Feind des Volkes - Frank Goldammer - E-Book
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Feind des Volkes E-Book

Frank Goldammer

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  • Herausgeber: dtv
  • Kategorie: Krimi
  • Serie: Max Heller
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Sein letzter Fall August 1961: Hauptmann Max Heller von der Dresdner Kriminalpolizei ist von seinem neuen Vorgesetzten in den Innendienst versetzt worden. Ein Affront für Heller, der kurz vor seinem Ruhestand steht. Als er eines Tages ein Paket mit Beweismaterial aus einem längst aufgeklärten Mordfall erhält, ist er alarmiert. Bald ist klar, der wahre Täter von damals ist zurück und fordert Heller zu einem perfiden Kampf um Leben und Tod heraus. Eine atemlose Mörderjagd beginnt, die Hellers Familie in größte Gefahr bringt. Auch die politische Lage in der DDR spitzt sich zu. Nahezu unbemerkt von der Welt wird der Bau der Berliner Mauer vorbereitet. Am 10. August 1961 müssen Karin und Max Heller eine dramatische Entscheidung treffen: gehen oder bleiben.

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Seitenzahl: 478

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Über das Buch

»Mein Spiel, Heller, und meine Regeln. Und natürlich weiß ich, wo sich Ihre Frau und Ihre Tochter gerade aufhalten.«

 

August 1961: Hauptmann Max Heller von der Dresdner Kriminalpolizei ist von seinem neuen Vorgesetzten in den Innendienst versetzt worden. Ein Affront für Heller, der kurz vor seinem Ruhestand steht. Als er eines Tages ein Paket mit Beweismaterial aus einem längst aufgeklärten Mordfall erhält, ist er alarmiert. Bald ist klar, der wahre Täter von damals ist zurück und fordert Heller zu einem perfiden Kampf um Leben und Tod heraus. Eine atemlose Mörderjagd beginnt, die auch Hellers Familie in größte Gefahr bringt. Auch die politische Lage in der DDR spitzt sich zu. Nahezu unbemerkt von der Welt wird der Bau der Berliner Mauer vorbereitet. Am 10. August 1961 müssen Karin und Max Heller eine dramatische Entscheidung treffen: gehen oder bleiben.

 

Von Frank Goldammer

sind bei dtv außerdem erschienen:

 

Im Schatten der Wende

Die Verbrechen der anderen

Großes Sommertheater

Zwei fremde Leben

 

Die Max-Heller-Reihe:

Der Angstmann

Tausend Teufel

Vergessene Seelen

Roter Rabe

Juni 53

Verlorene Engel

In Zeiten des Verbrechens

Frank Goldammer

Feind des Volkes

Kriminalroman

1959

Dresden, 31. August 1959, Nachmittag

»Max, schau mal!«, begrüßte Karin ihn, als er die Küche betrat. Sie stand gerade am Herd und deutete über die Schulter zum Esstisch.

Heller stellte seine Tasche ab und gab seiner Frau einen Kuss.

»Wo ist Anni?«, fragte er und beugte sich dann über mehrere Briefe, die aufgefaltet auf dem Tisch lagen.

»Sie ist Schulhefte kaufen, mit Vera und Martina.«

Martina war das Mädchen der Seiberts, der neuen Nachbarn, die ins Haus vom alten Meyer gezogen waren, nachdem dieser vor über einem Jahr gestorben war. Einer seiner Angehörigen hatte ihn in seinem Sessel sitzend vorgefunden, mit den Pantoffeln an, einem Glas Bier neben sich auf dem Tisch und einem leise dudelnden Radio. Es hatte ausgesehen, als schliefe er. Heller, den man aufgeregt dazugeholt hatte, hatte nur noch den Tod feststellen können. Kein schlechter Tod, hatte er sich damals gedacht, mit weit über siebzig mit einem leisen Lächeln im Gesicht einfach so von der Welt gehen zu können.

»Fällt dir etwas auf?«, fragte Karin und wischte sich die Hände an der Schürze ab.

»Ja, Erwin hat geschrieben.« Heller hatte sich schon zur Hälfte in den Brief eingelesen. Es wurde Zeit, dachte er bei sich. Der Abstand zwischen diesem und dem letzten Brief war ungewöhnlich groß gewesen.

Karin sagte nichts, aber schaute ihn ungeduldig an. Er blickte kurz fragend auf, aber nahm sich Zeit, weiterzulesen und den Brief dann zu den anderen dazuzulegen. Erwin hatte nichts Ungewöhnliches geschrieben. Es ging allen gut und er zog offenbar in Erwägung, bei seiner Kanzlei zu kündigen und sich als Anwalt selbstständig zu machen. Heller musste insgeheim den Kopf schütteln. Mit welchen Problemen sich sein Sohn da auseinanderzusetzen hatte, das war so weit weg von dem, was sie hier tagtäglich beschäftigte. Weit weg waren auch Erwin und sein Leben in Westdeutschland. Obwohl sie sich regelmäßig schrieben und Fotos schickten. Seine Frau Monika war wieder schwanger und stand kurz vor der Entbindung, hatte Heller gelesen. Erwin hatte mit seiner Familie in Köln wirklichen Ersatz für seine Familie in Dresden gefunden. Auf den Fotos stand er immer lachend in deren Mitte.

Heller nahm jetzt den nächsten Brief, den ihm Karin hinhielt. Er betrachtete das Schreiben sorgfältig, suchte in der Schrift seines Sohnes nach einer Veränderung, in den Worten irgendeine Botschaft, die er vielleicht nicht verstanden hatte. Schließlich gab er auf.

»Was soll denn sein, Karin? Was ist mit den Briefen?« Er sah sie verwundert an.

»Aber, Max, du bist doch hier der Kriminalpolizist«, spöttelte sie und legte ihm liebevoll die Hand in den Nacken. Dennoch war Heller der resignierte Zug um ihren Mund nicht entgangen.

Erneut widmete Heller seine Aufmerksamkeit dem Brief. Wenn er wüsste, wonach er suchen sollte, wäre es einfacher. Doch Karin hatte ihn bei seiner Ehre gepackt. Es musste ja einen Grund geben, warum sie ihm die letzten sieben Briefe von Erwin hingelegt hatte, chronologisch nach ihrem Eingang sortiert. Einen nach dem anderen betrachtete er aufmerksam, drehte und wendete sie. Und dann bemerkte er es plötzlich.

Er blickte hoch. »Weißt du es schon länger? Oder habt ihr euch das gemeinsam ausgedacht?«, fragte er Karin.

»Dass er die Briefe auf diese Art durchnummeriert? Nein, das ist mir gerade erst aufgefallen. Er macht es ja recht geschickt.«

Heller nickte. Er hatte bisher nie besonders auf das Datum geachtet, das Erwin immer oben rechts auf der ersten Seite vermerkte. Man wusste nie, wie lange ein Brief über die Grenze benötigte. Manchmal ging es schnell, manchmal brauchte er zwei Wochen oder mehr. Ob da nun der sechste, siebte oder dreiundzwanzigste Mai, Juni oder Juli stand, war kaum relevant. Erwin hatte irgendwann mit dem ersten März begonnen, datierte die Briefe einfach aufsteigend, mit dem zweiten Mai, dem dritten Juni, dem vierten August und so fort. Inzwischen waren sie beim zwanzigsten angelangt. Keine große Sache, doch unauffällig genug, dass es bisher niemandem aufgefallen war.

»Da fehlt Nummer neunzehn«, stellte Heller fest.

Karin nickte. »Tja, das ist das Problem, Nummer zwölf fehlt und die Nummern acht und neun.«

»Wie weit kannst du das zurückverfolgen?«

»Bis zu dem Brief, als er mit der Eins begann. Die Briefe zuvor hat er wohl richtig datiert. Anscheinend ist ihm aufgefallen, dass gelegentlich ein Brief nicht ankam.«

»Oder wir irren uns einfach.« Heller legte die Briefe vorsichtig ab, als könnten sie zerknittern.

»Ich würde ja telegrafieren oder anrufen. Wenn ich könnte.«

Heller überhörte den leisen Vorwurf. Er wusste, er galt nicht ihm, sondern dem Staat, in dem sie lebten.

»Könnten sie nicht einfach verloren gegangen sein?«, schlug er vor.

»Das könnte sein. Herr Eigner hat ja erzählt, dass selbst seine Briefe aus Moskau nicht immer daheim ankamen. Weißt du noch, Max, letztes Jahr zu Ostern deutete Erwin an, dass er nun doch überlegte, einmal mit der Familie zu Besuch in die DDR zu kommen. Kann es nicht sein, dass genau diese Briefe nicht ankamen, in denen er das mit uns besprechen wollte?« Karin wurde ganz eifrig, sie zog einen der Briefe heraus, überflog ihn und deutete schließlich auf eine bestimmte Passage. »Und dann schreibt er so etwas. Das bekommt doch gleich einen ganz anderen Sinn.«

Heller las und erinnerte sich wieder daran, die Sätze damals gelesen zu haben, ohne sie zu verstehen.

Haben überlegt, kurzfristig in den Osten der Stadt zu ziehen, der Plan scheiterte jedoch an unüberwindlichen Hindernissen, las Heller. Er hatte sich noch überlegt, wieso Erwin eine Wohnung in so guter Lage hatte aufgeben wollen, nahe am Rhein, in Sichtweite des Doms.

»Ich kann dir noch viele solcher Textstellen zeigen. Max, du weißt, wie ich denke. Ich glaube nicht an solche Zufälle. Vier Briefe fehlen.«

Heller schob die Briefe von sich weg und verschränkte die Hände hinter dem Nacken. Nachdem es wochenlang heiß gewesen war, hatte sich das Wetter merklich verändert. Es war kühler geworden, bewölkt, mit gelegentlichen Regenschauern, eine wahre Erleichterung. Im Präsidium gab es gerade nicht viel zu tun. Anni ging es gut in der Schule, sehr gut sogar. Sie war lieb und artig, mehr, als man es von einem Mädchen heutzutage erwarten konnte. Sie war jetzt in einem Alter, in dem die Jugendlichen gelegentlich aufmüpfig wurden. Anni saß nur zu oft vor dem Fernseher und stellte manchmal das Radio in ihrem Zimmer zu laut. Eigentlich war sie kein Mädchen mehr, sondern eine junge Frau, so selbstständig in Schule und Freizeit, dass man sich kaum noch um etwas kümmern musste. Es war angenehm, mal an nichts denken zu müssen.

Jetzt hatte ihn Karins Verdacht mit Erwins Briefen unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Man konnte viel interpretieren, wenn man erst einmal an etwas glaubte. Dabei musste man vorsichtig sein, nicht selbst so paranoid zu werden wie die Regierung dieses Staates.

»Das müsste bedeuten, jemand entwendet gezielt diese Briefe«, überlegte Heller laut und sprach damit aus, was Karin sowieso dachte. Sie standen unter genauer Beobachtung. Aber auch das war keine Neuigkeit, es war ihm mehr als einmal deutlich gemacht worden. Doch so logisch das auch alles erschien, Heller wollte für sich trotzdem eine andere Erklärung offenlassen. Dass die Briefe zufällig verschwunden waren. Dass Max Heller und seine Familie viel zu unwichtig waren, als dass man sie dauernd beobachten musste.

Sie mussten damit leben, mussten sich arrangieren. Das hatten sie schon, zur Genüge. Sie hatten sich damit arrangiert, dass der eine Sohn im Westen lebte, kaum erreichbar, und der andere Sohn hier in Dresden noch viel unerreichbarer war, gefangen in seiner Ideologie, die kaum Platz ließ für individuelles Denken und Handeln. Sie hatten sich damit arrangiert, dass sie bald noch einen Enkel haben würden, von dem sie bestenfalls Fotos sehen würden, wie schon vom kleinen Max, der inzwischen acht Jahre alt war. Sie hatten sich damit arrangiert, dass sie hier eine Enkelin hatten, die sie nur noch selten sehen durften.

Kurz vor Weihnachten letzten Jahres hatte Heller sich ein Tonbandgerät zugelegt, eine Anschaffung, die so zufällig und typisch für dieses Land war. Er war auf der Suche nach einem Schallplattenspieler gewesen, doch Schallplattenspieler gab es in den Geschäften gerade nicht, dafür aber das Tonbandgerät RFT 19-2 aus dem VEB Funkwerk in Leipzig. Das Gerät befand sich in einem Koffer mit abnehmbarem Deckel, mit blauem Kunstleder bezogen und Metallschutz an allen Ecken. So hatte Heller begonnen, ab und zu etwas aufzunehmen, bei privaten Feiern oder wenn Anni ein Lied oder Gedicht für die Schule lernte. Er hatte auch das letzte Weihnachtsfest aufgenommen, an dem Klaus mit Erika und Silvia bei ihnen gewesen war. Ein buntes Gemisch aus Gesprächen, Gesang der Frauen und Mädchen und dem Gepolter des bestellten Weihnachtsmannes, eines Kollegen von Klaus. Heller musste unwillkürlich lächeln, als er an diesen Abend dachte. Doch dann schlich sich sofort ein anderer Gedanke ein und die Sorge, dass das vielleicht das letzte gemeinsame Weihnachten gewesen war. Seitdem hatte Klaus den Kontakt zu ihnen auf ein Minimum beschränkt.

Karin klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch und riss ihn aus den trüben Gedanken. »Was soll’s, lass uns Kaffee trinken.«

»Waren sie heute eigentlich da?«, fragte Heller jetzt. Aber Karin winkte nur ab. Sie wusste, worauf Heller anspielte. Seit März dauerten die Arbeiten an der Garage an, ein halbes Jahr war vergangen. Hatte es zuerst ausgesehen, als ginge es zügig voran, stagnierten die Arbeiten, kaum dass der Baubetrieb eine Grundplatte aus Beton gegossen hatte. Man hatte zwar begonnen, die Mauer zu setzen, dann waren aber die Ziegel ausgegangen oder der Zement, oder die Arbeiter wurden woanders zum Aufbau des Sozialismus benötigt. Heller hätte es sogar auf sich genommen, die Garage selbst fertigzubauen. Herr Eigner hätte ihm geholfen, hatte sich schon angeboten, auch die neuen Nachbarn wären zur Hand gegangen, doch es gab weder genügend Steine noch Mörtel, geschweige denn Holz und Teerpappe für das Dach und erst recht kein Garagentor, weil keine Tischlerei oder Zimmerei Zeit für diesen Auftrag hatte. Nicht einmal zwanzig Meter Kabel für eine Lampe waren zu bekommen. Es blieb ihnen also keine andere Wahl, als darauf zu warten, dass der Baubetrieb irgendwann seine Arbeiten fortsetzen würde. Vermutlich würde es schneller gehen, wenn sie, statt mit Geld, mit einer Stiege Radeberger Pilsner, mit Westkaffee oder am besten mit Westgeld bezahlen könnten.

Doch dazu waren ihnen die Dinge zu schade, die Erwin gelegentlich schickte. Also musste er seinen neuen Wagen, einen Trabant 500, mit seinen achtzehn PS weiterhin an den abschüssigen Straßen in Dresden Tolkewitz parken und ihn den Witterungsbedingungen aussetzen. Karin liebte das kleine Auto mit seiner weiß-blauen Lackierung. Und Anni platzte bald vor Stolz, wenn sie am Wochenende zusammen eine Familienausfahrt machten. Karin und Anni hatten das Auto »Hugo« getauft, was Heller albern fand. Doch er amüsierte sich insgeheim über die Begeisterung seiner beiden Frauen, für die das kleine Auto doch eine Seele zu haben schien, welcher genauso Streicheleinheiten zustanden wie einem Kätzchen zum Beispiel. Oldenbusch wiederum, der privat einen rotbraunen Wartburg 311 fuhr, hatte volles Verständnis für Sympathiebekundungen gegenüber Autos. Gerade er liebte seinen Wagen über alles, und Heller vermutete insgeheim, dass auch Oldenbusch einen Namen für sein Auto hatte. Auf jeden Fall redete Oldenbusch dem Auto immer gut zu und lobte es für seine zuverlässigen Dienste.

Heller freute sich natürlich auch über das Fahrzeug, wenn auch seine Freude eher pragmatischer Art war. Hugo ließ ihm am Morgen eine halbe Stunde mehr Schlaf, brachte ihn früher nach Hause zum Feierabend und ersparte ihm den steilen Weg zu Bahn und Bus. Er hatte den Wagen nur so schnell bekommen, weil er Polizist war. Die normalen Wartezeiten waren bedeutend länger. Manche Interessenten warteten zwei Jahre oder länger. Doch vermutlich musste die Produktion in Zwickau nur erst richtig anlaufen, dann würde jeder, der es sich leisten konnte, ein Auto kaufen können.

Karin kam mit der Kaffeekanne zum Tisch. »Ich habe die Angelegenheit heute mal meinem Chef vorgetragen. Der kennt den Kreisler vom Rat der Stadt, Abteilung Bauwesen. Dem will er die Sache mal antragen.«

»Karin, wir wollten doch gar nicht erst anfangen, auf diese Art und Weise Druck auszuüben.«

»Nein, nicht wir wollten das nicht, du, Max, du willst das nicht. Aber alle anderen machen das so. Und du siehst doch selbst, sonst geschieht nichts. Und Hugo steht noch im Winter draußen.«

»Dass das mal nicht nach hinten losgeht.«

»Was soll denn passieren?« Karin sah ihn verwundert an.

»Pfuscherei vielleicht.«

»Ach, da werde ich schon dafür sorgen, dass die nicht pfuschen«, raunte Karin und sah Heller herausfordernd an.

Dresden, 1. September 1959, Morgen

Der Tag begann, als hätte es die Abkühlung der letzten Tage nie gegeben. Die Sonne schien, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Seit Heller mit dem Wagen zur Arbeit fuhr, war er jetzt meistens der Erste im Büro. Er sortierte gerade die Papiere auf seinem Schreibtisch, als Oldenbusch, gutgelaunt pfeifend, den Raum betrat.

»Wünsche wohl geruht zu haben!«, begrüßte er Heller. In den letzten Jahren hatte Oldenbusch deutlich zugenommen. Seine Frau bekochte ihn mit Herzensgüte, maß seine Liebe zu ihr an seinem leicht, aber stetig wachsenden Bauchumfang, was Oldenbusch auch gefiel, wie er Heller schon gestanden hatte. Er hatte sich wieder einen Bart wachsen lassen. Jetzt schwitzte er und wischte sich die Stirn mit dem Taschentuch ab. Dann hängte er seine Jacke auf und verließ das Zimmer gleich wieder, um Kaffee zu holen.

Nach wenigen Minuten kam er zurück, balancierte das Tablett mit den zwei Tassen gekonnt wie ein Kellner. »Heiß und schwarz, es muss Kaffee sein, so lautet zumindest das Gerücht.«

»Gibt es einen Anlass für so viel Heiterkeit, Werner?«, fragte Heller, nahm sich seine Tasse und gab Sahne hinein.

»Wir leben!«, jubilierte Oldenbusch, setzte sich an seinen Schreibtisch und schob sich einen der Ordner zurecht, die sie gestern aus dem Archiv geholt hatten. Es galt, alte Fälle aufzuarbeiten. Neue gab es zurzeit keine. »Außerdem hat die Schule wieder begonnen! Acht Wochen können wirklich lang werden, trotz Urlaub und Ferienlager. Zeit, dass die Kinder wieder beschäftigt werden.«

»Anni hat sich auf die Schule gefreut«, sagte Heller und schmunzelte.

»Ich weiß schon, am ersten Tag freuen sich noch alle auf die Schule.« Oldenbusch winkte belustigt ab.

»Wo bleibt denn Peter?«, fragte Heller. Salbach war so gut wie nie unpünktlich.

»Der ist doch mit dem Wagen zur Inspektion.«

»Stimmt.« Heller hatte das vergessen. Ärgerlich.

»Ist was?«, fragte Oldenbusch nach ein paar Sekunden.

»Nichts, was du nicht schon wüsstest.«

Oldenbusch hob wissend das Kinn. Wenn er auch von den Briefen nichts wusste, so war er doch darüber im Bilde, dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn beobachtete. Obwohl oder vielleicht gerade weil Klaus Offizier im Dienst des MFS war. Heller vertraute sich ihm hin und wieder an. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. So wusste Heller, dass Oldenbusch seiner Frau zuliebe noch einem weiteren Kind zugestimmt hatte, weshalb sie nun vier Kinder im Haus hatten: einen Säugling, ein Kindergartenkind und Cornelias ältere Kinder aus erster Ehe. Oldenbusch machte es deshalb nichts aus, Überstunden zu schieben, und er übernahm bereitwillig Schichten für Kollegen, die krank oder im Urlaub waren.

Nach wenigen Minuten des Aktenstudiums stöhnte Oldenbusch auf. »Wenn das so weitergeht, werden die unsere Abteilung schließen. Dann werde ich den Rest meines Lebens Akten sortieren dürfen.«

»Beschreie es nur nicht, ich bin ganz froh, dass die Leute sich nicht gegenseitig umbringen.«

»Das weiß ich doch, Max«, sagte Oldenbusch ernst, und Heller tat es ein bisschen leid, dass er seinem Kollegen die Laune verdorben hatte.

 

Es dauerte bis zum späten Vormittag, ehe Salbach zurückkam. Unter seinem linken Auge trug er einen schwarzen Fleck, fast wie eine Indianerbemalung. Oldenbusch hatte zwar erst seinen Spaß damit, gab dann aber dem Kollegen mit einem Fingerzeig zu verstehen, dass da etwas sei. Salbach betrachtete sich im Spiegel über dem Waschbecken und stieß einen leisen Fluch aus.

»So bin ich durch die halbe Stadt gefahren und durchs Haus marschiert«, grummelte er und wusch sich verärgert den Fleck aus dem Gesicht. »Das hätten die mir in der Werkstatt ja auch mal sagen können.«

Vor wenigen Monaten hatte Salbach erfolgreich sein Studium der Rechtswissenschaften beendet und war, anstatt befördert oder auf einen anderen Posten versetzt zu werden, in seine alte Abteilung zurückgekehrt. Vielleicht, um auf eine Stelle zu warten, die seiner Qualifikation gerecht wurde. Er beklagte sich nicht. Heller hatte noch keine Gelegenheit gefunden, ihn darauf anzusprechen. Er vermutete, dass der junge Kollege sich erst mal seine Sporen verdienen sollte, um in einigen Jahren Appelts Posten zu übernehmen.

»Das ist aber nicht so schlimm, oder?«, schmunzelte Heller. Er kannte den jungen Polizisten sonst nicht als so eitel. Vor allem aber erschien ihm Peter in diesem Moment auffällig ernst.

Salbach beendete seine Wäsche hastig und trocknete sich ab. »Wir müssen los. Eben auf dem Gang fing mich Maschke aus der Zentrale ab.« Salbach nahm jetzt einen Zettel aus der Jackentasche und gab ihn Heller.

»Wir müssen in die Heide«, erklärte er, während Heller las. »Wir können ein ganzes Stück fahren, müssen dann aber laufen. Ludensruh, kennt ihr das?«

Oldenbusch schüttelte den Kopf, aber Heller kannte die Rasthütte in der Heide, im Prießnitzgrund.

»Was ist denn geschehen?«, fragte Oldenbusch ungeduldig.

»Pilzsammler haben zwei Leichen entdeckt«, erklärte Salbach. »Der Fundort ist abgesichert. Wir sollten uns auf etwas gefasst machen.«

»Wer hat das gesagt?«

»Maschke. Genauso hat er sich ausgedrückt: Ihr solltet euch auf etwas gefasst machen.«

Dresden, 1. September 1959, Mittag

Mit ungeheurer Wucht war der Sommer zurückgekehrt. Selbst hier im Wald war die Hitze kaum auszuhalten. Die Sonne stand so hoch, dass die Bäume kaum Schatten warfen. Oldenbusch hatte den Wagen so weit wie möglich in den Wald gefahren und war dem Weg entlang der Prießnitz gefolgt. Trotzdem mussten sie das gesamte letzte Stück den Berg hinauflaufen.

Da es die letzten Tage geregnet hatte, waren die Pilze geschossen. Eine gute Zeit für Sammler. Doch die verdunstende Feuchtigkeit machte die Hitze noch unerträglicher. Schon nach wenigen Minuten war Heller durchgeschwitzt. Oldenbusch erst recht. Nur Salbach, mit seinen noch nicht ganz dreißig Jahren, schien es nichts auszumachen.

Ein junger uniformierter Polizist empfing sie. »Hauptmann Heller?«, fragte er und salutierte. »Wachtmeister König.«

Heller durfte sich seit zwei Jahren Hauptmann nennen, kaum dass er sich ein Jahr seines neuen Dienstranges als Kriminalrat hatte erfreuen dürfen. So hatten Oldenbusch und Salbach den Rang eines Oberleutnants, und Appelt, sein neuer Chef, nachdem Niesbach krankheitsbedingt vorzeitig in den Ruhestand gegangen war, war Major. In dem fast zwanghaften Willen, alles zu reformieren und neu zu ordnen, hatte man nun auch bei der Volkspolizei militärische Dienstgrade eingeführt.

Sich an den Hauptmann zu gewöhnen war Heller lange schwergefallen. Kriminalrat hörte sich wenigstens nach etwas an. Hauptmann, damit schien er nur einer von vielen zu sein. Heller war sich aber bewusst, dass dies nur die Eitelkeit eines alten Mannes war, und er beschloss, den Gedanken nicht weiterzuverfolgen.

Heller nickte dem Wachtmeister zu.

»Ein Stück werden wir laufen müssen«, sagte der Polizist, beinahe entschuldigend. »Da hinauf!« Er deutete den dicht bewaldeten Hang hinauf.

Heller zeigte zum Auto, wo sich seine beiden Kollegen am Kofferraum zu schaffen machten. »Einen Moment noch, wir wollen gleich die Technik mitnehmen.«

»Ich kann helfen«, bot sich der Uniformierte an und trat näher.

Ohne Umschweife drückte ihm Salbach ein Holzstativ in die Hand, das schwerste und sperrigste Teil ihrer Ausrüstung.

»Danke!«, sagte er in einem Ton, der keine Ablehnung zuließ. Bestimmt würde Salbach einmal ein guter Vorgesetzter werden, dachte Heller bei sich. Er war ehrgeizig, wissensdurstig, durchsetzungsfähig. Kein Vergleich mehr zu dem mageren, unsicheren Jungen, den Heller vor neun Jahren zu sich geholt hatte.

Bepackt mit dem Fotoapparat, einem Koffer und einer Holzkiste machten sie sich nun an den Aufstieg.

 

Heller keuchte und war damit nicht allein. Alle schwitzten sie. Keiner sprach, jeder versuchte zu Luft zu kommen, selbst Salbach und der Uniformierte, die Jüngsten in der Runde. Sie hatten ein kleines Plateau erreicht, auf dem eine einfache kleine Hütte stand, um Wanderern einen Rastplatz zu bieten. Sie konnten bis jetzt nur die Rückwand der Hütte erkennen. Ein eher unspektakulärer Anblick. Wald, wohin man schaute. Kein Lüftchen regte sich, die Blätter der Bäume bewegten sich nicht, selbst die Vögel schienen stumm zu sein.

Ein zweiter Polizist, der Wache gestanden hatte, etwas älter als sein Kollege, kam ihnen entgegen, salutierte und wartete auf seine Anweisungen. Eigentlich ein schöner Tag, dachte Heller, und doch lag etwas Bedrückendes auf dieser Szenerie. Es roch nach Pilzen und schwüler Spätsommerfeuchtigkeit, doch noch ein anderer Geruch hatte sich untergemischt.

»Wie viele Menschen werden hier gewesen sein, seit dem Fund der Leichen?«, fragte er.

»Einige, denke ich«, antwortete der ältere Uniformierte, der sich als Oberwachtmeister Heidrich vorgestellt hatte. »Der sie gefunden hat, lief zur Heidemühle an der Radeberger Straße, um zu telefonieren. So etwas spricht sich schnell rum. Ein paar Neugierige sind da gleich losgerannt, um selbst nachzusehen.«

»Also sind sämtliche Spuren auf dem Boden verwischt?«, ärgerte sich Heller laut.

»Das befürchte ich. Wir sind außerdem auch in der Hütte gewesen. Wir mussten uns ja davon überzeugen, dass wirklich nicht mehr zu helfen war.«

»Schon gut«, nickte Heller. »Dann lasst uns anfangen.«

 

Die Hütte war sehr schmal, bot gerade genug Platz für fünf, sechs Personen, die auf der hölzernen Bank dicht zusammenrücken mussten. Sie bot Schutz vor Regen und Sonne, doch einem Sturm und Kälte hatte sie nichts entgegenzusetzen. Eine Fenster- und eine Türöffnung waren ausgespart, aber nicht verschließbar. Unzählige Fliegen schwirrten in der Hütte herum.

»Wir haben eine Plane drübergelegt, wegen der Fliegen. Sollen wir sie wegnehmen?«, fragte der Polizist nun.

»Moment, ich will zuerst hineinsehen.« Heller betrat die Hütte und betrachtete die Plane, unter der sich die Leichen befanden. Nur ein Schuh ragte hervor. Es roch, nein, es stank geradezu nach Blut. Es hatte sich auf dem Hüttenboden ausgebreitet, war in den Ritzen versickert oder längst geronnen, schälte sich in der Hitze ab. Hellers Blick fiel auf die dunklen Holzwände. Er erahnte es mehr, als dass er es sehen konnte: Sie waren voller blutiger Handabdrücke. Schließlich bückte sich Heller, um ein Ende der Plane anzuheben. Augenblicklich stob ein Schwarm Fliegen auf, was Heller zu wildem Händefuchteln veranlasste.

»Wir nehmen hier alles auf, dann müssen sie auf dem schnellsten Weg abtransportiert werden«, befahl er. Dann zog er die Plane komplett weg, zerrte sie aus der Hütte und warf sie beiseite. Langsam ging er wieder hinein.

Auf den ersten Blick erkannte er zwei Männerkörper, die buchstäblich übereinanderlagen, die Gliedmaßen ineinander verdreht wie Ringer im Bodenkampf. Es war gar nicht gleich zu erkennen, welches Bein und welcher Arm zu welchem Körper gehörten. Beide Leichen waren über und über mit geronnenem Blut besudelt. Überall krabbelten Fliegen herum, krochen in die Augen, Nasen und Münder. Heller versuchte erfolglos, sie wegzuwedeln.

»Haben die gekämpft?«, fragte Oldenbusch, der von außen durch das Fenster blickte.

»Ich kann es mir noch nicht erklären.« Heller betrachtete den unteren Mann, der auf dem Bauch lag, den Kopf zur Seite gedreht, nach Luft schnappend wie ein Kraulschwimmer, die Finger ins Holz der Wand gekrallt. Der andere lag auf ihm und hatte ihn wohl beim Versuch, dem Täter auszuweichen, mit seinem Gewicht auf den Boden gepresst. Auch seine Hände waren ausgestreckt, als hätte er Halt gesucht.

»Ich denke, sie haben in panischer Angst versucht, aus dem Fenster zu klettern«, sagte er, um Fassung bemüht. »Der Täter muss sie überrascht und in Panik versetzt haben. Vermutlich haben sie sich gegenseitig bei der Flucht behindert.« Er wagte kaum, sich auszumalen, wie sie in ihrer Todesangst gegeneinander angekämpft hatten.

»Peter, stellen wir das Stativ auf, das Licht wird wohl kaum besser«, bestimmte Oldenbusch. »Zuerst drinnen, dann will ich noch Bilder durch das Fenster machen.«

Salbach schüttelte den Kopf. »Das ist zu dunkel für gute Fotos. Ich hole das Blitzlicht aus dem Wagen.«

Heller überließ den beiden Kollegen die weitere Arbeit. Was die Technik betraf, standen Oldenbusch und Salbach im stillen Wettbewerb, egal ob es der Wagen war oder die Kameras, die sie besaßen. Ihm konnte es nur recht sein. Er verließ die Hütte und atmete erleichtert durch. Trotz der schwülen dreißig Grad erschien ihm die Luft nun erfrischend.

»Wer fand die Toten?«, fragte er die Uniformierten.

»Der Mann, der es telefonisch meldete, heißt Sebastian Egler. Er rief von der Gastwirtschaft Heidemühle aus an. Dazu musste er den Prießnitzgrund weit hinauf bis zur Radeberger Straße laufen. Man sagte ihm, er solle dortbleiben, bis wir einträfen. Wir nahmen ihn mit, damit er uns den Fundort zeigte. Da kamen uns schon alle möglichen Leute entgegen. Das waren bestimmt Schaulustige. Ich fuhr den Mann zurück und übergab ihn einer zweiten Streife, während Genosse Heidrich hier Stellung hielt. Ob die jedoch noch vor Ort sind oder ihn ins Revier mitgenommen haben, weiß ich nicht.«

Das war viel Text gewesen für die kurze Information, die Heller sich erhofft hatte. Noch dazu blieb sie vage. Sie würden selbst nachsehen müssen. Hier im Wald war der Funk sehr schlecht, das hatten sie schon festgestellt. Heller notierte sich den Namen.

»Wissen Sie, was er im Wald getan hat?«

»Er war auf der Pilzsuche, sagte er. Er hatte auch einen gut gefüllten Korb dabei.«

»Alter? Ein Rentner? Vielleicht ein Invalide?«

»Nein, ich schätze, er ist Ende dreißig. Kein Invalide. Vielleicht hat er Urlaub?«

 

»Max, wir sind so weit. Wollen wir sie herausholen?«, fragte Oldenbusch. Er hatte sich schon Gummihandschuhe übergestreift. Salbach kam den Weg hoch, den er inzwischen mindestens schon vier Mal gegangen war. Auch er trug Handschuhe.

»Zwei Bestattungswagen warten unten im Grund«, sagte er. »Die Männer kommen mit Tragen hoch.«

»Hast du Handschuhe für mich?«, bat Heller und Oldenbusch reichte ihm ein Paar. Gemeinsam betraten sie wieder die Hütte. Salbach zwängte sich zwischen der Sitzbank und den Toten zum hinteren Ende und drehte angewidert das Gesicht weg.

Es war Heller zuvor gar nicht so aufgefallen, oder aber die Hitze der letzten Stunden hatte ihr Werk getan. Aber der Leichengeruch hatte stark zugenommen, und die Fliegen surrten wie im Rausch herum. Fast musste man fürchten, sie einzuatmen, wenn man nicht aufpasste.

Oldenbusch drängte Heller ein wenig beiseite. »Lass mich.«

Heller fand das unnötig. Zwar war er der Älteste hier, jedoch fühlte er sich körperlich so wohl wie noch nie in seinem Leben. Die Nachwirkungen der Fußverletzung, die ihn ein Leben lang behindert hatten, waren seit der Operation völlig verschwunden.

Salbach hob vorsichtig den oberen Leichnam an. Doch er schaffte es nicht, den oberen Körper von dem unteren zu lösen. Peter zog und zerrte und musste dann loslassen. Er richtete sich auf und presste sein Gesicht in die Armbeuge.

»Los, noch mal«, knurrte er dann und fasste wieder zu. Heller packte das linke Bein des Toten und Oldenbusch nahm ihn bei der Hüfte. Endlich lösten sich die Körper voneinander. Es gab ein schreckliches Geräusch dabei, denn die Männer hatten ungeheuer viel Blut verloren und waren regelrecht zusammengeklebt.

»Herrgott«, stöhnte Oldenbusch. Er war diesbezüglich der Hartgesottenste von ihnen. »Himmelarschundzwirn! Gleich raus, los!«

Heller hielt die Luft an. Salbach tat es ihm gleich, und sein Gesicht wurde bereits gefährlich rot. Mit kleinen Schritten gelangten sie schließlich nach draußen und legten den Toten auf der bereitliegenden Plane ab.

»Sollen wir den anderen nehmen?«, bot der eine Polizist an.

»Schon gut.« Heller winkte ab.

»Verdammt!«, ächzte Oldenbusch. »Max, sieh dir das an!«

Aber Heller hatte es bereits gesehen. Es war ja offensichtlich. Trotz des ganzen Blutes konnte man erkennen, was mit dem Mann geschehen war. Die Jacke vor seiner Brust war von Messerstichen regelrecht zerfetzt, die einzelnen Einstiche kaum auseinanderzuhalten. Einer oder zwei von ihnen hätten schon genügt, das Opfer zu töten, doch der Täter musste zwanzig, dreißig Mal zugestochen haben, wenn nicht noch öfter.

Oldenbusch hob den Leichnam noch einmal an, und im Tageslicht sah man, dass der Mörder sich damit nicht zufriedengegeben hatte. Er hatte dem Opfer noch ein Dutzend Mal in den Rücken gestochen.

Der Täter musste mit einer solchen Wut und Vehemenz über die beiden Männer hergefallen sein, dass sie keine Chance zur Gegenwehr gehabt hatten. Schon nach den ersten Stichen war der Mann tödlich verletzt gewesen.

»Peter, haben wir Wasser da?«

»Im Wagen ist eine Flasche, aber die ist leer.«

»Ich kann welches aus dem Bach holen«, bot einer der Uniformierten ungefragt an.

»Dann tun Sie das bitte!«

»Max, siehst du das!« Oldenbusch kniete neben den Beinen des Toten. Mit spitzen Fingern zog er am Stoff der Hose. Die Hosenbeine des Opfers waren bis zum Knie hinauf in lange Streifen geschnitten worden. Es musste passiert sein, nachdem die beiden Männer schon tot waren, anders war es nicht zu erklären. Heller legte jetzt das Bein des Toten frei, indem er die Stofffetzen beiseitezog. Inzwischen war der Polizist zurückgekommen und brachte Wasser in einer blechernen Trinkflasche mit.

»Die Männer vom Bestattungsamt wollen wissen, ob sie schon hochkommen sollen.«

»Die sollen noch warten.« Heller nahm ihm die Flasche ab, schüttete ein wenig Wasser auf das Bein des Toten und wischte es dann ab, sodass Haut zum Vorschein kam. Sie schien unversehrt. Offenbar war dem Täter nicht daran gelegen gewesen, das Opfer weiter zu verletzen, er hatte anscheinend nur die Absicht gehabt, den Stoff zu durchtrennen.

»Hatte er eine Schere dabei?«, fragte Salbach leise.

»Nein, es sieht nicht danach aus. Er hat das Hosenbein straffgezogen, mit dem Messer in Kniehöhe eingestochen und einfach nach unten durchgezogen.«

»Aber warum?«, fragte Salbach.

Heller hob nur knapp die Schultern. »Holen wir den anderen heraus.«

 

Der zweite Leichnam bereitete kaum weniger Mühe. Die Luft in der Hütte war trotz der großen Fenster- und Türöffnung zum Schneiden. Heller musste immer wieder aufs Neue den Würgereiz unterdrücken. Den anderen erging es nicht besser. Sie legten den Mann neben das andere Opfer.

»Ihm wurde auch in Brust und Rücken gestochen«, bemerkte Oldenbusch nach kurzer Untersuchung. »Da fragt man sich, was in den Täter gefahren ist.«

»Hier sind die Hosenbeine nicht zerschnitten«, stellte Salbach fest. »Ob das etwas zu bedeuten hat?«

»Vielleicht nur, weil der untendrunter lag.«

Alle drei richteten sich nun auf und betrachteten die Toten. Keiner hatte mehr Kraft und Lust, die Fliegen zu verscheuchen, es wäre auch müßig gewesen. Und außerdem würden sie die Männer gleich von den Bestattern holen lassen. Jetzt standen sie nur da, stumm. Heller musste sich eingestehen, dass er gerade völlig ratlos war.

»War das nun ein gezielter Angriff?«, fragte Oldenbusch nach einiger Zeit. »Oder nur Zufall?«

»Der muss ja mächtig Wut gehabt haben«, kommentierte Salbach. »Aber warum nimmt er sich dann die Zeit und zerfetzt ihm die Hosenbeine?«

»Peter, wir wissen nicht, ob sie nicht schon so ausgesehen haben«, mahnte Heller. Man musste alles in Betracht ziehen.

»Aber wieso sollte jemand …?« Peter verstummte. Es gab keine vernünftige Erklärung dafür.

»Versuchen wir herauszufinden, wer sie waren. Machst du das, Werner?«

»Mach ich.« Oldenbusch ging wieder auf die Knie und machte sich an den Jacken der Toten zu schaffen. Dabei fiel Heller etwas auf.

»Da, am Gürtel von dem ersten, ist das eine Messerscheide?«

Oldenbusch schlug die Jacke des Toten auf, den sie zuerst aus der Hütte getragen hatten. Tatsächlich hing am Gürtel an einer Lederschlaufe eine große Messerscheide. Das Messer selbst fehlte.

»Haben Sie ein Messer gefunden?«, fragte Heller die beiden Uniformierten.

»Es könnte ein Hirschfänger gewesen sein«, mutmaßte Oldenbusch angesichts der verzierten, handwerklich anspruchsvollen Lederscheide. »Kein wirklicher. Ein nachgemachter, vielleicht fünfzehn Zentimeter lang. Bestimmt mit Horngriff.«

Die Polizisten schüttelten beide die Köpfe.

»Dann gehen wir mal auf die Suche«, befahl Heller. »Teilen Sie sich auf, ich suche in dieser Richtung. Wir beschränken uns auf die nähere Umgebung, dreißig Meter im Umkreis etwa. Wenn Sie es finden sollten, nicht berühren!«

»Jawohl!« Die Männer salutierten.

»Warum nur dreißig Meter?« Oldenbusch hatte Zweifel und sah Heller fragend an.

»Sollte der Täter es im Affekt weggeworfen haben, wird er es in der Nähe getan haben. Ansonsten hat er es behalten oder irgendwo anders entsorgt, wo man es nicht findet.«

Salbach starrte immer noch auf die Hosenbeine der Opfer. »Mich lässt gar nicht los, dass der Täter die Hosenbeine zerschnitten hat. Warum nur? Das macht einen ganz seltsamen Eindruck.«

Heller sah seinen jungen Kollegen unverwandt an und versuchte unterdessen selbst, seine Gedanken zu ordnen. Er wusste, was Salbach meinte, ohne es genau benennen zu können. Als ob die pure Gewalt, mit der der Täter auf die Männer eingestochen hatte, nicht schon genug gewesen wäre. Er hatte sich noch die Zeit genommen, die Hosenbeine zu zerschneiden. Das schien völlig sinnlos zu sein.

»Peter, es gibt einige Dinge, die lassen sich mit gesundem Menschenverstand nicht erklären. Ich hatte schon mehrmals in meiner Laufbahn als Polizist mit solchen Menschen zu tun.«

»Denk nur an den Verrückten, damals fünfundvierzig«, mischte Oldenbusch sich ein.

»Ja, zum Beispiel. Solche Leute bewegen sich in anderen Sphären. Und sowenig sie davor zurückscheuen, jemandem das Leben zu nehmen, so wenig spielt es für sie eine Rolle, ob jemand tot oder lebendig ist. Sie wissen natürlich ganz genau, wann ihre Opfer tot sind, doch Handlungen wie diese hier müssen sie trotzdem ausführen, das ist wie ein Zwang.« Heller winkte ab. »Aber das alles ist momentan noch Spekulation. Es könnte ein Gelegenheitsmord gewesen sein, ein Racheakt, eine Tat im Alkoholrausch oder auch eine Vertuschung, eine Tat, um von einer anderen Tat abzulenken. Wir wissen noch nicht einmal, ob es wirklich nur ein Täter war. Wir wissen nicht, ob den Männern etwas gestohlen wurde, wir wissen ja noch nicht einmal, wer sie sind. Oder, Werner?«

»Moment noch!«, brummte Oldenbusch. »Hier!« Er reichte Heller eine Brieftasche. Sie war von zwei Messerstichen getroffen und durchbohrt, ein weiterer Beweis für die unheimliche Wucht der Stöße. Heller öffnete sie, fingerte den Ausweis heraus und schlug ihn auf. Blut war durch die Einstiche eingedrungen, trotzdem war er noch gut lesbar.

»Walter Scheuermann«, las Heller, »vierzehn geboren. Wohnhaft in Dresden.«

»Da, bitte schön.« Oldenbusch hatte inzwischen die Brieftasche des anderen Opfers hervorgeholt. Auch diese war vom Messer getroffen worden, aber nur seitlich, das Leder war angeritzt. Das Geld war offenbar noch vorhanden, erstaunlich viel sogar, und auch der Ausweis.

»Ludwig Bogel, dreizehn geboren, Dresden«, las Heller.

»Bogel sagt mir was«, meinte Salbach, konkretisierte das jedoch nicht weiter.

Heller sah Salbach an, dass ihm noch so einiges durch den Kopf ging. Vermutlich waren es dieselben Gedanken, die auch ihn beschäftigten. Das Schlimmste wäre, wenn diese Tat zufällig und willkürlich geschehen wäre. Denn das bedeutete einerseits, dass die Suche nach einem Motiv ins Leere führen würde und sie ohne Anhaltspunkte dastünden, und andererseits, dass der Täter bei jeder passenden Gelegenheit wieder zuschlagen könnte.

»Folgender Plan«, hob Heller an, um Salbach auf andere Gedanken zu bringen. »Peter, ruf du die Bestatter her. Die Leichen sollen schnellstens zu Doktor Schellbach in die Gerichtsmedizin. Dann fahren wir zur Heidemühle, vernehmen den Mann, der sie gefunden hat, und organisieren doch eine großangelegte Suche nach der Tatwaffe, vor allem im Bach oder in einem der Teiche, die es hier gibt, vielleicht hat er sie ja doch gleich dort entsorgt. Es sollen so viele Männer wie möglich bereitgestellt werden. Danach müssen wir die Angehörigen der Toten informieren und leuchten deren Umfeld aus.« Heller hielt inne und dachte kurz nach. »Normalerweise müsste man einen öffentlichen Zeugenaufruf starten, wer war gestern in der Heide, wer hat diese beiden Männer gesehen, wem fiel etwas Verdächtiges auf.«

»Nie im Leben bekommst du das genehmigt«, schnaubte Oldenbusch.

Heller nickte. »Ich weiß.« Eine solche Tat in der DDR publik zu machen, war nahezu unmöglich. »Sehen wir uns in der Heidemühle um. In allen Ausflugslokalen ringsum. Hofewiese, was noch?«

»Das Fischhaus, die Radeberger Straße hinunter!«, schlug Salbach vor.

Oldenbusch hatte wieder einen Einwand. »Ich fürchte, das wird nichts bringen. Gestern war Montag. Ruhetag!«

Heller schloss für eine Sekunde die Augen, daran hatte er nicht gedacht. Für einen Moment schien ihm die ganze Angelegenheit völlig aussichtslos. Zwei Tote im Wald, keine verwertbaren Spuren, Fußabdrücke von Dutzenden Menschen, keine Tatwaffe, keine Augenzeugen und ein Waldgebiet von etwa sechstausend Hektar. Wie sollte man da einen Täter finden? Vor allem zeigte die Erfahrung, wenn man nicht gleich am ersten Tag auf eine heiße Spur stieß, war es sehr unwahrscheinlich, einen Mörder zu finden. Es schien also beinahe aussichtslos. Vielleicht war er mittlerweile wirklich zu alt für solche Fälle. Vielleicht war es gerade die Ahnung davon, was ihnen an Arbeit bevorstand, die ihn müde machte.

»Trotzdem, Werner, irgendwie müssen wir anfangen. Die Hütte muss weiter gesichert werden, such du nach Spuren, Fasern, Haaren, Fingerabdrücken oder doch wenigstens nach einem vernünftigen Schuhabdruck.«

Oldenbusch wackelte genervt mit dem Kopf. »Ja, alles klar, ich weiß schon, wonach ich suchen muss, Max.«

 

Sebastian Egler saß mit zwei Beamten im Biergarten der Heidemühle an einem Tisch, vor sich einen Glaskrug mit Bier. Die beiden Polizisten hatten jeweils eine grüne Limonade vor sich stehen. Anscheinend waren sie gerade fertig mit einer Bockwurstmahlzeit. Etwas peinlich berührt erhoben sie sich, als sie Heller sahen, und salutierten. Heller ließ sich nichts anmerken, ärgerte sich aber. Selbst wenn die Männer Hunger und Durst hatten, sollte sich ein Polizist doch so weit zusammennehmen können, dass er nicht in trauter Gesellschaft mit einem Zeugen aß und trank.

Egler war ein mittelgroßer, unscheinbarer Mann, dem man den Buchhalter sofort abnahm. Sein Haar war dünn und sauber gescheitelt. Dazu trug er einen gestutzten Oberlippenbart, der wohl von seinem leicht fülligen Gesicht ablenken sollte. Er erhob sich und nahm seinen Jagdhut ab. Er trug auch einen Jagdmantel, Knickerbockerhosen, Stulpen und festes Wanderschuhwerk.

»Meine Kleidung täuscht. Ist wohl mehr eine Verkleidung, ich bin kein Jäger. Nur Wanderer und Pilzsammler. Egler mein Name.« Er deutete eine Verbeugung an.

»Heller, Kripo. Darf ich Ihren Ausweis sehen?«

»Jawohl, Herr Kommissar.«

»Hauptmann«, korrigierte Heller und nahm den Ausweis entgegen. Tatsächlich war der Mann erst achtunddreißig, auch wenn er wie Mitte oder gar Ende vierzig wirkte. »Sie dürfen abtreten!«, befahl er den beiden Polizisten. Salbach stand jetzt neben ihm und nahm mit Heller gemeinsam am Tisch Platz.

»Darf ich Sie nach Ihrem Beruf fragen?«, fuhr Heller fort.

»Ich bin Ingenieur im Maschinenbau. VEB Tabakuni, Zwickauer Straße. Ich habe mir diese Woche freigenommen.«

»Sie sind verheiratet?«

»Jawohl, zwei Kinder.«

Heller notierte sich alles. Egler drehte den Kopf ein wenig, um mitlesen zu können.

»Sie scheinen wenig beeindruckt zu sein von Ihrem Fund«, merkte Heller an.

»Nun, ich bin im Krieg gewesen, da ist einem der Tod vertraut«, sagte Egler und hob ein wenig die Schultern an.

Heller verstand, das hätte er sich eigentlich denken können. »Schildern Sie bitte, wie Sie die Toten entdeckt haben.«

»Das ist schnell erzählt. Heute Morgen, nachdem die Kinder zur Schule gegangen waren, habe ich mich in die Bahn gesetzt, bin nach Klotzsche gefahren und von dort in die Heide gegangen, um Pilze zu suchen. Ich war auch recht erfolgreich, wie Sie sehen.« Er bückte sich, hob einen Korb, der zu seinen Füßen gestanden hatte, und stellte ihn auf den Tisch. Tatsächlich hatte der Mann etliche Pilze gesammelt, stellte Heller fest. Er kannte offenbar gute Plätze.

»Nach einiger Zeit wollte ich Rast machen, ich hatte meine Brotbüchse dabei.« Zum Beweis hob er nun seinen Rucksack an und nahm die Büchse heraus.

Heller nickte nur, und Egler setzte seine Ausführungen fort. »Jedenfalls erinnerte ich mich an die Ludensruh. Das war ganz in meiner Nähe, da hat man eine Bank zum Sitzen und ein wenig Schatten. Als ich ankam, roch es schon so komisch, und ich dachte noch, da hat jemand seinen Müll liegen gelassen. Da sah ich das Elend schon.«

»Haben Sie die Hütte betreten?«

»Zuerst habe ich durch die Fensteröffnung gesehen. Dann habe ich durch den Eingang gelangt und den einen berührt. Ich hab an seinen Schuh gefasst, hab ihn versucht zu schütteln, aber das war natürlich sinnlos. Die waren schon ganz steif. Da habe ich überlegt, dass es zur Heidemühle am kürzesten ist, um Hilfe zu rufen. Ich bin mir aber gar nicht mehr sicher, ob es nach Klotzsche nicht doch kürzer gewesen wäre oder …«

»Nun sind Sie ja hier gelandet«, beendete Heller die weitschweifigen Ausführungen des Mannes. »Haben Sie sonst noch etwas angefasst?«

»Ich war nicht in der Hütte und habe nichts weiter angefasst. Nur den Mann, der obenauf lag.«

»Sie schneiden die Pilze?«, fragte Heller unvermittelt und blickte zu dem Korb.

Egler stutzte kurz. »Ja, ich weiß, manche drehen sie raus. Ich glaube, es ist besser, man schneidet sie ab.«

»Welches Messer benutzen Sie?«

»Moment!« Egler stand auf, grub seine Hand in die Hosentasche und holte ein Taschenmesser heraus. Heller klappte es auf und fand an der großen Klinge Erd- und Pflanzenreste. Er roch auch einmal an ihr, erkannte Pilzgeruch, nickte und reichte es dem Mann zurück.

»Sie müssen das fragen, nicht wahr? Um auszuschließen, dass ich damit zu tun habe!«

Heller nickte. »Haben Sie ein Messer gefunden? Vermutlich ein Hirschfänger.«

»Sie meinen die Tatwaffe?«

Heller sah den Mann nur an.

»Nein, tut mir leid, ich habe nichts gefunden. Und ich hätte es auch nicht berührt, ich hätte Ihnen sofort Bescheid gegeben. Wissen Sie, ich wollte auch einmal Kriminalpolizist werden, aber es war ja Krieg, da ging das nicht.«

Ein Mann näherte sich dem Tisch. Er trug eine Kellneruniform, eine schwarze Hose und ein weißes Hemd, das am Bauch sehr schmutzig war. Der Mann war um die dreißig und lief in kurzen, schnellen Schritten und hielt dabei den Kopf seltsam schräg. Seine Zähne standen auffallend schief und sein Haar wirkte wie von ungeübter Hand geschnitten.

»Gestatten?«, fragte er, und ehe Heller wusste, was gemeint war, räumte er die Teller und Gläser vom Tisch.

»Moment, ich hab noch!«, rief Egler lachend aus, als er ihm auch sein Bierglas wegnehmen wollte.

Sie warteten, bis der Mann wieder gegangen war.

»Der scheint nicht richtig zu ticken«, erklärte Egler ungefragt. »Räumt nur Tische ab und macht wohl den Aufwasch. Die gehen hier alle ziemlich barsch mit ihm um.«

»Herr Egler, ich muss Sie bitten, Ihren Rucksack und die Taschen zu leeren.«

»Natürlich, gern.« Egler begann seine Jacken- und Hosentaschen auszuräumen, legte Schlüssel, Taschentuch, Pflaster und eine Salbendose auf den Tisch. Aus dem Rucksack holte er Brotdose und Trinkflasche.

Heller gab Salbach ein Zeichen, dass dieser den Rucksack untersuchen sollte.

»Sind Ihnen auf dem Weg zur Heidemühle Leute begegnet? Haben Sie mit jemandem gesprochen?«

»Nein, mit niemandem. Mir ist auch niemand begegnet. In der Heidemühle verlangte ich nach einem Telefon und rief die Polizei an. Ich glaube aber, noch während ich sprach, liefen einige los, weil sie das Gespräch mitgehört hatten.«

»Wer? Wissen Sie das?«

»Also, ich glaube, die gehörten hier zum Personal.«

»Was haben Sie jetzt vor?«

»Ich werde wohl zurückgehen. Es sei denn, es ist möglich, dass jemand mich in die Stadt mitnimmt. Wenigstens bis zur Straßenbahn.«

Heller nickte. »Das lässt sich einrichten. Ich muss Sie darum bitten, über all das hier Stillschweigen zu bewahren. Sprechen Sie wirklich mit niemandem darüber. Auch nicht mit Ihrer Frau.«

»Natürlich, ja, aber wissen Sie, wenn jemand Neugieriges gleich dahinläuft, und dann spricht es sich herum, dann ist das doch nicht meine Schuld, oder?«

»Herr Egler, Sie dürfen jetzt gehen, sagen Sie den beiden Kollegen, ich habe angewiesen, Sie mit in die Stadt zurückzunehmen.«

 

»Was hältst du von ihm?«, fragte Salbach.

»Vermutlich kann er es kaum erwarten, jemandem davon zu erzählen. Man kann es ihm ja auch nicht übelnehmen. Ich möchte aber, dass du morgen nachprüfst, ob seine Angaben stimmen. Nur zur Sicherheit. Dass er Urlaub nimmt, nachdem die Ferien beendet sind, kommt mir seltsam vor.«

Heller sah sich im Biergarten um. Es war nicht viel los. Nur wenige Gäste saßen an den Tischen. »Suchen wir den Betriebsleiter und lassen uns eine Liste des Personals aufstellen.«

Dresden, 1. September 1959, Nachmittag

Nach erster Untersuchung hatte Oldenbusch ein Dutzend oder mehr verschiedener Schuhabdrücke gefunden. Darunter waren Eglers, ihre eigenen und die der Polizisten und sechs weitere verschiedene Schuhprofile, von denen manche jedoch nur ungenau zu erkennen waren. Anhand der Angestelltenliste der Heidemühle konnten sie einige zuordnen. Blieben zwei, drei vage Spuren, von denen eine möglicherweise dem Täter zuzuordnen war. Vielleicht waren sie aber schon älter. Ansonsten hatten sie nichts. Keine Zeugen. Kaum Spuren, denn der gestrige Regen hatte die meisten fortgespült.

Major Appelt hatte sich Hellers Bericht schweigend angehört. Nun überlegte er und blickte stumm vor sich hin, seine Kaumuskeln arbeiteten. Anders als sein langjähriger Vorgesetzter Niesbach, der Problemlösungen stets im Gespräch gesucht hatte, machte Appelt alles mit sich selbst aus. Auch sein Äußeres deutete auf eine andere Geisteshaltung hin. Sein Haar war immer kurz geschnitten und sauber gescheitelt, ebenso sein Oberlippenbart, der mit Akkuratesse gestutzt war. Das musste ihn jeden Morgen beträchtliche Zeit vor dem Spiegel kosten.

Obwohl man schon mal angedeutet hatte, Heller die Stelle des Chefs der Kripo zu übertragen, war er nicht überrascht gewesen, als schließlich dann doch Appelt den Posten bekam. Eigentlich hatte er von Anfang an damit gerechnet. Und insgeheim war er auch ganz froh darüber. Doch das verriet er Karin nicht. Diese letzten paar Jahre seiner Dienstzeit würde er in seiner Abteilung noch überstehen. Und wenn er ehrlich war, würde ihm sowieso die Decke auf den Kopf fallen, wenn er immer nur im Büro sitzen oder Dutzende von Sitzungen und Besprechungen über sich ergehen lassen müsste, in denen doch jedes Mal nur einem anderen nach dem Mund geredet wurde. Appelt hingegen, als alter Kommunist und Kämpfer, war so was gewohnt. Ihn störte es nicht, wenn er Phrasen dreschen oder Parteibeschlüsse buchstabengetreu wiedergeben musste.

Appelt war kein schlechter Mann, und er war auch nicht vom Ministerium für Staatssicherheit, wie Heller zuallererst vermutet hatte, als Appelt Niesbach dreiundfünfzig schon einmal für kurze Zeit krankheitsbedingt vertreten hatte. Niesbach, nun vorpensioniert, ging es nicht gut. Seit sie ihn vor anderthalb Jahren verabschiedet hatten, war er sechs Monate im Krankenhaus gewesen, hatte eine Magenoperation hinter sich und endlose Strahlenbehandlungen. Wenn Heller ihn gelegentlich besuchte, wirkte er bleich und ausgelaugt, konnte seine körperliche Schwäche kaum verbergen. Doch er klagte nie, trug sein Schicksal mit Fassung. Dass er den Untergang der Nationalsozialisten erleben durfte, hatte er Heller im Vertrauen gesagt, war der größte Erfolg seines Lebens gewesen.

»Heller«, begann Appelt jetzt, »bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen, muss ich erst Rücksprache halten.«

Heller sah Appelt stumm an. Es war wie immer. Vermutlich musste man erst überlegen, wie man diese Tat in einen politischen Kontext bringen konnte.

»Sehen Sie mich nicht so vorwurfsvoll an, Heller«, sagte Appelt und schmunzelte sogar ein wenig. »Ich weiß, was gerade in Ihrem Kopf vorgeht, doch zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich anscheinend dann doch ein klein wenig mehr als Sie.«

Heller merkte auf. »Aha. Und? Lassen Sie mich teilhaben?«

»Natürlich. Es geht um die Identität der Opfer. Zum einen sind beide langjährige Mitglieder der SED, im Prinzip seit der ersten Stunde. Das eine Opfer, Walter Scheuermann, ist dabei weniger relevant. Er ist Abteilungsleiter bei den Dresdner Verkehrsbetrieben. Das andere Opfer aber, Ludwig Bogel, ist Angestellter im Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf, genaugenommen Forschungsassistent von Klaus Fuchs, dem stellvertretenden Leiter.«

Heller hatte von dem Institut in Rossendorf gehört, wenn er auch nicht viel darüber wusste, außer dass man im Institut im Bereich der Kernphysik forschte.

»Sie betonen den Namen Fuchs. Sollte ich etwas über ihn wissen?« In irgendeinem Zusammenhang hatte er den Namen schon mal gehört, aber er konnte ihn nicht einordnen.

Appelt nickte. »Fuchs floh vor dem Krieg nach Großbritannien und war während des Krieges am Bau der Atombombe beteiligt. Später verurteilten ihn die Engländer wegen Spionage für die UDSSR. Vor Kurzem wurde er begnadigt und siedelte in die DDR über.«

Das war es. Jetzt erinnerte sich Heller wieder. Es hatte Empfänge gegeben, Lobreden, die Zeitung und die ›Aktuelle Kamera‹ hatten davon berichtet.

»Sie wollen andeuten, dass Bogel einem gezielten Anschlag zum Opfer gefallen sein könnte? Und Scheuermann wurde nur zufällig zum Opfer?«

Nun war es Appelt, der seufzte. »Die Kollegen des MFS sind gerade dabei, alle Möglichkeiten zu prüfen. Eigentlich schienen die Briten und Amerikaner im Reinen zu sein mit Fuchs, sonst hätten sie ihn nicht gehen lassen. Und hätte man einen Anschlag auf ihn geplant, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn zu beseitigen ohne zusätzliche Opfer. Seine Wohnadresse ist bekannt, er tritt im zivilen Leben völlig ungeschützt auf. Bogel selbst ist ein unbescholtener Mann, zumindest schien es bisher so. Das muss jetzt natürlich genauestens überprüft werden. Das Gebiet der Kernforschung ist ein wichtiges, wenn nicht gar überlebenswichtiges Thema für unser Land. Eines Tages wird die Kernkraft Quelle all unserer Energie sein. Kohle und Öl werden nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.«

»Verstehe ich das richtig, dass ich der Sache nicht nachgehen soll?«, hakte Heller nach.

»Nicht in Rossendorf. Es soll dort zu keiner unnötigen Aufregung kommen.«

Leiser Widerstand regte sich in Heller. Zu oft schon war er an der kurzen Leine gehalten worden. Zu oft schon hatte man ihn nicht so ermitteln lassen, wie es notwendig gewesen wäre. Er war zu alt, um gegen Windmühlen zu kämpfen.

»Aber im privaten Umfeld der Männer darf ich mich umsehen?«, fragte Heller und erhob sich.

»Natürlich.« Appelt sah ihn mit einer Mischung aus Bedauern und Erheiterung an. »Heller, Sie müssen wissen, an mir liegt es nicht. Ich habe meine Anweisungen.«

Heller nickte nur knapp, es war müßig, darauf zu antworten. Jeder hatte seine Anweisungen. Nur wenn etwas nicht funktionierte, dann zeichnete auf einmal keiner verantwortlich.

Dresden, 1. September 1959, später Nachmittag

Ein Assistent von Doktor Schellbach ließ die drei Männer der Morduntersuchungskommission in den grüngefliesten Sektionssaal. Die beiden Opfer lagen nackt auf nebeneinanderstehenden rotgekachelten Sektionstischen. Oldenbusch, der von jeher die wenigsten Skrupel im Umgang mit Leichen hatte, trat dicht an die Tische heran. Den Toten war der Brustkorb geöffnet worden. Salbach blieb mit einem Sicherheitsabstand von einem Meter zurück. Heller stellte sich an das Fußende und verschränkte die Hände auf dem Rücken.

Im selben Moment schwang die Pendeltür auf, Schellbach betrat den Raum, grüßte mit kurzem Nicken und ging zum Waschbecken, um sich die Hände waschen. Heller hatte den Eindruck, dass Schellbach ihm immer noch die Sache von vor drei Jahren nachtrug. Doch er, als der Ältere, hatte das Recht gehabt, Schellbachs Ergebnisse in dem damaligen Fall anzuzweifeln. Und seine Zweifel waren berechtigt gewesen. Heller hatte keine Lust, nach all der Zeit über den Vorfall zu sprechen. Anstatt Größe zu zeigen, wirkte der junge Pathologe noch immer dauerhaft beleidigt. Und wieder einmal bedauerte Heller, dass Doktor Kassner diesen Posten aufgegeben hatte. Mit Niesbach und ihm waren ihm also schon zwei gute Männer im Dienst abhandengekommen.

»Wir haben die beiden Männer eindeutig als Ludwig Bogel und Walter Scheuermann identifizieren können«, begann Schellbach.

»Waren denn schon Angehörige da?«, fragte Heller erstaunt.

»Nein, wir konnten die Identifizierung anhand der Ausweispapiere vollziehen«, erwiderte Schellbach leicht pikiert. »Wenn Sie bitte nichts anfassen wollen!«, rief er Oldenbusch zu, der den Anschein machte, als wollte er den Leichnam Bogels berühren. Oldenbusch zog die Hand zurück und sah dann Heller über die Schulter hinweg bedeutungsvoll an. Heller antwortete mit einem unmerklichen Nicken.

»Der Todeszeitpunkt liegt, dem Zustand der Leichen nach, zwischen zehn Uhr morgens und vierzehn Uhr des gestrigen Tages. Ich kann inzwischen mit absoluter Sicherheit behaupten, dass die Tat mit einer einzigen Waffe, einem Messer mit einer Klinge von etwa zwanzig Zentimetern Länge, begangen wurde. Wir zählten am Körper Bogels zweiunddreißig Einstiche, am Körper Scheuermanns sogar achtundvierzig. Die Stiche wurden jeweils dem Brustkasten und dem Rücken zugefügt. Sie wurden allesamt von oben nach unten ausgeführt, was auf einen ungeübten Umgang mit dem Messer hindeutet. Gelernte Messerkämpfer führen ihre Angriffe von unten nach oben aus, um die Klinge unter die Rippen des Gegners zu bringen und die Organe zu verletzen. Stiche von oben prallen meistens an Schultern oder Rippen ab. In diesem Fall aber entschied die Wucht des Angriffs über den alsbaldigen Ausgang des Kampfes. Einige Einstiche waren so heftig, dass die Klinge sogar in den Knochen eindrang oder ihn durchtrennte. Man kann davon ausgehen, dass den Männern die meisten Stiche zugefügt wurden, als sie schon tot waren. Möglicherweise hegte der Täter einen großen Hass gegen die Männer. Oder er war in einen Blutrausch geraten.«

»Haben die Männer sich zur Wehr gesetzt?«, fragte Heller.

Schellbach schüttelte den Kopf und kniff verärgert für einen Moment die Lippen zusammen. Heller hatte seine Ausführung unterbrochen.

»Es gibt keinen Hinweis darauf. Es wird so gewesen sein, dass der Täter unvermittelt auf sie eingestochen hat. In der Enge der Hütte versuchten sie in Panik aus dem Fenster zu flüchten.«

»Er müsste dann Scheuermann das Messer aus der Scheide gezogen haben«, merkte Oldenbusch an.

»Oder sie waren im Gespräch, er ließ sich das Messer zeigen, stach dann unvermittelt zu.« Salbach versuchte sich sachlich zu geben, doch der Anblick der Toten ließ ihn leicht taumeln.

»Wir wissen nicht, ob Scheuermanns Messer auch die Mordwaffe war«, mahnte Heller.

»Nun«, Schellbach griff nach einer Zeichnung und gab sie Heller, »die Klinge ist eine Normalklinge, ein fast gerader Klingenrücken, mit einer Dellung zur Spitze hin, die Schneide nach oben gebogen, zwanzig Zentimeter lang, Zweiphasenschliff. Das lässt sich anhand der Verletzungen leicht und eindeutig nachvollziehen. Stellenweise waren die Stöße so heftig, dass sich sogar Abdrücke der Parierstange erkennen lassen. Nur die Art des Heftes ist nicht nachzuvollziehen. Es könnte aus Holz oder Horn gewesen sein, einem Hirschfänger nachempfunden. Vielleicht war es ein Bowie-Messer. Der Form nach könnte es durchaus zu der Lederscheide passen, die am Gürtel Scheuermanns befestigt war.« Schellbach nickte, als Heller fragend das Papier anhob, er durfte es behalten. »Hilfreich zur eindeutigen Identifizierung der Tatwaffe ist folgender Umstand: Wir fanden in einer Rippe Bogels einen Metallsplitter. Durch die Wucht des Aufpralls muss die Spitze der Klinge abgebrochen und steckengeblieben sein.« Schellbach winkte seinem Assistenten, der eine flache Glasschale brachte. Darin lag ein zwar kleines, jedoch eindeutig zuzuordnendes Stück Metall. Ohne Zweifel die Spitze eines Messers.

»Was ist Ihre Meinung zu der Kleidung Scheuermanns, insbesondere zur Hose?«, fragte Heller.

»Dergleichen ist mir noch nicht untergekommen. Sie sind besser beraten, wenn Sie sich damit an einen Psychiater wenden. Vielleicht war der Täter nicht ganz bei Sinnen. Alkoholisiert möglicherweise.«

»Lässt sich erkennen, ob der Hosenstoff mit der Tatwaffe zerschnitten wurde?«

Schellbach nickte. »Ich denke, ja, kommen Sie!« Er deutete zu einem weiteren Tisch, auf dem die Kleidung der Opfer ausgebreitet lag. »Es sieht aus, als ob der Täter zuerst die Klinge am Stoff gesäubert hat, ehe er die Hose zerschnitt. Das ist deutlich zu erkennen.« Er zeigte auf die Hose und deutete auf die Stelle auf der Rückseite des Oberschenkels.

Heller notierte sich das. Der Täter hatte sich also wirklich die Mühe gemacht, seine Klinge zu säubern, um dann die Hosenbeine Scheuermanns zu zerschneiden. Hatte er das mit beiden Opfern vorgehabt? War er dabei gestört worden? War es ihm zu schwer gewesen, Scheuermann von Bogel herunterzuziehen, oder hatte er es auf Scheuermann abgesehen?

Oldenbusch war unauffällig bei den Seziertischen stehengeblieben und hatte die Zeit genutzt, sich selbst einen Überblick zu verschaffen.

»Ich muss doch bitten«, beschwerte sich Schellbach, als er sah, dass Oldenbusch Bogels linken Arm anhob.

Doch Oldenbusch ließ sich nicht beeindrucken. »Guck mal, Max!« Er deutete auf eine markstückgroße Narbe auf der Innenseite des Oberarms. Heller sah, was er meinte.

»Zufall?«, fragte er. »Da sind noch mehr Narben!«

Oldenbusch legte den Arm zurück und umrundete den Nebentisch, um sich Scheuermanns linken Arm anzusehen. Auch dieser hatte Narben. Die Kriminalpolizisten und auch Schellbach traten jetzt näher an den Tisch.

»Auch auf diesen Umstand hätte ich Sie hinweisen wollen, wenn mir Ihr Kollege nicht zuvorgekommen wäre.« Doktor Schellbach hielt fast anklagend sein Protokoll in die Höhe.

Oldenbusch hob die Augenbrauen. »Ich möchte Ihre Fähigkeiten auf keinen Fall anzweifeln, Herr Doktor, es ist nur meine Art, Dinge, die mir auffallen, gleich anzusprechen. Sie müssen mir das verzeihen.« Oldenbusch war mit seinem freundlichen Tonfall gleich in die Offensive gegangen, was eine entwaffnende Wirkung auf Schellbach hatte. Allerdings glaubte Heller, eine deutliche Spur von Ironie herausgehört zu haben.

»Was meinen Sie zu den Narben, Doktor?«, moderierte Heller die Situation. Offenbar war er nicht allein mit seinem Unbehagen gegenüber dem Pathologen mit seinem dauerbeleidigten Gesichtsausdruck.

»Es gibt Narben dieser Art auf den Armen beider Opfer. Möglicherweise sind sie Folgeerscheinungen von Ekzemen, bedingt durch fehlende Hygiene und Hunger, im Krieg oder in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Soweit ich weiß, befanden sich beide Männer in Kriegsgefangenschaft. Genauso gut könnten die Narben von einer Kriegsverletzung stammen. Doch natürlich liegt der Verdacht nahe, dass die Männer sich die Verletzungen selbst zugefügt haben.« Schellbach schloss den Mund, als wagte er nicht, weiterzusprechen.

Heller musste lächeln, obwohl er alles andere als amüsiert war. »Sprechen Sie es nur aus, wir sind hier unter uns.«

»Diese Narben sind typisch für Angehörige der SS, die nach dem Krieg ihre Blutgruppentätowierung entfernen wollten. Manche brannten sie mit glühender Kohle aus, andere schnitten sie mit dem Messer heraus. Da eine einzelne Narbe an entsprechender Stelle verdächtig wirkte, haben sich viele ehemalige SS-Mitglieder zusätzliche Narben zugefügt.«

»Es könnte also sein, dass die Männer bei der SS waren«, fasste Heller zusammen.

Es war Schellbach anzusehen, wie er sich innerlich wand. Natürlich durfte es nicht sein, dass verdiente SED-Leute bei der SS gewesen waren. Fraglich, ob der Pathologe dies in seinem Bericht vermerken würde. Für Heller war es jedoch wenigstens ein Ansatzpunkt für seine Nachforschungen.