Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt - Friedrich Maximilian Klinger - E-Book

Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt E-Book

Friedrich Maximilian Klinger

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Beschreibung

Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt ist ein Roman von Friedrich Maximilian Klinger aus dem Jahr 1791. Klinger wie auch Goethe, dessen Faust I heute bekannter ist, kamen vermutlich schon im Kindesalter mit dem damals sehr populären Faust-Stoff in Gestalt von Puppenspielen und anderen Schaustellungen in Berührung. Klingers eher passiver Faust, der miterleben muss, welche Folgen jede allzu klare Einsicht in die Natur des Menschen hat, scheint sich aber auch in der Tradition der Satiren über das Zeitalter der Aufklärung zu verstehen wie Voltaires Candide (1759). - Goethe bemühte sich dagegen, dem bekannten Faust-Stoff das Negative zu nehmen und weder Faust noch die Welt, in der er lebt, zu verurteilen.

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Seitenzahl: 325

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt

Friedrich Maximilian Klinger

Inhalt:

Friedrich Maximilian von Klinger – Biografie und Bibliografie

Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Viertes Buch

Fünftes Buch

Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt, F. M. Klinger

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849629540

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Friedrich Maximilian von Klinger – Biografie und Bibliografie

Deutscher Dichter, geb. 17. Febr. 1752 (nicht 1753) in Frankfurt a. M. als Sohn eines Stadtartilleristen, gest. 25. Febr. 1831 in Dorpat, verlor früh seinen Vater, der die Seinigen in den dürftigsten Umständen zurückließ, half sich durch eignen Fleiß und Energie weiter, besuchte bis 1772 das Frankfurter Gymnasium und trat in Beziehung zu Goethe und dessen Freundeskreise. 1774 ging er nach Gießen, um die Rechte zu studieren. Viel eifriger als mit diesen beschäftigte er sich indes mit schöner Literatur. Im Sommer 1776 ging er zu Goethe nach Weimar, im Oktober nach Leipzig als Theaterdichter der Seilerschen Truppe, mit der er bis Februar 1778 umherreiste. Alsdann lebte er einige Zeit auf Reisen durch Deutschland, machte als österreichischer Leutnant den Bayrischen Erbfolgekrieg mit und ging 1780 in russische Dienste nach Petersburg. Er erhielt 1780 eine Offizierstelle und zugleich den Adelsrang, ward bald darauf Hofmeister bei dem damaligen Großfürsten Paul und begleitete denselben auf einer Reise durch fast ganz Europa. Er stieg unter den Kaisern Paul und Alexander I. in militärischen Würden rasch empor, verheiratete sich 1790 mit einer natürlichen Tochter der Kaiserin Katharina und wurde 1798 Generalmajor, 1811 Generalleutnant. 1803 wurde er zum Kurator der Universität Dorpat ernannt, welche Stelle er bis 1817 bekleidete. 1820 suchte er um Enthebung von allen seinen Ämtern nach, zog sich aber erst 1830 ganz zurück. Von Klingers zahlreichen dramatischen Werken, die meist in die erste Hälfte seines Lebens fallen, heben wir hervor das Trauerspiel: »Die Zwillinge« (verfaßt 1775), in dem, wie in so vielen Dramen der Geniezeit, ein feindliches Brüderpaar im Mittelpunkte der Handlung steht, und das 1776 bei dem sogen. Schröderschen Preisausschreiben den Vorzug vor Leisewitzens »Julius von Tarent« erhielt. Von dem wild verworrenen renommistischen Schauspiel »Sturm und Drang« empfing die ganze Epoche, in der es entstand, den Namen (s. Deutsche Literatur, S. 703 f.). Außer den Dramen (gesammelt als »Theater«, Riga 1786–87, 4 Bde., und »Neues Theater«, Leipz. 1790, 2 Bde.) veröffentlichle K. eine Anzahl meist derb-realistischer Romane, in deren ausgedehnten Reflexionen seine Verehrung für Rousseau stark zur Geltung kommt: »Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt« (Petersb. 1791), »Geschichte Giafars, des Barmeciden« (das. 1792), »Geschichte Raphaels de Aquilas« (das. 1793), »Reisen vor der Sündflut« (Riga 1795), »Geschichte eines Deutschen der neuesten Zeit« (Leipz. 1798), »Der Faust der Morgenländer« (Riga 1797), »Der Weltmann und der Dichter«, sein bestes Werk, eine Leistung voll Kraft und psychologischer Feinheit (Leipz. 1798), und »Sahir, Evas Erstgeborner im Paradies« (das. 1798). Die Summe seiner Welt- und Lebenserfahrung hat er in aphoristischer Form niedergelegt in den inhaltschweren »Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und Literatur« (1803–05). Eine Sammlung des Besten seiner Werke hat K. selbst veranstaltet (Königsb. 1809–15, lu Bde.; neue Ausg., Stuttg. 1842, 12 Bde.); eine andre Auswahl erschien in 8 Bänden (Stuttg. 1878–80). Vgl. Erdmann, Über F. M. Klingers dramatische Dichtungen (Königsberg 1877); E. Schmidt, Lenz und K., zwei Dichter der Geniezeit (Berl. 1878); M. Rieger, Friedr. Maxim. K. Leben und Werke (Darmst. 1880–97, 2 Bde.); L. Jacobowski, K. und Shakespeare (Dissertation, Freiburg 1891).

Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt

Erstes Buch

1.

Lange hatte sich Faust mit den Seifenblasen der Metaphysik, den Irrwischen der Moral und den Schatten der Theologie herumgeschlagen, ohne eine feste, haltbare Gestalt für seinen Sinn herauszukämpfen. Ergrimmt warf er sich in die dunklen Gefilde der Magie und hoffte nun der Natur gewaltsam abzuzwingen, was sie uns so eigensinnig verbirgt. Sein erster Gewinn war die merkwürdige Erfindung der Buchdruckerei,1 der zweite war schaudervoller. Er entdeckte durch Forschen und Zufall die furchtbare Formel, den Teufel aus der Hölle zu rufen und ihn dem Willen des Menschen untertänig zu machen. Bis jetzt konnte er sich noch nicht, aus Vorliebe zu seiner unsterblichen Seele, für die jeder Christ wacht, ohne sie weiter zu kennen, zu diesem gefährlichen Schritt entschließen. In diesem Augenblick war er ein Mann in seiner vollen Blüte. Die Natur hatte ihn wie einen ihrer Günstlinge behandelt, ihm einen schönen, festen Körper und eine bedeutende, edle Gesichtsbildung verliehen. Genug, um Glück in der Welt zu machen; aber da sie die gefährlichen Gaben strebende, stolze Kraft des Geistes, hohes, feuriges Gefühl des Herzens und eine glühende Einbildungskraft hinzufügte, die das Gegenwärtige nie befriedigte, die das Leere, Unzulängliche des Erhaschten in dem Augenblick des Genusses aufspürte und alle seine übrigen Fähigkeiten beherrschte, so verlor er bald den Pfad des Glücks, auf den nur Beschränktheit den Sterblichen zu führen scheint und auf welchem ihn nur Bescheidenheit erhält. Früh fand er die Grenzen der Menschheit zu enge und stieß mit wilder Kraft dagegen an, um sie über die Würklichkeit hinüberzurücken. Durch das, was er in frühern Jahren begriffen und gefühlt zu haben glaubte, faßte er eine hohe Meinung von den Fähigkeiten, dem moralischen Wert des Menschen, und in der Vergleichung mit andern legte er natürlich seinem eignen Selbst (welches der größte Geist mit dem flachsten Schafskopf gemein hat) den größten Teil der Hauptsumme bei. Zunder genug zu Größe und Ruhm; da aber wahre Größe und wahrer Ruhm gleich dem Glücke den am meisten zu fliehen scheinen, der sie dann schon erhaschen will, bevor er ihre feinen, reinen Gestalten von dem Dunst und Nebel absondert, den der Wahn um sie gezogen, so umarmte er nur zu oft eine Wolke für die Gemahlin des Donnerers. In seiner Lage schien ihm der kürzeste und bequemste Weg zum Glück und Ruhm die Wissenschaften zu sein; doch kaum hatte er ihren Zauber gekostet, als der heftigste Durst nach Wahrheit in seiner Seele entbrannte. Jeder, der diese Sirenen kennt und ihnen ihren betrügrischen Gesang abgelernt hat, fühlt (wenn er die Wissenschaften nicht als Handwerk treibt) ohne mein Erinnern, daß ihm sein Zweck, diesen brennenden Durst zu stillen, entwischen mußte. Nachdem er lange in diesem Labyrinth herumgetaumelt hatte, waren seine Ernte Zweifel, Unwille über die Kurzsichtigkeit des Menschen, Mißmut und Murren gegen den, der ihn geschaffen, das Licht zu ahnden, ohne die dicke Finsternis durchbrechen zu können. Noch wäre er glücklich gewesen, hätte er mit diesen Empfindungen allein zu kämpfen gehabt; da aber das Lesen der Weisen und Dichter tausend neue Bedürfnisse in seiner Seele erweckten und seine nun beflügelte und zugekünstelte Einbildungskraft die reizenden Gegenstände des Genusses, die Ansehen und Gold allein verschaffen können, unablässig vor seine Augen zauberte, so rann sein Blut wie Feuer in seinen Adern, und seine übrigen Fähigkeiten wurden bald von diesem Gefühl allein verschlungen. Durch die merkwürdige Erfindung der Buchdruckerei glaubte er sich endlich die Tore zum Reichtum, Ruhm und Genuß aufgesprengt zu haben. Er hatte sein ganzes Vermögen darauf gewandt, sie zur Vollkommenheit zu bringen, und trat nun vor die Menschen mit seiner Entdeckung; aber ihre Laulichkeit und Kälte überzeugten ihn bald, daß er, der größte Erfinder seines Jahrhunderts, mit seinem jungen Weibe und seinen Kindern Hungers sterben könnte, wenn er nichts anders zu treiben wüßte. Von dieser stolzen Hoffnung so tief herabgesunken, gedrückt von einer schweren Schuldenlast, die er sich durch leichtsinnige Lebensart, übertriebene Freigebigkeit, unvorsichtige Bürgschaften und Unterstützung falscher Freunde auf den Hals gezogen, warf er einen Blick auf die Menschen, sein Groll färbte ihn schwarz, sein häusliches Band, da er seine Familie nicht mehr zu erhalten wußte, ward ihm zur Last, und er fing für immer an zu glauben, daß die Gerechtigkeit nicht den Vorsitz bei der Austeilung des Glücks der Menschen habe. Er nagte an dem Gedanken, wie und woher es käme, daß der fähige Kopf und der edle Mann überall unterdrückt, vernachlässigt sei, im Elende schmachte, während der Schelm und der Dummkopf reich, glücklich und angesehen wären. So leicht nun Weisen und Prediger diesen Zweifel zu heben wissen, so erbittert er gleichwohl, da sie nur zu dem Verstande reden und das Gefühl durch die tägliche Erfahrung verwundet wird, das Herz des Stolzen und schlägt den Sanftern nieder. Zu den erstern gehörte Faust. Von diesem Augenblick strebte sein gekränkter Geist den verschlungenen Knäuel aufzuwickeln, über dessen Auflösung so viele Tausende die Ruhe und das Glück ihres Lebens umsonst verloren haben. Er wollte nun den Grund des moralischen Übels, das Verhältnis des Menschen mit dem Ewigen, erforschen. Wollte wissen, ob er es sei, der das Menschengeschlecht leite, und wenn – woher die ihn plagenden Widersprüche entstünden. Er wollte die Finsternis erleuchten, die ihm die Bestimmung des Menschen zu umhüllen schien. Ja, er faßte selbst den verwegnen Gedanken, den erforschen zu wollen, dessen Sein uns so unbegreiflich und dessen Würken uns so klar ist. Die Hoffnung, mit diesen wichtigen Kenntnissen ausgerüstet, die Welt in Erstaunen zu setzen und als ein Geist erster Größe unter die Menschen zu treten, versüßte eine Zeitlang seine fruchtlose, peinliche Anstrengung. Da aber seine Lage immer trauriger ward, die Menschen, die ihm soviel zu danken hatten, sich immer mehr von ihm entfernten und all sein Streben, Licht in diese Finsternis zu bringen, nur dazu diente, sie noch schwärzer und quälender zu machen, so senkte sich bald der Gedanke tief in seine Seele, nur ein Geist der andern Welt könnte seinem Elend abhelfen und ihm Licht über diese Gegenstände geben. Zwar schlummerte dieser Gedanke noch in seinem Busen, aber seine Begierden, sein Unmut brauchten nur einen neuen, äußern Reiz, um ihn über die Grenzen zu treiben, gegen die er so wild anstieß.

2.

In dieser düstern Stimmung wanderte Faust von Mainz nach Frankfurt, dem hochweisen Magistrat eine von ihm gedruckte lateinische Bibel zu verkaufen, um seine hungrige Kinder von dem gelösten Gelde zu sättigen. In seiner Vaterstadt hatte er nichts ausrichten können, weil damals der Erzbischof mit seinem Kapitul in einen großen Krieg verwickelt war und sich ganz Mainz in der größten Verwirrung befand. Die Ursache davon war folgende: Es hatte einem Dominikanermönch geträumt, er schliefe mit seinem Beichtkinde, der schönen Klara, einer weißen Nonne und Nichte des Erzbischofs. Morgens sollte er die heilige Messe lesen, er las sie und empfing ohngeachtet der sündlichen Nacht den Leib des Herrn. Abends erzählt er in Begeisterung des Rheinweins einem jungen Novizen seinen Traum. Der Traum kitzelte die Einbildungskraft des Novizen, er erzählte ihn mit einigen Zusätzen einem Mönche, und so lief er durch das ganze Kloster, verbrämt mit Greuel und lüsternen Bildern, bis er zu den Ohren des strengen Priors kam. Der heilige Mann, der den Pater Gebhardt wegen seinem Ansehen in vornehmen Häusern haßte, erschrak vor dieser Ärgernis, und da er's als eine Entweihung des heiligen Sakraments ansah, so wagte er nicht über den wichtigen Fall zu entscheiden und meldete ihn dem Erzbischof. Der Erzbischof, vermöge des richtigen Schlusses, was der sündige Mensch bei Tage denkt und wünscht, davon träumt er des Nachts, sprach den Kirchenbann über den Mönch aus. Das Domkapitul, dessen Haß immer mehr zunimmt, je länger ein Erzbischof lebt, und gern jede Gelegenheit, ihn zu quälen, ergreift, nahm den Pater Gebhardt in Schutz und widersetzte sich dem Banne aus dem Grunde: es sei weltbekannt, daß der Teufel den heiligen Antonius mit den üppigsten Vorstellungen und lüsternsten Lockungen in Versuchung geführt habe, und wenn dies der Teufel mit einem Heiligen getrieben hätte, so könnte ihm auch wohl einmal einfallen, sein Gaukelspiel mit einem Dominikaner zu treiben. Man müßte den Mönch vermahnen, dem Beispiel des heiligen Antonius zu folgen und gleich ihm gegen die Versuchungen des Teufels mit den Waffen des Gebets und des Fastens zu kämpfen. Übrigens bedauerte man sehr, daß der Satan nicht mehr Achtung vor dem Erzbischof hätte und so unverschämt wäre, seine höllische Vorspieglungen nach den Gestalten seiner hohen Familie zu bilden. Das Domkapitul führte sich hierbei ganz so auf wie die Erbprinzen, denen ihre Väter zu lange regieren. Was aber den Fall gänzlich verwirrte, war ein Bericht aus dem Nonnenkloster. Die Nonnen waren alle im Refektorio versammelt, eine Mutter Gottes zum nächsten Fest aufzuputzen, um es durch ihre Pracht den schwarzen Nonnen zuvorzutun, als die alte Pförtnerin hereintrat, die höllische Geschichte erzählte und hinzusetzte, der Dominikaner würde gewiß lebendig verbrannt werden, denn eben sei das Domkapitul versammelt, sein Urteil zu sprechen. Während die Pförtnerin die Geschichte mit allen Umständen erzählte, färbten sich die Wangen der jungen Nonnen hochrot, und die Sünde, die keine Gelegenheit entwischen läßt, unschuldige Herzen zu vergiften, schoß in ihr Blut und dramatisierte in flüchtiger Eile ihrer Einbildungskraft alle die gefährlichen Szenen vor. Wut und Zorn zogen indessen ihre grimmigen Larven über die Gesichter der Alten. Die Äbtissin zitterte an ihrem Stabe, die Brille fiel von ihrer Nase, die Mutter Gottes stund indessen nackend in der Mitte und schien den erstaunten und erzürnten Nonnen zuzurufen, ihre Blöße zu decken. Da aber die Pförtnerin hinzusetzte, es sei die Schwester Klara, die der Teufel dem Dominikaner zugeführt hätte, so erfüllte ein wilder Schrei den ganzen Saal. Nur Klara allein blieb gelassen, und nachdem eine kleine Pause auf das Zetergeschrei erfolgte, so sagte sie lächelnd: »Liebe Schwestern, warum schreit ihr so fürchterlich? Träumte mir doch auch, ich schliefe mit dem Pater Gebhardt, meinem Beichtvater, und wenn es der böse Feind getan hat« (hier machte sie und die übrigen alle ein Kreuz), »so mögen sie ihm die Disziplin geben. Ich für meinen Teil habe nie eine kurzweiligere Nacht gehabt, sie komme, woher sie wolle.« »Der Pater Gebhardt?« schrie die Pförtnerin. »Nun, alle ihr Engel und Schutzheiligen! das ist er eben, dem von Euch geträumt hat, dem Euch vielmehr der Teufel zugeführt hat und den sie nun darum verbrennen wollen.« So ging die Pförtnerin noch einen Schritt weiter, verkörperte den Traum, und in dieser Gestalt flog er in die Stadt. Man ließ die Mutter Gottes so nackend stehen, wie sie war, bekümmerte sich nichts mehr darum, ob es die weißen Nonnen den schwarzen zuvor tun würden. Die Äbtissin machte sich auf den Weg, um die höllische Geschichte auszubreiten, ihr folgte die Schaffnerin; die Pförtnerin hielt eine Versammlung an ihrem Pförtchen, und Klärchen beantwortete naiv die noch naiveren Fragen der Schwestern. Die Trompeter des jüngsten Gerichts können einst in Mainz nicht mehr Schrecken und Verwirrung verbreiten als diese Geschichte. Nur der Schrecken in den rheinischen Bistümern war größer, als es sich die muntern Franzosen einfallen ließen, die schon bei dem ersten Zusammentreten in Gesellschaft verlerne Rechte der Menschheit hervorzusuchen. Und natürlich, man erinnerte sich hierbei des berühmten Sankt Veitstanzes, der einstens ansteckend durch alle Provinzen und Reiche Europas sich ausbreitete und die Köpfe der Europäer, besonders der Teutschen, so verwirrte und erhitzte, daß sich Ritter und Bauer, Graf und Troßknecht, Bischof und Dorfpfarrer, Edelfrau und Bettlerin, Gräfin und Kammerjungfer untereinander und durcheinander an den Händen faßten und in wilden, unsinnigen Kreisen von Dorf zu Dorfe, von Stadt zu Stadt herumtanzten, bis sie alle erschöpft und die Geschwächtesten von ihnen leblos niedersanken.

Da der Prior der Dominikaner diesen Vorfall erfuhr, rannte er nach dem versammelten Kapitul und gab durch diesen Bericht auf einmal der Sache eine neue Wendung. Der Erzbischof hätte nun gern den ganzen Handel unterdrückt; aber jetzt lag dem Kapitul dran, ihn auszubreiten, und alle Domherrn stimmten einmütig darauf, die bedenkliche Sache müßte dem Heiligen Vater in Rom vorgelegt werden. Man schrie, raste, tobte, drohte, und nur die Mittagsglocke konnte die Streitenden auseinanderbringen. Die offne Fehde verwandelte sich bald in eine feinere. Von Hofe aus fing man an zu bestechen, im Kapitul zu intrigieren, und ganz Mainz, Mönch und Laie, zerfiel auf einige Jahre in zwei Teile, so daß sie nichts sahen, hörten, von nichts sprachen und träumten als dem Teufel, der weißen Nonne und dem Pater Gebhardt. Auf den Kathedern jeder Fakultät ward darüber disputiert; die Kasuisten, nachdem sie die Nonne und den Pater ad protocollum genommen und gegeneinander gestellt hatten, schrieben Foliobände über alle die möglichen sündigen und nicht sündigen Fälle der Träume. War dies eine Zeit für Fausten und seine Erfindung?

3.

In Frankfurt nun, dem stillen Sitz der Musen, dem Schutzort der Wissenschaften, hoffte Faust beßres Glück. Er bot dem erlauchten Rat seine Bibel für zweihundert Goldgulden an; da man aber vor einigen Wochen fünf Stück Fässer Rheinwein in den Ratskeller gekauft hatte, so fand sein Gesuch so leicht nicht statt. Er hofierte den Schöppen, dem Schultheiß, den Senatoren, vom stolzen Patrizier bis zu dem noch stolzern Ratsherrn der Schuhmacherzunft. Man versprach ihm überall Huld, Schutz und Gnade. Zuletzt hielt er sich vorzüglich an den regierenden Bürgermeister, wobei er aber bisher weiter nichts gewann, als daß die Frau Bürgermeisterin eine gewaltige Flamme in seinem leichtfangenden Busen anzündete. Eines Abends versicherte ihn der Bürgermeister, daß man ersten Tags einen Ratsschluß fassen würde, vermöge welchem die gesamte Judenschaft gehalten sein sollte, Mann für Mann die Summe für die Bibel herzuschießen. Da Faust bemerkt hatte, daß seine Kinder Hungers sterben könnten, bevor eine so aufgeklärte Versammlung einstimmig würde, so ging er ohne Hoffnung, voller Liebe und Grimm auf seine einsame Stube. In diesem Mißmut nahm er seine Zauberformeln vor. Der Gedanke, etwas Kühnes zu wagen und Unabhängigkeit von den Menschen durch die Verbindung mit dem Teufel zu suchen, schoß lebhafter als je durch sein Gehirn. Noch erschütterte ihn die Vorstellung davon. Mit heftigen Schritten, wütenden Gebärden, unter fürchterlichen Ausrufungen ging er in seinem Zimmer auf und ab und kämpfte mit seinen innern, aufrührerischen Kräften. Kühn strebten diese, das Dunkel zu durchbrechen, das uns umhüllt, noch schaudert sein Geist vor dem Entschluß; aber nun wägt der Lüsterne die Befriedigung der unersättlichen Begierden seines Herzens, die längst gewünschte Genüsse der ganzen Natur gegen die Vorurteile der Jugend, die Armut und die Verachtung der Menschen. Schon schwankt die Zunge der Waage. Die Glocke schlägt elf auf dem nahen Turme. Schwarze Nacht liegt auf der Erde. Der Sturm heult aus Norden, die Wolken verhüllen den vollen Mond, die Natur ist im Aufruhr. Eine herrliche Nacht, die empörte Einbildungskraft zu verwildern. Noch schwankt die Zunge der Waage. In dieser Schale tanzen leicht Religion und ihre Stütze, die Furcht vor der Zukunft. Die Gegenschale schlägt sie hinauf; Durst nach Unabhängigkeit und Wissen, Stolz, Wollust, Groll und Bitterkeit füllen sie. Ewigkeit und Verdammnis schallen nur dumpf in seiner Seele. So strauchelt die Jungfrau, welche die glühenden Küsse des Geliebten auf dem Busen fühlt, zwischen den Lehren der Mutter und dem Zug der Natur. So schwankt der Philosoph zwischen zwei Sätzen, dieser ist wahr, jener glänzend und führt zu dem Ruhme; welchen wird er wählen?

Nun zog Faust nach der Vorschrift der Magie den fürchterlichen Kreis, der ihn auf ewig der Ob- und Vorsicht des Höchsten und den süßen Banden der Menschheit entreißen sollte. Seine Augen glühten, sein Herz schlug, seine Haare stiegen auf seinem Haupt empor. In diesem Augenblick glaubte er seinen alten Vater, sein junges Weib und seine Kinder zu sehen, die in Verzweiflung die Hände rangen. Dann sah er sie auf die Knie fallen und für ihn zu dem beten, dem er eben entsagen wollte. »Es ist der Mangel, es ist mein Elend, das sie in Verzweiflung stürzt«, schrie er wild und stampfte mit dem Fuße auf den Boden. Sein stolzer Geist zürnte der Schwäche seines Herzens. Er drang abermals nach dem Kreise, der Sturm rasselte an seinen Fenstern, die Grundfeste des Hauses zitterte. Eine edle Gestalt trat vor ihn und rief ihm zu:

»Faust! Faust!«

FAUST: Wer bist du, der du mein kühnes Werk unterbrichst?

GESTALT: Ich bin der Genius der Menschheit und will dich retten, wenn du zu retten bist.

FAUST: Was kannst du mir geben, meinen Durst nach Wissen, meinen Drang nach Genuß und Freiheit zu stillen?

GESTALT: Demut, Unterwerfung im Leiden, Gnügsamkeit und hohes Gefühl deines Selbsts, sanften Tod und Licht nach diesem Leben.

FAUST: Verschwinde, Traumbild meiner erhitzten Phantasie, ich erkenne dich an der List, womit du die Elenden täuschest, die du der Gewalt unterworfen hast. Gaukele vor der Stirne des Bettlers, des zertretnen Sklaven, des Mönchs und aller derer, die ihr Herz durch unnatürliche Bande gefesselt haben und ihren Sinn durch Kunst hinaufschrauben, um der Klaue der Verzweiflung zu entwischen. Die Kräfte meines Herzens wollen Raum, und der verantworte für ihr Würken, der mir sie gegeben hat.

»Du wirst mich wiedersehen«, seufzte der Genius und verschwand.

Faust rief: »Necken mich die Märchen der Amme noch am Rande der Hölle? Sie sollen mich nicht abhalten, das Dunkel zu durchbrechen. Ich will wissen, was der düstre Vorhang verbirgt, den eine tyrannische Hand vor unsre Augen gezogen hat. Hab ich mich so gebildet, daß das Los der Beschränktheit meine Kraft empört? Hab ich die Flamme der Leidenschaft in meinem Busen angeblasen? Hab ich den Trieb, immer zu wachsen und nie stille zu stehen, in mein Herz gelegt? Hab ich meinen Geist so gestimmt, daß er sich nicht unterwerfen und die Verachtung nicht ertragen kann? Wie, ich, der Topf, von fremder Hand gebildet, soll darum einst gewaltsam zerschlagen werden, weil er dem Werkmeister nicht nach seinem Sinn gelang, weil er dem niedrigen Gebrauch nicht entspricht, zu dem er ihn geformt zu haben scheint? Und immer nur Gefäß, immer nur Werkzeug, immer nur Unterwerfung; wozu denn dies widersprechende lautschreiende Gefühl von Freiheit und eigner Kraft dem Sklaven? Ewigkeit! Dauer! Schallt ein Sinn heraus? Was der Mensch fühlt, genießt und faßt, nur das ist sein, alles übrige ist Erscheinung, die er nicht erklären kann. Der Stier nutzt die Kraft seiner Hörner und trotzt auf sie, der Hirsch seine Leichtigkeit, dem Jäger zu entfliehen; ist das, was den Menschen unterscheidet, weniger sein? Ich hab es lange genug mit den Menschen und allem dem, was sie ersonnen, versucht, sie haben mich in Staub getreten; Schatten habe ich für Wahrheit ergriffen, laß mich's nun mit dem Teufel versuchen!«

Hier sprang er wild begeistert in den Kreis hinein, und Klagegetön seines Weibes, seiner Kinder, seines Vaters erschollen in der Ferne: »Ach verloren! ewig verloren!«

4.

Satan, der Herrscher der Hölle, hatte durch schrecklichen Hörnerschall, der an der glühenden Scheibe der Sonne widertönte, allen gefallnen Geistern auf der Ober- und in der Unterwelt kundtun lassen, daß er heute ein großes Freudenfest geben würde. Die höllischen Geister versammelten sich auf den mächtigen Ruf. Selbst seine Abgesandten beim päpstlichen Stuhl und den Herrschern Europas verließen ihren Posten, denn die Einladung ließ etwas Großes und Wichtiges vermuten. Schon ertönte das ungeheure Gewölbe der Hölle von dem wilden Geschrei des Pöbels der Geister. Myriaden lagerten sich auf den verbrannten, unfruchtbaren Boden. Nun traten die Fürsten hervor und geboten Schweigen der Menge, damit Satan die Berichte seiner Abgesandten der Oberwelt vernehmen könnte. Die Teufel gehorchten, und eine schaudervolle Stille herrschte durch die dicke, düstre Finsternis, die nur das Gewinsel der Verdammten unterbrach. Die Sklaven der Teufel, Schatten, die weder der Seligkeit noch der Verdammnis wert sind, bereiteten die unzähligen Tische zum Schmaus, und sie verdienen dies Los der schändlichsten Knechtschaft. Als sie noch in Fleisch und Bein die Früchte der Erde aßen, waren sie von jener zweideutigen Art, die aller Menschen Freund sind, ohne es von einem zu sein. Deren Zungen von den herrlichen Lehren der Tugend plappern, ohne daß ihr Herz sie fühlt. Die das Böse nur darum unterlassen, weil es Gefahr mit sich führt, und das Gute, weil es Mut und Verleugnung erfordert. Die mit der Religion wuchern und sie, wie der filzigte Jude sein Kapital, auf Zinsen legen, in der Meinung, ihren elenden Seelen ein gutes Behältnis zu sichern. Die Gott aus Furcht anbeten und vor ihm wie Sklaven zittern. Die Teufel, die wahrlich keine beßre Herren sind als die polnischen, ungarischen und livländischen Edelleute, reiten sie dafür in der Hölle wacker herum. Indessen schwitzten ihre Brüder in den höllischen Küchen, das Mahl für ihre strengen Herren zuzurüsten; ein schreckliches Geschäft für eine Seele, die einst einen menschlichen Körper durch Fraß, Soff und Üppigkeit aufgerieben hat. Denn obgleich die Teufel weder essen noch trinken, so haben sie den Menschen doch den Gebrauch abgelernt, jede Feierlichkeit durch Fressen und Saufen merkwürdig zu machen, und bei solchen Gelegenheiten halten sie ein Seelenmahl. Der Anführer jeder Legion (denn die Hölle ist auf militärischen Fuß eingerichtet und gleicht darin jedem despotischen Reiche; oder vielmehr jedes despotische Reich gleicht darin der Hölle) wählt eine gefällige Anzahl verdammter Seelen zum Schmause für seine Untergebenen. Diese übergeben sie den Sklaven, die sie sieden, braten und mit höllischer Brühe begießen. Oft trifft es sich, daß einer dieser Elenden seinen Vater, sein Weib, Sohn, Tochter oder Bruder an den Spieß stecken und das peinliche Feuer unter ihm unterhalten muß – eine schreckliche, wahrhaft tragische Lage, noch tragischer, da ihre Aufseher, mutwillige Teufel wie alle Diener großer Herren, mit der Geißel hinter ihnen stehen, das Werk zu befördern. Ich empfehle diese Situation den Tragikern Teutschlands. Heute wurden für den Gaumen des Großherrn, seiner Viziere und Günstlinge zwei Päpste, ein Eroberer, ein berühmter Philosoph und ein neu geprägter Heiliger zugerichtet. Für den Pöbel der Hölle waren ganz frische Viktualien angekommen. Der Papst hatte vor kurzem zwei Heere Franzosen, Teutscher, Italiener und Spanier gegeneinander getrieben, um einige Herrschaften in dem Tumult zu fischen, die Verlassenschaft des heiligen Peters zu ründen. Sie schlugen sich wie Helden und fuhren zu Tausenden zur Hölle. Welch ein Glück wäre es für die zu der Tafel der Teufel bestimmten Seelen, wenn sie dadurch das Ende ihrer Qual fänden; da sie diese aber stückweise in die Sümpfe der Hölle ausschütten, so wachsen sie wieder zusammen und stehen zu neuen Martern auf.

Während diese an den Bratspießen winselten, besetzten die Kellermeister und Schenken, alle Schatten gemeldeter Art, die Kredenztische. Die Flaschen waren gefüllt mit Tränen der Heuchler, falscher Witwen, der Scheinheiligen, der Empfindsamen und der aus Schwäche Reuigen. Mit Tränen, die der Neid bei dem Glück eines andern auspreßt, mit Tränen der Egoisten, die sie bei dem Unglück eines andern aus Freude weinen, daß es sie nicht getroffen. Mit Tränen lustiger Erben und mit Tränen der Söhne, die sie bei dem Sarge der geizigen, harten Väter weinen. Die Flaschen zu dem Nachtische waren gefüllt mit Tränen der Priester, die die Rolle des Komödianten auf den Kanzeln spielen, ihre Zuhörer zu rühren; und um das Getränk schärfer zu machen, mischte man Tränen der H–n darunter, die aus Hunger so lange weinen, bis ein Kunde kommt, die Sünde für Geld mit ihnen zu treiben. Zu diesen goß man noch Tränen der Kuppler, Kupplerinnen, der Ärzte und schelmischen Advokaten, die sie über schlechte Zeiten vergießen. Für den Satan und die Fürsten stunden, auf besondern Kredenztischen, Flaschen des edelsten Getränks. Es war berauschend, schäumend und sprudelnd, ein Gemisch von Tränen der Herrscher der Welt, die sie über das Unglück ihrer Untertanen weinen, während sie Befehle erteilen, die es auf Jahrhunderte befördern. Von Tränen der Jungfrauen, die den Verlust ihrer Keuschheit beweinen und sich mit noch nassen Augen prostituieren. Zu diesen hatte man Tränen begünstigter Großen gegossen, die in Ungnade gefallen sind und nun weinen, daß sie unter dem Schutz ihres Herrn nicht mehr rauben und unterdrücken können.

5.

Als nun diese Elenden die Tische besorgt hatten und so demütig hinter den Sitzen ihrer Gebieter stunden als ein Teutscher vor einem Fürsten, so traten die Großen der Hölle aus den Gemächern des Satans. Die Gefährten der Menschen – die Sünde, das scheußliche Gespenst der Vernichtung, der Hunger, die Krankheit, die Pest, der Krieg, die Ungerechtigkeit, die Armut, die Verzweiflung, die Herrschsucht, die Gewalt, der Stolz, die Verachtung, der Reichtum, der Geiz, die Wollust, der Wahn, der Neid, die Neugierde und die Lüsternheit gingen als wohlbestallte Furiere des satanischen Hofes voraus. Ihnen folgten Trabanten, diesen die Kammerherren. Nun die Pagen mit brennenden Fackeln, die aus Seelen der Mönche geflochten waren, die den Weibern die Kinder machen und den Ehemann auf dem Todbette drängen, sein Vermögen der Kirche zu vermachen, ohne Rücksicht, daß ihre eigne ehebrecherische Brut im Lande herumbetteln muß. Dann trat der mächtige Satan heraus, und ihm folgten die übrigen Großen seines Hofs nach Gunst und Rang. Die Teufel beugten sich ehrfurchtsvoll nieder, die Pagen stellten die Fackeln auf den Tisch des Großherrn, und nun stieg er mit stolzer und siegreicher Miene auf seinen erhabenen Thron und hielt folgende Rede:

»Fürsten, Mächtige, unsterbliche Geister, seid mir alle willkommen! Wollust durchglüht mich, wenn ich über euch zahllose Helden hinblicke! Noch sind wir, was wir damals waren, da wir zum erstenmal in diesem Pfuhl aufwachten, zum erstenmal uns sammelten. Nur hier herrscht ein Gefühl, nur in der Hölle herrscht Einigkeit, nur hier arbeitet jeder auf einen Zweck. Wer über euch gebietet, kann leicht den einförmigen Glanz des Himmels vergessen. Ich gestehe, wir haben viel gelitten und leiden noch, da die Ausübung unsrer Kräfte von dem beschränkt ist, der uns mehr zu fürchten scheint als wir ihn; aber in dem Gefühl der Rache, die wir an den Söhnen des Staubs, seinen schwachen Günstlingen, nehmen, in der Betrachtung ihres Wahnsinns und ihrer Laster, wodurch sie unaufhörlich seine Zwecke zerrütten, liegt Ersatz für dieses Leiden. Heil euch allen, die dieser Gedanke hoch entflammt!

Vernehmt nun die Veranlassung zu dem Feste, das ich heute mit euch feiren will. Faust, ein kühner Sterblicher, der gleich uns mit dem Ewigen hadert und durch die Kraft seines Geistes würdig werden kann, die Hölle einst mit uns zu bewohnen, hat die Kunst erfunden, die Bücher, das gefährliche Spielzeug der Menschen, die Fortpflanzer des Wahnsinns, der Irrtümer, der Lügen und Greuel, die Quelle des Stolzes und die Mutter peinlicher Zweifel, auf eine leichte Art tausend und tausendmal zu vervielfältigen. Bisher waren sie zu kostbar und nur in den Händen der Reichen, blähten nur diese mit Wahn auf und zogen sie von der Einfalt und Demut ab, die der Ewige zu ihrem Glück in ihr Herz gelegt hat und die er von ihnen fordert. Triumph! bald wird sich das gefährliche Gift des Wissens und Forschens allen Ständen mitteilen! Wahnwitz, Zweifel, Unruhe und neue Bedürfnisse werden sich ausbreiten, und ich zweifle, ob mein ungeheures Reich sie alle fassen möge, die sich durch dieses reizende Gift hinrichten werden. Doch dieses wäre nur ein kleiner Sieg, mein Blick dringt tiefer in die ferne Zeit, die für uns der Umlauf des Zeigers ist. Die Zeit ist nah, wo die Gedanken und Meinungen kühner Erneurer und Beekler des Alten durch Fausts Erfindung um sich greifen werden wie die Pest. Sogenannte Reformatoren des Himmels und der Erde werden aufstehen, und ihre Lehren werden durch die Leichtigkeit der Mitteilung bis in die Hütte des Bettlers dringen. Sie werden wähnen, Gutes zu stiften und den Gegenstand ihres Heils und ihrer Hoffnung vom falschen Zusatze zu reinigen; aber wenn gelingt dem Menschen das Gute und wie lange ist er dessen mächtig? die Sünde ist ihnen nicht näher als böse Folgen und Mißbrauch ihren edelsten Bemühungen. Das vielgeliebte Volk des Mächtigen, das er durch ein uns furchtbares Wunder der Hölle auf immer entreißen wollte, wird über Meinungen, die keiner begreift, in blutigen Krieg zerfallen und sich zerreißen wie die wilden Tiere des Waldes. Greuel werden Europa verwüsten, die allen Wahnsinn übertreffen, den die Menschen von ihrem Beginnen gerast haben. Meine Hoffnungen scheinen euch zu kühn, ich sehe es an euren zweifelnden Blicken, so hört denn: Religionskrieg heißt diese neue Wut, wovon die Geschichte der Frevel und Rasereien der Menschen bisher noch kein Beispiel hat. Aus der uns furchtbaren Religion sogen ihn die Unsinnigen. Einmal hat er schon gewütet, und dort heulen die in dem glühenden Pfuhl, die ihn erweckten; aber nun erst wird der Fanatismus, der wilde Sohn des Hasses und des Aberglaubens, alle Bande der Natur und der Menschheit gänzlich auflösen. Dem Furchtbaren zu gefallen, wird der Vater den Sohn, der Sohn den Vater ermorden. Könige werden frohlockend ihre Hände in das Blut ihrer Untertanen tauchen, den Schwärmern das Schwert überliefern, ihre Brüder zu Tausenden zu ermorden, weil sie andrer Meinung wie sie sind. Dann wird sich das Wasser der Ströme in Blut verwandeln, und das Geschrei der Ermordeten wird selbst die Hölle erschüttern. Wir werden Verbrecher mit Lastern besudelt herunterfahren sehen, wofür wir bis jetzo weder Namen noch Strafe haben. Schon seh ich sie den päpstlichen Stuhl anfallen, der das lockre Gebäude durch List und Betrug zusammenhält, während er sich durch Laster und Üppigkeit selbst untergräbt. Die Stützen der uns fürchterlichen Religion stürzen zusammen, und wenn der Ewige dem sinkenden Gebäude nicht durch neue Wunder zu Hülfe eilt, so wird sie von der Erde verschwinden, und wir werden nochmals in den Tempeln als angebetete Götter glänzen. Wo bleibt der Geist des Menschen stehen, wenn er angefangen hat, das zu beleuchten, was er als Heiligtum verehrt hat? Er tanzt auf dem Grabe des Tyrannen, vor dem er noch gestern gezittert, zerschlägt gänzlich den Altar, auf dem er geopfert hat, wenn er einmal unternimmt, dem Weg zum Himmel auf seine Weise nachzuspähen. Wer mag ihren rastlosen Geist auf Jahrtausende fesseln? Vermag der, der sie geschaffen, nur einen sich so zuzueignen, daß er nicht millionenmal unserm Reiche näher als dem seinen sei? Alles mißbraucht der Mensch, die Kraft seiner Seele und seines Leibes, alles, was er sieht, hört, betastet, fühlt und denkt, womit er spielt und womit er sich ernsthaft beschäftigt. Nicht zufrieden, das zu zertrümmern und zu verunstalten, was er mit den Händen lassen kann, schwingt er sich auf den Flügeln der Einbildungskraft in ihm unbekannte Welten und verunstaltet sie wenigstens in der Vorstellung. Selbst die Freiheit, ihr höchstes Gut, wenn sie auch Ströme Bluts dafür vergossen, verkaufen sie für Gold, Lust und Wahn, wenn sie dieselbe kaum gekostet haben. Des Guten unfähig, zittern sie vor dem Bösen, häufen Greuel auf Greuel, ihm zu entfliehen, und zerschlagen dann ihrer Hände Werk.

Nach den blutigen Kriegen werden sie, vom Morden ermüdet, einen Augenblick rasten, und der giftige Haß wird sich nur in heimlichen Tücken zeigen. Einige werden diesen Haß unter dem Schatten der Gerechtigkeit zum Rächer des Glaubens machen, Scheiterhaufen errichten und die lebendig verbrennen, die nicht ihrer Meinung sind. Andere werden anfangen, die unerklärbaren Verhältnisse und dunkle Rätsel zu benagen, und die zur Finsternis Gebornen werden verwegen um Licht kämpfen. Ihre Einbildungskraft wird sich entflammen und tausend neue Bedürfnisse erschaffen. Wahrheit, Einfalt und Religion werden sie mit Füßen treten, um ein Buch zu schreiben, das einen Namen mache und Gold einbringe. Ja so weit wird dieses aufgeblasene Geschlecht hierinnen den Wahnsinn treiben, daß sogar ihre Weiber – hört es alle, ihr Kräfte und Geister der Hölle! – daß sogar ihre Weiber Bücher schreiben werden. Ihr kennt die eitlen Töchter Evas, und ich brauche euch nicht zu sagen, was dieses für verzerrte Ungeheuer aus ihnen machen muß. So wird nun das Bücherschreiben ein allgemeines Handwerk werden, wodurch Genies und Stümper Ruhm und Fortkommen suchen, unbekümmert, ob sie die Köpfe ihrer Mitbürger verwirren und die Flamme an das Herz der Unschuldigen legen. Den Himmel, die Erde, den Furchtbaren selbst, die verborgene Kräfte der Natur, die dunklen Ursachen ihrer Erscheinungen, die Macht, die die Gestirne wälzt und die Kometen durch den Raum schleudert, die unfaßliche Zeit, alles Sichtbare und Unsichtbare werden sie betasten, messen und begreifen wollen, für alles Unfaßliche Worte und Zahlen erfinden, Systeme auf Systeme häufen, bis sie die Finsternis auf Erden gezogen haben, wodurch nur die Zweifel wie Irrwische, die den Wandrer in Sumpf locken, blitzen. Nur dann werden sie helle zu sehen glauben, und da erwarte ich sie! Wenn sie die Religion weggeräumt haben wie alten Schutt und gezwungen sind, aus dem stinkenden Überbleibsel ein neues ungeheures Gemische von Menschenweisheit und Aberglauben zusammenzugießen, dann erwarte ich sie! Und dann machet weit die Tore der Hölle, daß das Menschengeschlecht einziehe! Der erste Schritt ist geschehen, der zweite ist nah. Noch eine schreckliche Revolution auf dem Erdboden steht bevor. Ich berühre sie nur mit flüchtiger Eile. Bald werden die Bewohner der alten Welt ausziehen, um neue, ihnen bisher unbekannte Erdstriche zu entdecken. Dort werden sie Millionen in religiöser Wut erwürgen, um sich des Goldes zu bemächtigen, das diese Unschuldigen nicht achten. Diese neuen Welten werden sie mit allen ihren Lastern erfüllen und Stoff zu scheußlichern der alten zurückführen. So werden Völker unsre Beute werden, die bisher Unschuld und Unwissenheit vor unsrer Rache gesichert hat. Jahrhunderte werden sie im Namen des Furchtbaren den Erdboden mit Blute netzen, und so sieget die Hölle durch die Günstlinge des Himmels über den, der uns hierher geschleudert hat!

Dies ist es, ihr Mächtigen, was ich euch verkünden wollte, und nun freut euch mit mir des festlichen Tags, genießet im voraus der Siege, die ich euch verspreche, weil ich die Menschen kenne. Höhnt des Ewigen, der so lächerlich und widersinnig in dem Sohne des Staubs das rohe Tier mit dem Halbgott zusammenspannte, daß nun ein Teil den andern zerreibt! Höhnt seiner und ruft mit mir in Siegesgebrüll!

Es lebe Faust!«

Erschreckliches Getöse, daß die Achse der Erde zitterte, die Gebeine der Toten in den Gräbern zusammenrasselten, erscholl: »Es lebe Faust! Es lebe der Vergifter der Söhne des Staubs!«

Hierauf wurde der vornehmste Adel des dunklen Reichs zur Anbetung, dem Kniebeugen, Handkusse, das heißt zum Glückwunsch zugelassen, und ich habe bisher noch nicht entdecken können, ob der Satan diese hündische Gebräuche der Hofhaltung der Fürsten der Erde oder ob sie dieselben der seinen nachgeäfft haben.

6.

Nun warfen sich die frohlockenden Teufel an die Tische und fielen über das zugerichtete Mahl her. Die Becher erklangen, die Seelen knarrten unter ihren scharfen Zähnen, und man trank des Satans, Fausts, der Klerisei, der Tyrannen der Erde, künftiger und lebender Autoren Gesundheit unter dem Knall der höllischen Artillerie. Um das Fest recht glänzend zu machen, fuhren die Aufseher der Ergötzungen des Satans nach den Sümpfen der Verdammten, trieben die brennenden Seelen heraus und jagten sie über die Tafeln, die düstre Szene zu erleuchten. Sie ritten mit giftigen Peitschen hinter ihnen her und zwangen sie, sich grimmig zu balgen, und die Funken knasterten und leuchteten am schwarzen Gewölbe, wie wenn in dunkler Nacht der Blitz die Garben des Feldes anzündet. Um die Ohren der Teufel beim Schmause mit Tafelmusik zu kitzeln, eilten andre nach den Pfühlen, gossen glühendes Metall in die Flamme, daß die Verdammten in gräßlicher Verzweiflung heulten und fluchten. Könnt ich statt euren kalten und fruchtlosen Bußpredigten dieses scheußliche Gewinsel auf die Erde ziehen! wahrlich, die Sünder würden ihr Ohr dem wollüstigen Gesang der Kastraten und dem üppigen Geflüster der Flöten verschließen und reuig Psalmen anstimmen. Umsonst, weit entfernt ist die Hölle und nah das Vergnügen! Hierauf wurden auf einem großen Theater Schauspiele aufgeführt, die die Heldentaten des Satans darstellten (denn da der Teufel Dichter an seinem Hofe hält, so hat er auch Schmeichler), zum Beispiel: die Verführung Evas, Judas Ischarioth etc.

Dann verwandelte sich das Theater zur Vorstellung eines allegorischen Balletts. Die Szene stellte eine wilde Gegend vor. In einer dunklen Höhle saß die Metaphysik, eine hagre, lange Gestalt, die ihre Augen auf fünf schimmernde Worte heftete, die sich beständig hin und her bewegten und bei jeder Veränderung einen andern Sinn vorstellten. Der Hagre ließ nicht nach, ihnen mit seinen starren Augen zu folgen. In einem Winkel stund ein kleiner schelmischer Teufel, der ihm zuzeiten Blasen, mit Wind gefüllt, an die Stirne warf. Der Stolz,