Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 659 - Ursula von Esch - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 659 E-Book

Ursula von Esch

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Beschreibung

Sonja kann es nicht fassen: Rolf Glockau, der von allen Frauen umschwärmte Baron, bittet sie um ihre Hand. Die Nachricht schlägt in der Gesellschaft wie eine Bombe ein. Niemand will es glauben - und doch soll in einem halben Jahr die Hochzeit sein.
Während Sonja glücklich alle Vorbereitungen trifft, taucht in Rolfs Haus die bezaubernde Hanni, sein Mündel, auf. Mit diesem wunderschönen Geschöpf, davon ist Sonja bald überzeugt, kann sie auf Dauer konkurrieren. Schweren Herzens gibt sie Rolf frei.
Wenig später erhält sie die Einladung zu Hannis Hochzeit. Sonja erstarrt, als sie den Bräutigam an der Seite des strahlenden Mädchens sieht ...


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Inhalt

Cover

Die ewige Jungfer

Vorschau

Impressum

Die ewige Jungfer

Ein heimlicher Mädchentraum geht in Erfüllung

Sonja kann es nicht fassen: Rolf Glockau, der von allen Frauen umschwärmte Baron, bittet sie um ihre Hand. Die Nachricht schlägt in der Gesellschaft wie eine Bombe ein. Niemand will es glauben – und doch soll in einem halben Jahr die Hochzeit sein.

Während Sonja glücklich alle Vorbereitungen trifft, taucht in Rolfs Haus die bezaubernde Hanni, sein Mündel, auf. Mit diesem wunderschönen Geschöpf, davon ist Sonja bald überzeugt, kann sie auf Dauer nicht konkurrieren. Schweren Herzens gibt sie Rolf frei.

Wenig später erhält sie die Einladung zu Hannis Hochzeit. Sonja erstarrt, als sie den unglücklichen Bräutigam an der Seite des strahlenden Mädchens sieht ...

»Danke, meine Liebe, ich brauche dich heute nicht mehr.« Henriette Gräfin von Helmau nickte ihrer Gesellschafterin freundlich herablassend zu.

Sonja verabschiedete sich mit einem höflichen Lächeln von den vier Damen, die sich zu ihrem wöchentlichen Mittwoch-Bridge getroffen hatten, und zog sich zurück. Erst nachdem sie die Türe hinter sich geschlossen hatte, erlaubte sie sich ein erleichtertes Aufatmen.

»Wenn man bedenkt, was für ein entzückendes Geschöpf ihre Mutter war.« Lili Baronin von Lichtenhofen schüttelte den Kopf, als könne sie sich nicht genug über dieses unverständliche Spiel der Natur wundern.

»Gott ja, Maja war etwas Besonderes«, stimmte Gräfin Henriette ihrer Freundin zu. »Das Unglück war eben, dass sie Hansi von Waren heiratete. Zweifellos ein Bild von einem Mann, doch als er dann im Krieg ein Bein verlor, war er einfach nicht mehr er selbst.«

»Es wäre weit vernünftiger gewesen, wenn die beiden keine Kinder bekommen hätten, so mittellos wie sie nach dem Krieg dastanden.«

Elga von Howitz fächerte die Bridgekarten auf den Tisch.

»Würdet ihr ziehen, damit wir sehen, wer zusammenspielt?«

»Hoch und hoch – wir spielen zusammen, Lola«, wandte sich Henriette an die vierte Dame, die bisher geschwiegen hatte.

»Ich bin sicher, dass Maja nie mehr geheiratet hätte«, erklärte diese nun und entschied sich für eine rote Karte. Rot war ihre Glücksfarbe. »Es war doch die große Liebe. Für Maja war es ein Glück, dass ihr wenigstens die kleine Sonja blieb«, fuhr diese fort, während sie ihre Karten sortierte.

»Lola ist so romantisch«, spottete Henriette über die Gräfin von Austensee, »wenn etwas nach großer Liebe aussieht, dann findet sie es sogleich verständlich. Aber vielleicht hast du recht. Wahrscheinlich starb Maja so früh, weil sie einfach nicht mehr leben wollte. Bestimmt war sie enttäuscht, weil Sonja so gar nicht ihrem Vater glich.«

»Jetzt bist du aber ungerecht«, verteidigte Gräfin Lola die junge Gesellschafterin.

»Du lieber Himmel, eine entfernte Familienähnlichkeit zweifellos. Aber bitte, wo ist der umwerfende Charme von Hansi von Waren? Unsere liebe Sonja ist doch eher langweilig! Und wo ist die südländische Schönheit, die er von seiner italienischen Mutter hatte? Es ist doch alles ziemlich farblos an dem guten Kind. Weiß Gott, ich wollte, es wäre anders, dann bestünde vielleicht die Aussicht, sie doch noch zu verheiraten.«

Die beiden anderen Damen warfen sich amüsierte Blicke zu.

»Ich mische, du gibst«, sagte Henriette zu Lola. »Ja, ich sehe schon, dass Sonja mir bis zu meinem Tod erhalten bleibt. Schließlich kann ich sie nicht auf die Straße setzen. Hoffentlich übernimmt mein Erbe sie einmal als Hausdame.«

»Nicht anzunehmen, dass Rolf über Sonja Isabella vergisst.«

Lola seufzte. Bei Rolf Baron von Glokau und seiner bildschönen Isabella hatte es sich auch um eine große Liebe gehandelt. So groß, dass der umschwärmte Witwer durch nichts und niemanden dazu zu bewegen war, sich nochmals zu verheiraten.

Henriette von Helmau betrachtete nachdenklich ihre Karten und spielte mit den erbsengroßen Perlen ihrer dreifachen Kette. Sie gehörte zu jenen Damen, die mit zunehmendem Alter gewannen. In ihrer Jugend war sie etwas zu üppig gewiesen. Anmut und Grazie hatte sie durch Selbstbewusstsein und Willensstärke ersetzt, Schönheit und Charme durch guten Stil und Klugheit. Diese Eigenschaften kamen ihr jetzt, im Alter, zugute.

»Lola, ich warte auf deine Aussage«, ermahnte sie ungeduldig ihre Partnerin.

»Ach Gott, entschuldige, ich war in Gedanken noch bei Rolf und Isabella.«

»Du lieber Himmel«, murmelte Elga von Howitz, »spielen wir jetzt, oder spielen wir nicht? Isabella ist tot, Sonja bekommt ohnehin keinen Mann, und was Rolf angeht, so garantiere ich dafür, dass er in absehbarer Zeit auf ein siebzehnjähriges Gänschen hereinfällt.«

»Nie im Leben!«, empörte sich Gräfin Henriette, die es auf den Tod nicht ausstehen konnte, wenn man abfällig über ihren Lieblingsneffen und Erben sprach.

»Ein Treff«, eröffnete Lola rasch die Partie, ehe sich die beiden in die Haare geraten konnten.

»Ein Cœur«, schloss sich ihr Lili im selben Bestreben an.

»Zwei Pik!« Elga warf ihrer Partnerin einen auffordernden Blick zu. Hoffentlich spielte Lili nicht wieder zu zaghaft.

Elga hatte große Lust, Henriette heute gehörig zur Kasse zu bitten. Dieses Getue mit dem arroganten Rolf! Und eine Gesellschafterin hielt sie sich, als lebte man noch im achtzehnten Jahrhundert. Gut, sie war stinkreich. Aber es war letzten Endes nicht ihr Geld, sondern das ihres verstorbenen Mannes, den sie mit ihrer Energie so früh ins Grab gebracht hatte.

Henriette spielte aus. Elga legte ihre Karten auf den Tisch, und Lili, die sich seit zwanzig Jahren mit beschränktem Erfolg bemühte, das berühmte »Kartengefühl« zu bekommen, schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Sie gab sich Mühe, ihre Partnerinnen nicht durch zu viele Fehler nervös zu machen.

Irgendwie war die Stimmung heute ohnehin gereizt.

♥♥♥

Dass die Stimmung gereizt war, hatte auch Sonja von Waren empfunden. Sie war deshalb recht froh, als sie sich zurückziehen durfte.

Es war ein wunderschöner Apriltag. Aus den Knospen der Bäume und Büsche spitzten die ersten hellgrünen Blättchen, und die Tulpen und Narzissen, Osterglocken und Hyazinthen prangten in leuchtenden Farben in den Rabatten des Schlossparks.

Sonja sah von ihrem Zimmer hinunter auf die großzügigen Anlagen. Seit dem Tode ihrer Mutter – sie war damals achtzehn gewesen – war Helmau ihre Heimat. Wie kam es nur, dass sie sich hier nie wirklich zu Hause fühlen konnte?

Äußerlich fehlte es ihr an nichts. Sie hatte ein sehr hübsches und geschmackvolles Zimmer und ein eigenes Bad. Sie bekam, was sie brauchte. Bekam sie das wirklich?

Sonja seufzte. Sie hatte mehr als genug anzuziehen. Wenngleich Tante Henriette immer Kleider für sie wählte, in denen sie sich nicht richtig wohlfühlte.

Manchmal war sie sehr versucht, frische, fröhliche Farben zu tragen. Dann kaufte sie sich von ihrem reichlichen Taschengeld einen roten Pullover, den sie dann, erschrocken über ihre Selbstständigkeit, irgendwo in ihrem Schrank versteckte, bis sie ihn bei passender Gelegenheit einem Hausmädchen schenkte.

Sicher lag es an ihr. Tante Henriette würde absolut nichts gegen einen roten Pullover haben.

»Ich weiß nicht, Sonja, woran liegt das nur?«, sagte sie oft in tadelndem Ton. »Du hast so gar nichts Junges, Ansprechendes an dir. Wenn ich an deine bezaubernde Mutter denke oder an deinen fantastisch aussehenden, charmanten Vater ...« Und dann seufzte sie vorwurfsvoll.

Diese Vorwürfe hörte Sonja meist, wenn wieder einmal, bei einer Gesellschaft, der Tischherr, den man ihr gegeben hatte, keine Lust zeigte anzubeißen.

Darüber wunderte Sonja sich nicht. Sie, die sonst amüsant und geistreich über eine Menge Dinge zu plaudern wusste, war wie gelähmt, wenn man ihr einen etwaigen Heiratskandidaten präsentierte, der keineswegs geeignet war, das Herz eines jungen Mädchens zu entflammen.

Und ein junges Mädchen war Sonja auch heute noch mit ihren achtundzwanzig Jahren und den Träumen, die sich seit ihrem achtzehnten Lebensjahr nicht verändert hatten.

»Lieber werde ich eine alte Jungfer, als dass ich so einen Langweiler heirate«, hatte sie einmal unter Tränen zu ihrer Beschützerin gesagt.

»Nun, diesen Wunsch kann ich dir erfüllen«, hatte Gräfin Henriette gekränkt erwidert.

Seitdem wurden keine ältlichen Witwer oder verknöcherten Junggesellen mehr für Sonja eingeladen. Man vergaß auch immer öfter, Sonja einzuladen.

»Die gute Sonja von Waren hat sich zum Glück damit abgefunden, dass sie eine alte Jungfer wird«, hieß es, und man war froh, dass man sich nicht länger bemühen musste, ihr jemanden zuzuschieben, der für die eigene Tochter nicht gut genug war.

Und zudem war es äußerst praktisch, jemanden zu haben, der Kinder hütete, wenn man auf Bälle, Partys und ins Theater ging. Der den alten Onkel mit dem Wagen da- oder dorthin brachte und die alte Tante nach ihrer Operation gesund pflegte.

Gräfin Henriette lieh Sonja für solche guten Zwecke großzügig aus. Und Sonja war froh, sich nützlich machen zu können.

»Ich sollte ein bisschen im Park spazieren gehen«, sagte sie laut zu sich selbst. Sie zog sich eine graue Wolljacke über, band sich das nächste Tuch, das ihr in die Finger kam, um den Kopf und wollte das Zimmer verlassen.

Da fiel ihr Blick zufällig in den großen goldgerahmten Barockspiegel, der über dem Marmorkamin hing. Sie lachte ein wenig traurig. Das Mädchen, das ihr aus dem prunkvollen Rahmen entgegensah, passte so gar nicht hinein.

Ihr schmales Gesicht war blass, und die Haut hatte eine unfrische Farbe. Vielleicht betonte das braungrüne Kopftuch dies?

Aber wozu sich die Mühe machen, eines herauszusuchen, das besser zu der grauen Jacke passte! Sie traf ja doch niemanden. Und wenn sie jemanden traf, so interessierte es den bestimmt nicht, was sie anhatte.

Ihr leicht gewelltes, fülliges Haar war fahlblond, die Augen grau. Die feine Nase war eigentlich ganz hübsch, genau wie die weichen Lippen, aber alles war ausdruckslos. Eine geborene alte Jungfer!

Auch ihre schlanken, schmucklosen Hände waren nicht hässlich. Doch wem fiel das auf? Ebenso wenig bemerkte man ihre zarte, fehlerfreie Figur. Vielleicht sollte sie andere Schuhe tragen. Solche, die ihre geraden, langen Beine besser zur Geltung brachten. Aber wie sahen solche Schuhe aus?

Sonja seufzte tief. Ihre Eltern waren beide so schön gewesen, und sie?

Mit gesenktem Kopf wanderte Sonja über die Wiesen, dorthin, wo der Park in einen prächtigen Mischwald überging.

»Hoppla!«

»Au!«, rief Sonja und hielt sich den Kopf.

»Gibt es das? So viel Platz, und wir rennen ineinander. Da muss es sich bei uns schon um zwei tiefe Denker handeln.« Der Mann, der dies sagte, lachte vergnügt.

Sonja überlegte, woher sie ihn kannte. Und sie kannte ihn. Zweifellos war er kein Typ, den man leicht übersah oder vergaß – so wie sie.

Er war sehr groß, breitschultrig und schmal in den Hüften. Der lässige Rollkragenpullover, den er über hellen Cordhosen trug, ließ keinen Zweifel daran, dass er eine fabelhafte Figur hatte. In seinem schmalen gebräunten Gesicht blitzten die Zähne mit den grünlichen Augen um die Wette. Der Wind wehte ihm das dunkle Haar in die hohe Stirn, und in den Augenwinkeln waren lustige Lachfältchen.

»Na«, fragte er amüsiert, »kennen wir uns?«

Sonja errötete, als sie merkte, dass sie ihn stumm angestarrt hatte.

»Ich versuchte Sie einzuordnen. Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor«, erklärte sie.

»Sooo?«, kam es lang gedehnt. Offensichtlich kannte er sie nicht.

»Vielleicht sagt Ihnen mein Name etwas«, schlug er vor. »Rolf von Glokau.«

»Ach ja, natürlich. Ihr Bild steht doch auf dem Schreibtisch von Tante Henriette.«

»Oh, dann sind Sie Sonja von Waren?«

»Ja. Haben Sie mich nicht gleich erkannt?«

»Wieso hätte ich? Wir sind uns doch noch nie begegnet. Obgleich es erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass Sie bereits seit zehn Jahren hier leben.«

»Ich bin oft unterwegs, aushelfen ...«

»Ach ja.« Er lächelte und betrachtete sie aufmerksam.

»Ich dachte, Sie hätten mich vielleicht erkannt – nach Beschreibungen.«

»Nein, man hat Sie mir nicht beschrieben. Zumindest nicht richtig.«

»Nein?«, spottete Sonja mit einem bitteren Unterton. »Hat man nicht gesagt: farblos, langweilig, unansehnlich?«

»Pfui, reden Sie an einem so schönen Frühlingstag nicht so hässlich«, ermahnte er sie und hakte sie unter. »Erzählen Sie mir lieber, ob unsere verehrte Tante Henriette auf meinen Besuch vorbereitet ist.«

»Sollte sie es sein? Ich weiß von nichts. Heute ist Bridge!«

»Du liebe Zeit, da bleiben wir besser noch ein wenig im Park. Haben Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«

»Gerne«, sagte Sonja, und man merkte, dass es keine bloße Floskel war. Sie genoss es wirklich, einmal mit einem Menschen ihres Alters zusammen zu sein und nicht mit älteren Herrschaften, die sie bedienen musste, und nicht mit jüngeren, die sie nicht zu ihresgleichen rechneten.

Selbstverständlich hatte sie alles Wissenswerte und eine Menge Klatsch über Rolf von Glokau gehört. Bei jeder Gelegenheit erzählte man von seinem fantastischen Aussehen, seiner scharfen Intelligenz, seinen vielseitigen Interessen, seiner hohen Bildung und seinem Reichtum, zu dem später noch das Vermögen der kinderlosen einzigen Schwester seines Vaters, der Gräfin Henriette von Helmau, kommen sollte.

Man erzählte von der kurzen Ehe mit der sagenhaft schönen rotblonden Isabella. Einer geborenen Prinzessin von Hohenfels, die nach drei Jahren wolkenlosen Glückes durch einen unglücklichen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen war. Wie das ihr, der bekannten, erfolgreichen Turnierreiterin passieren konnte, war unverständlich.

Doch es war geschehen, und der Baron war, nachdem er der Beisetzung mit steinernem Gesicht beigewohnt hatte, nach Südafrika gereist. Er hatte dort einen Vetter, mit dem er auf Großwildjagd gegangen war.

Das war nun schon einige Jahre her. Sonja war damals bereits auf Helmau gewesen.

Nachdem der Baron ein Jahr in der Weltgeschichte herumgereist war, hatte er seine Studien der Land- und Forstwirtschaft beendet. Zufällig hatte es sich so ergeben, dass, wann immer er seine Tante Helmau besucht hatte, Sonja nicht dabei gewesen war.

Vielleicht hatte die Gräfin anfangs absichtlich ein Treffen der beiden jungen Leute verhindert, damit der gute Rolf nicht auf die abwegige Idee kam, Sonja zur zweiten Baronin von Glokau zu machen. Vielleicht war es aber auch wirklich nur Zufall gewesen, dass Sonja gerade dann immer irgendwo hatte aushelfen müssen.

So hatte sie sich im Lauf der Jahre daran gewöhnt, Rolf als eine Art Märchenprinzen zu betrachten, dem man nicht persönlich begegnete.

Und da war er nun! Und alles, was man von ihm gesagt hatte, traf zu. Er war liebenswürdig, unterhaltsam und charmant.

Sonja fühlte sich ihm gegenüber nicht gehemmt. Rolf von Glokau war für eine alte Jungfer wie sie kein Heiratskandidat, also brauchte sie sich nicht zu bemühen, ihm zu gefallen. Sie konnte reden, wie ihr der Schnabel gewachsen war, lachen und Unsinn machen.

»Wer ist denn mit von der Bridgepartie?«, erkundigte er sich.

»Erst mal unsere verehrte, liebe, gestrenge Tante Henriette.«

»Kommen Sie eigentlich gut mit ihr aus?«, wollte er wissen. »Ich stelle mir ein Zusammenleben mit ihr ehrlich gesagt nicht ganz einfach vor.«

»Wenn Sie meinen, dass an ihr ein General verloren gegangen ist, so haben Sie durchaus recht«, erwiderte Sonja vergnügt. »Aber wissen Sie, da an mir ein Rekrut verloren gegangen ist, gleicht sich das wieder aus.«

Er lachte schallend. Ihr Humor und ihre Selbstkritik gefielen ihm.

»Und wer ist noch da?«

»Die liebliche Schönheit!«

»Wer ist das?«

»Erraten Sie es nicht? Rosig und weiß, silberblond mit himmelblauen Augen, immer in fließende Gewänder von zarter Pastellfarbe gehüllt und von mädchenhaftem Charme.«

»Ah, Tante Lili Lichtenfeld. Ich ahnte nicht, dass Sie auch boshaft sein können.«

»Hm, wenn es der General nicht hört.«

»Erzählen Sie weiter, ich werde Sie nicht verraten.«

»Dann ist die Romantikerin des deutschen Adels da. Sie erzählt bei jedem Besuch von irgendeiner ›großen Liebe‹, auch wenn sie das nächste Mal berichtet, dass die ›ganz große Liebe‹ in Nichts zerronnen ist.«

»Lola von Austensee. Ja, Sie haben recht.«

»Und dann ist da noch die Dame mit den drei Fohlen.«

Einen Augenblick überlegte der junge Baron, dann lachte er wieder los.

»Elga von Howitz. Ist die Putzi endlich verheiratet?«

»Nein, sie wartet immer noch auf Sie«, zog Sonja ihn auf.

»Du lieber Himmel, kann ich einer Begegnung mit dieser besorgten Mutterstute nicht ausweichen?«

»Soweit ich informiert bin, bleiben die Damen nicht zum Abendessen.«

»Na, wunderbar! Dann bin ich mit Ihnen und Tante Henriette allein. Das wird sehr gemütlich.«

»Ja«, stimmte Sonja zu, »das wird bestimmt ein netter Abend. Hoffentlich bleiben Sie recht lange.«

Baron Rolf zog die Brauen hoch. Doch sie sah ihn so unbefangen an, dass er sich im nächsten Moment selbst dumm vorkam, irgendwelche Hintergedanken gehabt zu haben.

»Und hoffentlich«, fügte Sonja in bekümmertem Ton hinzu, »geht es Onkel Heini Ohlendorff besser, dass ich nicht wieder diese Nacht bei ihm wachen muss.«

»Du lieber Himmel, der kann sich doch nun wirklich eine Krankenpflegerin leisten«, rief Rolf ärgerlich.

»Natürlich kann er das. Aber ich kenne seine Gewohnheiten. Und er ist doch schon ein recht alter und gebrechlicher Herr.«

»Dann sollen sich seine Töchter und Schwiegertöchter um ihn kümmern«, erklärte der Baron energisch. »Ich jedenfalls werde nicht erlauben, dass Sie heute Abend wegfahren.«