Familie mit Herz 187 - Nora Stern - E-Book

Familie mit Herz 187 E-Book

Nora Stern

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Beschreibung

Die Kirschen in Nachbars Garten sind immer noch die leckersten. Das wissen auch die Kinder aus der neuerbauten Wohnanlage, allen voran die kleine Ellis. Allerdings ist es gar nicht so einfach, an die köstlichen Früchte heranzukommen, denn eine hohe Hecke trennt das Nachbargrundstück von ihrem Spielplatz. Die anderen Kinder geben den Traum von einer herrlichen Schlemmerei bald auf - nur nicht Ellis. Sie entdeckt eines Tages ein kleines Schlupfloch durch die Hecke, und vorwitzig wie sie nun mal ist, nutzt sie die Chance.
Das Erste, was sie in dem fremden Garten wahrnimmt, sind die großen Räder eines Rollstuhls. Dann wandert ihr Blick nach oben und trifft auf die traurigen Augen eines kleinen Jungen. Ellis, die nicht nur neugierig ist, sondern auch ein mitfühlendes Herz hat, beschließt, das Geheimnis um den unglücklichen Jungen herauszufinden. Eine Kinderfreundschaft entsteht, von der die Erwachsenen lange Zeit nichts ahnen ...

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Seitenzahl: 105

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Kraft der Freundschaft

Vorschau

Impressum

Die Kraft der Freundschaft

Wie ein gelähmter Junge zurück ins Leben findet

Von Nora Stern

Die Kirschen in Nachbars Garten sind immer noch die leckersten. Das wissen auch die Kinder aus der neuerbauten Wohnanlage, allen voran die kleine Ellis. Allerdings ist es gar nicht so einfach, an die köstlichen Früchte heranzukommen, denn eine hohe Hecke trennt das Nachbargrundstück von ihrem Spielplatz. Die anderen Kinder geben den Traum von einer herrlichen Schlemmerei bald auf – nur nicht Ellis. Sie entdeckt eines Tages ein kleines Schlupfloch durch die Hecke, und vorwitzig wie sie nun mal ist, nutzt sie die Chance.

Das Erste, was sie in dem fremden Garten wahrnimmt, sind die großen Räder eines Rollstuhls. Dann wandert ihr Blick nach oben und trifft auf die traurigen Augen eines kleinen Jungen. Ellis, die nicht nur neugierig ist, sondern auch ein mitfühlendes Herz hat, beschließt, das Geheimnis um den unglücklichen Jungen herauszufinden. Eine Kinderfreundschaft entsteht, von der die Erwachsenen lange Zeit nichts ahnen ...

»Eines Tages wird ein schöner Prinz kommen, über die Hecke klettern, und dann ...«

»Hör auf, Ellis! Ich krieg' Angst.« Flehend sah der dreijährige Florian die fast doppelt so alte Ellis Stockmayer an.

»... und dann kommt ein Riese und verzaubert den Prinzen«, fuhr Ellis ungerührt fort. »Hinter der Hecke bewachen auch Hunde, Löwen und Tiger die verzauberte Prinzessin ...«

In diesem Augenblick zuckte Ellis zusammen, denn unter der dichten Hainbuchenhecke, die das Nachbargrundstück vom Gelände der neu erbauten Wohnanlage trennte, leuchteten zwei grüne Augen auf.

»Der Tiger!«, schrie Florian und flitzte davon.

»So ein Baby!« Ellis schüttelte abfällig den Kopf über ihn, dann kniete sie sich auf den Rasen und lockte die Katze, die sich im Heckendickicht verborgen hatte: »Mutz! Mutzi! ...«

Doch die Katze kümmerte sich nicht um die Rufe der Sechsjährigen, sondern machte kehrt und verschwand auf dem für die zahlreichen Kinder hier so geheimnisvollen Grundstück.

Ellis wäre dem Kätzchen gern gefolgt und überlegte gerade, wie sie es schaffen konnte, durch die Hecke zu gelangen, als ihre Mutter herankam.

»Es ist schon spät, Ellis. Warum kommst du nicht einmal freiwillig nach Hause?«

»Aber Mami! Ich muss doch warten, bis der Prinz kommt!«

Verena hatte jedoch die Hand des Kindes bereits gepackt und zog die Kleine hinter sich her auf das Haus zu, in das sie erst vor einigen Wochen eingezogen waren.

»Du könntest es mir wirklich ersparen, dich jedes Mal holen zu müssen«, erklärte Verena ihrer Tochter, während sie den Fahrstuhlknopf drückte. »Ich habe dir doch extra die Micky-Maus-Uhr gekauft und dir gezeigt, wie die Zeiger stehen, wenn es sechs Uhr ist.«

»Och, die Uhr! Die hab ich total vergessen.« Ellis senkte schuldbewusst das hellblonde Lockenköpfchen.

»Du hast doch nicht etwa wieder den ganzen Nachmittag damit verbracht, das Nachbargrundstück zu beobachten?« Verena verbarg nur mit Mühe das aufsteigende Schmunzeln. »Glaub mir, Schätzchen, in dem Haus hinter der Hecke wohnen bestimmt ganz normale Leute.«

»Hm«, machte Ellis skeptisch.

Dann glitt die Lifttür auf, und Mutter und Tochter marschierten über den Flur auf die Wohnungstür zu.

Ellis durchquerte schnurstracks das Wohnzimmer, sobald Verena aufgeschlossen hatte, und schlüpfte hinaus auf den Balkon.

Nachdenklich lehnte sie sich an die Brüstung und spähte hinüber zu dem geheimnisvollen Grundstück am Rande der Wohnsiedlung.

»Mami, warum sieht man die Leute nie, die dort wohnen?«, rief sie über die Schulter zurück.

Verena tauchte in der Balkontür auf, warf nun ebenfalls einen kurzen Blick hinüber auf das zwischen blühenden Kirsch- und knospenden Apfelbäumen durchleuchtende Ziegeldach des fremden Wohnhauses und zuckte die Schultern.

»Vielleicht sind die Leute schon sehr alt. Oder sie wohnen nicht ständig hier. Aber jetzt lass uns endlich Abendbrot essen.«

♥♥♥

Alexander Seisers Hände krampften sich um die Griffe des Rollstuhls, in dem sein siebenjähriger Sohn Julian saß.

»Frierst du, mein Kleiner?«, erkundigte er sich besorgt.

»Nö!« Julian lachte. »Es scheint doch schon seit heute Morgen die Sonne.«

»Hast du Hunger?«

»Papa! Flora hat mir erst vor einer Stunde Milch und Quarkschnitten gebracht.«

Alexander schob den Rollstuhl über den eigens dafür angelegten Weg zwischen den Obstbäumen her zu der Laube am Ende des Grundstücks. Er setzte sich dem Jungen gegenüber und lächelte Julian zu.

»Du fühlst dich doch hoffentlich wohl?«

Der Junge grinste über das ganze sommersprossige Kindergesicht.

»Mir geht es doch gut, Papa! Du sollst dir nicht immer Sorgen machen.«

»Na ja, immerhin bist du seit über drei Jahren krank, Julian«, gab Alexander leise zurück.

Das unbekümmerte Jungenlachen erlosch. Julian sah auf seine sorgfältig in eine Wolldecke eingewickelten Beine, die auf dem chromblitzenden Fußteil des Rollstuhls ruhten.

Alexander strich seinem Sohn durch das feine rötliche Haar. »Willst du ein bisschen mit dem Tablet spielen?«

»Ich hab keine Lust, schon wieder irgendetwas zu zocken«, maulte Julian. »Kann ich dir nicht ein bisschen bei der Gartenarbeit helfen?«

Für einen Augenblick blitzten Alexanders graue Augen auf. Er freute sich, dass sein Sohn Interesse an dieser für ihn selbst eher ungeliebten Arbeit zu haben schien.

»Wenn du magst, kannst du die Blumenbeete besprengen.«

Damit war Alexander bereits auf dem Weg zum Schlauchwagen. Er gab Julian das Ende mit der Spritzdüse in die Hand.

Geschickt lenkte der Junge den Wasserstrahl nacheinander auf die keimenden Dahlien, den allmählich aufschießenden Rittersporn und die blauen Vergissmeinnichtpolster, die den Plattenweg säumten.

Alexander hatte den elektrischen Rasenmäher aus dem Geräteschuppen geholt. Fast unhörbar glitt der Mäher über das sprießende Grün.

Julian lauschte indessen auf die fröhlichen Kinderstimmen, die von jenseits der Hainbuchenhecke gedämpft herüberdrangen. Wie sehr wünschte er sich, sein Vater möge wenigstens einem der Kinder dort drüben erlauben, hier bei ihnen im Garten zu spielen.

So versunken war der Junge in seinen Wunschtraum, dass er den Wasserstrahl auf den zwischen den blühenden Tulpen kauernden Kater lenkte. Mit einem gereizten »Miau« fuhr Redy in die Höhe.

»Entschuldige, Redy!« Julian streckte die Arme nach seinem Liebling aus, der Tigerkater aber spielte den Beleidigten. Mit hocherhobenem Schwanz stolzierte er auf das Haus zu, wo er seinen wohlgefüllten Futternapf wusste.

Flora Thomann, die Haushälterin, machte einen erschrockenen Satz zur Seite, als Redy an ihr vorbei in den Flur huschte. Doch dann musste die ältliche Frau über sich selbst lachen. Immerhin war sie schon seit Jahren bei den Seisers angestellt und kannte den verwöhnten Kater, seit Lea, Alexanders verstorbene Frau, ihn als hilfloses Katzenbaby hierhergebracht hatte.

»Das Abendessen ist angerichtet«, rief Flora jetzt Vater und Sohn zu. »Kommt rasch, sonst schmeckt der Reisauflauf nicht mehr.«

Alexander, der ohnehin fand, sein Garten sei für diesen Tag reichlich versorgt, stellte den Rasenmäher ab, drehte den Wasserhahn zu und schob seinen Sohn ins Haus.

Gerade als Flora Julian Himbeersaft über den süßen Auflauf goss, flog nur wenige Meter vor dem weit geöffneten Fenster ein bunter Ball über die hohe Hecke, prallte dicht vor dem Haus auf und sprang um Haaresbreite an der Scheibe vorbei.

»Diese Bengel«, erregte sich Alexander. »Seit die neuen Häuser bezogen sind, ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher!«

Flora lachte laut auf. »Na, na! Lebensgefährlich ist ein Ball höchstens für die Fensterscheiben.«

»Hätten die ihre Häuser bloß anderswo gebaut«, kam es so barsch von Alexander, dass Flora nichts mehr darauf erwidern mochte.

Stattdessen ging sie nach draußen und kickte den Ball mit einem gekonnten Fußtritt zurück auf die andere Seite der Hecke.

♥♥♥

Alexander Seiser saß tags darauf schon am frühen Morgen über einem neuen Buchhaltungsprogramm, das er im Auftrag der Firma Neuhold entwickelte.

Er probierte das Programm gerade auf seinem Computer aus, als aufgeregtes Kindergeschrei von der Neubauanlage herüberdrang, das sich zu ohrenbetäubendem Gekreische steigerte.

Wütend sprang Alexander auf und stieß dabei an die Tastatur. Ohne dass er hätte sagen können, welchen der unzähligen Knöpfe er unwillkürlich gedrückt hatte, zuckte er zusammen, als plötzlich seltsame Zeichen über den Bildschirm flackerten.

»Das auch noch!«, stöhnte er und strich sich irritiert durch sein dichtes, braunes Haar. »Jetzt bin ich wegen der Rabauken mit dem Programm abgestürzt!«

Alexander knallte die Fensterflügel so hart zu, dass die Scheiben klirrten.

»Warum habe ich nicht Geld genug gehabt, um den ganzen Moserhof-Grund aufzukaufen«, murmelte er vor sich hin. »Dann hätte niemand diese verflixten Hochhäuser genau vor meinem Haus bauen können. Seit sie bezogen sind, habe ich keine ruhige Minute mehr.«

Er schloss die Augen. Damals, als ich mein Haus gebaut habe, hätte ich mir niemals träumen lassen, wie das alles einmal endet, ging es ihm durch den Sinn.

Damals – das war gleich nach seiner Eheschließung mit Lea gewesen. Noch vor Julians Geburt war das Haus hier fertig geworden, und zusammen mit seiner Frau, die sich gegen jeden anderen Zaun vehement gewehrt hatte, hatte er die Hainbuchenhecke gepflanzt, den Garten angelegt und von einem glücklichen, harmonischen Familienleben geträumt.

Die vier Jahre nach Julians Geburt waren die Erfüllung dieses Traumes gewesen. Abends, wenn Alexander von seiner anstrengenden Arbeit als Informatiker heim in das gepflegte Häuschen am Stadtrand gekommen war, hatten ihn Frau und Kind bereits erwartet.

Schon damals war Flora Thomann zweimal die Woche gekommen, um der zarten jungen Lea bei der gröberen Hausarbeit zu helfen.

Alexanders Hobby war damals der Blumengarten gewesen, und Lea hatte ihn bei dessen Pflege tatkräftig unterstützt. Sogar die Obstbäume, die schon beim Kauf des Grundstückes hier gestanden hatte, hatte er im Vorfrühling regelmäßig geschnitten. Im Herbst hatte Lea dann den reichlichen Fruchtsegen zu Marmelade verarbeitet.

Alexander schüttelte den Kopf, als könne er so die trüben Gedanken vertreiben. Doch der Tag, an dem sein Glück ein jähes Ende gefunden hatte, hatte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingeprägt.

Lea war mit Julian beim Kinderarzt gewesen, um den Jungen für die geplante Urlaubsreise in den Süden impfen zu lassen. Auf dem Rückweg war dann das Schreckliche geschehen: Ein übermüdeter Fernfahrer hatte Leas Kleinwagen einfach überrollt.

Zuerst hatte Alexander nicht zu hoffen gewagt, dass Julian die schweren Verletzungen überleben könnte. Doch als die Ärzte ihm schließlich mitteilten, dass das Kind über den Berg sei, hatte er seine ganze Kraft zusammengenommen und sich bemüht, seinem Sohn wenigstens einen Teil seiner heilen Welt zu erhalten.

Monate waren vergangen, und die Ärzte hatten Alexander immer wieder versichert, Julian würde völlig genesen. Für die Unfähigkeit des Jungen, seine Beine zu gebrauchen, fanden sie keine Erklärung. Bis heute nicht.

»Die Röntgenbilder ergeben keinen Befund«, war der Routinesatz nach jeder Untersuchung. »Es muss ein Trauma sein.«

Anfangs hatte Alexander mit seinem Sohn einen Arzt nach dem anderen konsultiert, doch keiner von ihnen konnte oder wollte ihm große Hoffnungen machen.

Auch mit diesem Schicksalsschlag – Julian würde wahrscheinlich lebenslang im Rollstuhl sitzen – musste Alexander nach und nach fertig werden.

Er hatte schließlich seinen Job im Informatikzentrum aufgegeben und sich selbstständig gemacht. So konnte er rund um die Uhr für seinen kranken Sohn da sein. Zudem waren die Einkünfte, die er beim Ausarbeiten spezieller Computerprogramme für verschiedene Firmen erzielte, höher als früher.

Doch darauf hätte der Vater nur zu gern verzichtet, wäre Julian tatsächlich wieder völlig gesund geworden.

Alexander setzte sich wieder vor den Bildschirm. Gekonnt fuhr er mit der Mauszeiger darüber, drückte hier und da eine Taste – und bald hatte er das Buchhaltungsprogramm wieder auf dem Schirm.

Als er die Kalkulationen eingab, hörte er von unten die Stimme Paul Ungers, des Hauslehrers, den er für Julian engagiert hatte.

Zufrieden nickte Alexander. Er wusste seinen Sohn bei Paul Unger in besten Händen, und auch das Programm würde den Erwartungen der Firma Neuhold entsprechen.

♥♥♥

Als Verena mit Ellis am Nachmittag über den Fußgängerweg, der an der Hainbuchenhecke vorbeiführte, auf »ihr« Haus zusteuerte, stutzte die Kleine: Da saß wieder die niedliche Tigerkatze!

»Mutzi!« Ellis wollte das Tierchen streicheln, doch Redy machte einen Satz und war im nächsten Augenblick durch die Hecke verschwunden.

»Komm jetzt endlich«, mahnte Verena. »Wenn wir etwas essen wollen, muss ich mich ums Kochen kümmern.«

Ohne Widerrede trottete die Kleine hinter der Mutter her.

Als der Aufzug im Erdgeschoss hielt, dachte Ellis keine Sekunde mehr an den Vormittag, den sie wie immer im Kindergarten verbracht hatte. In ihrem Köpfchen spukte ein anderer Gedanke: Die Katze musste wirklich in dem »verwunschenen Haus« hinter der Hecke wohnen. Und wenn die herausgekommen war, musste es auch einen Weg hinein geben!

»Träumst du wieder?« Lächelnd schob Verena ihre Tochter in die Wohnung.

»Ich träume nur von den Pfannkuchen, die du gleich backen wirst.« Verschmitzt lächelte das Kind. Niemals hätte es verraten, dass seine Gedanken unablässig um das Haus kreisten, von dem es bisher nur das rote Ziegeldach durch die Baumwipfel hatte schimmern sehen.

Verena goss die erste Teigportion ins heiße Fett. Während der Pfannkuchen bräunte, wanderte ihr Blick durch die kleine, aber zweckmäßig eingerichtete Wohnung.

Wie froh war sie doch, dass ihr Einkommen als Halbtagssekretärin bei »Gratz & Sohn« für die Miete hier ausreichte! Und den kärglichen Rest, der von ihrem Gehalt danach übrig blieb, konnte sie hier gut aufbessern, indem sie für andere berufstätige Frauen Bügelwäsche übernahm.