1,99 €
Drei Monate Landleben! Und das ihm, dem eingeschworenen Stadtmenschen! Bernd von Greifenstein schüttelt sich und tritt grimmig das Gaspedal durch. Aber solange seine Mutter im Krankenhaus liegt, muss er notgedrungen den Gutsherrn spielen. Drei Monate gefangen auf Greifenstein! Wie soll er das bloß aushalten?
Mit einem wilden Fluch reißt Bernd das Steuer herum. Da hätte er doch fast einen Radfahrer gestreift. Er hält an und läuft zurück zu der Stelle, an der der junge Kerl schreckensbleich am Straßenrand steht.
Verflixt, das ist ja ein Mädchen, erkennt Bernd plötzlich.
»Ist Ihnen was passiert?«, fragt er besorgt.
»Nein, nichts«, stammelt die Fremde. Aber Bernd ist etwas passiert. Er ist seinem Schicksal begegnet, doch davon ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nichts ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 110
Cover
Die Liebesfalle
Vorschau
Impressum
Die Liebesfalle
Der eiserne Junggeselle und das arme Mädchen
Luise Baronin von Greifenstein liebt ihren Sohn über alles und lässt ihm manches durchgehen. Meistens hält Bernd sich nämlich in der Stadt auf und feiert dort kräftig mit seinen Freunden. Die Arbeit auf dem Gut überlässt er dem Verwalter und seiner Mutter.
Diese zeigt für die Freiheitsliebe ihres Sohnes großes Verständnis. Doch mittlerweile ist Bernd vierunddreißig und sollte sich die Hörner abgestoßen haben. Baronin Luise drängt auf eine Heirat. Bernd hat allerdings noch lange nicht vor, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Seine Mutter aber zieht im Hintergrund die Fäden. Und mit einem bezaubernden Mädel, das sich plötzlich von einem unscheinbaren Entlein in einen prächtigen Schwan verwandelt, trickst sie ihren Sohn clever aus ...
»Teuerste Mama! Bitte verdirb uns nicht diesen wunderschönen Frühlingstag!«, rief Bernd Baron von Greifenstein mit einem ärgerlichen Lachen und lehnte sich in den kostbaren Rokokosessel zurück.
Er streckte seine langen, in Reitstiefeln steckenden Beine von sich und schaute angelegentlich an die Decke des hübschen, stuckverzierten Raumes, als wolle er dort irgendwelche ausbesserungsbedürftigen Sprünge oder Flecke entdecken. Doch nicht einmal in dem hellen Sonnenlicht, welches das Zimmer durchflutete, war der geringste Makel zu entdecken.
Im Gegenteil, die warme Frühjahrssonne vergoldete die farbig und golden gefassten Möbel, Spiegel und Bilderrahmen noch zusätzlich, ließ die fröhlichen Farben des Rokokozimmers noch heiterer erscheinen und die prächtigen Sträuße aus Tulpen und Narzissen, die der Gärtner heute Morgen frisch geschnitten hatte, noch intensiver leuchten.
»Bernd!«, mahnte die Baronin nicht weniger ärgerlich als ihr Sohn.
»Ach, Mama! Was fängst du immer wieder mit diesen alten Geschichten an! Noch ein Wort, und ich fliehe augenblicklich zurück in die Stadt!«
»Ich verstehe dich nicht, Bernd«, klagte Baronin Luise daraufhin leise und sehr traurig.
Sie war eine schöne alte Dame von gut sechzig Jahren. Ihr fein geschnittenes Gesicht war unter der dezent aufgetragenen Schminke blass und erstaunlich faltenlos. Ihr Haar war weiß, mit einem zarten Blauton, und stets hervorragend frisiert. Ihre großen dunklen Augen waren dieselben wie die ihres gut aussehenden Sohnes, nur müder und trauriger. Ihr Mund war weicher, resignierter und entsagungsvoller als der Bernds, der einen sinnlichen und vor allem sehr arroganten Zug haben konnte.
Vielleicht ist es gerade das, was ihn für eine gewisse Art von Frauen so unwiderstehlich macht, dachte seine Mutter betrübt. Es ließ sich keineswegs leugnen, dass Bernd ungeheuer charmant sein konnte. Fast immer gelang es ihm, seinen Kopf durchzusetzen, wenn er es darauf anlegte, egal in welcher Angelegenheit. Dabei half ihm natürlich, dass er sehr gebildet war, auch wenn er sich zumeist darin gefiel, sich oberflächlich und leichtfertig zu geben. Er war klug und sah blendend aus, dunkel und leider fast ein bisschen zu attraktiv.
Doch weshalb setzte er seine Gaben nicht besser ein? Weshalb kümmerte er sich überhaupt nicht um den wunderschönen Gutsbetrieb, den er von seinen Vorfahren geerbt und den sein verstorbener Vater mit so viel Liebe vergrößert und modernisiert hatte? Ach, warum war Egon schon so früh gestorben! Bernd war damals erst zwanzig gewesen. Wahrscheinlich hätte er gerade in diesem Alter seinen Vater gebraucht.
»Ach, Mama, nun mach doch nicht so ein trauriges Gesicht!«, unterbrach Bernd ihre Gedanken, sprang auf, ging um den Tisch herum zu ihr und küsste sie zärtlich auf die Wange. »Du weißt doch, dass ich mich sofort zu einer Heirat entschließe, wenn ich einem Mädchen oder einer Frau begegne, die wenigstens annähernd so ist wie du!«
»Das sagst du nun schon seit Jahren«, wehrte Baronin Luise ab. »Du bist inzwischen vierunddreißig. Du wirst als alter verknöcherter Junggeselle enden!«
»Mamachen, außer dir hat sich darüber noch niemand beschwert!«, gab Bernd lachend zurück.
»Du weißt genau, was ich meine!« Sie ging nicht auf seinen leichtfertigen Ton ein. »Man nimmt mit zunehmendem Alter gewisse Eigenarten an. Und meist sind es die schlechten, die sich verstärken. Du machst damit nicht nur den anderen das Leben mit dir schwer, sondern auch dir selbst, Bernd!«
»Oh, Mamachen«, versuchte er weiterhin liebevoll zu spotten, »mache ich dir das Leben so schwer?«
»Ja«, entgegnete sie ungewohnt scharf, »das tust du. Und nicht nur mir, auch den unglücklichen Mädchen und Frauen, die dumm genug sind, dich ernst zu nehmen. Es sei denn, es sind ... nun ja, du weißt schon, was ich meine.«
»Stimmt. Ich weiß es. Ich höre diese Vorhaltungen ja jedes Mal, wenn ich nach Greifenstein komme«, erwiderte er unwirsch.
»Wenn du dich doch ändern würdest, wenn du endlich zur Ruhe kämst und dich um dein Erbe kümmertest! Bedeutet es dir denn gar nichts, dass die Greifensteins seit neunhundert Jahren auf diesem Besitz sitzen?«
»Und du findest nicht, dass das lange genug ist?«, unterbrach ihr Sohn sie spöttisch.
Die Baronin zuckte zusammen, als habe er sie geschlagen. Wie konnte er so herzlos sein! Sie presste die feinen Lippen aufeinander. Man sah ihr an, dass sie mit den Tränen kämpfte.
»Verzeih, Mama, das war hässlich!«, entschuldigte Bernd sich reuig. »Du weißt, dass ich dich liebe, aber ich eigne mich nun mal nicht zum Landwirt!«
»Du tust, als müsstest du selbst hinter dem Pflug gehen und die Reben schneiden. Du brauchst dich schließlich nur um alles zu kümmern, dich mit deinen Verwaltern zu besprechen, sie zu beraten und zu zeigen, dass du dich für deinen Besitz interessierst und nicht nur dafür, dass möglichst viel Geld eingeht, das du dann leichtsinnig ausgeben kannst.«
»Tja, Mama, so bin ich nun einmal! Aber ich verspreche dir, ich heirate, bevor ich fünfzig werde!« Bernd lachte und wollte sie umarmen, doch sie wich ihm aus und schob ihn von sich.
»Schade, ich hätte es gerne noch erlebt!«, erwiderte sie knapp.
»Das tust du ganz bestimmt!«, zog er sie auf, ihren gekränkten Ton einfach überhörend. »So energisch und klug, wie du bist. Wahrscheinlich traue ich mich dann überhaupt nicht mehr nach Greifenstein, wenn hier zwei strenge Damen auf mich warten!« Er lachte über seinen schlechten Scherz und tat, als bemerkte er nicht, dass seine Mutter nicht darauf reagierte.
Es klopfte. Bernd war erleichtert über die Unterbrechung.
»Ja, bitte!«, rief er. »Nur immer herein!«
»Hochwürden, Herr Pfarrer Haberer!«, meldete ein Diener.
»Du liebe Zeit! Der soll mir wohl auch noch ins Gewissen reden! Verzeih, Mama, das ist mehr, als ich am Morgen ertragen kann!« Schwungvoll küsste Bernd Hand und Wange seiner Mutter, die keinen Versuch machte, ihn zurückzuhalten, und verließ eilig das Zimmer durch die Terrassentüre, um dem Pfarrer des Marktes Greifenstein nicht zu begegnen.
♥♥♥
»Führen Sie Hochwürden herein und bringen Sie ein frisches Gedeck!«, sagte Baronin Luise und erlaubte sich erst zu seufzen, als der Diener mit dem Gedeck ihres Sohnes das Zimmer verlassen hatte.
Sie stand auf, als der Pfarrer hereinkam.
»Willkommen, Hochwürden! Ich kann einen Freund brauchen!«
Der geistliche Herr war um einiges älter als seine Patronatsherrin. Er war ein dicker, gemütlich wirkender Mann mit einem roten Gesicht, das verriet, dass er eine Menge für gutes Essen und Trinken übrig hatte, und einem weißen Haarkranz um seine Glatze.
Wenn man ihn so sah, mochte man ihn auf den ersten Blick für einen schlichten Landpfarrer halten, dessen unkomplizierte Predigten gerade noch für die einfachen Gemüter seiner Gemeinde genügten.
Schaute man ihm aber in die blitzgescheiten Augen, erkannte man – vorausgesetzt, man war selbst intelligent genug –, dass seine schlichten Predigten Methode waren und dass er ganz genau wusste, wie er die Herzen der ihm anvertrauten Schäflein zu rühren vermochte. Nur mit dem Herzen des Patronatsherrn, des jungen Barons, war es so eine Sache: Für dieses hatte bisher keiner den richtigen Ton gefunden!
»Grüß Gott, Frau Baronin!« Der Pfarrer drückte die ihm entgegengestreckte Hand. »Macht der junge Herr wieder Kummer? Ich ahnte schon so etwas, als gestern Ihre Nachricht eintraf, ich möchte herüberschauen.« Er setzte sich in den Sessel, von dem kurz zuvor Bernd von Greifenstein aufgestanden war und der nun unter seinem Gewicht ächzte.
Luise von Greifenstein zuckte zusammen.
»Lieber Herr Pfarrer...«
Der erhob sich lachend.
»Stimmt! Für mich haben Sie ja immer einen extra Thron bereit!« Die Baronin war froh, dass der Pfarrer nicht gekränkt war. Als der Diener mit dem Gedeck kam, wies sie ihn an, einen der großen Renaissancesessel aus dem Nebenzimmer zu holen.
»Der ist für mich passender und gemütlicher!«, meinte der Pfarrer und nahm zufrieden Platz. »Ah, Ihr unvergleichlicher Hefezopf! Wenn ich nur hinter das Geheimnis käme, Frau Baronin! Meine Schwester hat sich schon mehrmals mit Ihrer Köchin besprochen. Aber die gute Mathilde, die sonst, wie Sie ja wissen, eine hervorragende Hausfrau und Köchin ist, kriegt den Zopf einfach nicht so hin wie Ihre Frau Fanny!«
Die Baronin lächelte. Jedes Mal, wenn Haberer kam, schnitt er dieses Thema an.
»Dafür ist der Karfreitagskarpfen, wie ihn Ihr Fräulein Schwester zubereitet, unerreicht.«
»Stimmt«, meinte der geistliche Herr seufzend. »Viel zu gut für eine Fastenspeise! Ich habe hinterher immer ein schlechtes Gewissen, und das mit vollem Recht. Na ja, ich esse an diesem Tag nur einmal«, verteidigte er sich mehr vor sich selbst als vor der amüsiert und verständnisvoll zuhörenden Baronin.
Diese wartete nun, bis der Pfarrer seine erste Kaffeetasse geleert und sein erstes Stück Zopf gegessen hatte.
»Ich habe in der Küche den Auftrag gegeben, Ihnen den Zopf einzupacken, Hochwürden!«, sagte sie dann.
»Wunderbar!«, bedankte sich Haberer erfreut und überrascht, obgleich dies eigentlich jedes Mal der Fall war, wenn er zu einem zweiten Frühstück nach Schloss Greifenstein kam. Dann wurde er jedoch ernst. »Was macht Ihnen Sorgen, verehrte Frau Baronin? Und wie, denken Sie, kann ich Ihnen helfen?«
»Meine Sorge ist – wie immer! – mein Sohn. Wie Sie wissen, ist er inzwischen vierunddreißig und weiß Gott nicht mehr zu jung zum Heiraten. Und wie Sie gleichfalls wissen, verkehrt er fast ausschließlich mit jungen ...« Sie räusperte sich. »... Damen, die mir als Schwiegertochter nicht passend erscheinen. Selbst wenn sie von Stande sind. Denn leider gibt es auch unter den modernen jungen Damen aus guter Familie mehr als genug, die einen sehr unsoliden Lebenswandel führen und ganz bestimmt meinen Sohn nicht dazu anhalten, seinen Pflichten als Gutsherr nachzugehen.«
Pfarrer Haberer hatte zu jedem ihrer Worte zustimmend genickt.
»Wie wahr!«, murmelte er. »Aber was kann man dagegen tun?«
»Ich habe lange überlegt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass wir beide versuchen sollten, eine Frau für Bernd zu finden. Wenn wir ein Mädchen oder eine junge Frau entdecken, die uns gefällt und die hübsch und klug genug ist, auch den Ansprüchen meines Sohnes zu genügen, dann stellen wir sie ihm vor. Und ich setze ihm ein Ultimatum!«
»Ein Ultimatum!« Haberer verschluckte sich fast an dem dritten Stück Hefezopf, das er eben anbiss. »Und wie soll das aussehen?«
»Wenn er dieses Mädchen nicht heiratet und nicht innerhalb von vier Wochen eine andere, die mir gleichfalls passt, bringt, werde ich seinen Vetter Lothar als Erben einsetzen. Der hat inzwischen bereits drei Söhne!«
»Du lieber Himmel!« Pfarrer Haberer wischte sich den Mund mit der Serviette ab. Bei der Nennung dieses Namens verging sogar ihm der Appetit. »Ausgerechnet Baron Lothar! Ihr Sohn kann ihn nicht ausstehen!«
»Er ist auch wirklich nicht zum Mögen«, stimmte die Baronin ihm zu. »Doch vielleicht haben die Kinder nicht seine wenig ansprechende Art geerbt.«
»Wie sollte das sein?«, fragte Haberer kläglich. »Denken Sie doch nur an seine fürchterliche Frau. Pardon.«
»Sie haben ja so recht, lieber Pfarrer. Die beiden sind wirklich ausgesprochen hässlich. Aber es besteht immerhin noch die Hoffnung, dass dieser Umstand Bernd dazu veranlasst, selbst zu heiraten.«
»Wollen wir es hoffen!« Haberer schlug ein Kreuz. Es war wirklich ein Jammer, dass der junge Baron dem Landleben so gar nichts abgewinnen konnte.
»Ich dachte mir nun«, entwickelte die Baronin ihren Plan weiter, »dass Sie sich vielleicht in der Nachbarschaft ein wenig umhören. Zum Beispiel bei Graf von Berghof, der zwei unverheiratete Töchter hat, oder bei Herrn von Auen oder ...«
»Ist der nicht pleite?«, erkundigte sich Haberer. »Ich hörte so etwas.«
»Das habe ich auch gehört. Aber auf Geld kommt es uns nicht an. Das haben wir selbst. Hübsch, klug und amüsant muss sie sein und sich für das Landleben begeistern können. Da wäre noch ...«, fuhr die Baronin mit der Aufzählung weiterer Namen fort, wobei sie auch die bürgerlichen Gutsbesitzer der Umgebung nicht ausschloss.
Pfarrer Haberer nickte nachdenklich.
»Sie meinen, ich soll die Rolle eines Schmusers übernehmen, wie man bei uns in Bayern sagt?«
Luise von Greifenstein lächelte etwas schief.
»Es ist für Sie bestimmt weniger unangenehm als für mich!«, meinte sie.
Der Pfarrer stimmte ihr zwar zu, trotzdem gefiel ihm seine Aufgabe nicht besonders.
»Na schön«, sagte er mit einem tiefen Seufzer.
»Ich revanchiere mich auch, Hochwürden!« Luise von Greifenstein legte ihm lächelnd die Hand auf den Arm. »Ich werde Fanny sagen, dass sie zusammen mit Ihrer Schwester einen Hefezopf backt, damit diese endlich hinter das Geheimnis kommt.«
»Das ist ein Wort!«, erwiderte der geistliche Herr lachend. »Dann werde ich mich mal auf den Weg machen!«
♥♥♥
Die folgende Woche rief Baronin Luise täglich bei Pfarrer Haberer an.
»Noch nichts!«, lautete jedes Mal die Auskunft. Am Morgen des nächsten Wochenendes meldete der Diener wiederum den Besuch des geistlichen Herrn – wie üblich zur Frühstückszeit.