit mir rausgehen, verstehst du? Da darf ich nicht nein sagen!«

»Hey, die Typen können noch so gut aussehen, wer weiß, was er mit dir anstellen wird!«

»Meinetwegen kann er alles mit mir anstellen!« Ich grinste zurück.

»Und wenn er dir Drogen oder K.O.-Tropfen gibt und dich dann vergewaltigt und verschleppt?« Sie ließ nicht locker und musterte mich nach wie vor mit diesem sehr, sehr skeptischen Blick.

»Jana, das hat DER Typ doch gar nicht nötig! Er muss ganz sicher keine betäuben, damit sie sich mit ihm einlässt«, entgegnete ich.

»Stimmt auch wieder«, meinte sie und lächelte endlich. »Ok, aber wenn du in zehn Minuten nicht zurück bist, schlage ich Alarm!«

»Zehn Minuten? Länger gibst du uns nicht?«, scherzte ich und erntete einen Boxhieb.

»Hey, ich mein's ernst. Du kennst den Kerl nicht. Und auch wenn er gut aussieht, du kannst nie sicher sein. Also in zehn Minuten sehe ich nach euch, ok?«

»Ok.« Ich lächelte zurück und umarmte sie. Dabei meldete sich mein Schwindel wieder lauthals und ich kippte halb hinten über.

»Hey, vorsichtig«, sagte Taylor hinter mir, legte mir wieder einen Arm um die Taille und musterte mich mit diesen dunklen, geheimnisvoll tiefen Augen.

Ich lächelte matt zurück und verließ mit ihm die Diskothek.

***

Draußen umfing uns kühle Nachtluft und eine sanfte Brise wirbelte durch unsere Haare. Kurz bevor wir den Eingangsbereich des Clubs verließen, drehte Taylor sich um und warf einem wunderschönen Mädchen mit wallendem, roten Haar einen Blick zu.

»Deine Kollegin?«, begann ich zu lallen und erschrak über meine eigene Stimme. Die frische Luft vernebelte meine Sinne mehr, als dass sie sie klarer machte. Aber dennoch ging ich brav, von Taylor gestützt, weiter.

Er führte mich die Straße entlang, vorbei an der Menge, die noch immer Schlange stand, weiter weg von den noch immer durch die Nacht dröhnenden Bässen und dem Stimmengemurmel.

»Wird es schon besser?«, fragte er mich und strich mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Mir schlug das Herz bis zum Hals. Die Haut an meiner Wange kribbelte, obwohl er mich gar nicht berührt hatte.

»Ja«, log ich und hielt mich an ihm fest. Er grinste schelmisch.

»Komm schon, du bist ein wenig …«

»Besoffen, ich weiß.« Ich lächelte matt.

»Beschwipst wollte ich eigentlich sagen, aber na ja«, erklärte er und stützte mich noch sorgfältiger. »Ich hätte da was, das dir eventuell hilft.«

Ich erschrak. »Drogen?«

Er grinste. »Denkst du wirklich so schlecht von mir?«

»Na ja …«

»Nein«, unterbrach er mich. »Ich habe keine Drogen. Hier.« Er zog ein kleines, tropfenförmiges Fläschchen aus seiner Tasche und reichte es mir. Es enthielt eine blaue, seltsam leuchtende Flüssigkeit.

»Es sieht ziemlich giftig aus«, meinte ich skeptisch.

»Ein altes Hausmittel. Das macht dich mit Sicherheit ganz schnell wieder fit«, versicherte er nickend. Konnte man diesem Jungen etwas abschlagen, wenn er einen so durchdringend mit diesen Augen ansah?

»Also gut.« In mir sträubte sich alles, als ich den filigranen, konisch geformten Glaskorken abnahm und an der seltsamen Flüssigkeit roch. Ein angenehm blumiger Duft stieg mir in die Nase und ich sah ihn verwirrt an.

»Veilchen?«

Er lächelte. »Und Kräuter. Rein pflanzlich.«

Ich atmete tief ein, wollte nicht trinken, konnte mich aber irgendwie nicht dagegen wehren. Da war ein unwiderstehlicher Drang, gegen den ich nicht ankam, und so leerte ich nach dem Ausatmen das kleine Fläschchen in einem Zug. Er nickte zufrieden.

Zuerst passierte gar nichts, dann merkte ich, wie mein Blick wieder klarer wurde, das Schwanken aufhörte und ich langsam die Kontrolle über meinen Körper zurückgewann. Ich richtete mich auf und löste mich von der Wand, an der ich mich abgestützt hatte.

»Sagte ich doch, dass es dir hilft«, meinte er, wich einen Schritt zurück und verkorkte das leere Fläschchen wieder.

Da traten aus der Dunkelheit plötzlich zwei Gestalten hervor. Langsam und bedächtig schritten sie immer näher, als schwebten sie, und verursachten dabei keinerlei Geräusche. Eine fast instinktive Furcht breitete sich in mir aus.

In das Licht einer der matten Straßenlaternen, die die Nacht hellorange erleuchteten, trat ein Mädchen. Es war die rothaarige Schönheit aus der Disko. Die andere Gestalt entpuppte sich als kurzhaariger, sehr muskulöser Junge mit südländischem Teint. Er trug eine schwarze Lederjacke und dunkle Jeans, dazu klobige Stiefel, um den Hals eine breite Goldkette und wirkte dazu sehr bedrohlich.

Sie war ebenfalls in Leder gekleidet. Allerdings in dunkelrotes. Genauer gesagt, war es eigentlich nur eine rote Lederjacke, dazu eine rote Stoffhose und schwarze Pumps. Alles in allem war sie unglaublich erotisch, sexy, verführerisch – und machte mir Angst.

Wäre ich doch nur bei Lina und Jana in der Disko geblieben! Was wollten diese beiden von uns?

»Hast du sie schon gefragt?«, wollte das Mädchen wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ihr kommt zu früh, ich war noch nicht so weit«, erklärte Taylor und stellte sich den beiden entgegen.

»Aber sie hat es schon getrunken oder?«, fragte der Junge und Taylor nickte.

»Na worauf wartest du dann noch? Wir haben schließlich nicht ewig Zeit! Wer weiß, wer uns schon alles auf den Fersen ist!«, drängte sie.

Ich drückte mich näher an die Hauswand. Was wollten die von mir? Mein Geld? Ich hatte nicht viel, vielleicht noch zwanzig Euro, der Rest lag im Hotelsafe. Bei mir gab es doch wirklich nichts zu holen. Vielleicht wollten sie mich verschleppen? Gott, Jana hatte recht gehabt mit ihrem Misstrauen! Mir brach der kalte Schweiß aus. Voller Panik suchte ich mit Blicken die Umgebung ab. Die Disko war zu weit weg, als dass die Menschen mich hätten schreien hören können, ich war allein, sie zu dritt, es war ein Leichtes für sie mich zu überwältigen. Ich hatte keine Waffe, Pfefferspray oder Ähnliches. Ich konnte nur schreien. Gerade als ich den Mut aufbrachte, um Hilfe zu rufen, drehte Taylor sich zu mir um, sah mir in die Augen und ich machte den Mund wieder zu.

»Hör zu, du musst nur ein Wort sagen und dir passiert nichts. Wir lassen dich in Ruhe«, sagte er und sah mich ernst an.

Wie? Was war das denn? Nur ein Wort?

»Nur ein Wort?«, sprach ich meine Gedanken laut aus. Er nickte. »Welches?« Meine Stimme zitterte und meine Augen schweiften umher, auf der Suche nach der kleinsten Fluchtmöglichkeit.

»Pruebame«, sagte er.

Was war das? Spanisch? Was hatte das zu bedeuten?

»W-was heißt das?«, fragte ich leicht zitternd.

»Das erklären wir dir dann, wenn du es gesagt hast!«, warf die Rothaarige ein und tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden.

»Und wenn ich es nicht sage?«, fragte ich.

»Komm schon, so ein kleines Wort kannst du doch sagen, oder?«, versuchte Taylor zu vermitteln und lächelte matt.

»Dann müssen wir dich leider dazu zwingen«, mischte sich die Rothaarige seufzend ein und trat vor. Dabei sah sie mir so tief und eindringlich in die Augen, dass ich wie hypnotisiert von ihr war. Um mich herum begann alles zu verschwimmen, ich sah nur noch sie und ihre grünen Augen.

»Natascha, hör auf!«, hörte ich da die Stimme von Taylor. »Ich glaube, Sophie sagt das Wort auch ohne Tricks.« Er wandte sich wieder mir zu. »Nicht wahr, Sophie?«

Ich sah zitternd von einem zum anderen. Mir wurde klar, dass ich keine Wahl hatte; nur, was sollte das Ganze? Ein Wort sagen? Kein Geld? Kein Sex? Keine körperliche Gewalt? Was war hier los? Ich biss mir auf die Lippen und kniff die Augen zusammen. Was sollte schon passieren, wenn ich ein Wort aussprach, von dem ich nicht mal wusste, was es bedeutete? Nichts. Na also, dann konnte ich es doch sagen. Stell dich nicht so an, sagte ich innerlich zu mir selbst. Komm schon, sag das Wort.

Aber was war in diesem Fläschchen gewesen?

»Hallo? Wir warten!«, riss mich die Rothaarige aus meinen Gedanken.

»Iiin Ooordnung«, sagte ich zitternd. Ich atmete tief ein und aus, mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich schwitzte, mir wurde heiß und kalt und dann sagte ich es: »Pruebame.«

Ein gleißender Schmerz schoss mir in die Stirn. Es war, als hätte mir jemand ein glühend heißes Messer zwischen die Augenbrauen gerammt und es darin steckenlassen. Ich sank zu Boden, betäubt von dem Schmerz und schrie. Schrie aus Leibeskräften, doch Taylor drückte mir den Mund zu. Tränen rannen mir aus den Augen, ich wollte einfach nur, dass dieser Schmerz aufhörte!

»O GOTT! O MEIN GOTT! MACHT DOCH, DASS DAS AUFHÖRT! UM HIMMELS WILLEN! HILFEEE!«, versuchte ich laut zu rufen, doch durch Taylors Hände, die fest auf meinen Mund gepresst waren, drangen nur dumpfe Töne.

Ich nahm vage wahr, wie die Rothaarige zu mir trat und mir den Mund noch fester zudrückte, als Taylor es getan hatte.

»Schschsch! Hör schon auf! – Taylor, tu was, die Leute schauen schon!« Während ich mich immer noch wand und nicht mehr wusste, was ich tun sollte, drehte Taylor langsam mein Gesicht zu sich, blickte mir tief in die Augen, legte mir die Hände an die Schläfen. Was hatte er vor? Trotz des Schmerzes brachte ich es fertig mich aus dem Griff der Rothaarigen zu befreien, doch das Stechen in meiner Stirn ließ mich erneut zu Boden sinken. Es brannte wie Feuer! Erneut legte Taylor mir - diesmal von hinten - die Hände an die Schläfen. Ich roch Rauch und nahm vage das Flackern einer Flamme um meinen Kopf wahr, dann bekam ich gerade noch mit, wie ich matt zurücksank, in Taylors Arme, der meinen schlaffen, bewegungsunfähigen Körper hochhob und davontrug. Das Letzte, das ich hörte, waren seine dumpfen Schritte auf dem Asphalt, während wir uns von der Disko entfernten.

KAPITEL 2

Ich schlug die Augen auf und ein heftiger Schmerz durchzuckte meinen Kopf. Ich kniff die Lider wieder zusammen und drehte mich zur Seite.

»Scheiße«, stöhnte ich matt. Hatte ich letzte Nacht so viel getrunken? Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern. Was war denn passiert? Ich drückte das Satinkissen zurecht. Moment? Satin? So luxuriös war das Hotelzimmer von Jana, Lina und mir nicht ausgestattet. Ich öffnete die Augen erneut und wieder jagte der Schmerz wie ein Blitz durch meinen Schädel – war aber nicht mehr ganz so schlimm wie beim ersten Mal. Ich blinzelte in helles Sonnenlicht, das von einem großen, hellen Fenster durch die weißen, leichten Vorhänge drang. Nachdem sich meine Augen ein wenig an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, ließ ich den Blick durch den Raum schweifen.

Dunkler, polierter Holzfußboden, weiße Flokati-Teppiche, Glasmöbel mit goldenen Korpora, goldene Statuen, edle Wandverzierungen – wo war ich hier nur? Ich setzte mich vorsichtig im Bett auf und zuckte zusammen, als eine erneute Schmerzwelle meinen Kopf durchfuhr. Aber es wurde von Mal zu Mal besser. Ich suchte den Boden nach meinen Klamotten ab, die aber nirgends zu finden waren. O Gott? War ich nackt? Ich hob die Bettdecke ein wenig an und atmete erleichtert aus. Nein, Gott sei Dank. Ich trug ein hauchdünnes, rosé-farbenes Satin-Nachtkleid mit Spitze, das kaum meinen Hintern bedeckte! Hatte ich das freiwillig angezogen? Ich konnte mich gar nicht daran erinnern so ein Teil überhaupt zu besitzen. Vorsichtig schob ich meine Beine über die Bettdecke. Na bitte, die Kopfschmerzen ließen langsam nach. Etwas unsicher und wacklig stellte ich mich auf die Füße. Irgendwie fühlte ich mich seltsam. Wahrscheinlich war ich leichenblass, hatte dunkle Ringe unter den Augen, abstehende Haare. War hier vielleicht ein Spiegel? Wo befand sich eigentlich das Badezimmer? Und war ich etwa allein? Wenn nein, wo war derjenige, mit dem ich hier gelandet war? Musste ja stinkreich sein, der Kerl. Oder war es eine sie? O Gott, nur nicht weiter nachdenken. Und wenn ich allein war … Nein, so besoffen konnte ich nicht gewesen sein, dass ich mir so ein sexy Nachthemd geleistet hatte und dann in ein megateures Hotel eingecheckt war. Und das ohne Geld. Meine Handtasche war offensichtlich verschwunden, oder war sie etwa im Badezimmer? Ich machte den ersten Schritt.

Ahhh! Da war er wieder, dieser verdammte Schmerz. Ich rieb mir die Stirn. Moment, was war denn das? Ein überdimensionaler Pickel? Vorsichtig tastete ich mit meinen beiden Mittelfingern die Stelle zwischen meinen Augenbrauen ab. Fühlte sich an wie eine Beule, aber recht picklig und so hügelig. O Gott, war ich verletzt? War das eine blutverkrustete Wunde? Vielleicht musste ich genäht werden? Ungeachtet meiner Kopfschmerzen tappte ich schnell zur einzigen Seitentür im Raum und öffnete sie.

Wow! Wahnsinn! Vor mir erstreckte sich ein riesiges Badezimmer mit einer Badewanne, in der locker drei bis vier Personen Platz hatten, einem goldenen Waschbecken, einem überdimensionalen, goldgerahmten Spiegel, einer goldenen Dusche und ja, auch einem goldenen Klo! Zuerst war ich von der schieren Größe und Schönheit des Badezimmers geblendet, dann von meinem Spiegelbild.

Langsam und zittrig tappte ich näher zu dem großen Spiegel und starrte lange hinein. Ich hatte mich seit gestern nicht verändert, immer noch die leicht pummelige Figur, die braunen, gelockten, halblangen Haare, die im Moment, wie erwartet, sehr zerzaust waren und in sämtliche Richtungen abstanden, die grünen Augen mit einem Hauch Braun und Blau, die leichte Blässe im Gesicht – heute natürlich noch schlimmer als sonst, aber zwischen meinen Augenbrauen prangte etwas, das aussah wie ein Bindi, so ein Schönheitspunkt, den sich indische Frauen auf die Stirn klebten. Es bestand aus kleinen kristallenen, blau schillernden Steinchen, die knapp über meinem Nasenbein halbkreisförmig angeordnet waren und sich einige Zentimeter nach oben in geschwungenen Wellen fortsetzten. Nach unten in Richtung meiner Nase waren noch einige einzelne Punkte angebracht und alle funkelten und glitzerten in der hellen Badezimmerbeleuchtung. Vorsichtig ging ich ganz nah an den Spiegel heran und versuchte mit meinen Fingernägeln die Steine abzulösen, aber so sehr ich auch zog, zupfte und rieb, es ließ sich nicht bewegen. Die Haut auf meiner Stirn war schon ganz rot und leicht blutig, als ich es schließlich aufgab. Es sah so aus, als seien die Steine mittlerweile ganz mit meiner Haut verwachsen! Wo zum Teufel konnte man sich so etwas machen lassen? War das eine Art neuartiges Tattoo? Und was war verdammt noch mal letzte Nacht mit mir passiert?

Matt ließ ich mich auf den Badewannenrand sinken und dachte nach. Ich konnte mich noch gut erinnern, dass Lina, Jana und ich ins St. Trop gegangen waren. Lina hatte gleich einen Kerl gefunden und Jana und ich waren dann wie üblich erstmal auf die Tanzfläche geeilt, auf der ich dann einen Asthma-Anfall bekommen hatte und aufs Klo verschwunden war. Tja und dann … und dann …

O Mann, ich kratzte mich am Hinterkopf. Was war dann passiert? Was? Mir brach der Schweiß aus vom Nachdenken und ich bekam Panik. Wo war ich hier nur? War ich noch in Lloret? Wo waren meine Freundinnen? Wieso hatten sie nicht auf mich aufgepasst? Wir hatten uns doch geschworen nie mit irgendjemandem mitzugehen und immer auf uns zu achten. Hatte mir jemand K.O.-Tropfen ins Getränk gemischt und mich dann hierher verschleppt? Wo war dieser jemand aber dann jetzt und wo waren meine Sachen?

Ok, Sophie, beruhige dich, sonst hast du gleich den nächsten Anfall!, sagte ich zu mir selbst.

Ich spritzte mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht und putzte die Zähne mit dem bereitstehenden Zahnputzbecher und der noch verpackten Zahnbürste, die ich kurzerhand einfach aufriss. Ich überlegte, ob ich unter die Dusche gehen sollte, beschloss dann aber erst meine Sachen zu suchen und dann hier schleunigst zu verschwinden, bevor der- oder diejenige zurückkehrte, die oder der in diesem Zimmer wohnte.

Doch nach zehn Minuten vergeblichen Suchens gab ich es auf. Meine Klamotten und meine Handtasche waren wie vom Erdboden verschluckt. Ich schnappte mir ein kleines Spaghettiträgerkleid (aus dem ich schloss, dass hier doch eine Frau wohnte), welches auf einem Stuhl lag (es war leider etwas knapp und eng, aber besser als nichts) und lief barfuß eilig zur Tür. Ich rüttelte an der Klinke, verdammt! Abgeschlossen! Man hatte mich eingesperrt! Aber wieso? Was hatte man mit mir vor? War ich entführt worden? Wo zum Teufel war ich?

Ich stürzte zum Fenster und sah hinaus. Es war ungefähr Mittag und die grelle Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel herab. In weiter Ferne sah ich das Meer. So wie ich das beurteilen konnte, war ich noch immer in Lloret oder zumindest in einem an der Küste liegenden Ort. Gott sei Dank, mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich sah hinunter. Hm, ziemlich weit oben. Hier konnte ich mich also auch nicht irgendwie abseilen oder hinuntersteigen.

Und immer wieder dieselbe Frage: Wieso war ich eingesperrt?

Ziellos lief ich im Zimmer auf und ab, begleitet von meinen Kopfschmerzen, und ging die Möglichkeiten durch, die sich mir boten, was nicht gerade viele waren. Ich konnte hierbleiben und warten, was geschah. Ich konnte um Hilfe rufen, doch wer würde mich hören? Ich könnte aus dem Fenster springen – und dann tot unten aufschlagen. Ich konnte …

ich keuchte auf und sank zu Boden, als die Erinnerung mit voller Wucht zurückkehrte und mir für einen Moment den Atem raubte. Wie Blitzlichtgewitter schossen die Bilder auf mich ein. Taylor, der atemberaubende Taylor, der viele Alkohol, mein Schwindel, wir waren nach draußen gegangen, er hatte mir ein Fläschchen gegeben, ich hatte es getrunken. Dann die Rothaarige, die wahnsinnig attraktive Sexbombe, der furchterregende Südländer … Sie wollten, dass ich etwas aussprach. Ein Wort. Es fiel mir nicht mehr ein. Irgendetwas Spanisches oder Italienisches. Ich kam nicht mehr drauf. Dann der Schmerz, dieser wahnsinnige Schmerz, der mir gefühlt beinahe den Schädel gespalten hatte! Danach hatten sie irgendetwas mit mir gemacht. Ich konnte mich erinnern, wie Taylor mir seine Hände auf die Schläfen gelegt hatte. Hatten Sie mich etwa irgendwie hypnotisiert oder betäubt? Um Himmels willen! Was waren das für Leute? Ich keuchte und atmete schwer. Zittrig wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.

Polizei! Ich musste die Polizei anrufen! Nur, womit? Gab es hier ein Telefon? Verdammt! Es war hier eines gewesen, das sah ich an dem Netzanschluss neben dem Bett. Man hatte es entfernt, wahrscheinlich vorsichtshalber für den Fall, dass ich versuchen würde Hilfe zu holen.

Da hörte ich, wie es vorne an der Zimmertür klickte, sich das Schloss entriegelte und hastete schnell zurück ins Bett, zog mir die Decke über den Kopf und versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich hörte, wie sich die Tür öffnete und jemand eintrat. Die Art der Schritte sagte mir, dass es sich hier zu etwa achtzig Prozent um eine Frau handeln musste. Ich zog die Decke ein klein wenig zur Seite und linste. O Gott, die schöne Rothaarige!

»Ich weiß, dass du wach bist, also verstell dich nicht«, verkündete sie ruhig und zog die Vorhänge noch ein Stück weiter zurück, so dass das grelle Sonnenlicht mich nun direkt blendete.

Ich gab es auf, setzte mich im Bett hin und sah sie an. Dabei versuchte ich zu verbergen, wie ängstlich ich im Moment war.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte ich.

»Erst einmal möchte ich mich vorstellen; mein Name ist Natascha und dann möchte ich wissen, wie es dir geht«, sagte sie und klang fast ein wenig freundlich. Sie holte einen Stuhl und setzte sich zu mir ans Bett. Gott, war sie schön. Sinnliche, tiefgrüne Augen, blasser Porzellan-Teint ohne den geringsten Makel, blutrote, wunderschön geformte Lippen, das rote, wallende Haar, die perfekte Figur …

»Wie es mir geht? Wie es mir geht?«, fragte ich, nun ein wenig mutiger. »Sie haben mir irgendeine giftige Flüssigkeit gegeben und mich dann betäubt oder hypnotisiert! Was haben Sie mit mir vor?«

Sie nickte und atmete tief ein. »Hör zu, dass Taylor dich betäubt hat, tut mir leid. Aber du hast so eine außergewöhnlich heftige Reaktion gezeigt … Normalerweise machen wir das nicht mit unseren Schützlingen, musst du wissen.« Sie brachte ein mattes Lächeln zustande.

»Schützling? Sie nennen mich Schützling? Was soll das? Ich bin in einem Hotelzimmer eingesperrt, meine Sachen sind weg, ich konnte mich bis vor kurzem nicht an letzte Nacht erinnern, ich …«

»Schsch …«, beruhigte sie mich. »Ich versteh dich ja. Mir ging’s damals nicht anders.«

»Dir?«, fragte ich verwirrt und ging einfach wie sie zum »Du« über.

Sie nickte.

»Ja.« Sie atmete tief ein und aus. »Ja, mir. Schau her.«

Und damit wischte sie mit ihrer rechten Hand einmal über die Stelle zwischen ihren Augenbrauen, ihre Haut veränderte sich wie von Zauberhand und darunter kam – gütiger Himmel – ein wunderschön filigranes Bindi aus blutroten und weißen Steinen zum Vorschein, das ebenso wie meines in der Sonne funkelte und glänzte. Nur erstreckten sich bei ihr weitere Steine über die Augenbrauen bis fast an die Schläfen. Ich keuchte vor Überraschung.

»Du bist eine von uns, Sophie«, sagte sie einfach nur.

»Eine … eine von euch …«, flüsterte ich. »Und … und was seid ihr?«

Sie atmete wieder tief ein und aus. »Hm, was sind wir? Viele bezeichnen uns als Hexen, als Feen, Elfen; wieder andere nennen uns Magier, Zauberer, manche behaupten sogar, wir seien Götter.« Sie machte eine kleine Pause und sah mich ernst an. »Wieder andere bezeichnen uns als Teufel, Dämonen, Ausgeburten der Hölle, weil wir so anders sind. Kurzum wir sind das Übernatürliche, all das, was keiner versteht. Schön, stark, mächtig und doch auch gefährlich.«

Sie lächelte. »Wir selbst jedoch haben uns für einen weit moderneren Ausdruck entschieden, wir nennen uns die Fairies.«

»Fairies?«, fragte ich verwirrt. »Heißt das nicht auch Elfe oder Fee?«

Natascha lächelte. »Ja, aber hört es sich nicht viel schöner an?«

Ich überlegte kurz. »Na ja …«

»Und du bist auch eine«, schloss sie und sah mich aufrichtig an. Ihre herablassende Art von gestern war vollkommen verschwunden. Vielleicht nur vorübergehend?

»Was heißt das?«, fragte ich.

»Das heißt für dich, dass du vor einer der größten Entscheidungen deines Lebens stehst. Vor der größten überhaupt.«

»Welche Entscheidung?«

»Vor der Entscheidung wirklich eine von uns zu werden. Das gestern, das war nur der Anfang. Du bist erst gezeichnet worden. Ob du wirklich zu uns gehören willst, das musst ganz allein du entscheiden. Du hast die Wahl dein Leben fortzuführen, wie du es geplant hast, als gewöhnliche Menschenfrau und wirst irgendwann, vielleicht in circa sechzig oder siebzig Jahren als alte Frau oder vielleicht schon früher, wer weiß das schon, sterben. Dann werden wir dir noch heute das Prueba, das Zeichen, entfernen und du wirst schon morgen mich und Taylor und Frankie vergessen haben, zu deinen Freundinnen zurückkehren und so weitermachen, als wenn nichts geschehen wäre.«

»Und wenn ich mich …« Ich zögerte. »Wenn ich mich für euch entscheide?«

Sie lächelte wieder und wurde dann sehr ernst. »Dann wird es umgekehrt sein, dann werden sie dich vergessen. Sie haben es schon getan. In dem Moment, als du mit Taylor die Disko verlassen hast, haben sie dich für immer vergessen. Alle, die du je gekannt hast, haben dich vergessen. Es ist, als hättest du nie existiert.«

Ich keuchte auf und rief entsetzt: »WAS? Wie können Sie dann sagen, ich hätte die Wahl, in mein normales Leben zurückzukehren?«

»Ruhig, Sophie. Die Erinnerung an dich wird zurückkehren, solltest du dich gegen uns entscheiden. Doch sollte deine Entscheidung für uns ausfallen, werden sie dich wirklich für immer vergessen. Das solltest du zuallererst wissen.«

Sie machte eine Pause, blickte mich durchdringend an und ließ die Worte auf mich wirken.

Schließlich trat ein Lächeln auf ihr Gesicht.

»Aber dann, Sophie, dann erwartet dich ein Leben, wie man es sich aufregender nicht vorstellen kann. Du wirst dich verändern. Du wirst schön sein, makellos und wirst eine vollkommen neue Persönlichkeit besitzen. Schau mich an, schau Taylor an, schau selbst Frankie an. Wir sind Geschöpfe einer anderen Art, Wesen des Zaubers, wir sind stark und besitzen Kräfte, die du dir nicht einmal in deinen kühnsten Träumen ausmalen kannst!«

Sie sah mich mit glänzenden Augen an und steckte mich ein klein wenig mit ihrer Euphorie an.

»Was geschieht dann mit mir?«

»Na ja, erst einmal musst du lernen. Du musst alles über uns, über unsere Geschichte lernen. Und du musst lernen mit unseren Kräften, unseren Fähigkeiten umzugehen. Wir haben Schulen, besondere Akademien dafür. Und auf einer werden wir dich anmelden.«

Langsam nickte ich. Natürlich! Dass ich da nicht früher darauf gekommen war! Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. Meine Güte! Wie hatte ich nur so dumm sein können?

»Ok! Ich gebe zu … der war echt gut.« Ich klatsche in die Hände und sah mich dabei um. Mit Sicherheit war hier irgendwo eine versteckte Kamera eingebaut. Wahrscheinlich lief ich schon auf Youtube im Livestream. Mir kam Jana in den Sinn und ihr Grinsen, als ich mit Taylor die Disko verlassen hatte. Ja, wirklich witzig, echt.

»Es ist kein Scherz.« Natascha ließ sich nichts anmerken. Eine wirklich gute Schauspielerin, das musste man ihr lassen. Ich musste mit meinen Freundinnen reden. Das Ganze war vielleicht ganz lustig und in zehn Jahren würden sich immer noch alle darüber kaputtlachen, aber auf der anderen Seite war es rausgeschmissenes Geld. Das Zimmer, der ganze Aufwand … Mit Sicherheit hatten sie einen Maskenbildner engagiert, der mir in meinem Rausch mit Superkleber diese Steinchen appliziert hatte. Und ich hoffte sehr, dass die Leute von Verstehen Sie Spaß? oder wie auch immer die Show hieß, bald hier auftauchten.

Taylor kam mir in den Sinn. O Gott, er war ja dann auch nur ein Schauspieler! Und ich hatte mich von ihm abfüllen lassen, hatte geglaubt, er interessiere sich für mich – wie dämlich konnte man sein! So ein Mist! Und für einen Moment hatte ich diesen ganzen Fairy-Quatsch wirklich geglaubt!

»Es ist alles wahr.« Natascha klang geduldig, als hätte sie diese Situation schon hundert Mal mitgemacht.

»Sicher«, sagte ich, rollte mit den Augen und langsam wechselte meine Enttäuschung über in Wut. Und das lag, ehrlich gesagt, an dem Gedanken, dass Taylor in Wahrheit dafür bezahlt worden war mich anzusprechen. Klar, was auch sonst? Ich brauchte ja nur in den Spiegel zu sehen.

»Sophie!« Nataschas Stimme wurde lauter. »Hört auf damit! Sieh her!«

Und vor meinen Augen begann plötzlich die Nachttischlampe zu schweben. Sie hob sich einige Zentimeter in die Lüfte, verharrte dort für ein paar Sekunden und kehrte dann langsam auf ihren Platz neben meinem Bett zurück.

Ich riss die Augen auf. Wie hatte sie das gemacht?

Natascha tippte sich mit dem Finger an die Schläfen.

»Alles mit der Kraft der Gedanken«, sagte sie lächelnd.

Ich jedoch war immer noch skeptisch. Jeder Zirkuszauberer beherrschte Tricks mit denen man Dinge fliegenlassen konnte. Wahrscheinlich war das nur eine optische Täuschung.

Natascha hatte aufgehört zu lächeln und sah mich wieder sehr ernst an. Ich hatte beinahe das Gefühl, sie durchbohrte mich mit ihren tiefgrünen Augen.

Da sah ich etwas Weißes aus den Augenwinkeln. Unmöglich!

Mit vor Schreck geweiteten Augen sah ich mich im Zimmer um. Es schneite! Hier! Mitten im Raum! Mitten im Sommer! Hier in Spanien!

»Wie …?«, setzte ich ungläubig an. »Was …?«

Sie lachte leise. »Der Schnee existiert nur in deiner Vorstellung. Ich lasse dich sehen, was immer ich will.«

Ich starrte auf den Schnee und spürte wie mein Gehirn versuchte zu verarbeiten, was es da sah. Konnte es wahr sein? Gab es so etwas wie Magie wirklich? Zauber? Eine andere Welt?

Ich sah sie lange an und sie blickte einfach zurück. Sie strahlte eine unglaubliche Stärke und Ruhe aus, war wunderschön und Taylor, er war mehr als nur schön, er hatte mich vollkommen in seinen Bann gezogen. Sagten sie die Wahrheit? Konnte ich auch so sein? Würde Taylor dann vielleicht mehr in mir sehen? Makellos hatte sie gesagt. Hieß makellos vielleicht auch gesund? Ich schüttelte die Gedanken aus meinem Kopf. Nein, das war sicherlich nicht der Fall. Bloß keine falschen Hoffnungen machen. Außerdem hatte ich so viele Pläne, so viele Vorstellungen von meinem Leben. Ich würde eine Ausbildung beginnen, mein erstes eigenes Geld verdienen, damit endlich meine Oma unterstützen, bei der ich lebte, seit meine Eltern gestorben waren. Damals war ich gerade mal zwei Jahre alt gewesen. Es würde sich alles ändern, hatte sie gesagt. Alle würden mich vergessen, meine Freunde, meine Oma …

»Für deine Großmutter ist gesorgt, sei ganz beruhigt«, sagte Natascha, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Moment …

»Ja«, erklärte sie. »Ich kann deine Gedanken lesen. Das ist eine MEINER besonderen Fähigkeiten. Das zeichnet mich als Seekerin besonders aus und macht es in mancherlei Hinsicht leichter für uns.«

»Seekerin?«, fragte ich.

»Ja, Taylor, Frankie und ich, wir sind Seeker, ein anderes Wort für Sucher. Wir suchen diejenigen, die die Seelen in sich tragen, so wie du. Wir treten immer in Dreiergruppen auf und sind wie eine Elitetruppe. Wir müssen verdammt gut ausgebildet werden, dafür trainieren wir hart. Nur die besten Fairies kommen für eine Seekerlaufbahn in Frage und wir drei, wir können zu Recht mit Stolz sagen, dass wir zu den besten Seekern dieser Welt gehören. Du kannst also ganz sicher sein, keine Sorge.«

»Sicher sein, wovor?« Mich beschlich ein unbehagliches Gefühl.

»Ähm … Hör zu, Sophie, am besten du legst dich noch ein wenig hin. Sicher hast du noch Kopfschmerzen. Wir sehen regelmäßig nach dir. Du hast Zeit mit deiner Entscheidung bis morgen Abend.«

Sie sah mich lächelnd und auch ein wenig besorgt an. »Und mach dir keine Sorgen. Egal, wie du dich entscheidest.«

Damit stand sie auf, schwebte auf ihren unglaublich hohen Schuhen Richtung Tür und verschwand.

Kaum hatte sie den Raum verlassen, war ich auch schon auf den Beinen, eilte zur Tür – nur um festzustellen, dass sie verschlossen war. Sie hatte mich also wieder eingesperrt. Aber wie? In welchem Hotel gab es denn Türen, die man von innen nicht mehr öffnen konnte? Warum hatte sie das gemacht? Hatte sie Angst, ich würde fliehen?