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Das Kind, das unsere Liebe rettete - Wie ein ungewolltes Baby zwei Menschen neu verband
Das winzige Baby schläft tief und fest. Die Fäustchen neben den roten Wangen liegend, bietet es ein Bild des Friedens. Doch in Simone löst dieser Anblick ein Gefühl tiefster Verzweiflung und Schuld aus. Denn die kleine Niki ist nicht ihr einziges Baby. Schon einmal, gleich nach dem Abitur, hat sie einem Kind das Leben geschenkt und es dann unter dem Druck der Eltern fortgegeben. Aus Angst vor dem Skandal!
Seitdem bereut Simone diesen Schritt und würde ihn gern rückgängig machen. Doch die Furcht, ihren Mann nach diesem Geständnis zu verlieren, ist größer und lässt sie schweigen. Immer drückender und belastender wird die Ungewissheit für sie, wie es ihrem kleinen Sohn heute gehen mag. Und eines Tages bricht Simone unter ihren Schuldgefühlen zusammen ...
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Familie ist da, wo man lebt, liebt und lacht. Familie ist da, wo man Trost und Wärme findet. Und eben jene Geschichten, wie sie nur das Leben schreibt, mit all seinen Höhen und Tiefen.
Hier erwarten sie Glück und Geborgenheit, Ängste und Sorgen, hier wird es mal lustig, mal dramatisch, es wird getanzt und gelacht, gestritten und verziehen - hier werden Erinnerungen geschaffen, die unvergesslich bleiben.
Alle 14 erscheint eine neue Folge von Familie mit Herz.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.
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Seitenzahl: 103
Cover
Impressum
Das Kind, das unsere Liebe rettete
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: monkeybusinessimages / iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-7147-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Das Kind, das unsere Liebe rettete
Wie ein ungewolltes Baby zwei Menschen neu verband
Von Ursula von Esch
Das winzige Baby schläft tief und fest. Die Fäustchen neben den roten Wangen liegend, bietet es ein Bild des Friedens. Doch in Simone löst dieser Anblick ein Gefühl tiefster Verzweiflung und Schuld aus. Denn die kleine Niki ist nicht ihr einziges Baby. Schon einmal, gleich nach dem Abitur, hat sie einem Kind das Leben geschenkt und es dann unter dem Druck der Eltern fortgegeben. Aus Angst vor dem Skandal!
Seitdem bereut Simone diesen Schritt und würde ihn gern rückgängig machen. Doch die Furcht, ihren Mann nach diesem Geständnis zu verlieren, ist größer und lässt sie schweigen. Immer drückender und belastender wird die Ungewissheit für sie, wie es ihrem kleinen Sohn heute gehen mag. Und eines Tages bricht Simone unter ihren Schuldgefühlen zusammen …
Simone Gerlach schloss die Augen. Sie fühlte sich elend, wie fast immer während der vergangenen vier Monate. Aber dieses Mal hatte sie das Gefühl, dass der Druck nicht vom Magen kam, sondern dass es das Herz war, das so schmerzte.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte eine freundliche Stimme.
Simone schlug die Augen auf und sah in das besorgte Gesicht einer Stewardess.
»Danke, es geht schon. Ich habe nur überlegt …« Sie brach ab. Das, was sie überlegt hatte, ging eine Fremde nichts an.
»Sie müssen sich anschnallen, wir starten gleich«, mahnte die Stewardess mit berufsmäßiger Freundlichkeit. Und dann setzte sie hinzu, vielleicht, weil sie Mitleid mit der junge Frau hatte: »Sobald wir gestartet sind, bringe ich Ihnen eine Tasse Tee!«
»Ja, das wäre sehr nett«, murmelte Simone.
Sie schnallte sich vorschriftsmäßig an und wandte dann den Kopf zur Seite. Mit einem leichten Ruck setzte sich das Flugzeug in Bewegung. Es glitt zur Rollbahn. Dort verhielt es einen Augenblick, bevor die Motoren aufheulten. Kurz darauf schon blieb das Flughafengebäude unter ihnen zurück, die Häuser wurden immer kleiner.
Jetzt flogen sie durch die Wolken. Über dem Jet war gleißend blauer Himmel, darunter eine dicke, sahneartige Wolkendecke, die alles, was zurückblieb, ihren Blicken entzog.
Ach, warum konnte sie das vergangene halbe Jahr nicht genauso hinter sich lassen? Simone seufzte unglücklich auf.
»So, nun dürfen Sie sich wieder abschnallen, Frau Gerlach«, sagte betont munter die hübsche Stewardess und servierte die versprochene Tasse Tee. »Haben Sie sonst noch irgendwelche Wünsche?«
»Danke, nein«, murmelte Simone und wich dem Blick der Frau aus.
Die Stewardess betrachtete sie noch einen Moment und zog sich dann zurück.
»Was kann die schon für Sorgen haben?«, sagte sie im Cockpit zum Kopiloten. »Mit zwanzig Jahren erster Klasse nach Zürich. Wahrscheinlich hat sie zu viel Geld.«
Nachdem Simone den Tee getrunken hatte, lehnte sie sich wieder zurück und schloss die Augen.
Sofort fielen die quälenden Gedanken wieder über sie her. Sie flog allein in die Schweiz, um dort ein Kind zur Welt zu bringen, ein Kind, das niemand wollte. Sie nicht, ihre Eltern nicht – und bestimmt auch nicht sein Vater, der sie vergessen zu haben schien.
War das Wirklichkeit? Oder war es nur ein böser Traum, aus dem sie im nächsten Moment erwachen würde? Denn so etwas Schreckliches konnte ihr doch nicht passieren!
Jedem anderen – aber nicht ihr, Simone Gerlach, der verwöhnten, einzigen Tochter des Rechtsanwaltes Dr. Gerd Gerlach und seiner schönen, extravaganten Frau Isabelle.
Im vergangenen Mai hatte Simone das Abitur gemacht. Trotz der ständigen Ablenkung durch das überaus rege gesellschaftliche Leben ihrer Eltern hatte sie hervorragend abgeschnitten. Sie konnte wählen, welches Fach sie studieren wollte. Man bot ihr sogar ein staatliches Stipendium an, obgleich sie als Tochter des Staranwaltes Gerd Gerlach dies wahrhaftig nicht nötig hatte.
Wie war sie gefeiert, bewundert, beneidet worden, damals, im vergangenen Sommer! War das wirklich erst fünf Monate her?
Simone hatte geglaubt, dass das Leben ihr alle seine Schönheiten und Reichtümer biete – und jetzt?
Wenn sie die Zeit doch noch einmal zurückdrehen könnte …
***
Nach dem Abitur und den anschließenden Feierlichkeiten reiste Simone zu einem Geschäftsfreund ihres Vaters nach London, wo sie die fünf Monate bis zum Semesterbeginn damit verbringen sollte, ihr Englisch auf Hochglanz zu bringen.
Schon bald lernte sie auf einer Party, die ihre Gastgebereltern für sie veranstalteten, einen jungen Künstler kennen.
Simone wusste nicht weshalb, doch immer wieder wanderten ihre Blicke zu dem Mann hinüber, der so um die dreißig sein mochte. Er trug das schwarze Haar halblang. Die wachen Augen waren von einem überraschend strahlenden Blau, und sein gut geschnittener Mund deutete auf Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit.
Simone erschrak, als er plötzlich auf sie zutrat.
»Mein Gott, sind Sie schön! Ich habe noch nie etwas so Vollkommenes gesehen – meine Kunstwerke selbstverständlich ausgenommen.« Er lachte, als mache er sich über sich selbst lustig. Aber sein Blick drückte rückhaltlose Bewunderung für Simone aus.
Er hob die rechte Hand und zeichnete mit den Fingern vorsichtig ihre schmale, reine Stirn nach, verweilte einen Augenblick bei der leichten Vertiefung ihrer Schläfen, ließ dann die Fingerspitzen über das weiche Rund ihrer Wangen gleiten, strich den schlanken Hals entlang und berührte zuletzt ihre fein geschnittene Nase und die verwirrt und überwältigt leicht geöffneten Lippen.
»Darf ich Sie modellieren?«, fragte er und lächelte Simone dabei zu, als verbände sie ein Geheimnis. »Würde es Ihnen Spaß machen, mir Modell zu sitzen?«
Simone nickte scheu. Sie wusste nicht, was ihr geschehen war. Ihr war, als schwebe sie in einem luftleeren Raum, in dem es niemanden gab außer Brian Taylor und sie selbst. Nichts und niemand sonst zählte mehr.
War das die Liebe? So überwältigend, so schlagartig – und so ausschließlich?
Brian holte Simone am folgenden Morgen ab in sein Atelier, wo er einige Zeichnungen von ihr machte. Geschickt fragte er sie aus und wunderte sich, welch lebhaftes Temperament und welches Wissen in ihr steckten.
»Ich bin froh, dass deine Stimme zu deinem Äußeren passt«, sagte er und lächelte sie an, »weich und warm!«
Simone errötete, was sie noch reizvoller aussehen ließ.
Von nun an saß sie ihm fast jeden Tag Modell, und Brian arbeitete fieberhaft.
»Hoffentlich verlierst du nicht die Geduld«, meinte er einmal zu ihr.
Simone verlor die Geduld keineswegs. Sie hatte in ihrer ersten, seligen Verliebtheit nur den einen Wunsch, so oft wie nur möglich bei ihm zu sein.
Und als er sie dann, nachdem wieder ein Bild fertig war, an sich zog und zärtlich küsste, wurde für Simone ein Traum Wirklichkeit. Hingebungsvoll schmolz sie in seinen Armen und erwiderte seine Küsse mit wachsender Leidenschaft.
Nie hatte sie sich so glücklich gefühlt wie in diesem Augenblick, als sie eins wurden …
***
Brian stützte sich auf den Ellbogen und betrachtete nachdenklich das schöne Gesicht Simones, das die Leidenschaft der Liebe mit einem zarten Hauch von Röte überzogen hatte.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich dein erster Mann bin?«, fragte er nach einer Weile.
Die Zärtlichkeit verdunkelte Simones Augen, sodass sie beinahe schwarz wirkten.
»Warum hätte ich das sagen sollen?«
»Hm.« Mit einem Ruck setzte Brian sich auf.
»Was hast du? Bist du mir böse?«
»Dir nicht, aber mir! Ich bin alt genug, ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es dir ansehen müssen. Aber ich verlor den Kopf …«
»Wenn ich dir sage, dass es mir nichts macht, dass ich sehr glücklich bin …«
»Weißt du denn nicht, dass ich morgen nach New York fliege?« Er wandte sich ihr zu.
Alle Farbe wich aus Simones Gesicht.
»Nein. Das ist nicht wahr. Du lässt mich nicht allein! Jetzt nicht – nie mehr!«
»Ich dachte, du wüsstest es. Alle sprachen doch davon …«
»Aber so bald schon? Kannst du nicht noch ein paar Wochen warten? Ich würde mit meinen Eltern sprechen. Vielleicht kann ich mitkommen.«
»Unmöglich«, erwiderte Brian scharf. »Die Ausstellung wird in der nächsten Woche eröffnet. Ich muss meine Skulpturen und Skizzen selbst aufhängen und aufstellen. Wer außer mir kann sie am besten ins Licht rücken?«
Ein Kloß saß Simone in der Kehle. »Darf ich nachkommen?«
Ein flüchtiges Lächeln glitt über sein Gesicht, als er ihr über die Wange strich.
»Nachkommen? Warum nicht? Ich schreibe dir, sobald ich dazu komme, wann und wo ich dich erwarte.«
Simone schmiegte sich an ihn. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Sie würde ihm ja bald nachreisen. Er liebte sie doch. Sie musste verstehen. Zu viel hing für ihn, den Künstler, von dieser Ausstellung ab. Sie hatte keinen Grund zu weinen. Glücklich musste sie sein, weil der Mann, den sie mehr liebte als ihr Leben, ihre Gefühle erwiderte …
***
Ein leises Stöhnen drang über Simones Lippen.
»Ist Ihnen nicht gut, Frau Gerlach?« Die Stewardess beugte sich besorgt über sie. »Soll ich fragen, ob ein Arzt unter den Passagieren ist?«
»Um Gottes willen, nein! Es ist nichts! Mir fehlt nichts! Ich glaube, ich habe nur schlecht geträumt.«
»Möchten Sie vielleicht noch etwas trinken?«
»Noch eine Tasse Tee«, bat Simone, mehr, um die Stewardess zu beruhigen, als aus wirklichem Verlangen danach.
»In einer Viertelstunde landen wir«, versicherte die Stewardess tröstend, als sie wenige Minuten später mit dem Tee kam.
»Wäre es möglich, dass ich das Flugzeug als Letzte verlasse?«, bat Simone.
»Selbstverständlich, Frau Gerlach. Ich werde einen Wagen für Sie bestellen, der Sie zur Passkontrolle bringt, und auch dafür sorgen, dass Ihr Gepäck abgefertigt wird, ohne dass Sie sich selbst darum zu kümmern brauchen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Werden Sie denn abgeholt?«, wollte die Stewardess noch wissen.
»Ja, von einer Tante.«
»Würden Sie mir vielleicht den Namen nennen, Frau Gerlach?«
»Mutter Hedwig. Sie ist die Schwester meiner Mutter und Oberin eines Klosters, dem ein Krankenhaus angeschlossen ist. Sie ist bestimmt in Ordenstracht.«
Simone sah aus dem Fenster, ohne irgendetwas wahrzunehmen.
Gleich würde sie ankommen und von der strengen Tante Hedwig in Empfang genommen werden, und alles würde seinen Lauf nehmen …
***
»Tante Hedwig«, murmelte Simone, erschöpft von der Anstrengung der Geburt. Über zwölf Stunden hatte sie in den Wehen gelegen. »Tante Hedwig, wo ist mein Baby?«
Die Klosterfrau beugte sich über sie. Ihr Gesicht war streng und ernst.
»Es ist besser, Simone, wenn du das Kind erst gar nicht siehst. Es ist ein Junge, gesund und hübsch. Es wird leicht sein, passende Eltern für ihn zu finden!«
»Tante Hedwig, bitte …«
»Schlaf jetzt, Kind!« Die dunkle Gestalt glitt lautlos hinaus.
Dann kam eine Schwester, um Simone eine Spritze zu geben.
»Zum Abstillen«, erklärte sie kurz.
Simone begann bitterlich zu weinen. Warum durfte sie nicht wenigstens ein einziges Mal ihr Kind sehen?
Einen Moment betrachtete die Schwester sie mitleidig, dann ging sie hinaus und kam mit einem Schälchen wieder, auf dem einige Tabletten lagen.
»Schlucken Sie die, die sind zur Beruhigung. Die Schwester Oberin meinte, Sie könnten eine größere Dosis vertragen …«
Simone weinte und gehorchte. Was blieb ihr auch übrig – Brian hatte sie verlassen und vergessen.
***
Zwei Monate später kehrte Simone nach Hause zurück. Sie war so schlank und schmal wie früher. Niemand konnte ihr auch nur das Geringste ansehen.
Nur ruhiger war sie geworden. Sie lachte seltener. Und wenn sie es tat, dann blieben ihre Augen ernst und traurig. Manchmal, mitten im Gespräch, verlor sich ihr Blick irgendwohin in eine Ferne, in die ihr niemand folgen konnte.
Einmal, als die Sehnsucht in ihr übermächtig wurde, rief Simone kurzentschlossen ihre Tante Hedwig an, um zu erfahren, was aus ihrem Kind geworden war, ob es ihm gut ging. Wenigstens die Gewissheit wollte sie haben!
»Es geht ihm ausgezeichnet«, antwortete die Nonne nach einer kleinen Pause. »Er hat reizende Eltern gefunden. Wohlhabend und aus guter Familie. Es ist so viel besser! Auch für das Kind, Simone …«
Vielleicht war es wirklich besser, in einem schönen Heim geborgen und geliebt aufzuwachsen. Ein Junge brauchte doch einen Vater.
Nach diesem Gespräch beschloss Simone Gerlach, die Vergangenheit sein zu lassen und ein neues Leben zu beginnen.
Sie war gerade zwanzig Jahre alt, schön und klug. Es war dumm zu glauben, dass das Leben für sie zu Ende sei. Es begann doch erst! Die Zukunft, die vielversprechende Zukunft, lag vor ihr.
***
»Simone hat zu sich selbst zurückgefunden«, sagte Isabelle Gerlach drei Jahre später zu ihrem Mann, während sie beim Frühstück saßen.