Fantastic Pulp 3 -  - E-Book

Fantastic Pulp 3 E-Book

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Beschreibung

Die besten Pulp-Geschichten aus den USA und Großbritannien des 20. Jahrhunderts.Es kommt (The Worm, 1929) von David H. KellerDie Geschichte vom Haus, in dessen Keller etwas emporsteigtDer Monsterzüchter (Spawn of the Ray, 1938) von Maurice DuclosEin Experiment, das ein eigenes Leben entwickelt und ganz eigene Wege gehtDer Volkstanz (Randall's Round, 1929) von Eleanor ScottDas Studium alter Bräuche und seine unangenehmen NebenwirkungenDunkel der Zeiten (Out of the Long Ago, 1925) von Seabury QuinnAusgrabungen, die Vergessenes zutage fördern, das besser vergessen bliebeAbwehr-Mechanismus (The Thinking Machine, 1938) von J. J. ConningtonEine künstliche Intelligenz, die ein Eigenleben entwickeltDie Aussichtsplattform (The Dark Balkony, 1951) von Emil PetajaEine Tante und ein Erbe, das eine ganz besondere Verpflichtung enthältDer Wasserfresser (The Water-Eater, 1953) von Winston K. MarksWenn Wasser das ist, wovor man sich am meisten fürchtetNo. 17 (1910) von Edith NesbitEin ganz besonderes Hotelzimmer, vor dem man sich in Acht nehmen sollte

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Seitenzahl: 226

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Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.)FANTASTIC PULP 3

In dieser Reihe bisher erschienen

01 Geisterstunden vor Halloween von Stefan Melneczuk

02 Drachen! Drachen! von Frank G. Gerigk & Petra Hartmann (Hrsg.) 

03 Schattenland von Stefan Melneczuk

04 Der Struwwelpeter-Code von Markus K. Korb05 Die weißen Hände von Mark Samuels06 Bio Punk‘d von Andreas Zwengel

07 Xenophobia von Markus K. Korb08 Nachtprotokolle von Anke Laufer09 Reiche Ernte von Matthias Bauer

10 Das Tor von Matthias Bauer

11 Fantastic Pulp 1 von Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.)

12 Wenn die Welt klein wird und bedrohlich von Felix Woitkowski (Hrsg.)

13 Geisterstunden von Stefan Melneczuk

14 Fantastic Pulp 2 von Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.)

15 Cosmogenesis von Jörg Kleudgen

16 Haschisch von Oscar A. H. Schmitz

17 Spuk des Alltags von Alexander M. Frey

18 Schattenschwarz von Torsten Scheib19 Der König von Mallorca von Michael Tillmann

20 Auf zum fröhlichen Weltuntergang von Peter Biro21 Die Zeit der Feuerernte von Tobias Reckermann (Hrsg.)

22 Fantastic Pulp 3 von Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.)

23 Rapid Transit von Wayne Allen Sallee

Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.)

Fantastic Pulp 3

Phantastische Geschichten

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Oliver PflugUmschlaggestaltung: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-327-8

Vorwort

Liebe Leser phantastischer Literatur,

zum dritten Mal besuchen wir die phantastische Vergangenheit und machen den Pulps unsere Aufwartung.

Acht Geschichten, so unterschiedlich wie das Genre an sich, bieten utopische Aussichten, Schrecken aus der Tiefe, seltsame Sagen und ungewöhnliche Verwandte.

Der Zeitraum der ausgewählten Geschichten umfasst die Jahre 1910 bis 1953. Edith Nesbits No. 17 ist die älteste Story der Sammlung und ein wahrer Schatz aus dem Fundus des Geistergeschichtenjägers. Die beiden Storys aus dem Jahr 1929 zeigen, wie unterschiedlich doch Werke aus der gleichen Zeit sind. Den Abschluss macht 1953 mit einer doch recht erschreckenden Ent­deckung.

Unterschiedlich sind auch die Publikationen, in denen die hier versammelten Geschichten erschienen. Weird Tales, Amazing Stories, Fantastic Adventures oder Galaxy, andererseits The Strand Magazine oder wie im Fall von Randalls Round die eigene Sammlung. Der Geistergeschichtenjäger sucht und wird fündig und wir hoffen, Sie haben ebenso viel Vergnügen bei der Lektüre wie wir bei der Auswahl.

Während Sie diese Zeilen lesen und sich auf den nächsten Seiten auf die phantastische Reise begeben, gehen wir auf die Jagd, damit wir Ihnen auch ein viertes Mal eine spannende, überraschende und auch gruselige Auswahl bereiten.

Mit phantastischen Grüßen,

Matthias Käther und Michael Schmidt

Geschichten

David H. Keller Es kommt (1929)

Welches ist eigentlich das größte Genie im Genre Horror zwischen H. P. Lovecraft und Stephen King? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Die schillerndste Gestalt ist vielleicht Robert Bloch, Lovecraft-Schüler und Autor des Romans Psycho, den Hitchcock verfilmte. Für die Zeitgenossen selbst allerdings gab es kaum einen Zweifel, wer der Begabteste unter ihnen war:

David H. Keller.

Keller, ein Psychiater im Ruhestand, zeigte in seinen raffinierten und extrem abwechslungsreichen Texten keinerlei Neigung, sich von irgendwem beeinflussen zu lassen – er braute sich seinen eigenen Stil zusammen, auch wenn er vereinzelt Elemente von H. G. Wells, Robert Chambers, der französischen Dekadenz-Bewegung und der Weird-Menace-Schule in seine Texte integrierte.

Robert Bloch selbst, der keinen Grund hatte, sich vor Konkurrenz zu verstecken, bekannte einst: „Er war der Mann, mit dem für mich alles begann!“

Er gibt ihn als sein eigentliches Vorbild an, und das, obwohl er früh in engem Kontakt zu Lovecraft stand.

Heute ist Keller fast vergessen. Sogar in Amerika. Woran mag das liegen? Wohl kaum an der Originalität und Kraft seiner Geschichten. Vielleicht verdrängte der einsetzende Lovecraft-Kult nach dem Tod Kellers in den späten Sechzigern sein Werk und ließ nur die Pulp-Horror-­Größen gelten, die sich in Wort und Schrift zu Lovecraft bekannten: C. A. Smith, R. E. Howard, Bloch und vielleicht noch F. B. Long.

Es wird Zeit, Keller wiederzuentdecken. Seine besten Texte haben für mich nicht das kleinste bisschen an düsterem Glanz verloren. Beim Übersetzen dieser Geschichte – einer seiner eindringlichsten – war ich zutiefst beeindruckt von seiner suggestiven Art, zu erzählen. Ich hoffe, Sie sind es auch.

1.

Der Müller tätschelte den Kopf seines Hundes, als er flüsterte: „Wir bleiben auf jeden Fall! Unsere Ahnen, deine Vorfahren und meine, haben hier seit fast 200 Jahren gelebt. Und es wäre doch gelacht, wenn wir uns jetzt vertreiben lassen würden!“

Die Mühle stand, eine solide Steinstruktur, in einem isolierten Tal von Vermont. Lange zuvor war jedes Jahr ein anstrengendes Jahr für Mühle und Müller gewesen, doch nun drehte das Mühlrad sich zwecklos um sich selbst. Es gab nichts zu mahlen für die Mühle, und niemand sonst lebte im Tal. Brombeeren und Haselsträucher wuchsen dort, so sich einst fruchtbare Wiesen befunden hatten. Der Atem der Zeit hatte die alten Farmen verheert, und die einzigen Menschen, die geblieben waren, schliefen auf dem Kirchhof. Eine Familie von Eichhörnchen lebte in der Kanzel, und auf den Grabsteinen hatten Schnecken ihre kryptischen Botschaften in silbrigen Zügen hinterlassen. Thompsons Valley kehrte zurück zur Natur. Nur der alte unverheiratete Müller, John Staples, war geblieben. Er war viel zu stolz und zu dickköpfig, um wegzuziehen.

Die Mühle war sein Zuhause, so wie sie allen Mitgliedern seiner Familie die letzten 200 Jahre ein Zuhause gewesen war. Die ersten Staples hatten sie für die Ewigkeit errichtet, und sie war in der Tat immer noch so stabil wie an dem Tag, an dem sie vollendet worden war. Im Keller befand sich der Raum für das Mühlwerk, und die oberen Stockwerke boten genug Platz für Staples’ Wohnräume. Das Gebäude war warm im Winter und kühl im Sommer. In manchen Jahren hatte es Dutzenden Staples gleichzeitig Obdach geboten, nun war es die Behausung von John Staples und seinem Hund allein.

John lebte einsam mit seinen Büchern und Erinnerungen. Er hatte keine Freunde und wünschte sich auch keine. Einmal im Jahr fuhr er in die nächste Stadt und kaufte die nötigen Vorräte ein. Er zahlte in Gold. Es hieß, er sei reich. Gerüchte wollten wissen, dass er ein Knauser war. Doch er kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten und erwartete von der Welt, dasselbe zu tun, und an Winterabenden lachte er still über die Werke Burtons oder Rabelais’, während sein Hund am warmen Herd lag und im Traum Kaninchen nachjagte.

Der Winter 1929 begann das Tal zu bedrohen, aber mit Verpflegung und Brennholz in Hülle und Fülle sah der Einsiedler der nahenden Periode völliger Welt­abgeschiedenheit gelassen entgegen. Wie kalt es auch immer werden würde – er hatte es warm und gemütlich in seiner Mühle. Mit der handwerklichen Begabung, die er von seinen Ahnen geerbt hatte, war er sogar in der Lage gewesen, mithilfe des Mühlrads Wasserkraft in Elektrizität umzuwandeln. Und wenn das Rad eingefroren war, konnte er geraume Zeit auf Strom aus den Akkus zurückgreifen. Jeden Tag fummelte er an irgendetwas im Maschinenraum herum – es war sein besonderer Stolz, alles in perfekter Ordnung halten zu können. Er versicherte seinem Hund, dass er im Fall erneuter Nachfrage sofort wieder mit der Arbeit beginnen könne.

Es war am Weihnachtstag dieses Winters, als er es zum ersten Mal hörte. Als er in den Keller hinunterging, um nachzusehen, ob nichts durch den strengen Frost des Vorabends beschädigt worden war, wurde seine Aufmerksamkeit durch ein seltsam mahlendes Geräusch gefesselt, das seinen Ursprung unter dem Fußboden zu haben schien. Seine Vorfahren, die für die Ewigkeit gebaut hatten, setzten nicht nur auf solide Fundamente, sondern sie hatten den gesamten Kellerfußboden auch mit schweren Steinplatten ausgelegt – jede einzelne einen Meter breit und etliche Zentimeter dick. Zwischen ihnen hatte sich der Staub von zwei Jahrhunderten festgesetzt.

Als er auf dem Kellerboden stand, bemerkte Staples, dass er nicht nur das Geräusch hören, sondern auch die Vibrationen fühlen konnte, von denen die Steinplatten erschüttert wurden. Selbst durch seine dicken Leder­stiefel konnte er das Pulsieren spüren. Es zog seine Fausthandschuhe aus und berührte den Boden mit seinen Fingerspitzen. Zu seiner Verblüffung war er warm – trotz der Tatsache, dass es letzte Nacht stark gefroren hatte. Die Vibration war in den Fingerspitzen viel deutlicher zu spüren als mit den Füßen. Verwirrt legte er sich auf die Steinplatten und presste sein Ohr an die warme Ober­fläche.

Das Geräusch, das er nun hörte, erinnerte ihn an das Mahlen der Mühlsteine aus der Zeit, als er noch ein kleiner Junge gewesen war und die Farmer ihr Korn hierherbrachten, damit es zu Mehl wurde. In der Mühle war seit fünfzig Jahren kein Mehl mehr gemahlen worden. Doch da war dieses Geräusch – das langsame regelmäßige Kratzen von Stein auf Stein. Er konnte es nicht verstehen. Tatsächlich brauchte er sogar eine geraume Weile, um überhaupt zu versuchen, eine Erklärung zu finden.

Dann, mit der Gewohnheit des einsamen gründlichen Denkers, rekapitulierte er zunächst alle verfügbaren Fakten über das Geräusch. Er wusste, dass er die vielen langen Winterabende genug Zeit haben würde, über die Sache nachzusinnen.

Er ging zurück ins Wohnzimmer und kehrte mit einem Spazierstock aus Eschenholz in den Keller zurück. Den Stock locker in der Hand haltend, platzierte er das Ende an hundert verschiedenen Stellen auf dem Boden, und jedes Mal harrte er lange genug aus, um die Anwesenheit oder das Fehlen der Vibration zu ermitteln. Erstaunt stellte er fest, dass, obwohl das Phänomen an Stärke variierte, es im gesamten Keller zu spüren war – mit Ausnahme der vier Ecken. Die maximale Erschütterung registrierte er in der Mitte.

Diesen Abend konzentrierte er sich ganz auf das Problem, das vor ihm lag. Sein Großvater hatte ihm erzählt, dass die Mühle auf solidem Felsen gebaut war. Als junger Mann hatte er geholfen, einen Brunnen ganz in der Nähe zu säubern, und erinnerte sich, dass der Schacht nicht ausgegraben, sondern in den diamantharten Granit hineingebohrt worden zu sein schien. Es gab eigentlich keinen Zweifel daran, dass das Fundament der Mühle auf ähnlich solidem Felsen stand. Es gab keinen Grund, irgendetwas anderes anzunehmen. Augenscheinlich hatte eine tiefere Schicht unter dem Granit nachgegeben, und die darüber liegende begann sich knirschend und windend anzupassen. Die simpelste Erklärung war meist die wahrscheinlichste – es dürfte sich um ein geologisches Phänomen handeln.

Das Verhalten des Hundes allerdings ließ sich nicht so einfach erklären. Er hatte sich geweigert, mit seinem Herrchen in den Keller zu gehen. Und nun befand er sich, anstatt wie sonst gelassen am Feuer zu dösen, in einem Zustand ständiger angespannter Erwartung. Er bellte nicht, ja er winselte nicht einmal, doch er kroch stumm zum Sessel seines Herrn und sah ihn besorgt an.

2.

Am nächsten Morgen was das Geräusch lauter. Staples konnte es vom Bett aus hören. Zunächst glaubte er, irgendein kühner Abenteurer wäre in den nahe gelegenen Wald eingedrungen und würde dort einen Baum umsägen. Ja, genauso klang es. Nur weicher und etwas lang gezogener in seinem Rhythmus.

Brrzzzzzz. Brrzzzzzz. Brrzzzzzz.

Der Hund, unverkennbar unglücklich, sprang aufs Bett und kroch zu einer seiner Hände, um sie mit der Schnauze anzustupsen.

Durch die vier Bettpfosten konnte Staples dieselbe Vibra­tion fühlen, die er mit seinem Spazierstock einen Tag vorher ertastet hatte. Das machte ihn nachdenklich. Die Erschütterungen konnten nun deutlich wahrgenommen werden – auch ohne Hilfsmittel wie einem Stock. Man spürte sie durch die Wände des Gebäudes hindurch! Die Geräusche waren im dritten Stock ebenso gut zu hören wie Vortags im Keller.

Er versuchte, herauszuspüren, wonach es sich anhörte. Nicht, was es war, sondern, wonach es klang. Die erste Assoziation, die ihm kam, war eine Säge – eine Säge, die sich durch Eichenholz fraß. Dann kam der Gedanke an einen Bienenschwarm – nur mussten es dann große Bienen sein und Millionen von ihnen. Schließlich verdrängte eine Idee alle anderen – wie ein Mühlstein klang es in einer Kornmühle! Der obere Stein auf dem unteren – und nun erschien ihm der Klang eher als Grrrrrr-Grrrrrr als ein Brrzzzzzz oder Hmmmmmm.

Diesen Morgen brauchte er länger als sonst für die Rasur, und er war methodischer als gewöhnlich beim Zubereiten des Frühstücks für ihn selbst und den Hund. Es schien, als ob ihm klar war, dass er irgendwann hinunter in den Keller musste und er diesen Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszögern wollte. Tatsächlich zog er schließlich seinen Mantel an, setzte den Biberhut auf, streifte seine Fausthandschuhe über und machte einen Spaziergang, bevor er sich seinem Keller zuwandte. Dem Hund folgend, der seit langer Zeit zum ersten Mal wieder glücklich zu sein schien, wanderte er über die gefrorene Erde und machte einen weiten Bogen um das Gebäude, das er sein Heim zu nennen pflegte. Ohne sich dessen bewusst zu sein, versuchte er, dem Geräusch zu entkommen, irgendwo zu sein, wo ihn nicht dieses seltsame Kribbeln durchdrang ...

Schließlich kehrte er zur Mühle zurück und stapfte entschlossen in den Keller hinunter. Der Hund blieb wie angewurzelt an der Kellertür stehen, ging zwei Stufen hinunter, um dann zum Eingang zurückzuspringen, wo er zu winseln begann. Staples stieg unbeirrt weiter abwärts, doch das Verhalten des Vierbeiners trug nicht gerade dazu bei, sein seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Das Geräusch war viel lauter als am Tag zuvor, und er brauchte diesmal keinen Stock, um die Vibrationen zu spüren. Das ganze Gebäude wankte. Er setzte sich auf die dritte untere Stufe nieder und überdachte das Problem, bevor er es wagte, den Kellerboden selbst zu betreten. Er war im Speziellen an einem leeren Fass interessiert, das im Zentrum hin und her polterte.

Das im Parterre befindliche Mühlrad bezog seine gesamte Energie durch eine simple Anlage von Kolben, Zahnrädern und Lederriemen. All diese Maschinerie für den nötigen Antrieb wurde hier vom Keller aus nach oben weitergeleitet. Der eigentliche Mahlvorgang fand oben statt. Das Gewicht der Maschinerie als auch die schweren Mühlsteine wurden vollständig von diesem Kellerboden getragen. Die Decke des Parterregeschosses ruhte auf langen Kiefernbalken, die sich durch das ganze Gebäude zogen, fest verfugt in den Steinwänden an jeder Seite.

Staples begann auf den Steinfliesen herumzulaufen, bis er etwas bemerkte, das ihn veranlasste, sich wieder auf die Kellerstufen zu stellen. Der Boden hatte begonnen, in der Mitte einzusinken; nicht viel, aber doch so weit, dass einige Stützbalken sich von der Decke gelöst hatten. Auch die Decke selbst schien nachzugeben.

Er sah, dass leichtere Objekte wie das leere Fass sich in der Mitte des Kellers versammelt hatten. Es war nicht sehr hell, aber er konnte mehr als deutlich erkennen, dass der Boden nicht länger ebenerdig war – dass er begann, eine untertassenförmige Gestalt anzunehmen. Das mahlende Geräusch schwoll an. Die Stufen, auf denen er saß, waren solide Maurerarbeit, äußerst stabil verankert in der angrenzenden Wand. Das ganze Haus begann zu summen wie ein Cello.

Irgendwann war er in der Stadt gewesen und hatte ein Orchester spielen gehört. Er war fasziniert von den großen Streichinstrumenten, insbesondere von denen, die von den Musikern stehend gespielt werden mussten. Die Vibrationen, die die Treppenstufen aussandten, erinnerten ihn an diese Instrumente – an die paar Noten, die sie allein zu spielen hatten.

So saß er da, bis er plötzlich hochschreckte, weil ihm klar wurde, dass er in ein paar Minuten fest einge­schlafen wäre. Er war nicht verängstigt, doch ihm wurde auf dumpfe Weise bewusst, dass er hier nicht schlafen durfte – nicht hier.

Pfeifend stieg er hinauf und holte seine elektrische Taschenlampe. Er knipste sie an und kehrte zurück zu den unteren Stufen. Im Licht des Strahls sah er, dass sich diverse tiefe Risse im Boden gebildet hatten und einige kleinere Steinbrocken, die sich von den größeren gelöst hatten, auf dem Boden in trunkener, schier sinnloser Weise im Rhythmus der Erschütterungen auf- und absprangen. Er blickte auf seine Uhr. Es war erst kurz nach neun Uhr früh.

Und dann stoppte das Geräusch.

Kein Laut mehr! Keine Vibration! Nur ein zerborstener Boden – und jeder Zoll des alten Mühlensystems zerbrochen oder verdreht. In der Mitte des Kellers war ein Loch entstanden, in das einige Steinfliesen gerutscht waren. Staples stakste vorsichtig nach unten und senkte den Lichtkegel hinunter in das Loch. Dann legte es sich hin und rutschte behutsam in eine Position, in der er bequem hineinlugen konnte. Er begann zu schwitzen. Denn der Abgrund schien endlos.

Zurück auf den soliden Stufen, bemühte es sich, eine sinnvolle Ursache für diesen Schacht zu finden. Er vermochte es nicht. Doch das Winseln des Hundes sagte ihm, dass er aktiv werden musste. Dieses Loch musste gestopft werden – so schnell wie möglich.

Wie ein Lichtblitz wurde ihm plötzlich klar, wie er vorgehen würde. Im Stockwerk über ihm war Zement, Hunderte Säcke voll. Wasser gab es unbegrenzt im Mühlbach.

Er rackerte den ganzen Tag, verstopfte den Schacht sorgsam mit einer Art riesigem Korken, improvisiert aus einem Gemisch, das aus alten Säcken und Drahtrollen bestand. Dann legte er schwere Balken über den Abgrund und füllte das Ganze mit Zement, viel Zement. Die Nacht kam und fand ihn immer noch am Werk. Der Morgen kam, und immer noch stapfte er die Stufen hinunter, jedes Mal mit einem Sack zerschlagener Steine oder Zement über der Schulter, oder mit zwei Eimern Wasser in seinen Händen.

Am Mittag des nächsten Tages war der Boden nicht mehr konkav, sondern konvex. Auf dem Loch lagen anderthalb Meter Bauholz, Säcke und Zement. Dann, und erst dann verließ er den Keller und machte Kaffee. Er trank ihn, Tasse um Tasse, und ging schlafen.

Der Hund stand am Fußende seines Bettes.

3.

Als der Mann erwachte, schien die Sonne hell durchs Fenster. Ein neuer Tag war angebrochen. Das Feuer war längst erloschen, und dennoch war es warm im Raum. Solche Tage nannte man in Vermont Wetter-Brüter. ­Staples lauschte. Alles war still, bis auf das Ticken seiner Uhr. Ohne zu realisieren, was er tat, kniete er neben dem Bett nieder und dankte Gott für seine Gnade, sprang erneut ins Bett und schlief weitere vierundzwanzig Stunden. Als er diesmal erwachte und lauschte, war da immer noch kein Geräusch. Und er war sicher, dass der Zement inzwischen steinhart geworden war. Diesen Morgen blieb er wach und teilte sich ein gigantisches Frühstück mit seinem Hund. Dann schien es angebracht, im Keller nach dem Rechten zu sehen.

Es gab keinen Zweifel – die Maschinerie war hinüber. Aber das Loch war geschlossen. Erleichtert, dass seine Sorgen vorbei waren, schnappte er sich seine Flinte, pfiff seinem Hund und ging jagen.

Bei seiner Rückkehr musste er die Mühle nicht betreten, um zu wissen, dass das Mahlen erneut begonnen hatte. Noch bevor er sich daranmachte, die Stufen zum Keller hinabzusteigen, erkannte er die Vibrationen und das Geräusch nur zu gut.

Aus der Tiefe ertönte eine Art seltsamer Melodie, eine Harmonik aus Dissonanzen, und ihm wurde klar, dass das Ding, das sich vorher durch soliden Fels gebohrt hatte, nun dabei war, sich durch seinen Zement zu arbeiten, der mit Säcken, Draht, Bauholz und gelegentlichen Eisenstücken gespickt war. Jedes dieser Materialien gab einen anderen Ton von sich. Gemeinsam beklagten sie greinend ihre Auflösung.

Mit einem Blick sah Staples, dass es nicht lange dauern würde, bis sein Zementkorken zerstört sein würde. Was sollte er bloß tun? Den ganzen Tag beim Jagen hatte sich sein Unbewusstes um dieses Problem gedreht. Nun dämmerte ihm die Antwort. Wenn er das Loch nicht verpfropfen konnte, dann würde er es mit Wasser füllen. Die Wände der Mühle waren äußerst stabil, doch er konnte einen Kanal hindurchbohren und den Mühlbach in den Keller umleiten. Der Bach, der durch einen größeren Fluss gespeist wurde, war nicht so voll wie gewöhnlich – es herrschte Niedrigwasser. Dennoch: Was immer es war, das sich durch den Boden fraß – es konnte ertränkt werden. Wenn es lebte, würde es ertrinken. Wenn es so etwas wie ein Feuer war, würde es erlöschen. Es hatte keinen Zweck, zu warten, bis sich das Loch erneut geöffnet hatte. Die beste Strategie war, sofort loszulegen und für alles gerüstet zu sein.

Er ging zurück in die Küche und briet sich Eier und Schinken. Er aß, so viel er konnte. Er kochte sich eine Kanne Kaffee. Dann ging er zurück in den Keller und legte los.

Die Mauer reichte bis einen Meter unter die Erde. Eine Sprengung, die stark genug war, sie aufzubrechen, würde das ganze Haus schwer beschädigen. Also begann er, auf die Innenwand einzuhacken, wie ein Vogel auf eine Nuss einhacken würde. Dann folgte eine Periode des Bohrens, und dann eine dumpfe Explosion, ausgelöst von sehr wenig Pulver. Ein paar Eimer gelösten Steins wurden weggetragen. Dann noch mehr Gebohre und eine weitere Explosion. Schließlich wusste er, dass nur noch wenige Zentimeter den Keller vom Bach trennten.

Und die ganze Zeit hindurch war diese Sinfonie des Lärms, diese Disharmonie der Geräusche zu vernehmen. Ein konstantes Mahlen drang durch den Boden, unterbrochen vom Geklopfe seines Vorschlaghammers, vom Quietschen seines Brecheisens, von tief tönenden Explosionen des Pulvers und dem Niederprasseln von Fels und Wandfragmenten. Staples arbeitete ohne Unterlass und pausierte nur, um hin und wieder einen Schluck Kaffee zu trinken. Der Hund stand auf den oberen Kellerstufen.

Plötzlich, ohne Vorwarnung, brach der gesamte Kellerboden ein. Staples sprang zurück auf die Treppe. Die hielt. Am ersten Tag war das Loch vielleicht einen Meter breit gewesen. Nun nahm die Öffnung fast den gesamten Kellerraum ein. Staples starrte hinunter in den Abgrund.

Brechreiz stieg in ihm auf. Dort, etwa sechs Meter unter ihm, brodelte eine Masse von Steinen und Holz auf seltsame Weise, um dann nach und nach in einem riesigen zweiten Loch zu verschwinden, das etwa fünf Meter breit war. Er konnte zusehen, wie all das Material vom Abgrund verschlungen wurde.

Die Öffnung, die er in die Wand geschlagen hatte, befand sich genau gegenüber der Treppe. In ihr lag eine Ladung Pulver, aber er konnte die Zündschnur unmöglich erreichen, um die Sprengung vorzunehmen. Doch es galt, keine Zeit zu verlieren! Er musste schnell handeln! Er rannte ins Parterre, holte seine Flinte und kehrte zurück zum Ende der Treppe. Es gelang ihm, den Strahl seiner Taschenlampe genau auf das Loch in der Wand zu werfen. Dann ein Schuss, ein zweiter, ein dritter – um beim dritten sagte ihm das Getöse der Explosion, dass er erfolgreich gewesen war.

Das Wasser begann, in den Keller zu sprudeln. Nicht sehr schnell zunächst, doch nachdem Schlamm und Gras hinweggespült worden waren, kam es rascher. Schließlich strömte ein fünfzehn Zentimeter dicker Strahl stetig in den bodenlosen Schacht. Staples saß auf den unteren Stufen. Er lief nach draußen zum Mühlbach und sah, dass er genug Wasser führte, um hundert solche Löcher zu füllen. Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit erfüllte seine müden Sinne.

Und erneut schleppte er sich nach dem Essen ins Bett.

4.

Als er erwachte, hörte er, wie der Regen mit Tausenden Fingern ärgerlich an seine Scheiben trommelte. Der Hund lag auf dem gewebten Teppich neben seinem Bett. Er war immer noch unruhig und schien erfreut darüber, dass sein Herr erwacht war. Staples zog sich wärmer an als sonst und verbrachte eine extra halbe Stunde damit, sich ­Pancakes mit Honig zuzubereiten. Dann halfen Würstchen und Kaffee, seinen Hunger zu beschwichtigen. Schließlich machte er sich mit Gummistiefeln und seinem schweren Regenmantel auf den Weg ins Tal. Das Erste, das ihm ins Auge fiel, war der Mühlbach. Er war praktisch leer. Ein kleines Rinnsal plätscherte immer noch in das Loch, das er gestern in die Mühlenwand gesprengt hatte. Ursprünglich war der Bach zweieinhalb Meter tief gewesen, jetzt war der Stand auf fünfzehn Zentimeter gesunken. Staples überkam die Furcht, dass das Loch im Keller nicht allein den Bach leerte, sondern auch den kleinen Fluss, der seit Tausenden Jahren durch das Tal floss. Er war noch nie versandet. Er hastete hinüber zum Damm und fand seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Anstatt des Flusses sah er nur einen schlammigen Streifen, übersät mit Brocken schmutzigen Eis, das vom Regen sauber­gewaschen wurde. Mit Erleichterung dachte er an den Regen. Tonnen von Schnee würden demnächst schmelzen und den Fluss füllen. Schließlich würde das Loch gefüllt sein, das Bett würde sich füllen, und es würde wieder Wasser in den Mühlbach fließen. Dennoch fühlte er sich unbehaglich. Hatte das Loch keinen Boden?

Als er den Keller inspizierte, war er ein wenig beruhigt. Das Wasser floss immer noch hinunter, wenn auch langsamer. Doch der Wasserspiegel stieg – was bedeutete, dass es schneller hineinlief, als es anderswo abfloss.

Seinen Mantel und die Stiefel im Erdgeschoss lassend, rannte er die Steintreppen hinauf in den ersten Stock, entzündete ein Feuer im Wohnzimmerofen, steckte sich seine Pfeife an und begann nachzudenken. Die Maschinerie der Mühle lag in Trümmern. Natürlich könnte man sie reparieren, doch eigentlich gab es keinen Grund dafür. Das Beste war, sie in Frieden zu lassen. Er hatte Gold, das seine Vorfahren gespart hatten. Er wusste nicht genau wie viel, war sich aber sicher, davon leben zu können. Rastlos rekapitulierte er die vergangene Woche. Unfähig, sich zu entspannen, gierte er nach Beschäftigung. Die Idee des Goldes bohrte sich in seinen Verstand, und das Ergebnis war, dass er sich erneut Regenmantel und Stiefel anzog und den gesamten Schatz in eine kleine trockene Höhle im Wald transportierte, die etwa eine halbe Meile entfernt lag. Dann kehrte er zurück und begann sein Abendessen zu kochen. Er ging dreimal am Kellereingang vorbei, ohne hinunterzuschauen.

Gerade als er und der Hund ihre Mahlzeit beendet hatten, hörte er ein Geräusch. Es war anders als alle früheren – etwa wie eine Säge, die durch Holz gezogen wird. Doch der Rhythmus war derselbe.

Hrrrrrr-Hrrrrrr.

Er stand auf, um in den Keller zu gehen, doch diesmal nahm er sein Gewehr mit. Der Hund folgte ihm zögerlich und heulte schrecklich; er hatte seinen Schwanz zwischen die Beine geklemmt und zitterte.

Schon als Staples das Parterre-Geschoss erreichte, spürte er die Vibration. Und er konnte sie nicht nur ­spüren, sondern auch sehen. Es schien, als ob das Zentrum des Fußbodens hochgedrückt wurde. Mit der Taschenlampe in der Hand öffnete er die Kellertür.

Da war kein Wasser mehr. Um genau zu sein, da war gar nichts mehr, kein Keller, kein nichts! Vor ihm erhob sich eine schwarze glatte Wand, auf der das Licht in Wellen reflektiert wurde. Es war eine Wand – und sie bewegte sich. Er berührte sie mit dem Lauf seines Gewehrs. Sie war hart und trotzdem nachgiebig. Als er die Hand an sie legte, konnte er spüren, wie sie sich bewegte. War sie lebendig? Konnte es so etwas geben wie schwarzes lebendes Gestein? Er konnte nicht daran vorbeisehen, doch er nahm wahr, dass das riesige Ding den gesamten Keller ausfüllte – und sich gegen die Decke presste!

Das war es! Das Ding bohrte sich durch in das Erdgeschoss! Es hatte den Keller zerstört und füllte ihn nun aus! Es hatte den Fluss verschlungen! Und nun brach es langsam durch den Fußboden. Wenn es weiter vordrang, war die Mühle verloren. Staples wusste plötzlich, dass das Ding lebte – und er es aufhalten musste!