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Der zweite Teil des Faust-Dramas eröffnet dem Leser einen komplexen thematischen Kosmos: Goethe knüpft an Bilder der griechischen Mythologie an, stellt konkrete Zeitereignisse (Einführung des Papiergeldes) neben phantastische Visionen (Erschaffung des Homunculus). Text aus Reclams Universal-Bibliothek mit Verszählung der gedruckten Ausgabe.
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Seitenzahl: 254
Johann Wolfgang Goethe
Faust
Der Tragödie Zweiter Teil
Reclam
Zu Goethes Faust. Der Tragödie Zweiter Teil gibt es in Reclams Universal-Bibliothek
• einen Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler (Nr. 15407, PDF 978-3-15-950447-6)
• Erläuterungen und Dokumente (Nr. 16022)
1986, 2001, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartDurchgesehene Ausgabe 2001auf der Grundlage der neuen amtlichen RechtschreibregelnGesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Made in Germany 2017RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Markender Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-960002-4ISBN der Buchausgabe 978-3-15-00002-1
www.reclam.de
Erster Akt
Anmutige Gegend
Kaiserliche Pfalz
Saal des Thrones
Weitläufiger Saal
Lustgarten
Finstere Galerie
Hell erleuchtete Säle
Rittersaal
Zweiter Akt
Hochgewölbtes, enges, gotisches Zimmer, ehemals Faustens, unverändert
Laboratorium
Klassische Walpurgisnacht
Pharsalische Felder
Peneios
Am obern Peneios
Felsbuchten
Telchinen von Rhodus
Dritter Akt
Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta
Innerer Burghof
Schattiger Hain
Vierter Akt
Hochgebirg
Auf dem Vorgebirg
Des Gegenkaisers Zelt
Fünfter Akt
Offene Gegend
Palast
Weiter Ziergarten
Tiefe Nacht
Mitternacht
Großer Vorhof des Palasts
Grablegung
Bergschluchten
Zu dieser Ausgabe
FAUSTauf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig, schlafsuchend.
Dämmerung.
GEISTERKREISschwebend bewegt, anmutige kleine Gestalten.
ARIEL(Gesang von Äolsharfen begleitet).
Wenn der Blüten Frühlingsregen
Über alle schwebend sinkt,
4615
Wenn der Felder grüner Segen
Allen Erdgebornen blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet wo sie helfen kann,
Ob er heilig? ob er böse?
4620
Jammert sie der Unglücksmann.
Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
4625
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.
Vier sind die Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder,
Dann badet ihn im Tau aus Lethes Flut;
Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,
Wenn er gestärkt dem Tag entgegen ruht;
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.
CHOR(einzeln, zu zweien und vielen, abwechselnd und gesammelt).
Wenn sich lau die Lüfte füllen
4635
Um den grünumschränkten Plan,
Süße Düfte, Nebelhüllen
Senkt die Dämmerung heran.
Lispelt leise süßen Frieden,
Wiegt das Herz in Kindesruh;
4640
Und den Augen dieses Müden
Schließt des Tages Pforte zu.
Nacht ist schon hereingesunken
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken,
4645
Glitzern nah und glänzen fern;
Glitzern hier im See sich spiegelnd
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.
4650
Schon verloschen sind die Stunden,
Hingeschwunden Schmerz und Glück;
Fühl es vor! Du wirst gesunden;
Traue neuem Tagesblick.
Täler grünen, Hügel schwellen,
4655
Buschen sich zu Schatten-Ruh;
Und in schwanken Silberwellen
Wogt die Saat der Ernte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen
Schaue nach dem Glanze dort!
4660
Leise bist du nur umfangen,
Schlaf ist Schale, wirf sie fort!
Säume nicht dich zu erdreisten
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
4665
Der versteht und rasch ergreift.
(Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne.)
ARIEL. Horchet! horcht! dem Sturm der Horen,
Tönend wird für Geistesohren
Schon der neue Tag geboren.
Felsentore knarren rasselnd
4670
Phöbus’ Räder rollen prasselnd,
Welch Getöse bringt das Licht!
Es trommetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet,
Unerhörtes hört sich nicht.
4675
Schlüpfet zu den Blumenkronen,
Tiefer tiefer, still zu wohnen,
In die Felsen unters Laub;
Trifft es euch so seid ihr taub.
FAUST. Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
4680
Ätherische Dämmerung milde zu begrüßen;
Du Erde warst auch diese Nacht beständig
Und atmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
4685
Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. –
In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,
Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,
Talaus, talein ist Nebelstreif ergossen,
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
4690
Und Zweig und Äste, frisch erquickt, entsprossen
Dem duft’gen Abgrund wo versenkt sie schliefen;
Auch Farb an Farbe klärt sich los vom Grunde,
Wo Blum und Blatt von Zitterperle triefen,
Ein Paradies wird um mich her die Runde.
4695
Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen
Verkünden schon die feierlichste Stunde,
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
4700
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
Und stufenweis herab ist es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet,
Kehr ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
4705
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
Erfüllungspforten findet flügeloffen,
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammen-Übermaß, wir stehn betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
4710
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!
Ist’s Lieb? Ist’s Hass? die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
So dass wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.
4715
So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend
Dann abertausend Strömen sich ergießend,
4720
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
4725
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
Ihm sinne nach und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Saal des Thrones
STAATSRATin Erwartung des Kaisers.
TROMPETEN.HOFGESINDEaller Art prächtig gekleidet tritt vor. DER KAISERgelangt auf den Thron, zu seiner RechtenDER ASTROLOG.
KAISER. Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh und Weite; –
4730
Den Weisen seh ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?
JUNKER. Gleich hinter deiner Mantelschleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fettgewicht,
4735
Tot oder trunken? weiß man nicht.
ZWEITER JUNKER. Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft dass jeder stutzt;
4740
Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor –
Da ist er doch der kühne Tor!
MEPHISTOPHELES(am Throne knieend).
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
4745
Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
4750
Was hat sich selbst hinweggebannt?
KAISER. Für diesmal spare deine Worte!
Hier sind die Rätsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. –
Da löse du! das hört’ ich gern:
4755
Mein alter Narr ging, fürcht ich, weit ins Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
MEPHISTOPHELES(steigt hinauf und stellt sich zur Linken).
GEMURMEL DER MENGE.
Ein neuer Narr – Zu neuer Pein –
Wo kommt er her – Wie kam er ein –
Der alte fiel – der hat vertan –
4760
Es war ein Fass – Nun ist’s ein Span –
KAISER. Und also ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh und Ferne,
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
4765
Doch sagt warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns ratschlagend quälen sollten?
4770
Doch weil ihr meint es ging’ nicht anders an,
Geschehen ist’s, so sei’s getan.
KANZLER. Die höchste Tugend, wie ein Heiligenschein,
Umgibt des Kaisers Haupt, nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben;
4775
Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
4780
Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wütet,
Und Übel sich in Übeln überbrütet.
Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Missgestalt in Missgestalten schaltet,
4785
Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet.
Der raubt sich Herden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
4790
Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt, in grimmigem Schwalle,
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
4795
Der darf auf Schand und Frevel pochen
Der auf Mitschuldigste sich stützt,
Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
4800
Vernichtigen was sich gebührt;
Wie soll sich da der Sinn entwickeln
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
4805
Ein Richter der nicht strafen kann
Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
Ich malte schwarz, doch dichtern Flor
Zög ich dem Bilde lieber vor. (Pause.)
Entschlüsse sind nicht zu vermeiden,
4810
Wenn alle schädigen, alle leiden
Geht selbst die Majestät zu Raub.
HEERMEISTER. Wie tobt’s in diesen wilden Tagen
Ein jeder schlägt und wird erschlagen
Und fürs Kommando bleibt man taub.
4815
Der Bürger hinter seinen Mauern
Der Ritter auf dem Felsennest
Verschwuren sich uns auszudauern
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Mietsoldat wird ungeduldig,
4820
Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer was alle wollten,
Der hat ins Wespennest gestört;
4825
Das Reich das sie beschützen sollten,
Es liegt geplündert und verheert.
Man lässt ihr Toben wütend hausen,
Schon ist die halbe Welt vertan;
Es sind noch Könige da draußen
4830
Doch keiner denkt es ging’ ihn irgend an.
SCHATZMEISTER. Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser, bleiben aus.
Auch Herr, in deinen weiten Staaten
4835
An wen ist der Besitz geraten?
Wohin man kommt da hält ein Neuer Haus
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muss man wie er’s treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
4840
Dass uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
Auch auf Parteien, wie sie heißen,
Ist heutzutage kein Verlass;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb und Hass,
4845
Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
4850
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt
Und unsre Kassen bleiben leer.
MARSCHALK. Welch Unheil muss auch ich erfahren;
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr.
4855
Und täglich wächst mir neue Pein.
Den Köchen tut kein Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhühner, Hühner, Gäns und Enten
Die Deputate, sichre Renten,
4860
Sie gehen noch so ziemlich ein.
Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
Wenn sonst im Keller Fass an Fass sich häufte,
Der besten Berg- und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
4865
Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
Der Stadtrat muss sein Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
4870
Der Jude wird mich nicht verschonen
Der schafft Antizipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
4875
Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
KAISER(nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles).
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?
MEPHISTOPHELES.
Ich keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,
Dich und die Deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut?
4880
Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
Und Tätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Zur Finsternis wo solche Sterne scheinen?
4885
GEMURMEL. Das ist ein Schalk – der’s wohl versteht –
Er lügt sich ein – So lang es geht –
Ich weiß schon – Was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Projekt –
MEPHISTOPHELES. Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
4890
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
4895
Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.
KANZLER. Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
4900
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr missgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwei Geschlechter nur entstanden,
4905
Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch und Staat zum Lohn.
Dem Pöbelsinn verworrener Geister
4910
Entwickelt sich ein Widerstand,
Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen,
4915
Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
Dem Narren sind sie nah verwandt.
MEPHISTOPHELES. Daran erkenn ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern,
Was ihr nicht fasst das fehlt euch ganz und gar,
4920
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt das meint ihr gelte nicht.
KAISER. Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
4925
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut so schaff es denn.
MEPHISTOPHELES. Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
4930
Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften
Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
4935
So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
SCHATZMEISTER. Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
4940
Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
KANZLER. Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
MARSCHALK. Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
Ich wollte gern ein bisschen Unrecht haben.
HEERMEISTER.
4945
Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt;
Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
MEPHISTOPHELES.
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen,
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus,
4950
So sage denn wie sieht’s am Himmel aus.
GEMURMEL.
Zwei Schelme sind’s – Verstehn sich schon –
Narr und Phantast – So nah dem Thron –
Ein mattgesungen – alt Gedicht –
Der Tor bläst ein – der Weise spricht –
ASTROLOG(spricht, Mephistopheles bläst ein).
4955
Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
Merkur der Bote dient um Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angetan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft,
4960
Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Wert gering, doch im Gewichte schwer.
4965
Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt,
Das Übrige ist alles zu erlangen,
Paläste, Gärten, Brüstlein, rote Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann
4970
Der das vermag was unser keiner kann.
KAISER. Ich höre doppelt was er spricht
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
GEMURMEL.
Was soll uns das – Gedroschner Spaß –
Kalenderei – Chymisterei –
4975
Das hört ich oft – Und falsch gehofft –
Und kommt er auch – So ist’s ein Gauch –
MEPHISTOPHELES.
Da stehen sie umher und staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund,
Der eine faselt von Alraunen
4980
Der andre von dem schwarzen Hund.
Was soll es dass der eine witzelt,
Ein andrer Zauberei verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
4985
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
4990
Wenn es unheimlich wird am Platz,
Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
GEMURMEL.
Mir liegt’s im Fuß wie Bleigewicht –
Mir krampft’s im Arme – das ist Gicht –
4995
Mir krabbelt’s an der großen Zeh –
Mir tut der ganze Rücken weh –
Nach solchen Zeichen wäre hier
Das allerreichste Schatzrevier.
KAISER. Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
5000
Erprobe deine Lügenschäume,
Und zeig uns gleich die edlen Räume.
Ich lege Schwert und Zepter nieder,
Und will mit eignen hohen Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
5005
Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
MEPHISTOPHELES.
Den Weg dahin wüsst allenfalls zu finden –
Doch kann ich nicht genug verkünden
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer der die Furche pflügt
5010
Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
Salpeter hofft er von der Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle,
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
5015
In welchen Klüften, welchen Gängen
Muss sich der Schatzbewusste drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, allverwahrten Kellern,
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
5020
Sieht er sich Reihen aufgestellt.
Pokale stehen aus Rubinen
Und will er deren sich bedienen
Daneben liegt uraltes Nass.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
5025
Verfault ist längst das Holz der Dauben,
Der Weinstein schuf dem Wein ein Fass.
Essenzen solcher edlen Weine,
Gold und Juwelen nicht alleine
Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
5030
Der Weise forscht hier unverdrossen;
Am Tag erkennen das sind Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
KAISER. Die lass ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Wert, es muss zu Tage kommen.
5035
Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
Zieh deinen Pflug, und ackre sie ans Licht.
MEPHISTOPHELES. Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
5040
Die Bauernarbeit macht dich groß,
Und eine Herde goldner Kälber
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
5045
Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
Die Schönheit wie die Majestät.
KAISER.
Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
ASTROLOG(wie oben).
Herr mäßige solch dringendes Begehren,
Lass erst vorbei das bunte Freudenspiel;
5050
Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,
Das Untre durch das Obere verdienen.
Wer Gutes will der sei erst gut;
Wer Freude will besänftige sein Blut;
5055
Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben,
Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben.
KAISER. So sei die Zeit in Fröhlichkeit vertan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feiern wir, auf jeden Fall,
5060
Nur lustiger das wilde Karneval.
(Trompeten, Exeunt.)
MEPHISTOPHELES. Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fällt den Toren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten
Der Weise mangelte dem Stein.
Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern, verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz
5065
HEROLD. Denkt nicht ihr seid in deutschen Grenzen
Von Teufels-, Narren- und Totentänzen,
Ein heitres Fest erwartet euch.
Der Herr, auf seinen Römerzügen
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
5070
Die hohen Alpen überstiegen,
Gewonnen sich ein heitres Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Sohlen,
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging die Krone sich zu holen,
5075
Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
Nun sind wir alle neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnlet ihn verrückten Toren,
5080
Er ist darunter weise wie er kann.
Ich sehe schon wie sie sich scharen,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
5085
Es bleibt doch endlich nach wie vor,
Mit ihren hunderttausend Possen,
Die Welt ein einzig großer Tor.
GÄRTNERINNEN(Gesang begleitet von Mandolinen).
Euren Beifall zu gewinnen
Schmückten wir uns diese Nacht,
5090
Junge Florentinerinnen
Folgten deutschen Hofes Pracht;
Tragen wir in braunen Locken
Mancher heitern Blume Zier;
Seidenfäden, Seidenflocken
5095
Spielen ihre Rolle hier.
Denn wir halten es verdienstlich,
Lobenswürdig ganz und gar,
Unsere Blumen, glänzend künstlich,
Blühen fort das ganze Jahr.
5100
Allerlei gefärbten Schnitzeln
Ward symmetrisch Recht getan;
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,
Doch das Ganze zieht euch an.
Niedlich sind wir anzuschauen,
5105
Gärtnerinnen und galant;
Denn das Naturell der Frauen
Ist so nah mit Kunst verwandt.
HEROLD. Lasst die reichen Körbe sehen
Die ihr auf den Häupten traget,
5110
Die sich bunt am Arme blähen,
Jeder wähle was behaget.
Eilig dass in Laub und Gängen
Sich ein Garten offenbare,
Würdig sind sie zu umdrängen
5115
Krämerinnen wie die Ware.
GÄRTNERINNEN.
Feilschet nun am heitern Orte,
Doch kein Markten findet statt!
Und mit sinnig kurzem Worte
Wisse jeder was er hat.
OLIVENZWEIG MIT FRÜCHTEN.
5120
Keinen Blumenflor beneid ich,
Allen Widerstreit vermeid ich;
Mir ist’s gegen die Natur:
Bin ich doch das Mark der Lande,
Und, zum sichern Unterpfande,
5125
Friedenszeichen jeder Flur.
Heute, hoff ich, soll mir’s glücken
Würdig schönes Haupt zu schmücken.
ÄHRENKRANZ(golden). Ceres’ Gaben, euch zu putzen,
Werden hold und lieblich stehn:
5130
Das Erwünschteste dem Nutzen
Sei als eure Zierde schön.
PHANTASIEKRANZ. Bunte Blumen Malven ähnlich
Aus dem Moos ein Wunderflor!
Der Natur ist’s nicht gewöhnlich
5135
Doch die Mode bringt’s hervor.
PHANTASIESTRAUSS. Meinen Namen euch zu sagen
Würde Theophrast nicht wagen,
Und doch hoff ich wo nicht allen,
Aber mancher zu gefallen,
5140
Der ich mich wohl eignen möchte,
Wenn sie mich ins Haar verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte
Mir am Herzen Platz vergönnte.
(Ausforderung.)
Mögen bunte Phantasien
5145
Für des Tages Modeblühen,
Wunderseltsam sein gestaltet
Wie Natur sich nie entfaltet;
Grüne Stiele, goldne Glocken
Blickt hervor aus reichen Locken! –
ROSENKNOSPEN.
5150
Doch wir halten uns versteckt,
Glücklich wer uns frisch entdeckt.
Wenn der Sommer sich verkündet
Rosenknospe sich entzündet,
Wer mag solches Glück entbehren?
5155
Das Versprechen, das Gewähren,
Das beherrscht, in Florens Reich,
Blick und Sinn und Herz zugleich.
(Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.)
GÄRTNER(Gesang begleitet von Theorben).
Blumen sehet ruhig sprießen,
Reizend euer Haupt umzieren,
5160
Früchte wollen nicht verführen,
Kostend mag man sie genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung und Gaumen
5165
Hält sich Auge schlecht als Richter.
Kommt von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen
Über Rosen lässt sich dichten,
In die Äpfel muss man beißen.
5170
Sei’s erlaubt uns anzupaaren
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waren
Fülle nachbarlich empor.
Unter lustigen Gewinden
5175
In geschmückter Lauben Bucht,
Alles ist zugleich zu finden:
Knospe, Blätter, Blume, Frucht.
(Unter Wechselgesang, begleitet von Gitarren und Theorben, fahren beide Chöre fort ihre Waren stufenweis in die Höhe zu schmücken und auszubieten.)
MUTTERundTOCHTER.
MUTTER. Mädchen als du kamst ans Licht
Schmückt ich dich im Häubchen,
5180
Warst so lieblich von Gesicht,
Und so zart am Leibchen.
Dachte sie sogleich als Braut,
Gleich dem Reichsten angetraut,
Dachte dich als Weibchen.
5185
Ach! Nun ist schon manches Jahr
Ungenützt verflogen,
Der Sponsierer bunte Schar
Schnell vorbeigezogen;
Tanztest mit dem einen flink,
5190
Gabst dem andern stillen Wink
Mit dem Ellenbogen.
Welches Fest man auch ersann,
Ward umsonst begangen,
Pfänderspiel und Dritter Mann
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Wollten nicht verfangen;
Heute sind die Narren los,
Liebchen öffne deinen Schoß,
Bleibt wohl einer hangen.
GESPIELINNENjung und schön gesellen sich hinzu, ein vertrauliches Geplauder wird laut.
FISCHERundVOGELSTELLERmit Netzen, Angel und Leimruten, auch sonstigem Geräte treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder. Wechselseitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und festzuhalten geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit.
HOLZHAUER(treten ein ungestüm und ungeschlacht).
Nur Platz! nur Blöße!
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Wir brauchen Räume,
Wir fällen Bäume
Die krachen, schlagen:
Und wenn wir tragen
Da gibt es Stöße.
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Zu unserm Lobe
Bringt dies ins Reine;
Denn wirkten Grobe
Nicht auch im Lande,
Wie kämen Feine
5210
Für sich zustande,
So sehr sie witzten?
Des seid belehret;
Denn ihr erfröret
Wenn wir nicht schwitzten.
PULCINELLE(täppisch, fast läppisch).
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Ihr seid die Toren
Gebückt geboren.
Wir sind die Klugen
Die nie was trugen;
Denn unsre Kappen
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Jacken und Lappen
Sind leicht zu tragen.
Und mit Behagen
Wir immer müßig
Pantoffelfüßig,
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Durch Markt und Haufen
Einher zu laufen.
Gaffend zu stehen,
Uns anzukrähen;
Auf solche Klänge
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Durch Drang und Menge
Aalgleich zu schlüpfen,
Gesamt zu hüpfen,
Vereint zu toben.
Ihr mögt uns loben,
5235
Ihr mögt uns schelten
Wir lassen’s gelten.
PARASITEN(schmeichelnd-lüstern).
Ihr wackern Träger
Und eure Schwäger,
Die Kohlenbrenner,
5240
Sind unsre Männer.
Denn alles Bücken,
Bejah’ndes Nicken,
Gewundne Phrasen,
Das Doppelblasen,
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Das wärmt und kühlet
Wie’s einer fühlet,
Was könnt es frommen?
Es möchte Feuer
Selbst ungeheuer
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Vom Himmel kommen,
Gäb es nicht Scheite
Und Kohlentrachten
Die Herdesbreite
Zur Glut entfachten.
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Da brät’s und prudelt’s,
Da kocht’s und strudelt’s.
Der wahre Schmecker,
Der Tellerlecker,
Er riecht den Braten,
5260
Er ahnet Fische;
Das regt zu Taten
An Gönners Tische.
TRUNKNER(unbewusst).
Sei mir heute nichts zuwider!
Fühle mich so frank und frei;
5265
Frische Lust und heitre Lieder
Holt ich selbst sie doch herbei.
Und so trink ich! trinke, trinke.
Stoßet an ihr! Tinke, Tinke!
Du dorthinten komm heran!
5270
Stoßet an, so ist’s getan.
Schrie mein Weibchen doch entrüstet,
Rümpfte diesem bunten Rock,
Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
Schalt mich einen Maskenstock.
5275
Doch ich trinke! Trinke, trinke!
Angeklungen! Tinke, Tinke!
Maskenstöcke stoßet an!
Wenn es klingt so ist’s getan.
Saget nicht dass ich verirrt bin,
5280
Bin ich doch wo mir’s behagt.
Borgt der Wirt nicht, borgt die Wirtin,
Und am Ende borgt die Magd.
Immer trink ich! Trinke, trinke!
Auf ihr andern! Tinke, Tinke!
5285
Jeder jedem! so fortan!
Dünkt mich’s doch es sei getan.
Wie und wo ich mich vergnüge
Mag es immerhin geschehn;
Lasst mich liegen wo ich liege,
5290
Denn ich mag nicht länger stehn.
CHOR. Jeder Bruder trinke, trinke!
Toastet frisch ein Tinke, Tinke!
Sitzet fest auf Bank und Span,
Unterm Tisch Dem ist’s getan.
DER HEROLD(kündigt verschiedene Poeten an, Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche so wie Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art, lässt keiner den andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber).
5295
SATYRIKER. Wisst ihr was mich Poeten
Erst recht erfreuen sollte?
Dürft ich singen und reden
Was niemand hören wollte.
(Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie soeben im interessantesten Gespräch mit einem frischerstandenen Vampyren begriffen seien; woraus eine neue Dichtart sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muss es gelten lassen und ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.)
DIE GRAZIEN.
AGLAIA. Anmut bringen wir ins Leben;
5300
Leget Anmut in das Geben.
HEGEMONE. Leget Anmut ins Empfangen,
Lieblich ist’s den Wunsch erlangen.
EUPHROSYNE. Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmutig sei das Danken.
DIE PARZEN.
5305
ATROPOS. Mich die Älteste zum Spinnen
Hat man diesmal eingeladen;
Viel zu denken, viel zu sinnen
Gibt’s beim zarten Lebensfaden.
Dass er euch gelenk und weich sei
5310
Wusst ich feinsten Flachs zu sichten;
Dass er glatt und schlank und gleich sei
Wird der kluge Finger schlichten.
Wolltet ihr bei Lust und Tänzen
Allzu üppig euch erweisen;
5315
Denkt an dieses Fadens Grenzen,
Hütet euch! Er möchte reißen!
KLOTHO. Wisst in diesen letzten Tagen
Ward die Schere mir vertraut;
Denn man war von dem Betragen
5320
Unsrer Alten nicht erbaut.
Zerrt unnützeste Gespinste
Lange sie an Licht und Luft,
Hoffnung herrlichster Gewinste
Schleppt sie schneidend zu der Gruft.
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Doch auch ich im Jugendwalten
Irrte mich schon hundertmal;
Heute mich im Zaum zu halten,
Schere steckt im Futteral.
Und so bin ich gern gebunden,
5330
Blicke freundlich diesem Ort;
Ihr in diesen freien Stunden
Schwärmt nur immer fort und fort.
LACHESIS. Mir, die ich allein verständig,
Blieb das Ordnen zugeteilt;
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Meine Weife, stets lebendig,
Hat noch nie sich übereilt.
Fäden kommen, Fäden weifen,
Jeden lenk ich seine Bahn,
Keinen lass ich überschweifen,
5340
Füg’ er sich im Kreis heran.
Könnt ich einmal mich vergessen
Wär es um die Welt mir bang,
Stunden zählen, Jahre messen
Und der Weber nimmt den Strang.
5345
HEROLD. Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen,
Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften;
Sie anzusehn die so viel Übel stiften
Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.
Die Furien sind es, niemand wird uns glauben,
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Hübsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren;
Lasst euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren
Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.
Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage
Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,
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Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,
Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.
DIE FURIEN.
ALEKTO.
Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen,
Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen,
Hat einer unter euch ein Liebeschätzchen;
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Wir werden ihm so lang die Ohren krauen,
Bis wir ihm sagen dürfen, Aug in Auge:
Dass sie zugleich auch dem und jenem winke,
Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke,
Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.
5365
So wissen wir die Braut auch zu bedrängen:
Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen,
Verächtliches von ihr zu der gesprochen! –
Versöhnt man sich so bleibt doch etwas hängen.
MEGÄRA.
Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden,
5370
Ich nehm es auf, und weiß, in allen Fällen,
Das schönste Glück durch Grille zu vergällen;
Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden.
Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen,
Der sich nicht nach Erwünschterem törig sehnte,
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Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte;
Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.
Mit diesem allen weiß ich zu gebaren,
Und führe her Asmodi den Getreuen,
Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,
5380
Verderbe so das Menschenvolk in Paaren.
TISIPHONE. Gift und Dolch statt böser Zungen
Misch ich, schärf ich dem Verräter;
Liebst du andre, früher, später
Hat Verderben dich durchdrungen.
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Muss der Augenblicke Süßtes
Sich zu Gischt und Galle wandeln!
Hier kein Markten, hier kein Handeln
Wie er es beging’, er büßt es.