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Sie brauchen keinen Märchenprinzen. Sie sind Feen! Dass sie eigentlich eine Feuerfee ist, hat die sechzehnjährige Bloom gar nicht gewusst. Aber dann steckt sie versehentlich ihr eigenes Elternhaus an. Sie muss dringend lernen, ihre Fähigkeiten zu kontrollieren. So kommt Bloom auf die geheime Feenschule Alfea, die sich hinter einer magischen Barriere in der Anderswelt verbirgt. Und während ihre Eltern sie auf einem Eliteinternat in der Schweiz glauben, erlebt Bloom mit ihren neuen Freundinnen vom Winx Club ein haarsträubendes Abenteuer nach dem anderen. Netflix hat die Winx neu erfunden: Spannende Nacherzählung der Netflix-Realverfilmung, basierend auf der erfolgreichen Animationsserie Winx Club. Winx Club war jahrelang die Animationsserie für Mädchen. Seit Januar 2021 läuft die Winx Saga für die mittlerweile erwachsen gewordenen Fans der coolen Feen und der Feenschule als Realverfilmung auf Netflix. Durchsetzungsvermögen, Empathie und Girl-Empowerment – Das sind die Winx!
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Seitenzahl: 376
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Inhalt
Ein Feenmärchen beginnt …
FEENMÄRCHEN – TEIL 1
Feuer – Ich war gerade …
Feuer – Der Globus in …
Feuer – Alles für meine …
Geist – Fünf Mädchen. Achtundvierzig …
Spezialist – Es war ein …
Erde – Der Innenhof war …
Feuer – Ich sah mich …
Erde – Terra eilte geschäftig …
Feuer – Es war schön …
Wasser – Alfea war für …
Geist – Musa mochte Aisha. …
Feuer – Ich verließ Alfea …
Spezialist – Sky musste immer …
Feuer – In dieser Nacht …
Spezialist – Sein zweites Schuljahr …
Dass das Herz auch alt wird
FEENMÄRCHEN – TEIL 2
Erde – Aus dem Nachbarzimmer …
Feuer – Der erste Unterrichtstag, …
Feuer – Der Unterricht fand …
Feuer – Nach der Stunde, …
Spezialist – Auf den Stegen …
Geist – Wenn die Leute …
Licht – Stella hatte immer …
Feuer – Einem Spezialisten zu …
Spezialist – Direktorin Dowling hatte …
Feuer – Im Abendlicht sah …
Geist – »Mir gefällt nicht, …
Erde – Die untergehende Sonne …
Spezialist – Beatrix saß auf …
Wasser – Sie würden den …
Erde – Beim Betreten der …
Feuer – Ich war dem …
Erde – Terra hatte immer …
Feuer – Das Gefühl des …
FEENMÄRCHEN – TEIL 3
Feuer – In meiner Vision …
Spezialist – Auf dem Trainingsgelände …
Wasser – Bloom würde sich …
Erde – Terra hatte ein …
Feuer – Es war schön, …
Erde – Nachdem sie sich …
Wasser – Bloom saß auf …
Spezialist – Stellas Make-up-Kram war …
Erde – Der verlassene Ostflügel …
Feuer – Ich entdeckte Sky …
Spezialist – Wir spielten Jungs …
Feuer – Ich hatte Sky …
Geist – Musa und Sam …
Feuer – Ich war wirklich …
Spezialist – Als die gute …
Feuer – Miss Dowlings Miene …
Spezialist – Mit nacktem Oberkörper, …
Feuer – Damit blieb mir …
Spezialist – Schon wieder versuchte …
Feuer – Immer stärker hörte …
Spezialist – Sky sah von …
Licht – »Also beherrscht Miss …
Spezialist – Also gut, jetzt, …
Erde – Terra lag im …
Feuer – Aisha und ich …
FEENMÄRCHEN – TEIL 4
Dass das Herz auch alt wird
Spezialist – Er hatte noch …
Feuer – Beim Überqueren des …
Licht – »Es ist nur …
Spezialist – Riven hatte jetzt …
Erde – Wie »schön« doch …
Wasser – Was hatte Aisha …
Feuer – Mit gesenktem Blick …
Feuer – Ich hatte da …
Spezialist – Riven war auf …
Geist – Stella saß in …
Feuer – Schweigend ging Sky …
Wasser – »Dowling ist nervös«, …
Spezialist – Na super, dachte …
Geist – Musa wusste, dass …
Feuer – Ich machte mich …
Licht – Stella stand im …
Erde – Im Gewächshaus ertappte …
Feuer – Im Inneren des …
Spezialist – Riven lag auf …
Erde – Terra marschierte in …
Licht – »Ich brauche dich.« …
Feuer – Als wir am …
Erde – Terra, Aisha und …
Feuer – Skys hübsches Gesicht …
Geist – Auf dem Rückweg …
Licht – Stella saß schweigend …
Feuer – Miss Dowlings Bürotür …
Spezialist – Sky sah zu, …
FEENMÄRCHEN – TEIL 5
Feuer – Die Türme des …
Feuer – Die Hecken des …
Geist – Musa lief an …
Erde – Terra taumelte auf …
Geist – Musas und Terras …
Feuer – Mein Herz raste, …
Geist – Musa stand auf …
Feuer – Ein paar Sonnenstrahlen …
Licht – Stella hatte nie …
Erde – Dane trank nach …
Feuer – Schweigen senkte sich …
Spezialist – Silva hatte an …
Feuer – Ich eilte in …
Geist – Stella beugte sich …
Feuer – Miss Dowling stand …
Spezialist – Als Sky in …
Feuer – Ich saß auf …
Wasser – Das Röcheln der …
Feuer – Ich marschierte in …
Erde – Die Gänge hinter …
Feuer – Am Ende des …
FEENMÄRCHEN – TEIL 6
Feuer – Ich fand mich …
Erde – »Bloom ist schon …
Geist – Viel zu laute, …
Feuer – Ich beobachtete, wie …
Spezialist – Die kleine Gruppe …
Erde – Dass Sam und …
Feuer – Ich stand im …
Spezialist – Kat und Riven …
Feuer – Sky und ich …
Erde – Stella versuchte noch …
Feuer – Die im Innenhof …
Spezialist – Das Scharren der …
Geist – Sam war schweißüberströmt …
Feuer – Die anderen Feuerfeen …
Spezialist – Sky verwickelte die …
Erde – Musa saß allein …
Licht – Stella, Aisha und …
Erde – Wenn die Verbrannten …
Feuer – Aisha, Stella und …
Geist – Musa krümmte sich …
Spezialist – In diesen Momenten …
Feuer – Während Stella mich …
Spezialist – Bloom hatte es …
Feuer – Da waren wir …
Feuer – Mein Zuhause in …
Spezialist – Sky half Silva, …
Dass das Herz auch alt wird
Feuer – Als ich zusammen …
Ein Feenmärchen beginnt …
Bloom Peters zog sich den schmuddeligen Schlafsack bis unters Kinn. Sie fröstelte auf der schlaffen Luftmatratze, die auf dem kalten Boden lag, und wünschte sich nach Hause.
Aber keine gute Fee erschien, um ihr diesen Wunsch zu erfüllen.
Das Lagerhaus, in dem sie nachts kampierte, hätte Albträume machen können, aber auf diesem Gebiet war Bloom ohnehin Expertin. In einer der Ecken des verwinkelten Gebäudes lag altes Gerümpel, und hin und wieder hörte sie von dort ein merkwürdiges Rascheln, dessen Ursache sie definitiv nicht erkunden wollte. Das Mondlicht sandte Bündel kalten Lichts durch die Öffnungen des Dachs, als suchte da oben ein Raumschiff nach einem Entführungsopfer.
Zum Glück handelten Blooms Albträume von brennenden Häusern und nicht von kalten Lagerräumen. Und solange sie nicht schlief, blieb sie von ihnen verschont.
Bloom setzte sich auf und griff nach ihrem Notizblock. Mit ihrem Telefon beleuchtete sie die entscheidende Seite.
Es war eine Liste mit Mutmaßungen, überschrieben mit: Was zum Teufel ist los mit mir?
Pyrokinese?
Mutation?
Superkräfte?
Schwer entflammbar?
Darunter hatte sie die Ergebnisse ihrer Experimente notiert.
6.Juli: Kerzen – keine Verbrennungen.
8.Juli: Campingkocher – keine Verbrennungen.
10.Juli: Lötlampe – keine Verbrennungen.
Die Selbstversuche waren gruselig gewesen, aber lange nicht so gruselig wie die Erinnerung an ihr brennendes Zuhause. Jede Nacht durchlebte sie aufs Neue den Streit mit ihrer Mutter und dann den Moment, in dem sie endlich begriff, dass das ganze Haus in Flammen stand. Sie wusste nicht wie, aber ihr war klar, dass sie das getan hatte. Sie war durch den brennenden Flur gerannt ins Schlafzimmer ihrer Eltern, wo sich das Bett, die Vorhänge und alles andere im Raum schon in eine Flammenhölle verwandelt hatten. Bloom sah noch immer ihren verzweifelten Vater vor sich, der hustend auf dem Boden saß, und ihre Mutter, in eine Decke gewickelt und bewusstlos. Als hätte das Feuer seinen gierigen Schlund aufgerissen, um ihre Mom zu verschlingen. Dabei würde Bloom doch niemals …
Sie würde doch nie … Aber sie hatte.
Die Brandwunden ihrer Mutter waren geheilt, und das Haus hatten sie nach dem Brandschaden wieder weitgehend hergerichtet. Aber jede Nacht schlich sie sich nun aus ihrem schönen, neuen, normalen Schlafzimmer in dem schönen, renovierten, normalen Haus und kam hierher. Sie hockte hier auf dem Boden und dachte darüber nach, wie sie das Problem in den Griff kriegen konnte. Eigentlich hielt sie sich selbst für eine Kämpfernatur, aber sie hatte ihrer Mutter wehgetan. Und das hieß, sie musste gegen sich selbst kämpfen. Aber wie?
Es raschelte noch einmal, diesmal lauter. Bloom sah erschrocken auf. Durch die dreckverschmierten Fenster konnte sie nicht viel erkennen. Wenn jemand beobachtet hatte, wie sich ein junges Mädchen in das verlassene Lagerhaus schlich, konnte ihn das auf alle möglichen Ideen bringen.
Bloom legte ihr Telefon und ihr Notizbuch beiseite. Sollten sie doch kommen. Sie hatte ihre eigene Mutter verletzt. Sie würde nicht zögern, irgendeinen Dreckskerl in Flammen aufgehen zu lassen. Wortwörtlich.
Wieder war ein Geräusch zu hören. Der Widerhall von Schritten. Bloom ballte die Hände zu Fäusten. Sie spürte ein Brennen in beiden Handflächen, als wären sie heiß geworden.
Das Geräusch der Schritte kam nicht aus Richtung Tür.
Bloom fuhr herum und sah sich einer Frau gegenüber.
Sie war kein gewöhnlicher Eindringling.
Diese Frau war eindeutig außergewöhnlich. Sie war mittleren Alters, groß, weiß, gut angezogen, mit akkurat hochgesteckten blonden Haaren, dunkleren Augenbrauen und einem durch und durch würdevollen Auftreten. Ihre bloße Anwesenheit schien das Lagerhaus in ein Empfangszimmer zu verwandeln.
An der Wand hinter ihr schimmerte ein Portal aus Licht. Ein weiteres Zeichen dafür, dass hier irgendetwas Ungewöhnliches vor sich ging.
»Bloom Peters?«, fragte die Fremde. »Ich bin Farah Dowling, aber bitte vergiss meinen Vornamen sofort wieder. Wenn du meine Schule besuchst, wirst du ihn nicht benutzen. Denn Schuldirektorinnen haben keinen Vornamen.«
Blooms erster Schock legte sich.
»Wenn ich … Ihre Schule besuche?«, fragte sie. Ein heiseres Lachen entschlüpfte ihrer Kehle. »Oh, dann ist also eine geheimnisvolle Fremde gekommen, um mir von ihrer Schule für Zauberer zu erzählen?«
»Nicht für Zauberer«, sagte die Frau.
Bloom ignorierte den Einwand. »Also kommt jetzt der Teil, in dem Sie mir sagen, ich hätte ganz plötzlich magische Fähigkeiten?«
»Die hattest du schon immer, Bloom«, sagte Miss Dowling. »Du wusstest nur nichts davon.«
Das reichte! Bloom mochte mysteriöse Fähigkeiten haben, die außer Kontrolle geraten waren, die Welt mochte verrückt geworden sein, aber ihre Eltern hatten ihr nicht einen klaren Menschenverstand mitgegeben, damit sie einer seltsamen Unbekannten Gehör schenkte, die ihr bei Nacht und Nebel etwas erzählte, das sich anhörte wie eine Einladung nach Hogwarts. Bloom schnaubte, sie schlüpfte aus ihrem Schlafsack und hastete zur Tür.
Die Stimme der Frau stoppte sie auf halbem Weg zum Ausgang.
»Ich weiß über das Feuer Bescheid, Bloom.«
Bloom erzitterte wie eine Kerzenflamme im Wind. Langsam drehte sie sich um. Die Fremde sah sie unverwandt an, aber nicht unfreundlich.
»Wo willst du hin? Du kannst nicht nach Hause. Du hast viel zu große Angst, deine Eltern erneut in Gefahr zu bringen.«
Diese Miss Dowling hatte recht. Bloom lief ein Schauer über den Rücken.
Die Fremde kam auf sie zu, und Bloom blieb einfach stehen, gefangen in einer Mischung aus Angst und Hoffnung.
»Du bist auf der Suche nach Antworten. Ich bin Lehrerin. Das heißt, ich kenne die Antworten. Oder ich behaupte das zumindest.«
Bloom wünschte sich nach Hause, viel mehr, als sie Antworten haben wollte. Aber sie kannte keinen sicheren Weg. Nicht ohne Hilfe.
Also hörte sie zu, was diese Frau zu sagen hatte.
FEENMÄRCHEN
TEIL 1
[1] Komm hinfort, o Menschenkind!Auf zu Wassern, Wildnis, Wind …
W. B. Yeats
FEUER
Ich war gerade auf dem Schulhof angekommen, und offen gestanden war ich schon jetzt nervös.
Jetzt chill mal, Bloom, sagte ich mir immer wieder, aber wie sollte ich wohl mitten im Feenland gechillt bleiben? Ich hatte nicht erwartet, dass meine neue Schule exakt so aussehen würde wie das Märchenschloss aus einem meiner Bücher. Meinem Lieblingsbuch genauer gesagt, dem kostbarsten Buch, das ich je besessen hatte, mit goldenen Verzierungen auf dem Umschlag. Als ich älter wurde, hatte ich es zusammen mit meinen Teddybären in eine alte Spielzeugkiste gepackt. Schließlich war ich mit den Feengeschichten schon lange durch.
Aber das war, bevor ich unser Haus angezündet hatte. Meine Spielzeugkiste und mein Märchenbuch waren dabei jedenfalls verbrannt.
Dass ich selbst in einem Märchen landen würde, hätte ich mir niemals träumen lassen, selbst als kleines Mädchen nicht. Doch hier sah die ganze Landschaft genau danach aus. Sanfte sattgrüne Hügel, die schimmerten wie weicher Samt, dunkle, dicht bewachsene Wälder – und mittendrin ein Schloss, umringt von Wegen und Gärten.
Zu beiden Seiten ragten Türme in die Höhe, und dahinter erhob sich eine große gläserne Kuppel. Die Wände schienen aus Granit, sahen aber glatter aus, als wäre das Gestein in Glas verwandelt oder mit einer magischen Glanzschicht überzogen worden. Vielleicht konnten Feen ja so was.
Ich hatte keine Ahnung, was Feen so alles konnten. Auch wenn ich offenbar selbst eine war.
Von einer Horde lärmender Jugendlicher war in meinem Märchenbuch allerdings nicht die Rede gewesen. Gerade schlenderte eine langbeinige Afroamerikanerin mit einer riesigen Sporttasche selbstbewusst an mir vorbei. Moment, wie konnte sie Afroamerikanerin sein? Bei den Feen gab es weder Afrika noch Amerika. Ich wusste nicht mal, wie das Land hieß, in dem ich mich gerade befand. Andererseits hätte ich unter den Feen auch keine toughen Leistungssportlerinnen erwartet.
Ein brünettes Mädchen mit blassem Teint trug lauter Topfpflanzen mit sich herum. Eine andere hatte große Kopfhörer auf den Ohren, aus denen leise Bässe summten. Auch Rockmusik passte nicht unbedingt in meine Vorstellung von einer niedlichen Feenwelt.
Außerdem fiel mir ein schlaksiger Junge in Skinny-Jeans mit zornigen Augen und schmaler Nase auf. Den Typ Aufschneider kannte ich von zu Hause nur zu gut. Aber dieser hier hielt sich wohl nicht nur für besonders scharf, er lief echt mit einem Messer rum! Oh nein! Messer-Boy wollte ich eher nicht näher kennenlernen.
Eine beeindruckende Blondine mit Porzellanhaut machte gerade ein Selfie mit ein paar Schülerinnen, die jünger aussahen und schwer beeindruckt schienen. Ein kleines schimmerndes Licht oszillierte in der Luft und verlieh der Szene noch mehr Glanz. So viel zum Thema optimaler Selfie-Winkel! Ganz offensichtlich konnten Feen sogar die perfekte Beleuchtung herbeizaubern.
Ich warf einen Blick auf mein Telefon. Schuldirektorin Dowling hatte mir gesagt, dass eines der älteren Mädchen namens Stella mich abholen und herumführen würde. Aber Stella war spät dran, und ich hatte langsam genug vom Warten. Ich würde mich schon allein zurechtfinden.
Ich machte ein paar Schritte vorwärts, zögerte und kehrte wieder um, um dann erneut loszugehen. Frechheit siegt!
»Wow«, sagte eine Stimme. »Du siehst echt verloren aus.«
Einer der Jungs sprach mich an, zum Glück nicht Messer-Boy, aber dennoch … Entschuldige, Irgendwer-Boy, ich habe gerade keine Zeit für dich.
»Trotzdem strahlst du ein unbeschreibliches Selbstbewusstsein aus. Nur leider übertreibst du’s damit ein bisschen«, fuhr er fort. »Ich meine, du rennst ja fast. Und obwohl ich jetzt an deiner Seite bin, kannst du mir unmöglich die Genugtuung geben und dich zu mir umdrehen.«
Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu und grinste. Irgendwer-Boy sah ziemlich gut aus, blond und mit einer Sommerbräune, von der ein fischbauchblasser Rotschopf wie ich nur träumen konnte, aber ich wollte ihn nicht ermutigen.
»Na schön, dann machen wir eben so weiter. Es gibt Schlimmeres, aber …«
Diesmal blieb ich stehen und wandte mich ihm zu. »Ich brauche keine Hilfe, aber danke!«
Bei genauerem Hinsehen sah Irgendwer-Boy sogar sehr gut aus, mit einer männlichen Kinnpartie und einer selbstbewussten Ausstrahlung. Echt süß. Aber egal wie toll er aussah, ich war lieber auf mich gestellt.
»Kann mich gar nicht erinnern, dir Hilfe angeboten zu haben«, stichelte er. »Ganz schön überheblich! Ich wette, du bist ’ne Fee.«
Tja, das hatte Miss Dowling zumindest behauptet. Ich holte tief Luft und sprach es zum ersten Mal laut aus. »Ja genau: Ich bin eine Fee.«
Mein Gegenüber und das Schloss verschwammen einen Moment lang vor meinen Augen. Ich scherzte weiter, verbarg aber meine Überwältigung nicht besonders gut. Der süße Typ schloss daraus, dass ich nicht von hier war, und sein Blick wurde weicher, als würde ich ihm leidtun.
»Aus welchem Königreich bist du?«
Der Unbekannte schien hier total in seinem Element zu sein, in einem Schloss und einer Welt, in der es Feen gab. Ein Teil von mir wollte ihn weiterhin anlächeln, der andere wusste nicht, was er sagen sollte.
»Kalifornien!« Sein Blick sprach Bände. Von meiner Heimat hatte er noch nie im Leben gehört.
»He, Alter! Hör auf, die Erstsemester anzugraben!«
Der süße Typ drehte sich um. Die Stimme gehörte zu Messer-Boy. Oh, nein danke! Ich verzog mich lieber.
Die beiden umarmten sich freundschaftlich, als ich in Richtung Treppe davonging. Messer-Boy hieß offenbar Riv.Von River? Also Fluss? Aber gut, jemand, der Bloom heißt, sollte darüber besser nicht urteilen.
Am Treppenaufgang begegnete ich der Blondine mit der magischen Kamerabeleuchtung. Sie hätte noch hübscher aussehen können, wenn sie nicht so ein Gesicht gemacht hätte, als würde irgendwas schlecht riechen.
»Bloom?«
Dieses Irgendwas war offenbar ich.
»Du musst Stella sein. Ich hab erst auf dich gewartet und bin dann ungeduldig geworden.«
Stella schien meine Ungeduld kaltzulassen, aber sie führte mich durchs Schloss und zeigte mir mit einer lässigen Handbewegung all die beeindruckenden Details. Einige der Kronleuchter hier waren so zierlich und zart wie Sterne, die man an vergoldeten Bändern aufgehängt hatte. Die Räume waren groß und hell. Buntglasfenster färbten das hereinscheinende Sonnenlicht. Sie sahen aus wie die Stickerei am Saum einer königlichen Robe. Viele der Glasmalereien waren in Grüntönen gehalten und machten aus den Sonnenstrahlen funkelnde Smaragde.
Auch an Stellas Hand prangte ein solcher Juwel. »Beeindruckender Ring«, kommentierte ich mit einer entsprechenden Kopfbewegung.
»Familienerbstück«, antwortete Stella. »Und der Schlüssel zum Tor. Wenn ich mit seiner Hilfe nicht ab und an verschwinden könnte, würde ich hier verrückt werden.«
In gelangweiltem Ton fuhr Stella fort, über das Märchenschloss zu reden, während ich immer wieder auf ihren Ring schielte. »Falls du jemals zurück nach Hause willst«, sagte sie und hielt ihn mir unter die Nase. Sie schien irgendein Machtspielchen zu spielen, warum auch immer.
Stella hatte ja keine Ahnung, wie sehr ich zurück nach Hause wollte. Aber ich konnte nicht. Diese Frau, Miss Dowling, hatte mir Antworten versprochen.
Also folgte ich Stella in die oberen Stockwerke des Märchenschlosses zu einer Reihe von Zimmern, die sie mir als Winx-Suite vorstellte. Ich ließ mein Gepäck fallen, hörte aber dem, was sie sagte, nicht besonders gut zu. Es war einfach nicht das, was mich interessierte.
Dafür musste ich als Erstes Miss Dowling finden.
FEUER
Der Globus in Miss Dowlings Büro unterteilte die Welt nicht in Kontinente, sondern in Feenreiche. Eines der Reiche hieß Heraklion, ein Name, der für mich klang wie das Räuspern eines Drachens. Und offensichtlich befand ich mich gerade in einem Land namens Solaria. In der Feenschule Alfea. Im Feenreich Solaria. Welten entfernt von Kalifornien und von zu Hause.
Miss Dowling, die Frau mit den Antworten, war meine einzige Hoffnung. Die Direktorin passte hervorragend zu diesem Raum mit all den Büchern und den kunstvoll verzierten Fenstern, mit dem Feenreiche-Globus und dem glänzenden Schreibtisch. Jetzt lehnte sie lässig an diesem Schreibtisch, hinter ihr ein raumhohes, halbrundes Fenster mit kunstvollen Glasmosaiken und ein mit aufwendigen Schnitzereien verzierter Stuhl.
»Du bist eine Feuerfee, Bloom.«
»So viel weiß ich bereits«, sagte ich trocken und stellte meine erste Frage. »Und wann geht es hier los?«
Miss Dowling antwortete in sachlichem Tonfall: »Der Unterricht beginnt morgen. Wir fangen mit den Grundlagen an und machen dich Schritt für Schritt mit deiner Magie vertraut.«
Autsch! Da sie mich höchstpersönlich hierhergeholt hatte, war ich eigentlich davon ausgegangen, sie würde mir eine Art Privatunterricht geben. Aber nein, ich war nur eine von vielen Schülerinnen an dieser Schule. Von mir aus! Ich würde alles tun, um so schnell wie möglich wieder von hier wegzukommen.
Aber ein Detail in ihrem Satz beunruhigte mich. »Was genau heißt Schritt für Schritt …?«
»Das, was ich sage. Magie kann sehr gefährlich sein, wie du selbst weißt. Auf diesem Gedanken baut sich unser Lehrplan auf. Also vertraue dem Prozess.«
»Diesem … schrittweisen … Prozess«, sagte ich angespannt.
»Die Absolventen von Alfea haben Armeen angeführt und Königreiche regiert. Sie haben sehr machtvolle Relikte erschaffen und verloren geglaubte Magie wiederentdeckt. Sie haben die Anderswelt geprägt. Und das wirst du auch, wenn du hier erfolgreich bist.«
Miss Dowlings ernste Stimme war eindrucksvoll. Ihre Worte rollten sich vor mir aus wie eine weitere Landkarte mit merkwürdigen Reichen. Es war eine überzeugende Rede zur Nachwuchsgewinnung, aber ich wollte gar nicht für irgendetwas gewonnen werden.
»Dieser Ort, diese Anderswelt … Alfea … es ist fantastisch hier – wie in einem lebendig gewordenen Märchenbuch, nur ist es nicht mein Zuhause«, warf ich ein. »Ich muss keine Armee anführen oder ein Reich regieren. Ich bin nur hier, weil Sie versprochen haben, mir Kontrolle beizubringen.«
Ich wollte nicht darum betteln müssen, dass sie das erneut versprach. Und das tat sie auch nicht.
Miss Dowling erwiderte meinen flehenden Blick mit kühler Gelassenheit. Ihr Tonfall zog einen Schlussstrich unter unser Gespräch. »Nein, Bloom, du bist hier, weil du keine andere Wahl hattest.«
Ich hasste sie beinahe dafür, dass sie mir nicht beistand, aber sie hatte recht. An diesem Ort konnte ich Kontrolle lernen. Meine Eltern hatten etwas Besseres verdient als ein Kind, das wie ein Waldbrand wütete. Das hier tat ich für sie.
FEUER
Alles für meine Eltern zu tun hieß allerdings auch, dass ich sie anlügen musste. Sie glaubten, ich wäre auf einem internationalen Internat in der Schweiz. Der abendliche Videochat mit ihnen war deshalb ziemlich unangenehm, vor allem, weil Mom und Dad nach der Aussicht vor meinem Fenster fragten. Wenn dieses Märchenland hier doch nur ein paar Skipisten hätte!
Mom und ich hatten oft gespielt, ich sei eine Prinzessin. Das war zu der Zeit, als sie noch darauf hoffte, ich würde irgendwann Cheerleaderin werden oder Ballkönigin. Wir haben uns verkleidet, und sie hat mir einen Cheer vorgespielt. Ich erinnere mich an eine Liedzeile mit »Schließ deine Augen, und öffne dein Herz!«. Aber diese kitschige Gehirnwäsche hatte nicht funktioniert. Die rüschenbesetzten Prinzessinnenkleider haben mich nie besonders interessiert, aber die Vorstellung, in einem Märchenschloss zu wohnen, gefiel mir schon.
Allerdings hatte die Prinzessin in diesen Träumen immer ein eigenes Zimmer.
In der WG, die mir die schöne, blonde Stella gezeigt hatte, gab es nicht nur keine Aussicht auf alpine Bergwelten, die ich meinen Eltern hätte zeigen können. Es gab auch nur ein einziges Einzelzimmer. Und nicht zu meiner größten Überraschung wohnte darin Stella.
Den zweiten Raum belegten Musa, das Mädchen mit dem summenden Kopfhörer, das mir vorhin über den Weg gelaufen war, und Terra, die auch jetzt wieder geschäftig hin und her wieselte und auf jeder freien Fläche Pflanzen aufstellte. Ich teilte mir das Zimmer mit Aisha. Aishas Sporttasche hatte ja bereits Eindruck auf mich gemacht, aber die imposante Ansammlung ihrer Medaillen überstrahlte sogar den Spiegel ihres Frisiertischs. Ich wusste nicht, wo Aisha gerade war. Irgendwie huschte sie immerzu durch unsere Räume, mit einer einschüchternden Anmut und Geschwindigkeit, und schien mehr ab- als anwesend.
Aisha war sicher nett, aber als Freundin für eine siegreiche Spitzensportlerin war ich nicht unbedingt die Idealbesetzung.
Als Mom mich in der ständigen Erwartung, ich würde mich irgendwann in Miss Popular verwandeln, nach den anderen Mädchen gefragt hatte, hatte ich mit einem Achselzucken geantwortet: »Na ja, wir sind fünf Mädchen auf begrenztem Raum, also … ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir hier in eine Herr-der-Fliegen-Situation geraten und uns gegenseitig umbringen.«
Meiner Mom gefiel die Antwort nicht, und nach der üblichen Debatte um diese Frage wollten sie und Dad gern noch mal »aus dem Fenster« sehen. Panisch sah ich mich um. Ich konnte den beiden weder eine sozial erfolgreiche Tochter bieten noch die Alpen.
Über meinem Nachttisch ging eine Lampe aus. Dann wieder an und nochmals aus. Aishas ruhige Stimme sagte: »Okay. Licht aus. Handys weg. Bettruhe.«
Ich versicherte meinen Eltern, dass ich sie liebte und dass es in der Schweiz jetzt Zeit wäre, ins Bett zu gehen, und verabschiedete mich. Dann nutzte ich die Gelegenheit, meiner Retterin zu danken.
Aisha lächelte zurückhaltend, aber freundlich, wie mir schien. »Möchte ich wissen, warum deine Eltern davon ausgehen, dass du in den Alpen bist?«
»Meine Eltern sind beide Menschen. Also dürfen sie nichts von diesem Ort wissen. Sie glauben, Alfea sei ein Internat in der Schweiz.«
»Menschliche Eltern mit einer Feentochter?«, fragte Aisha.
Ich hatte gehofft, das wäre nicht so ungewöhnlich, wie sich Aishas Frage anhörte. Sie schien mir nicht gerade jemand zu sein, der leicht zu überraschen war.
Um mein Unbehagen zu überspielen, begann ich, meine Sachen auszupacken. »Miss Dowling meint, dass es wahrscheinlich irgendwo in meiner Verwandtschaft eine Fee gab oder magische Vorfahren.« Ich seufzte. »Ich gewöhne mich sicher noch daran, egal wie lächerlich das im Moment noch klingt.«
Aishas Überraschung verwandelte sich in Spöttelei. »Oh mein Gott! Bist du etwa die einzige Person im Universum, die nie Harry Potter gelesen hat?«
»Von wegen! Du hast ja keine Ahnung, wie viel Zeit ich online mit dem Sprechenden-Hut-Test verbracht habe …«
»Ravenclaw?«
»Manchmal Slytherin«, gestand ich.
Hin und wieder hatte ich sogar geschummelt, damit ich nicht bei Slytherin landete. Vermutlich gehörte ich dadurch erst recht zu Slytherin.
»Deshalb kannst du gut lügen«, sagte Aisha milde.
»Gryffindor?«, schoss ich zurück. »Weil du so schnelle Urteile fällst.«
Wir grinsten beide. Dann schnappte ich meine Kosmetiktasche und machte mich auf den Weg ins Badezimmer. Fürs Erste mochte ich meine neue Mitbewohnerin. Wenn wir uns alle irgendwann an die Gurgel gehen würden, wäre Aisha vielleicht die Letzte auf meiner Liste.
Was wiederum viel Entscheidungsspielraum für die Frage ließ, wer die Erste sein würde.
Als ich an Stellas Zimmer vorbeikam, studierte sie gerade einige auf ihrem Bett ausgebreitete Klamotten wie ein General bei der Planung eines Feldzugs.
»Kann ich dir helfen?«, fragte Stella, ohne in meine Richtung zu sehen.
Miss Dowling hatte gesagt, Stella sei meine Mentorin, aber sie hatte bisher wenig Ambitionen gezeigt, mir zu helfen.
»Bist du dabei, dich umzuziehen?«, fragte ich.
»Bin ich.«
»Ich dachte, die Erstsemester-Party wäre ganz zwanglos?«
»Ist sie.«
»Eine zwanglose Veranstaltung, für die du dich extra umziehst«, konstatierte ich.
»Die anderen haben mich so doch schon gesehen. Sie werden etwas anderes erwarten.« Sie sagte das, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, und begutachtete einen Rock mit der Strahlkraft von tausend Sonnen.
Ich blinzelte. »Die Leute erwarten von dir, dass du an ein und demselben Tag verschiedene Klamotten trägst?«
»Die Leute erwarten von mir, dass ich auf mein Äußeres achte.«
Stella musterte flüchtig meinen sehr zwanglosen Aufzug und wandte sich dann ohne ein weiteres Wort ihrem Spiegelbild zu. Beim Blick in den Spiegel leuchteten ihre Augen plötzlich ockergelb auf. Ein kleines magisches Licht erschien. Ganz beiläufig griff Stella danach und platzierte es so, dass es ihr Outfit beleuchtete.
Ich erstarrte wie ein Kaninchen, gefangen im Scheinwerferlicht der Magie.
»Sonst noch was?«, fragte Stella gelangweilt.
»Das Licht, das ist … Magie, oder? Wie genau machst du …?«
»Ich bin Mentorin«, sagte sie mit Nachdruck, »und keine Tutorin.«
Alles klar, Stella! Botschaft angekommen!
»Du wirst genau das schon in den ersten Unterrichtsstunden lernen«, sagte sie versöhnlicher. »Feenmagie ist sehr stark mit Emotionen verbunden. Mal sind es gute Gedanken, mal schlechte. Liebe, Hass, Angst. Je stärker die Gefühle, desto stärker die Magie.«
»Also hast du entweder Angst vor mir, oder du hasst mich«, frotzelte ich. »Du hast mich eben angesehen, als du gezaubert hast. Und ich denke eher nicht, dass da Liebe im Spiel war.«
Das sollte ein Scherz sein, aber Stella nahm mich offenbar ernst.
»Ich kenne dich ja auch noch nicht«, sagte sie. »Aber sobald wir uns besser kennen, werde ich bestimmt etwas … Liebenswertes an dir finden.«
Ihr Blick sagte allerdings etwas anderes. Aber immerhin war sie nett genug, dergleichen überhaupt in Betracht zu ziehen. Es gab genügend Tage, an denen ich beim Blick in den Spiegel selbst wenig Liebenswertes an mir finden konnte.
Ob eine meiner Mitbewohnerinnen sich jemals so fühlte? Die fröhlich herumwuselnde Terra, das Cool-Girl Musa, die glamouröse Stella oder Aisha, die so geerdet schien. Ich vermutete mal, eher nicht.
GEIST
Fünf Mädchen. Achtundvierzig Pflanzen. Die WG war zu voll. Für Musa war es überall zu voll: ein unaufhörliches Geplapper fremder Gefühle, die sich ihr aufdrängten wie ein stetiger Strom unerbetener Nachrichten.
Musa wünschte sich inständig, sie hätte wenigstens ein eigenes Zimmer. Aber nein. Sie musste sich ein Zimmer mit Terra teilen, die gerade den Kopf hängen ließ, weil Bienenkönigin Stella ihr gesagt hatte, sie könne sich ihre Pflanzen sonst wohin stecken.
Terra schien leicht verletzbar zu sein. Ihr Kummer tönte in Musas Kopf wie ein Gong und machte sie nervös.
»Die ist aber auch liebenswürdig«, bemerkte Musa.
Dabei waren Stellas Emotionen alles andere als »liebenswürdig«. Aber das waren die Gefühle der meisten Leute nicht.
»Ach, das meint sie nicht so«, sagte Terra zuckersüß. Sie überschlug sich fast vor Bemühtheit, und ihre hektische Stimme nahm während des Sprechens zunehmend an Fahrt auf. »Und na ja, ist ja auch etwas viel auf einmal. Eine Erdfee namens Terra, uuh, und sie mag Pflanzen. Aber das liegt in der Familie. Meine Cousine heißt Flora und meine Mom Rose, und mein Dad arbeitet hier im Gewächshaus. Deshalb kenne ich schon ein paar aus der zweiten Jahrgangsstufe. Ich bin hier groß geworden und …«
Ein paar aus der zweiten Jahrgangsstufe wie Stella, meinte Terra damit. Da stimmte was nicht, stellte Musa fest, so als hätte sie in einem Bücherregal ein fehlendes Buch bemerkt.
»Wenn Stella im zweiten Jahr ist, warum wohnt sie dann in einer WG voller Erstsemester?«
»Oh ja! Keine Ahnung … ich weiß es nicht. Irgendwas Bürokratisches im letzten Jahr vielleicht? Ich meine, ich glaube …«
Ich glaube, du lügst, dachte Musa. Sie wandte sich um und schickte ihre Magie in Richtung Terra, woraufhin sie ein schwaches Gefühl empfing …
Nein, sie sollte dem nicht nachgehen. Viele Leute logen. Und Terra brauchte keine Bestärkung, so viel stand fest. Sie füllte jetzt schon den gemeinsamen Raum mit Pflanzen und Musas Kopf mit zu viel Informationen, nach denen Musa nie gefragt hatte.
»Na gut«, wiegelte Musa deshalb ab. »Ist ja auch nicht weiter wichtig.« Sie griff nach ihrem Kopfhörer wie eine Ertrinkende nach einem Rettungsring.
Aber Terra plapperte weiter: »Ich würde das Thema Stella gegenüber aber lieber nicht ansprechen. Also ich weiß es nicht, aber das nehme ich an. Und außerdem: Wen interessiert’s?«
»Eben, das ist überraschenderweise auch mein Lebensmotto! Wir sind uns also absolut einig.« Musa hatte gedacht, sie hätte das Gespräch damit freundlich, aber bestimmt beendet. Aber bei Terror-Terra kam das nicht an.
»Willst du eine Sukkulente haben?«, fragte sie. »Die sind cool. Absolut pflegeleicht. Ganz dein Ding. Also ich kenn dich zwar kaum, aber …«
»Wenn ich eine nehme, hörst du dann auf zu reden?«, fragte Musa genervt und fühlte sich sofort schuldig. »War nur ein Scherz, Terra!«
Wunschgemäß nahm Musa eine Pflanze, und zur Belohnung wandte Terra sich ab. Erleichtert setzte Musa ihren Kopfhörer wieder auf.
Aber stattdessen … Terra hatte sich nicht gewünscht, dass Musa eine Pflanze nahm, sondern dass sie sich ihr zuwandte, sich interessierte, dass sie sich mitreißen ließ von Terras Gefühlsäußerungen. Dass sie sich voll reinstürzte. »Also diese hier könnte vielleicht …«
Musa drehte ihr den Rücken zu, damit Terra ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie hoffte verzweifelt darauf, dass sie aufgeben und sie in Ruhe lassen würde.
Es klopfte an der Tür. Musa hob den Blick und erwartete das stille Wasser Aisha oder den Heißsporn Bloom. Stella war eindeutig nicht der Anklopf-Typ.
Aisha steckte ihren Kopf zur Tür herein. »Hast du gesagt, du wärst hier in Alfea aufgewachsen?«
Die Sportfanatikerin war auf der Suche nach einem Pool. Sie wollte unbedingt zweimal am Tag schwimmen, und zwar jeden Tag, das war selbstverständlich überlebenswichtig. Terra antwortete mit einem völlig unnützen Strom an Informationen über den Teich, an dem die Spezialisten trainierten. Anscheinend war es in der militärischen Einheit der Schule üblich, sich beim Zweikampf-Training gegenseitig ins Wasser zu schubsen.
Musa überließ es Aisha, mit Terra fertigzuwerden. Gewöhnt euch an Enttäuschungen, dachte sie. Aisha würde ihren Pool nicht bekommen und Terra hier keine Freunde finden.
Terra war eindeutig eins der Mädchen, die von allen gemocht werden wollte. Aber je mehr sie es versuchte, desto weniger mochten die Leute sie – worauf sie es wiederum noch entschlossener versuchte. Ein Kampf gegen Windmühlen.
Musa fühlte sich elend dabei, mit anzusehen, wie sehr sich Terra bemühte … aber sie mochte sie deshalb trotzdem nicht. Vermutlich war genau das Terras Problem.
Wie auch immer, Musa hatte ihre eigenen Sorgen. Sie waren ihr alle egal: die Feuerfeen, die Lichtfeen, die Erdfeen, die Wasserfeen genauso wie die Spezialisten. Sie konzentrierte sich allein darauf, niemandem und nichts zuzuhören.
SPEZIALIST
Es war ein schöner neuer Tag in Alfea, und die Spezialisten trainierten schon am Morgen für die Verteidigung ihrer magischen Reiche. Kämpfend standen sie auf den Plattformen, die den Teich überspannten. In dem großen rechteckigen Wasserbecken spiegelten sich die Schlossmauern, ringsum war es eingezäunt von Bäumen und einem breiten Streifen Rasen. Irgendein Schwachkopf war gerade ins Wasser gestoßen worden.
Riven grinste und schwang sein Schwert. Nach der langen Sommerpause war es cool, wieder eine Waffe in der Hand zu halten. Weniger cool war allerdings Sky. Rivens supernerviger und allerbester Freund faselte die ganze Zeit von nichts anderem als von dem rothaarigen Mädchen aus der Menschenwelt, das ihm gestern begegnet war. Riven war überzeugt, dass sie verrückt war. Schon allein deshalb, weil Sky grundsätzlich auf verrückte Frauen stand.
Genauso uncool, wenn auch nicht unerwartet, war Rivens vernichtende Niederlage im Zweikampf-Training.
»Du hast über den Sommer abgebaut.« Sky lachte.
Riven fletschte die Zähne. »Ich korrigiere: Ich hab mir in diesem Sommer oft einen gebaut.«
Es war ohnehin sinnlos, gegen Sky gewinnen zu wollen. Er war der Beste. Jeder in Alfea würde das sagen … und dir gleich danach stecken, dass Riven der Faulste war.
Aber ganz egal, ob man Sky schlagen konnte oder nicht, Riven versuchte es immer wieder. Hatte ja auch niemand behauptet, er wäre besonders schlau.
Sky war der Sohn von Andreas von Heraklion, dem toten Helden und legendären Jäger der Verbrannten. Headmaster Silva war für Sky eine Art Ersatzvater. Der Kommandant der Spezialisten und ihr furchtloser Anführer mit seinen blauen kalten Augen und einer Vorliebe für Jogging am frühen Morgen. Riven schaute sich wachsam um. Er hatte ein Problem mit Autoritäten, vor allem dann, wenn ihm jemand Vorschriften machte. Ganz sicher würde Silva in Kürze hier sein und den Erstsemestern einen Vortrag über seinen tragischen Hang zu Drill-Methoden halten. Er würde ihnen nahelegen, sich ein Beispiel an Sky zu nehmen. Sie sollten so sein wie er, nur nicht so gut.
Leck mich, dachte Riven. Ich verzieh mich in den Wald und dreh mir eine.
Skys Proteste ignorierend stapfte er los. Einer der Neuen beobachtete ihn. Don? Nein, Dane. Riven überlegte kurz, ihm den Mittelfinger zu zeigen, aber er wollte nicht behelligt werden.
Entschlossen durchbrach er die Barriere und tauchte in den tiefen, dunklen Wald ein. Er konnte beinahe hören, wie Silva den Erstsemestern erklärte, dass die unsichtbare Barriere rings um Alfea ein magischer Schutzwall sei und sie alle vor den Verbrannten schützte. Hütet euch vor diesen erbarmungslosen Monstern mit ihrer übermenschlichen Kraft und Geschwindigkeit, selbst wenn seit sechzehn Jahren keins dieser Monster mehr gesehen wurde. Woohoo, echt gruselig!
Riven hatte eine Allergie gegen Motivationsansprachen.
Er hatte bereits sein Feuerzeug in der Hand, als er das Geräusch hörte. Ein dumpfes, leises Klappern, wie Knochen, die auf Knochen trafen. Ein seltsames, durchdringendes Knacksen.
Es kam von den Bäumen. Der Wald sah aus wie immer, sich biegende Äste voller grüner Blätter, mit Tupfern vom Sonnenlicht, das durch das Dickicht drang. Aber das Geräusch sorgte dafür, dass sich bei Riven alle Nervenstränge anspannten und ihm trotz des Sonnenlichts ein Schauer den Rücken hinunterjagte.
Er suchte mit den Augen seine Umgebung ab, nutzte alles, was ihm aus dem Training noch einfiel, um wachsam zu sein und vorbereitet.
Aber nichts hätte ihn auf den Anblick vorbereiten können, der sich ihm zwischen den Blättern bot. Es war die verstümmelte Leiche eines alten Mannes. Sie erzählte eine Geschichte von Schrecken und Schmerz jenseits aller Vorstellungskraft. Von seinem Kopf war kaum noch etwas übrig. Der Körper war zerfleischt und in Fetzen gerissen. Und in den tiefsten und schlimmsten Wunden sah Riven flüchtig eine verkohlte Schwärze.
Er starrte lange auf die Fragmente dessen, was mal ein Mensch gewesen war. Er bemühte sich darum, ein Soldat zu sein, bemühte sich, mutig zu sein. Aber dann rannte er los, stolperte über Baumwurzeln und floh kopflos aus dem tiefen, dunklen Wald heraus in Richtung Barriere und Sicherheit. Schreiend rief er nach Sky. Nach Silva. Nach Hilfe.
ERDE
Der Innenhof war mit Lichterketten überspannt. Es spielte Musik. Terra besuchte die Erstsemester-Party als Studentin, so wie sie sich das seit Ewigkeiten erträumt hatte. Jahrelang war sie nur die kleine Tochter des Professors gewesen, die sich zu viel beim Gewächshaus herumtrieb, aber jetzt durfte sie endlich hier auch studieren.
Sie hatte sich diesen Moment so oft ausgemalt, nur dass alle über einen Mord redeten, kam darin nicht vor. Party-Small-Talk über Leichen war nicht wirklich ihr Ding.
Anscheinend hatte Riven im Wald einen Toten gefunden. Es wurde gemunkelt, der alte Mann sei durch einen Verbrannten getötet worden, aber die Leute verbreiteten andauernd irgendwelche Gerüchte über die Verbrannten. Terra war sich sicher, dass da nichts dran war.
Riven muss ziemlich traumatisiert sein, dachte sie, aber eigentlich war es ihr egal. Sie hing hier schließlich gerade mit den Mädels aus der WG auf einer Party ab. Winx-Suite war wirklich ein cooler Name. Vielleicht konnten sie sich Winx-Club nennen?
Terra, Aisha und Musa besorgten sich gerade etwas zu essen, sie hatten Spaß zusammen und unterhielten sich … über einen Mord.
»Vielleicht war es einfach nur Altersschwäche«, sagte Terra beklommen. »Menschen werden nun mal alt und sterben. Wir alle sterben.«
Das klang doch einleuchtend und weniger beängstigend.
Musa, Terras neue Mitbewohnerin, die zu cool für diese Schule war und ganz sicher zu cool für Terra, sagte: »Klar, den Kopf zu verlieren, ist eine typische Alterserscheinung.«
Terra biss sich auf die Lippe. Musa musste sie wirklich für eine Idiotin halten.
Aisha häufte einen grandiosen Cookie-Turm auf ihre Serviette. Der schiefe Turm von Cookies. Terra betrachtete nervös das Büfett auf dem Tisch vor ihnen. Manchmal hatte sie das Gefühl, das Essen könnte sie beißen, bevor sie hineingebissen hatte. Sie konnte keine Cookies nehmen. Alle anderen Mädchen aus der Winx-WG waren so schlank und attraktiv. Wenn Terra so einen Haufen Kekse futtern würde, würden alle sagen: »Kein Wunder, dass sie so aussieht.« Und wenn sie sich stattdessen Möhren auf den Teller lud, würde es heißen: »Wem will sie denn damit etwas vormachen, so wie sie aussieht!« Was sollte sie also tun?
Musa und Aisha scherzten darüber, wie viele Cookies Aisha schon gegessen hatte. Offensichtlich konnte Musa sogar lächeln. »Ich will dir ja nicht zu nahe treten«, sagte sie gerade mit einer Kopfbewegung in Richtung Kekse, »aber …«
»Ich esse Millionen Kalorien am Tag. Wenn ich nicht viel schwimme, werde ich fett.« Aisha klang belustigt, und sie sah ja auch eher aus wie eine schlanke, böse, wunderschöne Maschine. Selbstverständlich war für sie der Gedanke, dick zu sein, einfach nur lächerlich.
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Musa. »Ich hab früher getanzt.«
Sie schienen sich zu verstehen. Sie schienen tatsächlich gut miteinander auszukommen.
»Eben …« Aisha griff nach noch mehr Keksen.
»Ah, die zweite Runde«, zog Musa sie auf. »Zweimal, und das jeden Tag. Das war also wirklich kein Scherz.«
Aisha grinste und verschwand. Musa griff nach ihrem Kopfhörer, jetzt, wo Aisha weg war, mit der sie herumalbern konnte.
»Du hast sie also vorhin gehört?«, fragte Terra spitzer, als sie beabsichtigt hatte.
»Was?«, entgegnete Musa irritiert.
Terra wusste, dass sie den Bogen besser nicht überspannen sollte. Sie hatte bereits ein ungutes Gefühl in der Magengrube und würde sich hiermit garantiert noch schlechter fühlen, aber sie konnte nicht anders. »Bei uns im Zimmer. Du hattest einen Kopfhörer auf und hast … mich ignoriert, so als könntest du mich nicht hören. Aber du hast mitgekriegt, dass Aisha zweimal am Tag schwimmen geht?«
Musa suchte ganz offensichtlich nach einer diplomatischen Antwort. »Ich setze manchmal auch einen Kopfhörer auf, wenn ich nicht reden will.«
»Ah ja«, sagte Terra. »Ist mir nicht entgangen, vor allem, wenn ich in der Nähe bin.«
Während die Lichter funkelten und die Musik spielte, sah Terra zu, wie ihre Mitbewohnerin sich mit der Suche nach einer schlüssigen Erklärung quälte. Musa war nett, dachte Terra niedergeschlagen. Sie hatte nicht die Absicht, Terra zu verletzen. Sie mochte sie nur einfach nicht.
Nach einer Pause erklärte Musa: »Das hat nichts mit dir zu tun. Es ist nichts …«
»Schon gut«, antwortete Terra, plötzlich angeekelt von sich selbst. »Du musst mir nichts erklären. Du hast genug gesagt und ich zu viel.« Terra tat Musa den einzig möglichen Gefallen und ließ sie in Frieden. Sie ging weg und fand sich auf ihrer ersten Party in Alfea allein wieder.
Dann entdeckte sie ihren Vater, der sich energisch einen Weg durch die Feiernden bahnte. Ein paar Studenten begrüßten ihn im Vorbeigehen mit einem: »Hallo, Professor Harvey!«, was er kaum zu bemerken schien. Selbst ihr Dad war beliebter als sie. Im Moment war er ihre einzige Hoffnung.
Terra bemühte sich um einen fröhlichen Tonfall. »Hi, Dad! Bist du auf dem Weg ins Gewächshaus? Kann ich dir helfen?«
Das hatte doch sicher nichts zu tun mit … der Leiche. Bestimmt waren die neuen weinenden Krokusse gekommen.
Ihr Vater zwinkerte ihr wohlwollend zu und ließ Terras Hoffnung platzen. »Kommt nicht infrage, Schatz! Heute ist dein erster Tag. Da wirst du dich doch nicht im Gewächshaus verstecken. Du wolltest dein Leben lang unbedingt auf diese Schule gehen. Und da bist du nun! Misch dich unters Volk! Sei einfach du.«
Einfach ich selbst sein ist ja das Problem, dachte Terra. Ich wünschte, ich könnte irgendjemand anders sein.
Sie hatte keine Lust, sich auf die Suche nach ihrem nervigen Bruder zu machen. Zu Musa und Aisha konnte sie nicht zurück. Und allein der Gedanke, loszuziehen und nach Stella Ausschau zu halten, schien lächerlich und zugleich sehr, sehr beängstigend. Ob Bloom wohl zur Party kommen würde? Jedes Mal, wenn Terra das rothaarige Mädchen aus der Menschenwelt ansprach – das genauso schlank und hübsch war wie alle anderen Mädels aus der WG –, schien sie mit den Gedanken ganz woanders zu sein. So, als wäre sie auf etwas Wichtigeres konzentriert und hätte keine Zeit für sie.
Terra kam nicht umhin, sich einzugestehen, dass ihre Mitbewohnerinnen sie offenbar so uninteressant fanden wie einen Klumpen Erde. Nur dass Terra Erde wahnsinnig interessant fand. Leider gab es niemand, der diese Auffassung mit ihr teilte.
Dabei wollte sie lediglich jemanden haben, mit dem sie zusammen sein und Dinge tun konnte, die Spaß machten, wie Kompost herstellen zum Beispiel. Nur eine Person. Einen Freund.
Nachdem selbst ihr Dad sie allein gelassen hatte, sprangen Terra die mit Müll übersäten Tische ins Auge. Wenigstens konnte sie sich nützlich machen. Jemand musste dieses Chaos ja wieder aufräumen.
FEUER
Ich sah mich auf dem Innenhof nach meinen Mitbewohnerinnen um. Mein Notizbuch mit Gedanken an das Feuer und an meine Eltern zu füllen, brachte mich nicht weiter. Also hatte ich beschlossen, damit aufzuhören. Bis ich genügend gelernt hatte, um nach Hause zurückzukehren, würde ich hier in Alfea sein, und ich sollte das Beste daraus machen.
Aber es waren so viele Leute auf dieser Party. Oder besser: Feen. Sonderbare Feenwesen an diesem sonderbaren Feenort. Ich spürte schon nach zwei Minuten das Bedürfnis nach einer Auszeit.
Statt einer meiner Mitbewohnerinnen begegnete ich dem süßen Typen und war dankbar für ein vertrautes Gesicht.
»Ganz schön viele Leute hier«, kommentierte ich, für den Fall, dass man mir die Überforderung ansah.
»Wieso? Feiert ihr etwa keine Partys in …« Süßer-Typ zögerte, überlegte einen Moment und ging dann das Risiko ein: »Kalifornien?«
»Oh, du hast es dir gemerkt!«, sagte ich mit gespielter Überraschung.
»Ja, beeindruckt?«, fragte er lächelnd.
Davon, dass er sich Mühe gegeben hatte, vielleicht schon. Mir gefiel, wie vorsichtig er »Kalifornien« gesagt hatte, als wäre es ein Fremdwort. Er hatte es richtig ausgesprochen, aber mit einer gewissen Unsicherheit.
Ich brauchte immer noch eine Verschnaufpause. »Wo finde ich das genaue Gegenteil von dem hier? Wie sieht es da draußen aus?«
Süßer-Typ sah mich besorgt an. »Du meinst, hinter der Barriere? Das ist nicht ungefährlich. Es gibt dort Wölfe, Bären oder noch viel Schlimmeres.«
»Aber keine Menschen?«, fragte ich. »Perfekt. Danke!«
Das hörte sich an wie das Lagerhaus, in dem ich mich zu Hause versteckt hatte. Im Grunde harmlos, aber so unheimlich, dass andere es mieden und ich eine Zuflucht hatte. Ich machte mich auf den Weg zu den Toren, aber Süßer-Typ fand, ich sollte nicht allein gehen. Er bot an, mich zu begleiten, und ich verspottete ihn wegen der billigen Anmache.
»Das ist keine Anmache, vertrau mir«, versicherte er.
Ich musste an Stella denken und ihre Aussage, sie würde schon was Liebenswertes an mir finden, sobald wir uns näher kannten.
Das brachte mich zum Lächeln. Oder brachte mich etwa mein Gegenüber zum Lächeln? »Kann schon sein, dass ich dir vertraue, irgendwann mal jedenfalls«, gab ich zurück.
Er sah verdammt gut aus und gab sich echt Mühe, außerdem hielt er Kalifornien für etwas Außerirdisches. Ihm wäre egal, dass ich dort nie dazugehören würde. Vielleicht sollte ich ihn mal mitnehmen?
Als hätte ich sie heraufbeschworen, indem ich an sie dachte, ertönte Stellas Stimme. »Hey, Sky! Können wir reden?«
Stella trug ihr makelloses neues Outfit und hatte zwei Drinks in der Hand. Jedes blinkende Licht auf diesem Hof spiegelte sich als Gold in ihrem Haar. Sie sah Süßer-Typ an, der also Sky hieß. Seinem Gesichtsausdruck nach kannten die beiden sich ziemlich gut.
Wow, das ging mich nichts an. Ich ließ die beiden allein inmitten der Partygäste, die alle über irgendeinen Gruselfilm mit herumliegenden Eingeweiden redeten. Ich war nicht hier, um Freunde zu finden, jemandem zu vertrauen oder jemanden zu lieben. Ich würde schon bald wieder nach Hause zurückkehren.
Ich durchquerte die »Barriere«, von der Sky gesprochen hatte. Um allein zu sein und in Sicherheit.
ERDE
Terra eilte geschäftig mit Tabletts vom Büfett durch das Partygetümmel, als ihr eine total gemeine Szene ins Auge sprang.