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Fals größtes Ziel ist es, einer der mächtigsten Magier aller Zeiten zu werden. Jetzt hat er die Schule abgeschlossen, ist endlich volljährig und freut sich auf Party mit Freunden - nichts scheint seinem Glück mehr im Wege zu stehen. Das dachte er zumindest. Denn ist es auf Toverun wirklich so sicher? Eigenartige Visionen überfallen ihn, Slonks lauern auf der anderen Seite der Schlucht und der Präsident verbannt immer mehr Leute. Als hätte er wegen seiner furchtbaren Klassenkameraden nicht schon genügend Probleme.
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Seitenzahl: 274
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Für meine wundervolle Mama Antonia
Prolog
– Lost Love
1 The Beginning
– 18. September
2 Fries
– 18. September
3 The Darkest Moment
– 19. September
4 Happy Birthday
– 19. September
5 Waves
– 20. September
6 Party
– 20. September
7 Prom Night
– 21. September
8 In The Dark
– Nacht des 21. Septembers
9 The Tiger
– 22. September
10 Just The Start
– 22. September
11 Pieces Of Paper
– 22. September
12 All This Time
– 23. September, 00:01 Uhr
13 EARLy In The Morning
– 23. September
14 … And I Think It’s Romantic
– 23. September
15 Empty
– 24. September
16 Home
– Nacht des 24. Septembers
17 Happy
– 25. September
18 The Note
– 25. September
19 Lost
– 25. September
Epilog
Unaufhaltsam schmetterte der Regen vom Himmel herab und überschwemmte die Straßen. Die Nacht war einsam, keine Scheinwerfer leuchteten in der Dunkelheit auf und niemand begegnete ihm auf seinem Weg durch die Finsternis.
Das Blut floss immer noch an seinen Armen hinab, so unnötig war es vergossen worden. Es war alles so sinnlos gewesen, es hatte nichts gebracht, und er hasste sich dafür. Das Wasserspülte das von seinen Fingerkuppen tropfende Blut davon und nahm es dankbar in den Fluten auf, die zwischen seinen Stiefeln dahinplätscherten.
Er probierte den Schmerz zu lindern, das brennende Gefühl in seinem Innern zu ersticken, er wollte diese Gefühle nicht mehr spüren. Sie zehrten an ihm. Zerrissen ihn, erstickten und ertränkten ihn immer wieder und wieder. Er wollte sie nicht mehr fühlen, konnte diese grausamen Qullen keine Sekunde länger ertragen. Er wünschte, sie würden ihn töten, er wünschte, sie würden es endlich beenden.
Doch sein Wunsch ging nicht in Erfüllung.
Er stolperte die Straßen entlang, die Hände an sein Herz gepresst, ein lächerlicher Versuch, das Leiden in seinem Innern zu beenden. Seine Kleidung war durchnässt und von seinen Haaren tropfte Wasser in sein ohnehin schon nasses Gesicht. Er lief los und während er rannte, flossen ihm Tränen aus den Augen. Seine Hände zitterten in der Kälte, doch es kümmerte ihn nicht. Der Schmerz war zu stark, zu grausam, er hatte aufgehört, seinen Körper zu fühlen. Wie eine Maschine bewegte er sich weiter vorwärts, um sein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen: ein grau-weißes Hochhaus, in dem nur noch ein paar wenige Lichter in den Fenstern brannten.
Es war ein schlichtes Gebäude, von diesen Häusern gab es tausende in der Stadt. Die Wohnungen waren klein und billig. Meistens nicht so schön, doch man konnte es sich darin gemütlich machen. Er wusste das. Sie hatten es schließlich geschafft. Doch das war nicht das Hochhaus, in dem sie gelebt hatten, nein, das hier war ein fremdes. Er hatte es noch nie gesehen. Spontan hatte er es ausgewählt, nachdem seine letzte Hoffnung zerstört worden war, war das der einzige Ausweg.
Er weinte, als er die schwere Eisentür erreicht hatte. Das kalte Metall der Klinke brannte wie Feuer auf seiner Haut.
Feuer.
So unberechenbar und so grausam. Er kannte die Stärke der Flammen. Ein wimmerndes Geräusch drang aus seinem Mund, als er an das Feuer erinnert wurde, das Liam aus seinem Leben gerissen hatte.
Er brach die Tür auf und betrat das Treppenhaus, in dem es kaum wärmer war als draußen. Liams Gesicht erschien vor ihm und es versetzte ihm erneut einen Stich. Keuchend stieg er auf die erste Treppenstufe, die sich durch die häufige Nutzung gebogen hatte. Die Tür schlug hinter ihm zu.
Der Regen war nun nur noch ein Rauschen in weiter Ferne und es erinnerte ihn an den Fernseher, wenn er wieder einmal versucht hatte ihn zu bedienen. Er hatte es nie geschafft, Liam hatte sich über ihn lustig gemacht und den Fernseher mit ein paar einfachen Bewegungen zum Laufen gebracht.
Es waren immer Nächte wie diese gewesen, an denen sie sich Filme angesehen hatten, es war so schön gewesen, so friedlich. Er wünschte sich an einen dieser Abende zurück, in einen dieser Momente, doch es würde nicht genügen. Trotzdem würde ein Augenblick reichen, um all das, was er sagen wollte, zu sagen. Es würde genügen, um noch ein weiteres Mal Glück zu fühlen, um noch einmal die Liebe zu spüren, die ihm nun für immer verwehrt blieb.
Danach konnte er gehen, diese Welt verlassen, doch wenn er ihn nur noch einmal sehen, sein Lachen hören, sich an ihn lehnen und ihm sagen könnte, wie sehr er ihn liebte.
Doch es war nicht möglich, es war vorbei. All das Glück, all die Liebe für immer Vergangenheit, für immer verloren. Genau wie er.
Schneller und schneller eilte er die Stufen hinauf. Achtete nicht auf die Stimmen hinter den verschlossenen Türen, wollte ihre schönen Geschichten über Glück, Liebe und Freundschaft nicht hören, er wollte sie anschreien und sie für ihre Freude bestrafen. Er hätte es gekonnt, aber er tat es nicht.
Das Wasser tropfte auf den Boden, als er die Tür, die auf das flache Dach des Hauses führte, erreicht hatte. Er drückte die Klinke hinunter, doch nichts rührte sich. Die Tür war abgeschlossen. Er strengte sich nicht wirklich an, zog nicht einmal den Stab aus seinem Mantel.
Ein leiser Knall war zu hören, dann schwang die Tür auf, prallte gegen die Hauswand und ließ Putz auf den nassen Boden rieseln. Der Regen spritzte ihm ins Gesicht und sein Mantel wehte hinter ihm her wie ein gefangener, wild um sich schlagender Vogel. Als er auf das Ende des Daches zulief, spielte er in seinem Kopf einen Song ab, zu dem sie immer getanzt hatten. Sie hatten beide nicht tanzen können, es war mehr ein Umhereiern gewesen als richtiges Tanzen, doch er hatte es geliebt.
Er hatte ihn so sehr geliebt.
Der Kies knirschte unter seinen Füßen und als der Song in seinem Kopf das erste Mal den Refrain beendet hatte, hatte er das Ende des Daches erreicht. Er drehte sich um. Wie er erwartet hatte, wurde er beobachtet. Im Schatten eines großen Schornsteins stand eine Gestalt, so starr wie eine Statue. Sie trug einen Hut, der einen Schatten warf und das Gesicht der Person unkenntlich machte. Die Gestalt regte sich nicht, nicht einen Millimeter, nur der lange Mantel, der ihr bis zu den Stiefeln reichte, wehte leicht im Wind.
Seine letzte Hoffnung war dahin, doch er hatte schon erwartet diese Kreatur hier zu sehen. Genau so, wie es in den Legenden stand. Er wandte sich ab und richtete seinen Blick gen Himmel. Versuchte sich ein Bild von Liam ins Gedächtnis zu rufen, er wollte seine Gedanken auf ihn richten und ihn sehen.
Hätte er noch einmal zurückgeblickt, hätte er gesehen, dass die Gestalt verschwunden war, genauso lautlos, wie sie aufgetaucht war.
Er schloss die Augen, sie brannten durch die Tränen.
Liam hätte das nicht gewollt.
Er trat einen Schritt nach vorne, über das Dach hinaus. Sein Fuß fand keinen Halt mehr und er stürzte hinab. Er fiel schneller als der Regen, sah durch seine geschlossenen Augen hindurch das Licht der Straßenlaternen, fragte sich, ob es wehtun würde. Er hoffte, es würde schmerzlos sein, er hoffte, sie würden sich jetzt wiedersehen.
Doch er schlug nie auf dem Boden auf.
Wie fühlt es sich an?
Es fühlt sich so an, als würdest du sterben, und nun ja.
Vielleicht tust du es sogar.
Vigrazorkegra grilveorl vliatep?
Die Stufen der massiven Steintreppe, die zum Schulgebäude heraufführte, waren vereist. Ich rutschte immer wieder ab und konnte mich nur mit Mühe aufrecht halten, trotzdem nahm ich mir das Treppengeländer nicht zur Hilfe.
Während ich die Stufen hinunterlief, atmete ich die kalte Luft tief ein und versuchte, nicht mehr über die Prüfungsfragen nachzudenken. Wenn ich zu sehr darüber grübelte, verwechselte ich sie am Ende noch miteinander und machte mich nur verrückt. Deswegen schob ich die Frage in meinem Kopf, wer denn der älteste Präsident der Geschichte war, hinter das Buch, das ich gerade las. Es handelte von einem wahnsinnigen Magier, der seine Opfer auf sehr grausame Weise ermordete, während er vor der Regierung floh.
Ich hatte mir das Buch eigentlich nur gekauft, weil es von Steven Leuvs war, einem meiner Lieblingsautoren, und es sehr viele gute Rezensionen bekommen hatte. Leider hatte ich mich bisher noch nicht wirklich mit der Geschichte anfreunden können. Vielleicht überzeugte es mich noch in der zweiten Hälfte. »Fal, warte doch mal!«, rief eine Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und sah Kara. Sie wedelte mit dem Arm, damit ich stehen blieb. Ihre lang gelockten schwarzen Haare wehten wie Seide hinter ihr her, während sie so schnell die Treppe herunterlief, dass sie immer wieder ausrutschte. Sie verlangsamte ihr Tempo jedoch nicht und blieb erst abrupt stehen, als sie mich erreicht hatte.
Fast wäre sie nun doch hingefallen, aber sie bekam meinen Ärmel zu fassen. Als sie sich wieder hochzog, stieß sie mich beinahe die letzten Stufen hinunter.
»Hi.« Kara lachte und stellte sich wieder gerade hin.
»Hi«, sagte ich. »Ich dachte, ihr wärt schon längst weg.«
Kara nickte. »O ja, das waren wir auch fast.« Sie verdrehte die Augen. Wir machten uns auf den Weg nach unten. »Ich hab nur rumgetrödelt und dann wurde ich zum Aufräumen eingeteilt.«
Ich grinste. »Und wie lief es sonst so? Warum ist Lanee nicht auch dabeigeblieben? Sie lässt doch sonst keine Chance aus, zu helfen.«
»Stimmt. Aber Lanee hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch und ist früher gegangen.«
»Ahh, das kann ich mir gut vorstellen.«
Kara schmunzelte.
»Aber bei mir lief es eigentlich ziemlich gut. Ich glaube, ich habe alles so weit richtig beantwortet, und der praktische Teil war, wie wir uns schon dachten, mega einfach.«
»Stimmt. War er echt.«
»Und bei dir?«
»Och, ja, ich denke, ich war okay.«
Kara seufzte erleichtert auf. »Ich bin jedenfalls zufrieden.«
»Solange wir kein schlechtes Gefühl haben, kann es nicht allzu schlecht sein.«
»Glaube ich auch«, sagte Kara. »Es sind immer nur eine Handvoll Schüler, die die Prüfungen nicht bestehen, die sind wirklich einfach. Apropos, ich habe noch mal die ganzen Broschüren und Flyer für die Ausbildung mitgenommen, die können wir uns dann irgendwann anschauen.« Sie wedelte mit ihrer Ledertasche umher. »Es wird also wirklich ernst«, sagte ich und verzog leicht das Gesicht. »Worauf willst du dich spezialisieren? Was willst du mal machen? Wohin wirst du gehen? Das alles liegt noch in so weiter Zukunft für mich.«
»Für mich auch.« Kara seufzte. »Aber so lange hin ist es gar nicht mehr, Fal.«
»Ich weiß.«
Wir hatten nun die Prüfungen hinter uns. Wenn wir sie bestanden hatten – der Brief würde in den nächsten Tagen eintreffen –, würden wir mit der Ausbildung anfangen und alles über unsere Magie und Magie generell lernen. Wir würden die Zaubersprüche, die Flüche, Verwünschungen und Rituale, ob nun gut oder böse, studieren und uns dadurch einen Platz in der magischen Gesellschaft sichern.
Über wie viel Magie wir verfügten, würde sich erst in unserer Ausbildung zeigen. Dort lernte man, seine Magie zu entdecken und sie zu kontrollieren. Es gab eine Zeremonie zum Anfang der Ausbildung, bei der man sich mit verbundenen Augen einen Lehrer aussuchte, zu dem man eine besondere Verbindung spürte – deshalb wurden Lehrer auch Partner genannt.
Niemand hatte mir bisher wirklich gut beschreiben können, wie sich so eine Verbindung anfühlte, aber offenbar war es etwas, bei dem man sofort wusste, dass es richtig war. Man spürte so eine Verbindung dann, wenn die beiden Magien sehr gleich waren. Nur eine Person, deren Magie ähnlich oder genau gleich wie meine war, würde mich ausbilden können. Mein Onkel Illn hatte immer noch Kontakt mit seinem alten Lehrer, viele Leute verbrachten aufgrund der Verbindung ihr ganzes Leben zusammen. Das musste nicht heißen, dass sie sich liebten, aber das war durchaus schon vorgekommen.
»Mann, ich hoffe, ich finde meinen Partner überhaupt. Das wäre so peinlich, wenn nicht«, sagte Kara und strich sich nervös über die Stirn.
»Wir werden auf jeden Fall jemanden finden«, sagte ich, doch es lag Zweifel in meiner Stimme. Es gab immer wieder Leute, die ihren Partner nicht fanden und ihr volles Potenzial nie erreichen würden.
»Ich meine, auch ohne kannst du erfolgreich werden, nur wird alles sehr viel schwieriger und unberechenbarer. Viele Agenturen und Arbeitnehmer würden dich nicht mehr nehmen und mit dem bisschen, was du in der Schule lernst, kannst du ja nichts anfangen.« Kara klang nicht besonders zuversichtlich, als sie das sagte.
»Na ja, immerhin können wir schon kleine Dinge schweben lassen und Feuer entfachen.« Ich musste lachen, weil es mir so lächerlich vorkam. Gefühlt hatten wir in der Schule nichts über Magie gelernt.
»Ja, natürlich«, sagte Kara, die meinen Sarkasmus nicht beachtete. »Aber wäre es nicht furchtbar schade, durch die Welt zu gehen, ohne deine Magie vollständig zu entdecken, und tausend Dinge zu sehen, die du nie lernen kannst?«
»Doch, natürlich wäre es das«, sagte ich leise. Es war nicht nur schade, es war meine größte Angst.
Kara und ich hatten das Ende der vereisten Treppe erreicht, sie sah mich an.
»Schon komisch, jetzt zu gehen, oder?«
»Ja, finde ich auch«, sagte ich.
Wir drehten uns zu unserer Schule um. Es war ein wirklich beeindruckendes Gebäude. Eigentlich war es einmal nur eine gewöhnliche, recht große Hütte gewesen, doch nachdem immer und immer mehr Schüler und Schülerinnen gekommen waren, wurden weitere Hütten an und auf das erste Schulgebäude gebaut. So hatte es sich in die Höhe und Breite ausgedehnt. Einige Hütten, die über das Dach des ersten Schulgebäudes hinausragten, standen auf schmalen Stelzen, die hauptsächlich durch Magie gehalten wurden.
Eine schmale Treppe aus Stein und ohne Geländer führte von einer Hütte durch die Luft bis zur nächsten, die ganz oben auf Stelzen stand. Schwebend darunter lag ein Gang aus Glas. Hoch oben hatten wir immer gern Hausaufgaben abgeschrieben und geschwänzt. Es war so merkwürdig, es war der offensichtlichste Platz, aber erwischt wurden wir dort nie. Vielleicht dachten sich die Lehrer auch, dass es idiotisch wäre, wenn man etwas Verbotenes darin tat.
»Verrückt, wie die Zeit vergeht.«
»O ja.«
Eine Weile blieben wir noch stehen und betrachteten das Gebäude in der untergehenden Sonne, die den gläsernen Gang erleuchtete. Wir sahen Schüler darin herumrennen und für einen Moment wünschte ich mir, dass wir auch dort oben stehen würden. Der Moment verflog schnell.
* * * * *
Das nasse Gras durchweichte meine Schuhe, während wir uns vom Schulgebäude entfernten. In den Hütten neben uns brannte Licht, und wir hörten glückliche Stimmen.
Vereinzelt konnte man kleine Häuser zwischen den Hütten erkennen. Vor einer der Hütten, die neben einem solchen neumodischen Haus stand, schwebet ein Schild in der Luft, auf dem hieß es: Aus Hütt’ wird Haus. Verwandeln sie jetzt ihre alte Hütte in ein neues, sicheres Haus. Dann veränderte sich der Schriftzug und das grinsende Gesicht eines Maklers erschien darauf, kurze Zeit später verwandelte sich der Hut des Maklers in ein steinernes Dach und der Mann lachte stumm auf dem Plakat und hielt sich den Bauch, dann wurde er wieder zu Schrift. »Ich verstehe die Leute einfach nicht«, sagte ich. »Warum würde jemand so etwas tun? Warum wollen sie den Normalen so ähnlich sein?«
Kara klopfte auf das Plakat, das sich drehte und lautlos weiterlachte. »Hier steht es: Sicherheit. Das ist alles, was die Leute wollen. Das wollten sie schon immer, aber sie fürchten sich zu sehr, um es zuzugeben, deswegen verstecken sie es hinter Prunk und Modernität.«
Wir ließen den lachenden Makler hinter uns und traten aus der Gasse hinaus, von hier aus versperrten die Hütten nicht mehr den Blick auf das einzige Hochhaus von Ratrou.
Ich schenkte ihm schon lange keine Beachtung mehr und Kara sah es gar nicht mehr an, sie tat, als würde es nicht existieren. Mehrmals hatten wir uns schon über Touristen lustig gemacht, die Ratrou nur wegen der prunkvoll verzierten Marmorwände des Präsidentengebäudes besuchten und eifrig Bilder davon machten. Die drei Türme waren zwar wunderschön gebaut, doch sie waren keinen extra Besuch wert.
An einer Hüttenwand, an der wir vorbeiliefen, flatterte ein mit zwei Nägeln befestigtes, durchnässtes Papier im Wind. Merkwürdig, dass es nicht mit Magie in der Luft gehalten wurde. Es war ein Wahlplakat, auf dem unser momentaner Präsident abgebildet war. Fargrim Fillgert war ein erstaunlich gutaussehender Mann, er hatte helle braune Haare, einen perfekt gestutzten Dreitagebart und leuchtend grüne Augen, die mich aus dem Plakat heraus anstarrten. Ein kaum merkliches Lächeln war auf seinen Lippen zu sehen und erweckte einen freundlichen Eindruck.
Als Kara das Plakat entdeckte, wurde ihr Blick steinern. Sie stapfte darauf zu und riss es von der Hüttenwand. »Ich glaube einfach nicht, dass er immer noch zur Wahl steht.« Das Plakat in ihrer Hand qualmte zuerst und ging schließlich in Flammen auf. Sie warf es zu Boden.
Ich nickte, während ich auf die Reste des Plakates starrte. Die Wahlen waren bereits in vollem Gange, und alle Leute vermuteten, dass Fillgerts Amtszeit sich erneut verlängern würde.
Seit seiner ersten Wahl vor einigen Jahren hatte er alle anderen Wahlen gewonnen und hatte sich immer weiter an die Spitze gearbeitet. Schon zweimal war er zur Person des Jahres ernannt worden und hatte aufgrund seiner langen Regentschaft einige Orden und Medaillen verliehen bekommen.
Hier in Ratrou gab es wahrscheinlich niemanden, der Fillgert mehr hasste als Kara. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
»Ich hasse ihn so sehr. Er hat meinen Vater grundlos auf die Erde verbannt!« Eine Stichflamme schoss von dem verkrumpelten Papier in die Höhe und erhellte ihr Gesicht. »Irgendwann werde ich ihn töten und meinen Vater retten.«
Ich hoffte, dass es nur Gerede war, weil wenn sie es wirklich plante, standen ihre Chancen nicht besonders gut. Allein ihre Kräfte waren denen des Präsidenten weit unterlegen.
»Warte bitte noch bis nach der Ausbildung«, sagte ich und grinste.
»Klar, wir müssen ja schließlich in Hochform sein.«
Ein Windhauch wehte mir die Haare aus dem Gesicht und ich schlang fröstelnd die Arme um meinen Körper.
Damals, als Karas Vater verbannt worden war, war das Wetter genau gleich gewesen.
Fast das ganze Dorf hatte sich in dieser Nacht vor dem Präsidentengebäude versammelt und einen Kreis um ihn herum gebildet. High von einer getrockneten Blauwurzel waren Stan und ich den Leuten gefolgt und hatten uns in der Menschenmenge wieder gefunden, die reglos auf Karas Vater gestarrt hatte. Niemand hatte etwas unternommen, als eine von Fillgerts Wachen vorgetreten, den Trank der Verbannung in seinen Mund geschüttet hatte und schnell von ihm weggetreten war, um nicht durch eine Berührung mit ihm zusammen verbannt zu werden. Kara war schreiend durch die Menschenmasse gerannt, ich hatte sie am Arm gepackt und sie war stehen geblieben, unsere Blicke hatten sich gekreuzt, doch als sie sich wieder umwandte, um ihren Vater zu sehen, war das zerdrückte Gras das Letzte, was an ihn erinnerte. Stumme Tränen waren über ihre Wangen gelaufen und sie war wieder zwischen den Leuten verschwunden.
Am Tag danach hatte sie sich in der Schule zu uns gesetzt. Sie hatte nicht viel gesagt, aber seit diesem Tag war sie meine beste Freundin.
Ich trat auf das Plakat und löschte so die Flammen. Kara funkelte mich wütend an. »Ich hätte es schon selbst ausgemacht!«
»Ich weiß, aber ich hatte keine Lust, weiter darauf zu warten.«
»Ich hasse dich«, sagte Kara, während sie mir folgte.
»Ich dich mehr.« Ich warf ihr eine Kusshand zu. Sie schubste mich ein wenig, als sie mich erreicht hatte. Dann sah sie auf ihre Uhr und stöhnte auf. »Den Zug bekommen wir natürlich nicht mehr.«
»War ja klar«, sagte ich genervt. »War es jemals anders?«
»Glaube nicht. Wir sind gefühlt nur dreimal mit dem Teil gefahren. Welchen Weg wollen wir nehmen?«
»Wald, oder?«
Kara nickte zustimmend. Am Wald entlang war es vielleicht nicht der kürzeste Weg, aber immerhin waren wir dort ungestört und das konnten wir nach den Prüfungen gut gebrauchen. Kara und ich mochten den Wald sehr. Im Sommer verbrachten wir fast jeden Tag dort. Früher hatten wir immer irgendwelche Spiele gespielt oder Hausaufgaben gemacht. Nun saßen wir oft einfach herum. Manchmal tranken wir etwas, aber meistens redeten wir nur. Für die Prüfungen hatten wir auch oft dort gelernt. Irgendetwas hatte der Wald an sich, das das Merken der verschiedensten Trankrezepte leichter machte.
Nun, da es Herbst und merklich kühler wurde, verbrachten wir immer weniger Zeit dort. Wir hatten Glück, dass die Prüfungen nicht noch später geschrieben wurden. Dann wäre das Lernen nämlich um einiges schwerer geworden.
Während wir am Waldrand entlangliefen, spürte ich das allzu bekannte Gefühl, das Trauer und Angst ähnlich war. Es war ein beklemmendes Gefühl, ich spürte es meistens, wenn ich nicht damit rechnete, oft sogar, wenn ich glücklich war.
Doch oft kam es nachts in der Dunkelheit, allein, begann an mir zu nagen und hielt mich stundenlang wach, bis dann doch schließlich die Müdigkeit siegte. Es fühlte sich fremd an, als wären es nicht meine eigenen Schmerzen, die ich spürte, doch was könnte es sonst sein? Ein Therapeut hatte mir gesagt, es läge nur am Stress und an der vielen Arbeit in der Schule. Ich hatte ihm nicht geglaubt. Er hatte mir Tabletten verschrieben. Ich hatte sie täglich eingeworfen, jedoch hatten sie nichts gebracht und ich hatte aufgehört, sie zu nehmen. Ich war nicht noch einmal zu dem Therapeuten gegangen. Sah er das nun als Erfolg an?
Das Gefühl zeigte sich eigentlich eher selten oder kaum, wenn ich in Gesellschaft war. Nur manchmal, wenn sich der Abend dem Ende neigte und es Zeit war, zu gehen. Oftmals schnürte es mir die Kehle zu und das Atmen fiel mir schwer. Ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen, doch hin und wieder erkannte Kara, dass etwas nicht stimmte.
Ich räusperte mich und probierte das Gefühl zu verdrängen. Ein Versuch, der schon so oft gescheitert war.
»Meinst du, Lanee darf heute überhaupt noch mal raus?«, fragte ich mit stockender Stimme.
Kara stöhnte auf. »Ohhhh. Es nervt mich so sehr.« Sie kickte einen Ast durch die Luft, er schlug gegen einen Baum und blieb dort am Stamm hängen, als würde er festgehalten werden. Der Baum würde ihn als neuen Ast dankbar annehmen.
»Sie sollte sich lieber mal nicht so anstellen. Sie ist achtzehn, sie kann machen, was sie will. Seit drei Jahren kann sie schon weg von ihren schrecklichen Eltern, aber sie tut es nicht. Sie darf sogar schon mit den Winden reisen und tut es nicht, weil ihre Eltern es verbieten. Das ist so dumm!« Sie verdrehte die Augen. »Sie sollte sich mal ein Beispiel an uns nehmen, wir hören auch nicht auf das, was unsere Eltern sagen.«
Ich lachte. »Du hast recht. Das mit den Winden nervt mich aber auch. Jeder wartet sehnlichst darauf und sie ignoriert es komplett. Einfach unfair.«
»Ich weiß.« Kara schüttelte den Kopf. Mit den Winden zu reisen, war die einfachste und schnellste Art sich auf Toverun fortzubewegen, doch für Minderjährige strengstens verboten.
Der Weg, den wir liefen, führte nun zwischen ein paar dünnen grünen Bäumen vorbei, deren Lianen wie in Zeitlupe nach uns griffen, deren schwere Blätter nach uns reckten und uns auf den Rücken klopften.
»Warum verbrennt man eigentlich seine Schulsachen?«, fragte Kara nach einer Weile. »Es ist doch einfach nur dumm.«
Ich nickte. »Es ist total bescheuert, keine Ahnung warum, aber wahrscheinlich hat es eine grausame Geschichte, an die wir erinnert werden sollen, aber es nicht werden, weil wir keine Ahnung haben, was diese Geschichte ist.«
»Bestimmt. Wahrscheinlich hat sich jemand grausam geopfert.«
»Mit Sicherheit. Es gab ein brutales Massaker und die Leute haben das Blut mehrerer Mächtiger getrunken, um ebenfalls mächtig zu werden.«
Kara lachte. »Schreib ein Buch darüber.«
»Das würde bestimmt ein Bestseller werden.« Ich lachte ebenfalls.
»Und endlich würden die Leute wissen, warum man Bücher verbrennt … Ist das Stan?«
Ich sah auf. Im Schatten der Bäume kamen drei Gestalten auf uns zugelaufen. Im Näherkommen erkannte ich Stan, Lanee und zu meiner großen Freude (nicht) auch Ian Cutch, der hinter den beiden herlief und gerade in einem Ast hängen blieb.
Er lieferte sich einen kurzen Faustkampf mit dem Ast, um sich aus ihm zu befreien, nur damit er dann stolz und möglichst unauffällig weitergehen konnte, als wäre nichts passiert und als hätte er sich nicht absolut lächerlich verhalten.
Ich verstand nicht, warum Kara mit ihm zusammen war, irgendetwas musste er wahrscheinlich an sich haben, jedoch war ich noch nicht in den Genuss gekommen, dieses Etwas zu sehen.
»Er ist eigentlich ganz anders«, sagte Kara immer. »Ihr seid einfach nur sehr verschieden.« Jedenfalls hoffte ich für Kara und auch für mich, dass sie nicht mehr besonders lange zusammenbleiben würden.
Ian hatte immer noch einen Ast in seiner Jacke stecken. Bemerkt hatte er es noch nicht, aber er sah total bescheuert aus.
Er hatte sich wie fast alle Mitglieder seiner Clique die Haare abrasiert und trug eine Lederjacke, die ihm meiner Meinung nach viel zu klein war. Natürlich trug er auch noch einige andere Klamotten, aber es war nichts Erwähnenswertes dabei.
Lanee beschleunigte ihre Schritte und umarmte erst Kara, dann mich. Vor ein paar Wochen hatte sie sich ein Pony schneiden lassen, ihre Mutter hatte offenbar einen halben Nervenzusammenbruch deswegen erlitten, darum gefiel mir ihre neue Frisur noch besser.
Lanee hüllte sich in einen langen dunkelbraunen Mantel, sie hatte ihn fest zugebunden und er schaffte es fast, leider nur fast, ihre furchtbaren Turnschuhe zu verbergen.
Ich hasste diese Schuhe wirklich sehr.
Wahrscheinlich verbrachte ich zu viel Zeit damit, Dinge zu hassen, die ich nicht hassen sollte. Aber diese Schuhe …!
Ich roch ihr Parfum, das ich nur allzu gut kannte. Wir hatten es vor ein paar Jahren aus einem Laden gestohlen, in dem wir nun Hausverbot hatten, und sie benutzte es seitdem fast jeden Tag. Das war wirklich eines der besten Parfums, die es je gegeben hatte.
Stan klopfte mir auf die Schulter, seine gläserne Hand war noch kälter als sonst. Während mir ein Schauer den Rücken hinunterlief, konnte ich kleine Schneeflocken in seiner anderen Hand sehen. Das hatte mich schon bei unserer ersten Begegnung, als wir noch Kinder waren, fasziniert.
Da er ein Glasmensch war, hielt er sich immer fern von Trubel und Menschenmassen und streifte lange durch den Wald. So hatten wir uns damals kennengelernt und er war mein erster richtiger Freund geworden.
Früher hatten wir jeden Tag stundenlang irgendwelche dämlichen Dinge unternommen.
Ich merkte, dass wir uns nach und nach immer mehr voneinander entfernten. Wahrscheinlich würde das mit der Zeit nicht besser werden, aber so war das nun mal und meistens konnte man auch nichts dagegen tun.
Vielleicht würden wir noch nicht einmal zusammen die Schule abschließen, denn keiner von uns war sich sicher, ob Stan an den Prüfungen teilgenommen hatte. Leider hatte er seine Ist mir alles scheißegal und es bringt eh alles nichts-Haltung seit Beginn der Schule noch nicht abgelegt. Eigentlich war es ein Wunder, dass er noch nie sitzen geblieben war. Na ja, wir hatten ihn auch oft genug abschreiben lassen.
»Na, wie geht’s dir?«, fragte Stan. Er klopfte mir immer noch auf die Schulter.
»So weit ganz gut.«
»Wie liefen die Prüfungen?«, fragte Lanee ein wenig außer Atem.
»Ganz gut, würde ich sagen.« Ich war nicht in der Stimmung, eine Konversation zu führen, und wusste nicht einmal, warum.
»Und deine?«
»Ach, komm schon, Feyn«, maulte Ian und küsste Kara kurz auf den Mund. »Anlügen kannst du dich auch allein. Hier weiß jeder, dass du die Prüfungen komplett versaut hast.«
Ich warf ihm eine Kusshand zu und Kara stieß ihn an. »Hör auf mit so was.«
»Okay, okay, sorry.« Ian grinste mich an.
Wie sehr ich ihn doch hasste, er war das lästige Insekt, das man versuchte, aus seinem Zimmer zu bekommen, das aber ständig gegen die Scheibe anstatt aus dem Fenster flog.
Mit etwas Glück war er es, der die Prüfungen nicht bestanden hatte, und ich war ihn los. Aber Glück ist nicht das Wort, mit dem ich diese Geschichte in irgendeiner Weise beschreiben würde.
»Ich hoffe, ihr habt nicht die Mächtigen bei der Frage, wer die größten Feinde der Magier sind, angegeben«, sagte Ian und kicherte.
Stan verdrehte die gläsernen Augen. »Es sind trotzdem Feinde der Magier gewesen.« Er schnaubte.
»Aber die Mächtigen wurden schon vor hunderten von Jahren ausgelöscht«, sagte Lanee kopfschüttelnd. »Wenn, dann waren die Magier die Feinde der Mächtigen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die richtige Antwort die Slonks gewesen wäre.« Sie sah sich in der Runde um und warf mir einen scheuen Blick zu. Wie jedes Mal, wenn sie die Slonks erwähnte.
Es nervte mich so langsam. Nur weil sie meine Eltern getötet hatten, hieß das nicht, dass ich jedes Mal einen Nervenzusammenbruch erleiden würde, wenn man sie erwähnte. In der Schlacht der Drachen waren viele Leute gestorben, nicht nur meine Eltern.
»Wenigstens hast du mitgeschrieben«, sagte ich an Stan gewandt. Er grinste, doch wirkte sehr unglücklich dabei.
»Es gibt trotzdem tausend verschiedene Wesen, die sich der dunklen Magie zugewandt haben und sie ausüben«, erwiderte er dann. »Über viele weiß man nicht mal Bescheid.«
»Ja, Stan, aber man sollte trotzdem die momentanen größten Feinde der Magier nennen. Aber keine Sorge, Feyn hat auch die Mächtigen aufgeschrieben.« Ian lachte laut auf. »Oder etwa nicht?«
Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
Ich wusste, dass ich die Frage richtig beantwortet hatte, aber ich hatte keine Lust mehr, mit Ian darüber zu diskutieren.
»Es sind aber auch viele Fragen, da kann man schon mal verwirrt sein«, sagte Stan.
»Ja, natürlich. Aber bestimmt war es nicht schlimm.« Lanee klopfte auf seinen Arm und sah dann zu Boden. Jetzt fing sie an, sich Gedanken über die Prüfungen zu machen. Na super, das schien ja ein spaßiger Abend zu werden.
Ian hielt seine Schultasche in die Höhe. Er grinste.
»Seid ihr bereit?«, fragte er in die Runde.
»Ja, Mann.« Stan schlug bei Ian ein. Beinahe hätte ich mich deswegen übergeben. »Na, dann los.« Die beiden verschwanden zwischen den Bäumen. Kara wandte sich zu mir und verdrehte die Augen, dann folgte sie Ian und Stan.
»Verstehst du das mit dem Verbrennen?«, fragte Lanee mich.
»Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß.
Sie hatte ihre Schultasche natürlich nicht dabei, aber was hatte ich auch erwartet.
»Meine Eltern haben mir nur erlaubt, so rauszugehen«, sagte Lanee, als hätte sie meine Gedanken erraten.
»Lass uns endlich mal eine kleine Hütte suchen.« Während ich das sagte, wusste ich nicht einmal, ob ich das wirklich wollte. »Das haben wir schon länger vor.«
Nein, ich konnte mir nicht vorstellen, mit Kara und Lanee oder sogar nur mit Lanee in einer Hütte zu wohnen. Außerdem hatte Lanee sowieso Angst, auszuziehen.
Sie wusste nicht, wie sie ohne ihre Eltern zurechtkommen würde. Ich war der Meinung, es würde ihr nur guttun. Wir würden ja nicht mal weit wegziehen, vielleicht würden wir sogar in Ratrou bleiben oder in einem Nachbardorf. Harmloser ging es wirklich nicht. Aber ich sollte meine Entscheidung, umzuziehen, nicht von Lanee oder Kara oder sonst jemandem abhängig machen.
»Fal. Wir haben beide keinen Job. Wir haben niemals genug Geld dafür.«
»Ich habe einen Job«, sagte ich fast schon stolz. »Du weißt doch, bei Ms. Bobbles.«
»Das reicht trotzdem nicht«, murmelte Lanee.
Leider hatte sie recht, im Buchladen die Regale abzustauben und Bücher ein- und auszusortieren, war zwar ein sehr entspannter Job und Ms. Bobbles war die beste Chefin, die man sich vorstellen konnte, aber ich verdiente damit nur wenig.
Trotzdem würde es genügen, wenn Lanee sich auch einen Job suchte, gemeinsam könnten wir die Miete bezahlen.
»Besser als nichts«, seufzte ich, da ich keine Lust hatte, sie wieder einmal zu fragen, warum sie sich denn keinen Job suchte. Es ist zu stressig, meine Eltern wollen das nicht, das schaffe ich von der Zeiteinteilung niemals. Das waren die Lieblingsargumente. Am Anfang hatte ich es noch verstanden, doch nun störte es mich einfach nur.
Ich wollte nicht über dieses Thema reden und ärgerte mich über mich selbst, da ich damit angefangen hatte. Ungeschickt sprang ich über eine Wurzel, die mich sonst noch durch die Gegend geschleudert hätte. Wurzeln haben ihr ganz eigenes Leben und mögen es manchmal nicht so gerne, wenn man auf sie steigt.
»Wo bleibt ihr denn?«, rief Kara weit vor uns.
»Wir kommen!« Ich grinste Lanee zu.
Sie sah mich schon wieder traurig an. »Ich hoffe, ich hab die Fragen alle richtig.«
»Natürlich hast du das.« Ich legte meinen Arm um ihre Schulter. »Bald schon fangen wir mit der Ausbildung an und können Ian endlich in eine Echse verwandeln.«
»Hoffentlich. Apropos Echsen, hast du alles über die Drachen aufgeschrieben? Ich hab das Gefühl, ich habe alles weggelassen.« Sie raufte sich die Haare.
»O Lanee. Über die Drachen haben wir seit der dritten Klasse nichts mehr gelernt, weil wir alles wissen. Die Slonks haben uns angegriffen, die Drachen haben sie vertrieben, die Schlucht gezogen und sind verschwunden. Mehr gibt es nicht.« Ich lachte. »Die Drachen haben nie viel mit den Menschen interagiert. Deswegen gibt es nicht viel zu berichten. Und du wirst auf jeden Fall bestehen.«
Lanee nickte und lächelte. »Ich mache mir nur zu viele Gedanken.«