6,99 €
Drei Tage nach Erhalt des Deutschen Buchpreises 2022 schrieb Kim de l‘Horizon in einer Zeitung einen Artikel über zwei Vorfälle. Einer betraf einen Schläger in Berlin, einer einen Schweizer Bundesrat. Beiden gemeinsam: Vordergründig geht es um Vorurteile, Gewalt und Abgrenzungen – die Antwort von Kim beruht auf Toleranz, Freiheit und Versöhnung.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 17
1
Fäuste und Küsse
Kim de l’Horizon
Fäuste und Küsse
m
Der Lokwort Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021-2024 unterstützt.
In dieser Reihe sind bereits erschienen:Lia Näpflin, «Hin und weg von Wengen»Claudia Rey, «Zwei Freunde und der Schnee»Dres Balmer, «Der Lebenskünstler»
Lektorat: Monika KünziGestaltung: arsnova, LuzernDruck: Druckerei Läderach AG, Bern
2. Auflage© 2022 Buchverlag Lokwort, BernISBN 978-3-906806-41-9Abdruckrechte nach Rücksprache mit dem Verlagwww.lokwort.ch
5
Was mich bewegt, bewegt mich wider meinen Willen. Was mich bewegt, werde ich hier anhand meiner Er-lebnisse eines bestimmten Tages – des 30. Septembers 2022 – aufzeigen. An diesem Tag bewegte mich mor-gens einer der ohnmächtigsten Männer Deutschlands und nachmittags einer der mächtigsten Männer der Schweiz. Die beiden Männer könnten unterschiedli-cher nicht sein. Sie verbindet nicht das Alter, nicht die Ethnie, nicht die Bildung, nicht die Klassenzugehö-rigkeit, nicht die politische Gesinnung und nicht die Art und Weise, wie sie mich bewegt haben. Es verbin-det sie nichts, ausser dass sie beide Männer sind und mich beide an diesem 30. September 2022 geschlagen haben.
Wobei – haben sie «mich» geschlagen? Oder nicht eher das, was ich für sie darstelle? Denn noch etwas Weiteres eint die beiden: Sie kennen mich nicht. Den Verdacht, dass sie mich wegen meines vielleicht mise-rablen Charakters schlagen wollten, kann ich also vom Tisch räumen. Der erste Schlag kam schnell und gera-de. Ich befand mich am 30. September für eine Lesung in Berlin. Mein Hotel lag nicht in einem der durchgen-trifizierten Viertel. Um etwa 9 Uhr morgens machte ich mich auf den Weg, eine befreundete Person zum Kaffee zu treffen. Ich trug Jeans, Pulli und etwas Lip-
penstift. Ich fühlte mich schön, aber nicht zu schön. Beim Betreten der U-Bahn-Station in dem ziemlich durchmischten Viertel sah ich den Mann schon. Ich ging ans andere Ende des Bahnsteigs, vertiefte mich in mein Smartphone. Als die Bahn kam, sah