Find me in Green Valley - Lilly Lucas - E-Book
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Find me in Green Valley E-Book

Lilly Lucas

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Beschreibung

Im romantischen New-Adult-Kurz-Roman »Find me in Green Valley« von Bestseller-Autorin Lilly Lucas zeigt der bodenständige und attraktive Grayson Sarah nicht nur seine Welt, sondern auch, dass es sich für die eigenen Ziele zu kämpfen lohnt. Die 21-jährige Sarah führt ein sorgenfreies und glückliches Leben in der Oberschicht von Chicago, bis ein Skandal ihre Familie erschüttert. Plötzlich steht Sarah vor den Scherben ihrer Träume, und der gute Ruf der Familie ist ruiniert. Sarah wird zu ihrer Tante Allison nach Green Valley in den Rocky Mountains geschickt, bis sich die Wogen geglättet haben. Dort kommt Sarah auf der großen Pferderanch ihrer Tante unter. Sarah tut sich – als echtes Großstadtmädchen – schwer mit dem Leben auf der Farm. Das ändert sich erst, als sie im Outdoor Store von Green Valley die Bekanntschaft mit Grayson macht. Grayson ist ganz anders als Sarah, ein echter Naturliebhaber. Er nimmt Sarah mit in seine Welt, zeigt ihr die Berge, die wilde Naturschönheit der Rocky Mountains … Sarah ist hin- und hergerissen zwischen ihrer und Graysons Welt und überwältigt von den Gefühlen, die sie Grayson gegenüber entwickelt. Doch dann holt sie ihr altes Leben aus Chicago mit Macht wieder ein … Der romantische Kurz-Roman »Find me in Green Valley« ist im Universum der New-Adult-Reihe »Green Valley Love« von Bestseller-Autorin Lilly Lucas verortet, aber unabhängig von der Reihe lesbar. Wenn du noch mehr Zeit in der idyllischen Kleinstadt Green Valley in den Rocky Mountains verbringen möchtest, dann findest du hier einen Überblick über die New-Adult-Reihe »Green Valley Love«: New Beginnings (Lena und Ryan) New Promises (Izzy und Will) New Dreams (Elara und Noah) New Horizons (Annie und Cole) New Chances (Leonie und Sam)

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Seitenzahl: 135

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Lilly Lucas

Find me in Green Valley

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Ein Familienskandal vernichtet von einem auf den anderen Tag Sarahs Zukunftspläne. Um unterzutauchen, flüchtet sie aus Chicago zu ihrer Tante in die Kleinstadt Green Valley in den Rocky Mountains. Dort fühlt sich Sarah zunächst ziemlich fehl am Platz – bis sie auf Grayson trifft. Grayson ist ganz anders als sie, ein echter Naturbursche. Er nimmt Sarah mit in seine Welt, zeigt ihr die wilde Schönheit der Berge, und bald schon hat Sarah heftiges Herzklopfen in Graysons Nähe. Doch dann holt sie ihr altes Leben aus Chicago mit Macht wieder ein …

 

Ein wunderschön romantischer Kurzroman von Bestsellerautorin Lilly Lucas!

Inhaltsübersicht

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

Leseprobe »This could be love«

1.

Als ich aufwachte, war es sieben Uhr. In Green Valley, Colorado. Zu Hause in Chicago war es eine Stunde früher. Und garantiert verkündete dort kein Hahn den Anbruch des neuen Tages – direkt unter meinem Fenster. Stöhnend zog ich mir das Kissen über den Kopf, aber das wütende Krähen wurde immer lauter. Ich richtete mich im Bett auf und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Die Morgensonne tauchte es in warmes orangefarbenes Licht und zeichnete ein Streifenmuster an die Wände. Gitterstäbe, flüsterte eine Stimme im hintersten Winkel meines Kopfs und sorgte dafür, dass ich schlagartig hellwach war. Ich fischte mein Handy vom Nachttisch und rief die Website der Chicago Tribune auf. Den fünften Tag in Folge sprang mir das Gesicht meines Vaters entgegen. Finanzskandal um Clive Montgomery weitet sich aus. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich den Artikel überflog. Anlagebetrug … Schneeballsystem … FBI … Untersuchungshaft. Mit zitternden Fingern wechselte ich zur Chicago Sun-Times. Auch dort hatte es mein Vater wieder auf die Startseite geschafft. Anlagebetrüger Montgomery: Was wusste seine Frau? Wehmut überkam mich, als ich das Foto meiner Eltern sah. Es war letztes Jahr auf der Spendengala des Field Museums aufgenommen worden. Mom trug ihr rotes Valentino und strahlte in die Kamera, und Dad hatte seinen Arm lässig um ihre Taille gelegt und lächelte sie an. Die beiden so zu sehen, glücklich und unbeschwert, fuhr mir wie ein Stachel ins Herz. Ich schloss die Seite und wählte die Nummer meiner Mutter. Selbst unter normalen Umständen wäre sie um diese Uhrzeit längst wach gewesen. Während das Freizeichen ertönte, sah ich sie im Morgenmantel an der Fensterfront unseres Stadtapartments stehen, eine Tasse Kaffee an den Lippen, den Blick auf die Skyline von Chicago gerichtet.

»Sarah«, meldete sie sich mit einer Stimme, so rau wie Sandpapier. »Du bist schon wach?«

»Das Landleben ist nicht so ruhig wie erwartet«, scherzte ich halbherzig, während das Krähen unter meinem Fenster anschwoll. »Mom, ich … hab eben die Schlagzeile in der Sun-Times gelesen.«

Sie seufzte ins Telefon. »Du solltest dir das nicht antun, Kleines. Lies diesen Schmutz einfach nicht.«

Ihr Versuch, mich zu beruhigen, ging ins Leere. »Stehst du denn … unter Verdacht? Wollen sie dich verhören?«

»Nein, die Anschuldigungen sind haltlos. Louis kommt nachher vorbei, um zu besprechen, wie wir dagegen vorgehen.«

Louis war nicht nur der Anwalt meiner Eltern, sondern auch mein Patenonkel und Dads bester Freund seit Yale-Zeiten. Inzwischen vermutlich der einzige, den er noch hatte.

»Mom, soll ich nicht besser zurück …«

»Wir hatten das doch besprochen. Du hilfst Dad und mir am meisten, wenn du aus der Schusslinie bist. Es ist wirklich hässlich hier. Das FBI geht ein und aus, vor dem Haus kampieren Reporter, und das Telefon klingelt ununterbrochen.«

»Dann solltest du erst recht nicht allein sein.«

»Mach dir keine Sorgen. Ich komme klar. Louis tut alles in seiner Macht Stehende, und Diane ist ja auch noch da.«

Fragt sich nur, für wie lange noch. Ich mochte die beste Freundin meiner Mutter, aber auch sie würde sich über kurz oder lang von ihr abwenden. So wie alle meine Freunde das bei mir getan hatten, nachdem herausgekommen war, dass Dad das Geld ihrer Eltern verzockt hatte. Der Einzige, der noch zu mir hielt, war Nate. Der Gedanke an ihn ließ mein Herz schwer werden. Wir hatten uns nicht mehr voneinander verabschieden können, weil er bereits auf dem Weg nach Yale gewesen war, wo wir beide studierten, in meinem Fall studiert hatten. Denn Ivy-League-Unis hatten kein Interesse daran, mit Finanzverbrechern in Verbindung gebracht zu werden. Oder um es in den Worten von Dekan Roth auszudrücken: »Wir würden es begrüßen, wenn Sie freiwillig davon absehen, im Herbstsemester an unsere Universität zurückzukehren, Miss Hayworth-Montgomery.« Während Nate also in den Flieger an die Ostküste gestiegen war, hatte Mom mich auf die Pferde-Ranch ihrer Schwester in Green Valley geschickt, einem kleinen Ort in den Rocky Mountains, der so unbedeutend war, dass man ihn bei Google Maps nur mit Vielfach-Zoom fand. Als Kind hatte ich dort regelmäßig einen Teil meiner Sommerferien verbracht, Ponys gestriegelt, Frösche gefangen und mit meinem Cousin Will Heuballschlachten veranstaltet. Im Teenageralter war meine Begeisterung für das Landleben schlagartig erloschen, und ich war nicht mehr bereit gewesen, auch nur einen Tag meiner Ferien auf vier Netzbalken zu verzichten.

»Wie war denn deine erste Nacht?«, riss Mom mich aus meinen Gedanken. »Hast du gut geschlafen?«

»Ja«, log ich. In Wahrheit hatte ich mich permanent hin und her gewälzt und immer wieder in Gedanken durchgespielt, wie das FBI unser Apartment gestürmt hatte. Wie meine Mom hysterisch mit Louis telefonierte, während ich einfach nur geschockt danebenstand und zusehen musste, wie der Mann, der mich auch mit 21 noch Sarah Bug nannte, in Handschellen abgeführt worden war.

»Ally meinte, du wohnst im Gästezimmer? Da haben Dad und ich früher immer übernachtet.« Ihre Stimme brach, aber sie fasste sich schnell wieder. »Es ist ein hübsches Zimmer, nicht wahr? Und der Ausblick ist ein Traum. Als würde man … auf eins dieser kitschigen Ölgemälde schauen.«

»Ja«, pflichtete ich ihr bei, obwohl ich noch kein einziges Mal aus dem Fenster gesehen hatte. Es war bereits dunkel gewesen, als ich auf der Ranch angekommen war.

»Ich weiß, es ist nicht leicht für dich, Sarah.«

Kurz fragte ich mich, ob sie das wirklich wusste. Ob sie wusste, wie es war, auf eine Ranch im Nirgendwo verbannt zu werden – ohne Freunde, ohne Nate, ohne Dad. Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da schämte ich mich bereits. Meine Mutter ging seit Tagen durch die Hölle, die seelische, gesellschaftliche und mediale Hölle, und ich beschwerte mich, weil sie mich davor bewahren wollte.

»Es ist nur für eine Weile, das verspreche ich dir. Sobald das hier ausgestanden ist, fangen wir neu an.«

Tränen traten mir in die Augen, während ich all die Fragen hinunterschluckte, die mir auf der Zunge lagen. Wie lange ist diese Weile? Wird es jemals ausgestanden sein? Und wer sind wir?

»Ich muss jetzt leider Schluss machen, Kleines. Louis kommt jeden Moment. Wir telefonieren morgen wieder, ja? Und richte Ally und Elias Grüße von mir aus.«

»Mach ich. Ich liebe dich, Mom«, presste ich hervor und spürte, wie sich eine einsame Träne aus meinem Augenwinkel löste und über meine Wange kullerte.

»Ich liebe dich auch.«

Nachdem ich aufgelegt hatte, ließ ich mich zurück ins Kissen fallen und verschränkte die Arme vor den Augen.

»War das Laura?« Tante Ally stand im Türrahmen und musterte mich sorgenvoll. Es war immer wieder verblüffend, wie ähnlich sie und meine Mutter sich sahen.

»Ich mach mir Sorgen. Sie ist ganz allein in Chicago.«

»Kann ich verstehen.« Mit einem mitfühlenden Blick kam sie auf mich zu und setzte sich auf die Bettkante. »Aber deine Mom ist stark. Das war sie schon immer. Und du hast das von ihr geerbt.« Sie nahm meine Hand und drückte sie. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie ihren Morgenmantel trug. Und dass es erst kurz nach sieben war. An einem Sonntag.

»Hab ich dich geweckt? Ich hab zu laut telefoniert, oder?«

Meine Tante machte eine wegwerfende Geste. »Du bist nichts im Vergleich zu Russel Crow.« Auf meinen verständnislosen Blick hin deutete sie zum Fenster, durch das noch immer aggressives Krähen drang.

»Russel Crow?«

»So hat Will ihn mal getauft.« Sie lachte, und ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. »Er und Izzy kommen übrigens nachher zum Frühstück. Sie wollten gestern Abend noch Hallo sagen, haben es aber nicht mehr geschafft.«

Mein Cousin und ich hatten uns das letzte Mal vor ein paar Jahren an Thanksgiving gesehen. Damals war er noch nicht Sheriff von Green Valley gewesen und Izzy nicht seine Freundin, sondern seine beste Freundin. Und Dad kein Betrüger, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf.

»Was hältst du von Pancakes? Die mochtest du doch früher so. Wir haben Blaubeeren im Garten.« Sie zwinkerte mir zu, und ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich nicht den geringsten Appetit verspürte. Dass ich seit Tagen kaum etwas gegessen hatte.

»Klingt gut.«

Kurz darauf war ich wieder allein und ließ die Augen durch den Raum schweifen. Mom hatte recht. Das Zimmer war wirklich gemütlich mit seinen freiliegenden Balken, dem Dielenboden und den massiven Holzmöbeln. Bodentiefe Vorhänge, ein riesiger Fransenteppich mit Webmuster und Kissen mit indigenem Dessin sorgten für passende Akzente. Genau wie meine Mutter hatte auch Tante Ally ein Händchen für Inneneinrichtung – wenngleich das Wohnhaus der Ranch das glatte Gegenstück zu unserem exklusiven Stadtapartment im 41. Stock des Water Tower Place war. Ich schwang die Beine aus dem Bett und öffnete das Fenster. Obwohl das Thermometer hier Ende August noch auf 25 Grad klettern konnte, war die Morgenluft kühl. Sie roch nach Tannennadeln, Wildblumen und Gras, nach Heu und Pferden. Ganz anders als in Chicago, wo die Ausdünstungen der Großstadt alles überlagerten. Ich setzte mich auf die Fensterbank und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Zu Hause hatte ich immer die Skyline von Chicago vor Augen, die reflektierenden Fassaden und schimmernden Glasfronten. Hier hingegen erstreckten sich endlos grüne Weiten, die nur unterbrochen wurden von den Gipfeln der Rocky Mountains. Wie verzuckert ragten sie in den wolkenlosen Himmel. Ich machte ein Foto und schickte es an Mom.

Danach schloss ich das Fenster, lief in das angrenzende Gästebad und stieg in die Dusche. Während das Wasser meine Muskeln massierte, schweiften meine Gedanken zu Dad. Ob sie ihn dort, wo er jetzt war, heiß duschen ließen? Alles, was ich zum Thema Untersuchungshaft wusste, stammte aus Hollywoodfilmen und Netflix-Serien. Wahrscheinlich drängte sich mir deswegen so hartnäckig das Bild von ihm in einem orangefarbenen Overall mit Fußfesseln in den Sinn. »Gott, Dad, was hast du nur getan?«, flüsterte ich und ließ die Stirn gegen die kühlen Fliesen sinken. Die widersprüchlichsten Gefühle tobten in meiner Brust. Ein Teil von mir wollte ihn nie wiedersehen, nie wieder in sein Gesicht blicken oder seine Stimme hören müssen. Ein anderer Teil zwang mir am laufenden Band Erinnerungen auf. Mein Vater, der mir eine Gutenachtgeschichte erzählte, mich auf seinen Schultern trug und mir ein Eis am Navy Pier kaufte. Ich tastete nach dem Regler und stellte das Wasser ab, als könnte ich auf diese Weise auch den Film in meinem Kopf stoppen.

Ein Handtuch um den Körper gewickelt, betrachtete ich mich kurz darauf im Spiegel. Meistens fand ich das, was ich dort sah, echt okay. Die langen blonden Haare, die veilchenblauen Augen, die dichten Wimpern, die hohen Wangenknochen. Heute jedoch blickte mir ein blasses Wesen mit Augenringen entgegen. Ein klägliches Abbild meiner Selbst. Als könnte ich die Realität nicht ertragen, wandte ich mich ab und putzte mir die Zähne.

Der Duft von gebratenem Speck und buttrig-süßen Zimtschnecken drang an meine Nase, als ich nach unten lief.

»Vielleicht könnt ihr sie ja mal mit ins …« Tante Ally verstummte, als ich das Esszimmer betrat.

»Hey! Da ist ja meine Lieblingscousine«, überspielte Will den peinlichen Moment, kam auf mich zu und umarmte mich so überschwänglich, dass ich kurz vom Boden abhob.

»Du hast nur eine«, erwiderte ich mit einem schwachen Schmunzeln.

»Und wenn ich zehn hätte … Du wärst meine erste Wahl.« Er zwinkerte, und seine Freundin Izzy verdrehte die Augen.

»Hey Sarah! Schön, dich mal wiederzusehen«, sagte sie lächelnd. Mit ihren auffallend blauen Augen und den weißblonden Dreads, die fast ihre Taille berührten, war Izzy eine Frau, nach der man sich umdrehte, wenn man sie auf der Straße sah. Wobei man ihr hauptsächlich auf der Skipiste begegnete, wo sie als Snowboardlehrerin einen Großteil ihrer Zeit verbrachte.

»Hat hier jemand Blaubeeren bestellt?«, ertönte eine dunkle Männerstimme hinter mir. Mit einer Schüssel in der Hand betrat mein Onkel das Esszimmer und wünschte uns allen einen guten Morgen.

»Wer möchte Kaffee?«, eröffnete Tante Ally das Frühstück, nachdem wir Platz genommen hatten.

Gläser wurden mit Orangensaft gefüllt, Teller mit Pancakes, Zimtschnecken, Rührei oder Bagels. Besteck klapperte, Tassen klirrten, und munteres Gelächter erfüllte das Esszimmer. Will und mein Onkel rekapitulierten das Spiel der Broncos vom Vorabend, und Izzy und Tante Ally unterhielten sich über das Pumpkin Festival, das in naher Zukunft in Green Valley stattfinden sollte. Ungewohnt teilnahmslos verfolgte ich das Geschehen um mich herum und lauschte nur mit halbem Ohr den Gesprächen. Nicht weil sie mich nicht interessierten, sondern weil mich die Abwesenheit meiner eigenen Familie fast körperlich schmerzte. Das hier hätten wir sein können. Mom, Dad und ich. Das hier waren wir einmal gewesen.

»Sarah?«

»Hm?«, fragte ich und errötete, als ich sah, dass alle Augen auf mich gerichtet waren.

»Ob du am Freitag mit Izzy und mir ins Olly’s willst.«

»Das ist die Sportsbar von Izzys Bruder«, klinkte sich meine Tante ein. »Sie ist sehr beliebt bei jungen Leuten.«

»Na ja, hauptsächlich weil es keine Alternativen gibt«, bemerkte Izzy mit sympathischer Ehrlichkeit. »Das Olly’s ist die einzige Bar in Green Valley. Aber die Musik ist gut, und die Burger sind echt lecker.«

»Äh …«, stammelte ich und suchte nach einer Ausrede. Abgesehen davon, dass ich Sport lieber selbst machte, als ihn mir auf einem Bildschirm anzusehen, war mir eher danach, mich in meinem Zimmer zu verkriechen und die Welt auszublenden. »Nate kommt am Wochenende zu Besuch«, fiel mir gerade noch rechtzeitig ein.

»Den kannst du doch mitnehmen. Ich wette, er hat noch nie einen besseren Burger bekommen«, entgegnete Will.

Ich lächelte gepresst, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, dass Nate in meiner Gegenwart jemals einen Burger gegessen hatte. Er folgte einem strengen Ernährungsplan und trainierte mehrmals die Woche im Fitnessstudio, um seinen Platz als Angreifer im Lacrosse-Team der Uni zu verteidigen.

»Wie lange seid ihr schon zusammen?«, fragte Izzy.

»Eineinhalb Jahre.«

Ihr Blick wurde mitfühlend. »Ist sicher nicht leicht, so weit voneinander getrennt zu sein.«

»Ja«, raunte ich, und ein sehnsuchtsvoller Stich durchzuckte mich.

»Du weißt ja, er ist hier jederzeit willkommen«, versicherte mir meine Tante mit einem aufmunternden Lächeln.

 

Nate hatte sich immer noch nicht auf meine letzte Sprachnachricht gemeldet, stellte ich nach dem Frühstück fest. Kurz schwebte mein Finger über dem Instagram-Icon, aber ich ahnte, dass mich dort nicht nur Selfies von meinem Freund erwarteten, sondern weitere Droh- und Hassnachrichten. Seit der Verhaftung meines Vaters machten mich täglich Menschen für seine Fehler verantwortlich, beschimpften mich und wünschten mir den Tod. Sie nannten mich eine Diebin, eine Betrügerin und Schlimmeres. Es war nicht so, dass ich sie nicht verstehen konnte. Für sie war ich die Tochter des Mannes, der ihr Vermögen und ihre Ersparnisse verzockt hatte, ihre Rücklagen und Altersvorsorgen. Der ihre Kinder um die College-Ausbildung gebracht hatte, ihre Eltern um den Platz in der Seniorenresidenz. Und trotzdem wünschte ich mir, sie würden kapieren, dass er nicht nur ihr Leben zerstört hatte, sondern auch meins.

2.

Nachdem ich den Sonntag hauptsächlich in meinem Zimmer verbracht hatte und auch am Montagvormittag nichts Besseres mit mir anzufangen wusste, als zu betrauern, dass das neue Semester ohne mich begann und mein Freund sich immer noch nicht gemeldet hatte, klopfte Onkel Elias an meine Tür.

»Sarah, kann ich dich um etwas bitten?« Kurz huschten seine Augen zu meinem unausgepackten Koffer. »Ich muss was im Outdoor Store abholen, erwarte aber noch einen Züchter. Kannst du schnell für mich hinfahren?«

»In den Outdoor Store?«, erwiderte ich und klang in etwa so, als hätte er mich gerade gebeten, in ein vermintes Kriegsgebiet zu reisen.

»Du würdest mir damit einen Riesengefallen tun.«

»Okay«, antwortete ich zögerlich.