Fieber der Leidenschaft - Heather Graham - E-Book
SONDERANGEBOT

Fieber der Leidenschaft E-Book

Heather Graham

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie kann für sich selbst sorgen – doch kann sie ohne ihn leben? Der historische Liebesroman »Fieber der Leidenschaft« von Bestseller-Autorin Heather Graham als eBook bei dotbooks. Mitte des 19. Jahrhunderts im Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Ann McCastle ist die ungekrönte Königin von Coopersville, Colorado. Die wunderschöne wie beherzte Saloonbesitzerin hat ihr Leben lang für sich selbst sorgen können, doch jetzt sieht sie sich mit einer Gefahr konfrontiert, die auch sie nicht allein bezwingen kann: Der habgierige Großgrundbesitzer Cash Weatherly bedroht ihre mühsam aufgebaute Existenz. Ein Neuankömmling in der Stadt, der raue Ian McShane scheint ihre letzte Hoffnung zu sein. Der ehemalige Kavallerieoffizier hat mit Weatherly eine alte Rechnung zu begleichen – aber ist das wirklich alles, was ihn nach Coopersville treibt? Jedes Mal, wenn Ann ihm in die Augen blickt, durchzuckt sie ein bittersüßer Schmerz. Doch kann sie dem mysteriösen Fremden wirklich vertrauen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das fesselnde Historical-Romance-Highlight »Fieber der Leidenschaft« von New-York-Times-Bestsellerautorin Heather Graham. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 391

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

Lesetipps

Über dieses Buch:

Mitte des 19. Jahrhunderts im Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Ann McCastle ist die ungekrönte Königin von Coopersville, Colorado. Die wunderschöne wie beherzte Saloonbesitzerin hat ihr Leben lang für sich selbst sorgen können, doch jetzt sieht sie sich mit einer Gefahr konfrontiert, die auch sie nicht allein bezwingen kann: Der habgierige Großgrundbesitzer Cash Weatherly bedroht ihre mühsam aufgebaute Existenz. Ein Neuankömmling in der Stadt, der raue Ian McShane scheint ihre letzte Hoffnung zu sein. Der ehemalige Kavallerieoffizier hat mit Weatherly eine alte Rechnung zu begleichen – aber ist das wirklich alles, was ihn nach Coopersville treibt? Jedes Mal, wenn Ann ihm in die Augen blickt, durchzuckt sie ein bittersüßer Schmerz. Doch kann sie dem mysteriösen Fremden wirklich vertrauen?

Über die Autorin:

Heather Graham wurde 1953 geboren. Die New-York-Times-Bestseller-Autorin hat über zweihundert Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Heather Graham lebt mit ihrer Familie in Florida.

Eine Übersicht über weitere Romane von Heather Graham bei dotbooks finden Sie am Ende dieses eBooks.

***

eBook-Neuausgabe Juli 2019

Dieses Buch erschien bereits 1998 unter dem Titel »Brandzeichen der Liebe« bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 Heather Graham

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel »Branded Hearts« bei Avon.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1998 Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Alexey Suloev, Phagalley und Mary Chronis Period Images & Dunraven Productions

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96148-840-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Fieber der Leidenschaft« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Heather Graham

Fieber der Leidenschaft

Roman

Aus dem Amerikanischen von Eva Malsch und Martina Bernhard

dotbooks.

1

COOPERSVILLE

Colorado Territorium

Der Saloon am Ostende der Main Street war ein recht eindrucksvolles Gebäude, dachte Ian McShane. Als er sein Pferd vor dem Haus festmachte, sah er sich das Haus noch genauer an. Dann überquerte er den hölzernen Gehsteig, drückte die Schwingtür auf und betrat den Saloon. Einen Moment lang blieb er stehen und wartete, bis sich seine Augen an das schummerige Licht gewöhnt hatten.

Musik spielte, nicht zu laut und nicht zu wild. Ein junger Mann saß im rauchverhangenen Raum am Piano und schien nichts um sich wahrzunehmen außer den sanften Klang seiner Musik. Eine junge Frau, für Ian nur zum Teil sichtbar, sang zur Melodie des Pianos mit einem weichen, lieblichen Sopran, der nicht so recht zur Umgebung paßte, so respektabel die Kneipe auch von außen gewirkt hatte. Hier unter den Kartenspielern, Trinkern und lauten Schwätzern schien sie wie aus einer anderen Welt einen seidenen Traum um die Herzen und Seelen der Männer zu spinnen. Vielleicht war es auch nur das Thema ihres Liedes, das diese Illusion bewirkte – eine Ballade über den eben erst zu Ende gegangenen Bürgerkrieg. Es war ein trauriger Text, aber ihre schöne weibliche Stimme machte ihn ergreifend. Sie wandte ihm den Rücken zu, und wegen eines Pfeilers konnte er sie nur zum Teil sehen. Trotz des Rauches. der von den Gästen rund um das Piano aufstieg, konnte er erkennen, daß sie schlank, dunkel gekleidet und blond war. Er mußte sie kennenlernen, beschloß er. Aber jetzt noch nicht. Er straffte seine Schultern und befahl sich, den Pianisten und die Sängerin erst mal zu vergessen. Sein Vorhaben brauchte mehr als zwei talentierte Künstler, um Erfolg zu haben. Er sah sich den Saloon noch einmal genauer an. Tische und Stühle wirkten solide und fachmännisch verarbeitet – stabil genug, um eine Barschlägerei zu überstehen. Auch die Bar selbst war kunstvoll verziert, mit gerahmten Spiegeln im Hintergrund. Eine Wendeltreppe führte hinauf zum nächsten Stockwerk, und obwohl das ›McCastle's‹ offiziell als eine Bar für Gentlemen galt, war das hier noch immer eine Stadt im Wilden Westen, gebaut von Viehzüchtern und Goldsuchern, und tatsächlich waren nur wenige von ihnen Gentlemen. Er hatte gehört, daß es im ›McCastle's‹ jedes Vergnügen gab, das man sich wünschen konnte. Alkohol, Musik und Frauen, die beiden ersteren öffentlich hier im Lokal, das dritte diskreter in den Räumen im ersten Stock.

Er fragte sich, ob die blonde Sängerin auch Teil dieser Vergnügungen im ersten Stock war, ermahnte sich aber dann selbst, daß er mit einem bestimmten Vorsatz in die Stadt gekommen war. Ein Vorsatz, der schon lange Zeit in ihm glühte, der manchmal aufflackerte und gelegentlich wie ein Buschbrand in ihm wütete. Die Erinnerung ließ ihn oft Hunger, Durst, Gefühle und Sehnsucht vergessen. Jede Frau und jedes Bedürfnis. Die Erinnerung erweckte die Vergangenheit in grellen Farben, erweckte den erlittenen Schmerz zum Leben und verstärkte seinen Wunsch nach Vergeltung. Seine Zeit würde kommen. Er hatte sein ganzes Leben dafür geopfert, und er hatte lange genug gewartet.

Jetzt war er nahe daran. Er war hier in Coopersville, im ›McCastle's‹. Durch Glück und Zufall hatte er die Information erhalten, und jetzt hatte er endlich eine Möglichkeit zu beginnen. Es hatte einen Wechsel im ›McCastle's‹ gegeben, und den konnte er zu seinem Vorteil nützen.

Er ging vor zur Bar und sah sich die Kunden näher an. Zu seiner Linken standen Cowboys in staubigem Leder, mit Stiefeln und breitkrempigen Hüten. Ein paar der einflußreichsten Geschäftsleute der Stadt befanden sich auf der anderen Seite. Sie trugen dunkle Anzüge, frisch gestärkte weiße Hemden, blank polierte Schuhe und ähnliche Frisuren.

An den Spieltischen vermischte sich das Publikum. Da waren Cowboys und Geschäftsleute an mindestens vier Tischen zum Pokerspiel versammelt. Zwei Tische gehörten zum Haus, an zwei anderen saßen Privatleute, dicke Stapel mit Bargeld vor sich.

»Was möchten Sie, Sir?«

Der Barkeeper hatte graugelocktes Haar, intelligente Augen und eine angenehme Ausstrahlung. Sein frischgestärktes, gestreiftes Hemd war bemerkenswert in dieser staubigen neuen Stadt an der Grenze zum Indianergebiet, und es zeugte davon, daß das Lokal Anspruch auf Seriosität erhob.

Für einen flüchtigen Moment dachte er zurück an eine andere Zeit, an ein anderes Leben. Eine Zeit mit kühlen Brisen, süßen Düften, das leise Rauschen eines Flusses und frischen Tau auf den Wiesen.

Er sah sich um und musterte die verschiedenen Kunden des Saloons.

»Ich hätte gern einen Whiskey«, sagte er zum Barkeeper und legte eine Goldmünze auf den Tresen. Der Mann hinter der Bar lächelte und stellte eine Flasche und ein Glas vor ihn hin. Ian sah sich um. Er brauchte Informationen. Es konnte nicht schaden, um ein bißchen Geld zu spielen.

Er ging zu einem der Tische im hinteren Teil des Lokals. Ein älterer Mann mit tief in die Stirn gezogenem Hut saß scheinbar unbeteiligt da und schien fast zu dösen. Ein kleines Häufchen Münzen lag vor ihm auf dem Tisch, aber er kümmerte sich nicht im geringsten um das Kartenspiel. Es machte auch nichts aus, denn er wurde unterstützt von zwei jungen Männern, die links und rechts von ihm saßen. Es waren offensichtlich Zwillinge, ungefähr zwanzig Jahre alt, beide mit kurzgeschnittenem braunen Haar, braunen Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht.

Die beiden anderen Spieler sahen ganz anders aus. Der Geber war ein brutal aussehender Mann mit einer langen Narbe an der linken Backe, eingefallenen Gesichtszügen und so hellbraunen Augen, daß sie schon fast gelb wirkten. Seine Haare waren so staubbedeckt, daß die Farbe nicht mehr erkennbar war. Ihm gegenüber saß das genaue Gegenteil ein Mann in einem makellosen schwarzen Frack und ebensolchen Hosen, mit einer roten Brokatweste und einer eleganten goldenen Taschenuhr. Sein Gesicht war schmal, seine Augenfarbe ein verwaschenes Blau, und die schneeweißen Haare waren sorgfältig nach hinten gekämmt. Sein Blick ruhte fest auf dem Kartengeber, aber als Ian neben dem Tisch auftauchte, sah er kurz hoch und musterte ihn.

»Haben Sie Geld dabei, Fremder?« fragte er.

Ian zog eine Handvoll Münzen aus der Innentasche seines langen, dunklen Mantels und legte sie vor sich auf den Tisch. Einer der Zwillinge stand sofort auf und brachte ihm einen Stuhl. Ian hatte sich gerade erst gesetzt, als ihm der zarte Duft von Parfüm in die Nase stieg. Er blickte auf. Ein süßes junges Mädchen – auf den zweiten Blick wirkte es schon nicht mehr so jung und süß – hatte sich rechts von ihm auf den Stuhl gedrängt. Ihr königsblaues Kleid schien ihr wohlausgestatteter Körper fast zu sprengen. Sie hatte dunkle, lange Haare, glänzende grüne Augen und ein breites, warmes Lächeln auf dem Gesicht.

Er nickte ihr zu und verbarg seine Enttäuschung. Er hatte gehofft, es wäre die Sängerin. »Geben Sie mir Karten«, sagte er zu dem Cowboy gegenüber und schob seinen Einsatz in die Mitte des Tisches.

Der Mann mit der Narbe fragte, während er austeilte: »Wo kommen Sie her?«

»Von da und dort«, entgegnete Ian beiläufig und sah auf seine Karten.

»Was soll das heißen: ›hier und da‹?« fragte der Mann in Schwarz. »Und was führt Sie gerade hierher?«

»Das ist ein freies Land, nicht?« erwiderte Ian und blickte wieder in sein Blatt.

Der alte Mann am Tisch hatte seine Karten noch gar nicht aufgenommen. »Spielt er auch?« fragte Ian einen der Zwillinge.

»Klar. Der alte Turner schläft zwar manchmal ein, aber dann kümmere ich mich oder Jimmy um seine Karten. Heute abend läuft es gar nicht so schlecht für ihn. Er spielt ohnehin am besten, wenn er die Hälfte des Spiels verschläft. Für Jimmy und mich läuft es heute nicht so gut – auch für das Narbengesicht hier nicht.« Er deutete auf den Geber. »Es scheint ausschließlich Johnny Durangos Abend zu sein«, fügte er hinzu und zeigte auf den Schwarzgekleideten.

»Meine Herren«, sagte Johnny Durango, »Poker ist eine Kunst, die Sie noch lernen müssen.«

»Richtig, eine Kunst«, murmelte Ian und sah Durango in die Augen. Dann goß er sich einen Whiskey ein. Er hob das Glas und prostete der vollbusigen Schönheit an seiner Seite zu. Sie strahlte noch mehr.

»Ich heiße Dulcie«, sagte sie mit tiefer, rauchiger Stimme.

Er nickte nur und studierte seine Karten. Dann sah er den Zwilling an, der ihn angesprochen hatte.

»Kommen Sie regelmäßig hierher?« fragte er.

»Ja, wir arbeiten hier. Eigentlich sind wir wegen des Goldes gekommen, aber wir haben nichts gefunden, deswegen sind wir hier gelandet.«

»Wir haben für den alten Mann gearbeitet«, sagte sein Bruder.

»Ja, und jetzt ist der alte Mann tot«, fügte das Narbengesicht hinzu.

»Wir haben auch für seinen Partner gearbeitet, und das ist ein harter Brocken«, sagte einer der Zwillinge.

»Das kann man wohl sagen«, stimmte ihm der andere zu. In seinem Tonfall vermischten sich Überzeugung und Zweifel.

»Du hast gegeben, Cowboy«, drängte Durango.

»Du bist dran, Jimmy«, sagte der Geber.

»Fünf Dollar. Und der alte Turner will es auch sehen.«

Der zweite Zwilling legte seinen Einsatz auf den Tisch. Ian folgte ihm. Auch Johnny Durango setzte zuerst fünf Dollar, dann noch einmal fünf.

»Ich erhöhe, meine Herren. Zehn für Sie, wenn Sie mitspielen wollen.«

Alle blieben im Spiel. Ian hatte drei Könige. Er verlor gegen Durangos drei Asse.

Das Spiel ging weiter. Turner gewann als einziger neben Durango ein Spiel.

Ian merkte sehr bald, daß die Vollbusige neben ihm seine Karten verriet. Er schickte sie kurz weg und gewann. Als sie zurückkam, nahm er seine Augen nicht mehr von dem Mann, der das Pokerspiel als ›Kunst‹ bezeichnet hatte.

Die ›Kunst‹ steckte in seinem Ärmel. Nachdem er ihn ein paar Spiele lang genau beobachtet hatte, sah er ein paarmal Asse im Hemdsärmel des Schwarzgekleideten verschwinden und wieder auftauchen. Als das nächste Spiel zu Ende war, stand Ian auf und nahm den Pot.

»Was soll das?« fragte Johnny Durango.

»Mein Full House ist besser als Ihre drei Könige«, sagte Ian.

»Wie können Sie es wagen, Sir?«

»Wie ich es wagen kann, Durango? Weil Sie uns betrogen haben«, erklärte ihm Ian.

Der Mann sprang auf und zog seinen Revolver. Ian schlug ihm die Waffe aus der Hand. Durango sprang mit fliegenden Fäusten um den Tisch und ging auf Ian los. Der duckte sich kurz, hieb seinem Gegner eine Faust in den Magen. Dann gingen beide Männer zu Boden und wälzten sich in Richtung Bar.

Ian hatte Durango gut im Griff und wollte ihn gerade hochziehen, als ihm ein stechender Schmerz durch den Kopf schoß. Der Boden um ihn schwankte, und alles wurde dunkel.

Er kämpfte gegen die Bewußtlosigkeit an und drehte sich zur Bar hin um. Da stand ein jüngerer Mann, gekleidet wie ein Banker, was er aber bestimmt nicht war. Ian hielt sich auf den Beinen. Der junge Mann griff nach einer weiteren Flasche, um sie ihm über den Kopf zu ziehen. Ian sprang vorwärts und rammte ihm eine Faust in den Magen. Der Mann klappte zusammen, raffte sich wieder auf und taumelte aus dem Saloon.

»Um Gottes willen ...«, sagte eine weibliche Stimme. Ian drehte sich wieder zu Durango um.

»Halt! Bleiben Sie, wo Sie sind!« rief Durango.

Ian blieb stehen. Der Mann hielt eine Frau fest.

Es war die Sängerin.

»Durango, du Bastard!«

Durango preßte sie an sich, und sie versuchte sich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Zarte Locken verdeckten ihr Gesicht, doch Ian fühlte einen Stich in seinem Herzen. Wenn Durango sie nicht los ließ, war er ein toter Mann.

»Wollen Sie zur Hölle fahren?« fragte Ian leise.

Als Antwort zog Durango eine kleine Pistole aus dem Ärmel, in dem er seine Asse versteckt hatte, und richtete sie auf den Hinterkopf der Frau.

»Verdammt, lassen Sie sie los!« rief Ian.

»Der edle Ritter, der in die Stadt gekommen ist«, sagte Durango mit höhnischem Unterton. »Wenn Sie mich umbringen, stirbt auch sie.«

»Sie sind tot, bevor Sie den Finger krumm machen«, warnte ihn Ian.

»Wollen Sie das wirklich versuchen?« fragte Durango.

»Das reicht!« rief die Frau und trat plötzlich mit voller Wucht nach hinten aus, so daß Durango sie loslassen mußte. Ian nutzte die Gelegenheit und schoß.

Er traf Durango in die Hand. Der schrie auf vor Wut und Schmerz. Seine Pistole flog auf den Boden.

Plötzlich brach rundherum das Chaos aus. Die Zwillinge waren auf den Beinen, ebenso die anderen Gäste, und alle feuerten Ian an.

»Das war ein großer Fehler«, schrie ihm Durango entgegen. »Sie hätten mich umbringen müssen. Es hier und jetzt beenden. So haben Sie Ihr Todesurteil unterzeichnet.«

»Das wäre nicht zum erstenmal«, sagte Ian gelassen. Er drehte sich zu den Zwillingen um. »Nehmen Sie das Geld, um das er uns betrogen hat, und bringen Sie ihn hier raus. Und ich möchte den Besitzer von diesem Laden hier sehen!«

Die vollbusige Brünette kam kichernd an seine Seite und flüsterte ihm ins Ohr. »Oh, mein Süßer, das ist ein Haus mit schlechtem Ruf. Ein Bordell – aber ein verdammt gutes.«

»Und Sie werden dafür bezahlt, daß Sie mithelfen, ehrliche Männer zu betrügen?« fragte er.

»Ich habe noch keinen ehrlichen Mann getroffen«, erwiderte Dulcie. »Sind Sie ein ehrlicher Mann, Fremder?« flötete sie.

»Ich sollte dafür sorgen, daß Sie gefeuert werden«, sagte er mit leiser Stimme.

Dulcie lächelte. »Mein Lieber, wenn ich Ihnen was schulde, können Sie sich ja an meinem Hintern schadlos halten.« Sie schlüpfte in aller Unschuld an ihm vorbei, und er konnte nicht umhin zu schmunzeln. Doch dann wurde er wieder ernst. »Ich möchte den Besitzer sehen. Jetzt gleich«, sagte er noch einmal.

Die blonde Sängerin, nun befreit von Durangos Griff, kam auf ihn zu. Die Leute machten ihr bereitwillig Platz.

Jetzt sah er zum erstenmal ihr Gesicht. Sie stand vor ihm, musterte ihn abschätzend, schweigend und ohne Bewegung. Sie schien wütend zu sein. Gerade hatte er sie vor einem frühen Tod gerettet, und sie war verärgert. Als ob er ihr den Tag verdorben hätte.

Sie war ganz in Schwarz gekleidet, hochgeschlossen bis zum Hals, als wäre sie in Trauer. Obwohl das Kleid ihre Figur verbarg und trotz der widrigen Umstände ihres Aufeinandertreffens spürte er einen Stich im Herzen, etwas, das tief in seine Seele drang, mehr noch, als es ihr Song vermochte.

Sie war nur mittelgroß, und ihr kornblondes, zu einem strengen Knoten gerafftes Haar stand in einem faszinierenden Kontrast zu ihrem schwarzen Kleid. Ihre Augen leuchteten in einem strahlenden Blau. Er schätzte sie zwischen zwanzig und dreißig. Sie war wunderschön, schlank und anmutig in ihren Bewegungen, und da war trotz ihrer Jugend ein Zug von Weisheit und Reife in ihrem Gesicht.

Sie hatte ihn auf Anhieb in ihrem Bann. Für einige Augenblicke war er sprachlos, doch dann ärgerte er sich über die Wirkung, die sie auf ihn ausübte.

»Sie könnten sich wenigstens bedanken«, sagte er.

Kokett hob sie die Brauen. »Wofür, Sir? Ich wäre ganz gut allein mit Johnny Durango zurechtgekommen – ohne diesen Zirkus.«

»Durango hat betrogen. Und er hielt Ihnen eine Waffe an den Kopf.«

»Er hätte niemals abgezogen.«

»Warum nicht? Stecken Sie mit ihm unter einer Decke?«

»Natürlich nicht!«

»Aber die halbe Kneipe hier scheint zu ihm zu halten. Das ist ein Fall für den Sheriff. Ich nehme an, es gibt einen in diesem gottverlassenen Nest hier.«

»Dazu brauchen wir keinen Sheriff«, sagte sie mit etwas verändertem Tonfall.

»Nicht? Ich möchte aber den Besitzer dieses heruntergekommenen Bordells sehen.«

»Das können Sie«, antwortete sie kühl und strich sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. »Ich bin Arm McCastle, die Besitzerin dieses angesehenen Lokals hier.«

Verdammt, damit hatte er nicht gerechnet. Die Überraschung stand ihm deutlich im Gesicht. »Ich bin Ann McCastle«, wiederholte sie mit einem kalten Lächeln, »und es gibt keinen Grund, den Sheriff zu rufen.«

»Nein?« Sie wollte also keinen Gesetzeshüter. Steckte sie doch mit Durango unter einer Decke? Sie schien irritiert zu sein, nein, mehr als das, sie war wütend. »Gut, Miß McCastle«, sagte er und lehnte sich dabei an den Tresen, »dies hier soll ein Lokal für gesetzestreue Bürger sein, haben Sie behauptet. Ich wurde betrogen und angegriffen, und ich bin der Meinung, daß etwas geschehen soll.«

»Mir kommt vor, Sie können ganz gut allein für sich sorgen«, murmelte sie.

»Das sollte aber nicht so sein.«

»Die Welt steckt voller Gefahren, und Sie befinden sich in einem besonders gefährlichen Teil davon.«

»Ehrliche Leute haben das Recht ...«

»Ehrliche Leute können normalerweise nicht so gut mit Waffen umgehen.«

»Bis vor kurzem herrschte Krieg in diesem Land, wie Sie vielleicht wissen. Und es gibt kein Gesetz, das einem Mann verbietet, sich selbst zu schützen, es gibt aber sehr wohl Gesetze gegen betrügerisches Glücksspiel und ebensolche Lokale. Wenn Sie das nicht verstehen wollen, gibt es immer noch den Sheriff ...«

»Dazu besteht wirklich kein Grund«, wiederholte sie. Es war offensichtlich, daß sie keinen Gesetzeshüter in ihrem Etablissement haben wollte.

Warum nicht? Es mußte einen bestimmten Grund geben.

»Aaron«, rief sie zu dem jungen Pianospieler hinüber, »spiel endlich weiter. Und Sie, Gentlemen, können an Ihre Tische zurückgehen.«

Etwas widerwillig folgten die Männer ihrer Aufforderung. Zu gern hätten sie noch mehr von Anns Dialog mit diesem Fremden mitbekommen.

Das Klavierspiel setzte wieder ein.

Die Frau wandte nun ihre ganze Aufmerksamkeit Ian zu. Sie schien einzulenken. »Wir bedauern diesen Vorfall zutiefst«, sagte sie. »Ich möchte Sie auf Kosten des Hauses einladen. Sie können frei hier wohnen und essen und trinken. Und die Damen unseres Hauses ...«

»Hurenhauses?« sagte er und beugte sich vor, als er das Wort in ihr Ohr flüsterte. Denn trotz all ihrer Schlagfertigkeit und Eleganz befand er sich zweifelsohne in einer üblen Kaschemme an der Grenze.

Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und fuhr mit ihrem Satz fort: »Und jede meiner Damen wäre glücklich, Sie jene unangenehmen Erfahrungen von heute nachmittag vergessen zu lassen.« Sie wandte sich ab und sagte zum Barkeeper: »Harold, ein kühles Bier für unseren Gentleman, bitte.«

Harold brachte das Bier, und Ian nippte daran und sah Ann McCastle dabei an.

»Sir ...«, sagte sie ungeduldig.

»Ja?«

»Ich möchte ...«

»Ich nehme Ihr Angebot an, und ...«

»Und was?«

»Ich hoffe, Sie haben einen guten Koch.«

»Natürlich. Henri ist der beste.«

»Ein Franzose?« fragte er mit einem Grinsen.

»Ja.«

»Hier? Im Wilden Westen?«

»So ist es«, fuhr sie ihn an. »Nun, da alles geregelt ist ...«

»Fast alles«, entgegnete Ian und nahm einen Schluck von seinem Bier.

»Was noch?« fragte sie, und ihre blauen Augen verdunkelten sich.

»Nun, Sie haben mir die Gesellschaft einer Ihrer – Damen versprochen.«

»Das stimmt. Dulcie haben Sie ja bereits kennengelernt. Die anderen ...«

»Ich weiß, welche ich will.«

»Dulcie wird sich freuen ...«

»Ich möchte aber nicht Dulcie.«

»Sondern ...«

»Ich möchte Sie.«

Ihre Augen weiteten sich. Sie war überrascht und ein wenig alarmiert. Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet.

Doch sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. Sie hob ihr Kinn, und ihr Blick war wieder fest. »Sie scheinen nicht zu verstehen, ich bin die Besitzerin.«

»Aber doch auch eine Dame des Hauses.«

»Aber ...«

»Sie können mir doch nicht weismachen, daß Sie in den Besitz eines solchen Lokals gekommen sind, während Sie in einem Nonnenkloster gelebt haben.«

Ihre Augen blitzten jetzt vor Wut. »Das geht Sie gar nichts an. Und ich mache, was ich will – Sir!«

Er grinste, hob sein Bier, nahm einen langen Schluck und setzte das Glas wieder auf den Tresen. »Dann, Miß McCastle, sollten Sie die heutige Nacht auch mit mir verbringen«, sagte er. »Ich muß nur noch mein Pferd versorgen.«

Und drehte sich um und ging auf den Ausgang zu. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Sie würde ihm folgen, dessen war er sicher.

Er hatte recht. Sie trat hinter ihn, gerade als er den Zügel seines Pferdes losmachte. Sein Grinsen vertiefte sich. Er drehte sich nicht um, sondern wartete.

»Ich schulde Ihnen nicht das geringste«, fauchte sie. »Sie sollten glücklich sein über mein Angebot. Es war ein gottverdammtes Pokerspiel, und ich bin nicht verantwortlich dafür, wie diese Männer spielen ...«

»Wirklich nicht?« Er drehte sich um. »Ich glaube, ein männlicher Besitzer hätte gewußt, welcher Kartenhai in seinem Lokal räuberte.«

»Hier gibt es eine Menge Haie«, erwiderte sie voller Ärger.

»Vielleicht. Tatsache aber ist, daß es Ihr Lokal war. Und ich bin immer noch willens, mein Anliegen vor das Gesetz zu bringen.«

Sie wurde bleich.

»Ich kann Sie bezahlen ...«

»Was soll das? Betreiben Sie dieses Etablissement etwa nicht wegen des Geldes, Miß McCastle? Oder muß es Missis heißen?«

Sie ging nicht auf seine Frage ein. »Ich würde Ihnen sogar viel Geld bezahlen, wenn Sie einfach nur verschwänden.«

Jetzt wurde er erst richtig neugierig. Er hatte keinesfalls vor zu verschwinden. Im Gegenteil. Nicht, seit er diese Frau getroffen hatte.

»Nein«, sagte er. »Ich bleibe für eine Weile in der Stadt. Auf jeden Fall diese Nacht. Für kein Geld der Welt möchte ich diese Nacht missen.«

»Und wenn ich Ihnen eine ganze Menge Geld biete?«

»Dann würde ich mich trotzdem auf die Nacht mit Ihnen freuen.«

»Wer sagt Ihnen denn, daß ich das wert bin?« fragte sie wütend.

Er zuckte nur die Achseln und musterte sie von oben bis unten. Sie würde es wert sein, dessen war er sicher. Sie war wie eine blühende Rose inmitten der Wüste. Elegant und schön und mit loderndem innerem Feuer. Und an diesem Feuer wollte er teilhaben.

Er hütete sich allerdings davor, dies zu deutlich zu zeigen. Sie hatte ihm bereits gesagt, daß sie tat, was ihr gefiel. Sie war eine selbstbewußte und wunderschöne Frau. Sie konnte jedem Mann Herz, Seele und Verstand rauben – und sein ganzes hartverdientes Geld.

»Ich weiß gar nicht, ob Sie überhaupt einen Pfennig wert sind, Madam«, sagte er beiläufig, »aber ich liebe nun mal das Abenteuer ...«

»Wie können Sie es wagen ...«, begann sie mit tiefer, vor Wut zitternder Stimme.

»Und ich bin äußerst entschlossen und hartnäckig«, fügte er hinzu, ohne sie ausreden zu lassen.

»Und Sie können sofort zum Teufel gehen!« Sie drehte sich um und ließ ihn stehen.

Eigentlich wollte er ihr gar nicht folgen, doch er tat es dennoch. Kurz vor der Treppe zum Gehsteig hatte er sie eingeholt. Er faßte sie am Arm und drehte sie zu sich herum.

»Das hat noch Zeit«, sagte er, »es kann gut sein, daß ich eines Tages beim Teufel lande, aber nicht so früh, wie Sie es gerne hätten. Außerdem sollten Sie froh darüber sein, daß ich nicht so leicht zu beleidigen bin. Mein Stolz könnte leicht getroffen sein, wenn eine ›Dame‹ wie Sie meinen von Herzen kommenden Antrag so leichtfertig ablehnt.«

»Bei Ihnen kommt ganz bestimmt nichts ›von Herzen‹«, versicherte sie ihm. Sie versuchte aber nicht, ihren Arm freizubekommen. Er fühlte die aufgestaute Wut in ihr und war überrascht, daß das, was für ihn anfangs ein Spiel gewesen war, plötzlich in etwas ganz anderes umschlug. Er war viel herumgekommen, doch noch nie hatte er eine Frau so heftig begehrt wie diese.

Er mußte sie haben. Sie war ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den er vorhatte zu gehen.

»Warum haben Sie so große Angst vor dem Gesetz?« wollte er plötzlich wissen.

»Habe ich nicht!«

»Doch.«

»Ich sage Ihnen doch ...«

»Sie lügen – und nicht einmal besonders gut. Was heute hier passierte, war niemals geplant.«

»Männer schlagen sich immer wieder in Saloons ...«

»Auf der Straße, wenn der Saloon etwas taugt. Und sie kämpfen, betrügen aber nicht.«

»Nein? Es ist also in Ordnung, wenn sie sich gegenseitig Löcher in den Bauch knallen, aber wenn jemand fünf Dollar beim Kartenspielen verliert ...«

»Dafür gibt es das Gesetz.«

Sie schwieg und starrte ihn nur finster an.

»Sie brauchen Hilfe, Lady, und zwar schnell«, sagte er leise.

Sie riß sich von ihm los und stemmte beide Hände in die Hüften. »Sie haben gerade auf einen Mann geschossen ...«

»Und dabei Ihr Leben gerettet.«

»Johnny hätte niemals abgedrückt.«

»Weil Sie mit ihm und Ihren Mädchen unter einer Decke stecken.«

»Meine Mädchen haben nichts ...«

»Verdammt noch mal!« fluchte er. »Zumindest eines Ihrer Mädchen war daran beteiligt.«

»Ich hatte also etwas Ärger heute nachmittag. Und da glauben Sie, ich brauche ein Dutzend Männer ...«

»Ich habe nicht von einem Dutzend gesprochen. Sie brauchen einen Mann, einen guten.«

»Und das sind natürlich Sie«, sagte sie leicht amüsiert.

»Genau, Ann McCastle. Genau so ist es«, sagte er, drehte sich um und ging zu seinem Pferd. Sie blieb stehen und sah ihm nach, das wußte er.

Er löste die Zügel vom Geländer und lächelte ihr über die Schulter zu. »Aber Sie haben noch Zeit mit Ihrer Entscheidung bis heute abend. Sie werden mich auf jeden Fall heute abend sehen.«

»Nicht in Ihren kühnsten Träumen, Cowboy.«

Er lachte leise und deutete auf ein Gebäude weiter oben an der Straße. »Ist das das Büro des Sheriffs?«

Mit einem unterdrückten Fluch wandte sie sich ab.

»Bis später, Annie«, rief er ihr nach.

Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Ihr Gesichtsausdruck wirkte plötzlich unsicher.

»Sir, ich habe Ihnen gesagt, daß Sie mich nicht sehen werden, doch ich möchte auch nicht, daß alles so bleibt zwischen uns.«

»Das möchte ich auch nicht. Das McCastle's hat eine Reputation zu wahren. Und das ist Aufgabe des Gesetzes. Wenn Sie nicht wollen, daß ich es einschalte, dann sollten Sie auf mich hören. Sie geben mir Ihr Wort, daß wir uns heute abend sehen, und ich verzichte darauf, zum Sheriff zu gehen.«

Sie hätte ihn geschlagen, wenn sie nah genug gewesen wäre, das konnte er deutlich sehen. »Gut!« zischte sie. »Sie haben mein Wort. Aber wenn ich es nicht halte?«

»Sie werden«, sagte er. »Dafür werde ich schon sorgen. Ich heiße übrigens McShane. Ian McShane. Diesen Namen werden Sie noch öfter hören.«

»Meinen Sie?«

»Ganz bestimmt«, versicherte er ihr. Er hob kurz seinen Hut, nahm die Zügel des Pferdes und ging zum öffentlichen Stall weiter unten an der Straße.

Er fühlte, daß sie ihm den ganzen Weg nachschaute.

Er lächelte in sich hinein, während er ging. Es hatte alles verdammt gut geklappt. So wie er es sich vorgestellt hatte. Er hatte eine Beziehung zu Ann McCastle aufgenommen, und es war leichter gewesen, als er gedacht hätte. Dafür mußte er dem betrügerischen Kartenspieler fast dankbar sein. Er war auf dem richtigen Weg. Und dennoch ...

Was steckte hinter der kalten Fassade dieser blonden Schönheit, die das Lokal jetzt führte? Warum hatte sie so große Angst vor dem Gesetz. Was lag hinter diesen faszinierenden blauen Augen?

Mein Gott, was machte er sich so viele Gedanken? Er hatte eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Er hatte seine Geheimnisse aus der Vergangenheit, und sie hatte sie. Ihre Angst vor dem Gesetz hatte ihm jedenfalls genützt.

Es spielte keine Rolle.

Und doch, etwas spielte eine Rolle – die Nacht. Es brannte wie Feuer in ihm, leidenschaftlich –und heiß. Er schloß die Augen und sah ihr Gesicht vor sich. Er fühlte noch immer ihre Hitze, hörte ihre Stimme, das Lied, das sie gesungen hatte, als er in den Saloon gekommen war.

Alles nur Mittel zum Zweck, ermahnte er sich.

Auch Ann McCastle.

Auch sie, ob er wollte oder nicht, er brauchte sie für seinen Auftrag.

Doch diese kalten Überlegungen nützten nichts. Das Feuer brannte in seinem Inneren weiter.

Heute nacht.

Er konnte es kaum erwarten, bis die Dunkelheit hereinbrach.

2

Als Besitzerin eines Saloons hatte Ann reichlich Möglichkeit, Männer ausführlich kennenzulernen. Sie hatte zusammen mit Eddie das Lokal vor nahezu vier Jahren gekauft, und obwohl sie schon vorher genug Erfahrung mit dem besten und schlechtesten Teil der Menschheit gemacht zu haben glaubte, lernte sie doch durch den Saloon so viele Männer kennen, wie sie es sich nie hätte vorstellen können. Alle möglichen Exemplare dieses Geschlechts – Weiße, Indianer, rauhe Männer, Schlappschwänze, Schwarze, Cowboys, Revolvermänner, Banker. Sie sah Männer mit jenem harten Glitzern von Grausamkeit in den Augen – und sie wußte sehr wohl, wie das wahre Böse aussah –, doch sie kannte auch die Zärtlichkeit und Güte, die in manchen steckte.

Männer hatten schon eine ganze Menge Schwierigkeiten in ihr Leben gebracht. Sie hatte sich nie groß darum gekümmert, was ihre eigenen Geschlechtsgenossinnen über sie dachten. Sie hatte den Saloon für ihre Zwecke gekauft, und nur das zählte für sie. Doch gelegentlich brachte ihr das auch Unannehmlichkeiten von seiten der Kundschaft. Es gab immer wieder Menschen, die es nicht akzeptieren wollten, daß sie als Frau ein solches Lokal führen konnte. Viele fühlten sich herausgefordert, sie in dieser Beziehung zu testen. Bisher hatte sie alle Schwierigkeiten gemeistert. Zum Teil, weil sie frühzeitig gelernt hatte, mit einer Waffe umzugehen, zum Teil aber auch nur durch ihren eisernen Willen. Nach bitteren Erfahrungen bereits in ihrer Kindheit hatte sie sich geschworen, sich weder von Freunden noch von Feinden von ihrem Ziel abbringen zu lassen.

Allerdings hatte sie bis vor zwei Wochen noch zusätzlichen Schutz. Eddie war noch bei ihr, und allein seine Anwesenheit als Mann war schon Hilfe genug.

Aber in all den Jahren hatte sie niemanden kennengelernt wie diesen Ian McShane, der so aggressiv in ihr Leben eingebrochen war.

Sie hatte ihn sofort gesehen, als er angekommen war, hatte seine dunkle Gestalt wahrgenommen, als er die Tür geöffnet hatte und dagestanden war mit der Sonne im Rücken. Sein Gesicht hatte sie nicht sehen können, doch sie wußte sofort, daß dieser Mann Ärger bedeutete – großen Ärger. Er war groß und dunkel gekleidet, schien nur aus Muskeln zu bestehen und machte den Eindruck eines geschmeidigen Pumas, der jedem anderen Mann gewachsen war.

Irgend etwas in seinen Augen faszinierte sie. Ein kurzes Aufflackern immer dann, wenn er sie herausforderte, so als wolle er sich lustig machen über sie. Er schien weit herumgekommen zu sein, und dennoch bedeutete so viel Erfahrung ganz offensichtlich keine Belastung für ihn, im Gegenteil, er wirkte dadurch wacher und stärker. Und sie hatte wahrscheinlich nur einen kleinen Teil seiner Fähigkeiten im Umgang mit den Waffen gesehen, die an seinem Gürtel hingen. Er wollte was vom Leben und war gewillt, es sich zu nehmen. Und er wollte etwas von ihr, und auch das wollte er sich holen, und wenn sie sich noch so sehr dagegen sträubte.

Heute abend.

Eine Welle von Panik überflutete sie plötzlich, und sie ärgerte sich über sich selbst. Am liebsten wäre sie gleich zurück in den Saloon gelaufen und hätte ihre Nerven mit einem gutgefüllten Glas Whiskey beruhigt.

Sie hatte keinerlei Absicht, ihr Versprechen diesem Mann gegenüber einzuhalten. Dennoch, was würde passieren, wenn sie es nicht täte? Sie fluchte still vor sich hin. Er sah gut aus, sehr männlich, aber verführerisch, ein Mann mit einem Geheimnis, und zweifellos gefährlich. Ihr war klar, daß er keine Probleme hatte, Frauen zu finden, Frauen, die sofort bereit waren, sich mit ihm einzulassen. Warum wollte er gerade sie? Sie fühlte, daß es mehr bei ihm war als nur der Wunsch nach einer Frau für eine Nacht. Und das beunruhigte sie zutiefst.

Sie zwang sich dazu, ruhig in den Saloon zurückzugehen. Als sie die Theke erreichte, lehnte sie sich aufatmend dagegen und bat den guten alten Harold um einen Whiskey.

Harolds Brauen gingen vor Verwunderung nach oben, doch er schenkte ihr ein Glas ein und stellte es vor sie hin. Er sah ihr zu, wie sie es mit einem Schluck leerte, sich schüttelte und es wieder abstellte. Voller Sympathie blieb er bei ihr stehen.

»Schmeckt schauderhaft«, sagte sie und schüttelte sich noch einmal.

»Und Sie sollten sich davor in acht nehmen.«

»Warum?« fragte sie trocken. »Gehört sich das nicht für eine Dame?«

»Ich meine nicht den Drink«, sagte er leise. »Ann, warum lassen Sie sich von diesem Fremden so provozieren?«

Sie wollte schon antworten, dann fiel ihr ein, daß Harold von dem Angebot Ian McShanes ja gar nichts wissen konnte. »Ich bin nur etwas nervös«, meinte sie kopfschüttelnd. Sie lächelte ihm zu und war sich bewußt, daß sie wie immer im Saloon beobachtet wurde. Bisher hatte sie sich immer unter Kontrolle gehalten. Noch nie hatte sie ihre Gefühle offen gezeigt.

Bis auf heute.

Sie hielt ihre Stimme sehr leise und lächelte, um zu zeigen, daß sie alles im Griff hatte. Zu viel stand auf dem Spiel. »Seit Eddie tot ist, fühle ich ihre Blicke, wie die von Haien«, sagte sie. »Es gibt mindestens ein halbes Dutzend Männer hier, die nur auf eine Schwäche von mir warten, um sofort zuzubeißen.«

Harold zuckte die Achseln und trocknete ein Glas ab. »Anne, Sie waren heute in Schwierigkeiten.«

»Durango hätte mich niemals ...«

»Normalerweise nicht, aber jetzt ist er bereit, Ihnen die Kehle durchzuschneiden.«

»Ja. Und das habe ich McShane zu verdanken.«

»McShane?« fragte Harold nachdenklich.

Sie nickte und musterte Harold aufmerksam. »So hat er sich genannt. Kennst du ihn etwa?«

Harold schüttelte den Kopf. »Nein ... Er ist jedenfalls ein guter Schütze.«

»Das stimmt.«

»Und ein interessanter Mann«, meinte er.

»Auch das. Aber ich frage mich, was er in der Stadt will.«

»Der Krieg ist sein ein paar Jahren zu Ende. Eine Menge Burschen kommen jetzt in den Westen. Sie haben zu Hause alles verloren.«

»Ja, aber ich glaube nicht, daß dieser Mann nur aus Zufall hier gelandet ist.«

Harold lehnte sich auf den Tresen vor und lächelte. »Anne, wir hatten hier schon kleine Gauner, richtige Verbrecher, ein paar Männer des Gesetzes, Schwarze, Indianer, Schauspieler, Goldgräber, Farmer und Rancher. Warum sollte an diesem Mann etwas Besonderes sein?«

Sie schüttelte unsicher den Kopf. »Er hat irgend etwas vor.«

»Jeder hat etwas vor.«

»Er will etwas hier vom McCastle's.«

»Vielleicht ist das McCastle's auch bereit, ihm das zu bieten.«

»Das McCastle's hat überhaupt nichts für ihn«, sagte Ann unwirsch. »Nicht das geringste! Ich möchte noch einen Drink.«

Harold beugte sich zu ihr vor. »Das sollten Sie lieber nicht. Cocoa und Dulcie sind gerade oben mit einem von den Weatherly Boys.«

Arm zog erstaunt eine Braue hoch und nickte. Sie mußte den Fremden aus ihrem Gedächtnis verbannen.

»Ich gehe hinauf in mein Zimmer«, sagte sie. »Schick beide sofort zu mir, wenn Weatherly gegangen ist. Ist sonst noch jemand von der Circle Z-Ranch hier?«

Er schüttelte den Kopf. »Nur der junge Joe Weatherly.«

Ihre Augen leuchteten auf. »Nur der junge Joe. Gut.« Sie wollte sich gerade abwenden, als sie Harolds Hand an ihrem Arm fühlte.

»Anne, Sie sollten vorsichtig sein.«

»Ich bin vorsichtig, Harold – und ich bin gut.«

Harold schüttelte traurig seinen Kopf. »Ich weiß, daß Sie gut sind, Annie. Das ist ja das Problem. Ich meine nicht gut bei dem, was Sie tun. Sie sind ein guter Mensch, und Sie sollten ...«

»Mein Gott, Harold«, rief sie sanft und nahm seine Hand. »Seit damals bin ich innerlich leer ...«

»Falsch, Annie. Sie sollten mit einem anständigen Mann verheiratet sein, gesunde und kluge Kinder großziehen. Sie sollten für Ihren Mann in einem eleganten Theater singen und nicht in einem Saloon ...««

»Harold, ich lebe hier mit guten Freunden, und einige davon sind die besten Menschen, die man sich vorstellen kann. Und es spielt für mich keine Rolle, daß sie ihr Geld auf harte Weise verdienen müssen. Ich passe auf mich auf, Harold. Und ich schätze dich als alten Freund, aber du wirst mich nicht von dem abbringen, was ich vorhabe.«

»Seien Sie vorsichtig, Annie. Ich habe übrigens vergessen, Ihnen zu sagen, daß ein Brief von Ralph Reninger in Ihrem Zimmer liegt, den er heute früh vorbeigebracht hat.«

»O nein!« flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Ich hatte gestern eine Verabredung mit ihm und habe sie glatt vergessen, als diese Wanderschauspieler zum Mittagessen hereinplatzten.« Sie fühlte sich schuldig. Sie kannte Ralph zwar nicht so gut, aber er war ein seriöser junger Mann, der Eddies Angelegenheiten nach dem Krieg in die Hand genommen hatte. Nach Eddies Tod hatte er sie sehen und ihr mit Rat zur Seite stehen wollen, wie sie den Saloon allein weiterführen konnte. Sie hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, ob Eddie vielleicht sonstwo noch Besitz hatte. Sie hatten beide keine Verwandten mehr, und daher hatte sie sein Tod besonders getroffen. Noch immer konnte sie es kaum fassen, daß er nicht mehr bei ihr war.

Ralph hatte gemerkt, wie sehr sie das alles mitgenommen hatte, und hatte ihr vorgeschlagen, sobald sie sich wieder gefaßt hatte, mit ihm zu reden. Sie war nur noch nicht dazu gekommen, in seinem Büro vorbeizuschauen.

»Eddie ist nun seit zwei Wochen begraben«, sagte Harold. »Sie müssen sich um seinen Nachlaß kümmern. Sie sollten diesen Brief lesen und den jungen Reninger aufsuchen und sich um Ihre Interessen sorgen und auf sich ...«

»... aufpassen!« beendet sie für ihn den Satz. »Das werde ich, mach dir deswegen keine Sorgen. Aber im Moment ist mir wichtiger, daß du die beiden Mädchen sofort zu mir schickst, wenn sie frei sind.«

Spontan küßte sie ihn auf eine Backe, drehte sich um und ging hinauf in ihr Zimmer, wo sie die Tür hinter sich schloß.

Der Brief, den Harold erwähnt hatte, lag auf ihrem Bett. Er war an sie adressiert. Eine elegante Schrift auf weißem Papier. Sie nahm ihn auf und tippte nachdenklich damit gegen ihre Stirn. Sie wollte ihn nicht sofort öffnen und legte ihn auf die Kommode. Vielleicht konnte sie noch heute nachmittag in Ralphs Büro hinübergehen. Lieber nicht. Nicht, solange dieser Fremde ihre Gedanken beherrschte!

Sie ging im Zimmer auf und ab und setzte sich dann in den alten Schaukelstuhl neben der Balkontür. Sie liebte diesen Stuhl. Sie hatte ihn einer Frau abgekauft, die wieder in den Osten zurück wollte. Ihr Mann hatte die Idee gehabt, im Westen sein Glück zu versuchen. Er war von einem Apachen umgebracht worden. Die Frau wollte mit ihrer Familie nur mehr zurück nach Hause. Annie hatte Mitleid mit ihr und hatte ihr noch mehr Möbel für teures Geld abgekauft. Dazu gehörte auch das große Bett mit den vier Pfosten aus Kirschholz und die Spitzenvorhänge unter dem schweren Samt.

Es war ein wunderschöner Raum, dachte sie. Ihr kleines Reich. Er war groß und weitläufig mit dem Bett als Mittelpunkt. Neben der Kommode hatte sie noch einen schön geschnitzten Tisch und ein Sofa neben der Balkontür, vor dem ein persischer Teppich lag. Ein Paravent aus chinesischer Seide verbarg ihren größten Schatz – eine Sitzbadewanne mit vergoldeten Armaturen, die in einem Alkoven neben der Heizstelle stand! Eddie hatte sich darüber lustig gemacht.

»Ein Bad braucht der Mensch wirklich nicht so oft«, hatte er gesagt und sich dabei sein ergrautes Haupt gekratzt. »Genauso wie wir Männer können auch die Damen ein paarmal im Jahr ins öffentliche Badehaus gehen. Denk nur an das ganze Wasser, das für so ein Ding geholt, warmgemacht und die Treppe hochgeschleppt werden muß.«

»Eddie«, hatte sie ihm geantwortet, »es gibt keinen größeren Luxus auf der Welt als ein eigenes Bad neben einem warmen offenen Kamin.«

Trotz seiner Zweifel hatte er immer dafür gesorgt, daß sie genug Wasser hatte. Und er war selbst einmal die Woche zum Baden gegangen, nachdem sie ihm versichert hatte, daß er in Frack und Weste besser aussah, wenn er auch sauber war.

Jetzt war er tot, und sie vermißte ihn. Sie konnte es noch immer nicht ganz fassen. Er hatte sie besser als jeder andere gekannt. Er wußte, was sie antrieb, und kannte ihre nächtlichen Abenteuer, und obwohl er ein paarmal versucht hatte, sie davon abzuhalten, hatte er sie dennoch nie dabei behindert. Er hatte ihr ohne Einschränkungen vertraut und hatte gewußt, daß sie ein Lokal wie das McCastle's führen konnte. Nie hatte er sich eingemischt, sondern nur mit seiner natürlichen Autorität dafür gesorgt, daß ihr niemand in die Quere kam.

Mit Eddie an ihrer Seite wäre das heute nachmittag nicht passiert. Durango hätte nicht versucht, seine Mitspieler zu betrügen, und sie wäre nicht in dieser verzwickten Lage mit McShane, der sie heute nacht noch besuchen würde.

Sie hatte ihn also noch nicht vergessen! Es würde Ärger geben mit ihm. Mehr Ärger, als sie sich vielleicht vorstellen konnte.

Doch im Moment wollte sie nicht mehr daran denken. Es gab Wichtigeres.

Sie erhob sich vom Schaukelstuhl und zog die Spitzenvorhänge vor der Balkontür zurück.

Ein paar ältere Frauen gingen in den Laden an der Ecke. Ein Kaufmann kam gerade aus der Bank, und der Friseur prüfte in der Sonne vor seinem Laden ein Rasiermesser.

Und der Fremde kam zurück. Er sah groß und düster aus in seinem langen Mantel und mit dem breitkrempigen Hut. Er kam die Straße herunter und blickte plötzlich hoch, als hätte er gefühlt, daß jemand auf ihn hinuntersah.

Sie trat schnell zurück und zog den Vorhang wieder vor, als hätte sie sich die Finger verbrannt.

Sein Gesicht hatte sich in ihrem Gedächtnis eingegraben: seine tiefen, dunklen braunen Augen, die noch dunkleren Haare, fast kohlrabenschwarz, die gerade auf die Schultern herabfielen. Seine breiten Backenknochen, das kantige Kinn, der sinnliche Mund, der sich so schnell zu einem hintergründigen Lächeln verziehen konnte. Es mußte Indianerblut in ihm stecken. Sie wußte nicht, wieviel und von welchem Stamm, aber sie hatte solche Haare schon gesehen und wußte um die Gefährlichkeit dieser dunklen Augen. Warum war er hier? Was hatte er vor? Wie konnte sie verhindern, daß er sie für seine Zwecke nutzte?

»Anne!«

Sie hörte ihren Namen zugleich mit dem Klopfen an ihrer Tür. Schnell drehte sie sich um und öffnete. Dulcie stürmte an ihr vorbei, gefolgt von Cocoa, einer großen, eleganten Frau, geformt wie Venus und mit der ebenholzfarbenen Haut einer nubischen Prinzessin. Die beiden Frauen waren mehr als ihre Angestellten, sie waren Freundinnen.

Und ihre Verbündeten gegen Cash Weatherly und die Circle Z-Ranch! Jedes Mittel war recht, um Cash zu bekämpfen.

Ann hatte schon oft daran gedacht, einfach hinaus zur Ranch zu reiten, ein bißchen mit ihren Wimpern zu klimpern, um eingelassen zu werden, und dann den Mann kaltblütig zu erschießen. Doch vielleicht würde sie es nicht schaffen. Sie hatte keine Angst, selbst zu sterben, denn zweifelsohne würde sie für eine solche Tat gehängt werden. Aber es konnte sein, daß man sie daran hindern würde. Oder daß er nicht genug leiden würde.

Nein. Ihr Plan war, ihn völlig zu zerstören. Und wenn sie ihn umbrachte, wollte sie sicher sein, daß er genau wußte, warum er sterben mußte.

Dulcie saß am Fußende des Bettes, während Cocoa genüßlich ausgestreckt auf der Tagesdecke lag und aussah wie eine zufriedene Katze, die gerade den Kanarienvogel gefressen hat.

»Na?« fragte Ann und sah sie nacheinander an. »Habt ihr etwas gelernt?«

»Gelernt, meine Liebe!« rief Cocoa mit ihrer dunklen Stimme.

»Der arme Knabe!« fügte Dulcie mit leisem Lachen hinzu. »Er war völlig überfordert.«

»Er war bereit, uns noch das kleinste Familiengeheimnis zu verraten, das ihm in den Sinn kam«, erklärte Cocoa stolz.

»Wir wußten ja, daß er Revolvermänner angeheuert hat«, sagte Ann. »Aber ...«

»Und wußtest du, daß der Alte wirklich scharf auf dich ist? Ganz ernsthaft. Er war bei Eddies Anwalt, um zu prüfen, ob er über ihn an dein Lokal herankommt. Joey sagte, daß ihn das, was er herausgefunden hat, nur noch wütender gemacht hat. Joey sagt, daß sein alter Mann Frauen benützt wie seinen Kautabak. Er spuckt sie aus, wenn er mit ihnen fertig ist. Aber für dich hätte er ein Faible, ganz egal, wie viele andere Frauen er haben kann, Damen oder Huren.«

Ann war entsetzt. Sie war Cash gegenüber immer vorsichtig und distanziert gewesen. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, daß er herausfand, wer sie wirklich war. Sie hätte niemals gedacht, daß er an ihr interessiert sein könnte.

Aber bis vor kurzem hatte sie auch Eddie, hinter dem sie sich verstecken konnte.

»Fein. Laß ihn nur schmoren«, murmelte sie. Aber im Innern fühlte sie Kälte in sich aufsteigen. Und sie war wütend auf sich selbst. Sie hatte die Zügel schleifen lassen, und dadurch war Cash in der Lage gewesen, mit Eddies Anwalt zu reden. Doch Cash hatte auch nicht erst die Trauer überwinden müssen, die sie nach Eddies Tod überfallen hatte. Er war ein hinterlistiger, grausamer Mann, dem Eddie egal war. Einen Moment lang fragte sie sich, ob etwa in Eddies Testament etwas stehen konnte, das Cash gegen sie einsetzen mochte. Rasch verwarf sie diesen Gedanken wieder. Eddie war kein Dummkopf gewesen. Niemals hätte er sie der Willkür eines Cash Weatherly ausgesetzt. Heute abend noch würde sie den Brief lesen und gleich morgen zu Ralph gehen, um ihre Rechte zu sichern. Doch zunächst gab es Wichtigeres zu tun.

»Was ist mit dem Goldtransport? Habt ihr irgend etwas darüber herausbekommen?«

Cocoa und Dulcie sahen sich an.

»Na?«

Cocoa grinste wieder wie eine Katze. Dulcie zog die Schultern hoch.

»Wollt ihr nicht endlich ...«

»Fünftausend Dollar in Goldmünzen, Annie! Fünftausend Dollar!« rief Dulcie aufgeregt.

»Die Rinderkäufer aus Nebraska haben es Cash heute morgen in seinem Büro ausbezahlt«, fügte Cocoa hinzu.