Flausereien - Peter Faszbender - E-Book

Flausereien E-Book

Peter Faszbender

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Beschreibung

Abseits des Mainstreams: eine Sammlung ungewöhnlicher, humorvoller und schräger Geschichten. Der Autor Peter Faszbender lässt in seinem zweiten Kurzgeschichtenband seine Flausen einmal mehr aus dem Kopf und in die Welt hinaus, frei nach dem Motto: Wenn es schlimmer kommen kann, dann wird es das auch tun. Wie in seinem Band "Advent, Advent ... - Im Schatten der Besinnlichkeit" bedient er sich auch hier vieler genre und lässt sich diesbezüglich nicht einschränken. Hauptsache: humorig, schräg oder böse. Gerne auch alles zusammen. Es geht um Themen, die eigentlich alles andere als lustig sind. Trotzdem oder gerade deswegen wird der geneigte leser nicht vermeiden können, zu schmunzeln, zu glucksen und manchmal sogar laut zu lachen. Neben der fiktiven Geschichten sind auch wahre Begebenheiten beschrieben, denn manchmal muss man nur mit offnenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und das Leben erzählen lassen ... Es ist eine perfekte Lektüre für einen entspannten Abend auf der Couch oder für eine kurze Pause zwischendurch, überall dort, wo man sich mal eine Auszeit von der Realität gönnen will. Also, lasst den Alltag und Sorgen hinter euch und startet zu einer humorvollen Reise.

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Seitenzahl: 97

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Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit

Verunfallt

Spontanlesung

Ja, Schatz!

Exotischer Tee

Morgengrauen

Hochzeitsmorgen

Abwärts

Auswärtige Fauna

Befreiung

Blumenträume

Offenbarung

Endrunde

Totes Rennen

Coulrophobie

Das Zittern hinter der Ananas

Exotisches

Ruchlos

Haute Couture

Lösegeld

Fügung

Nicht die Nachtigall …

Zuletzt lachend

Am Ende

Stockholmer Szenen

Mediterrane Auszeit

Jugend musiziert

Trampel im Musentempel

Zum Geleit

Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, Interaktionen von Menschen wahrnimmt, dabei den Gedanken die Freiheit gibt, sich zu entfalten, dann bricht die Fantasie zu mancherlei wunderlichen Reisen auf. Dabei sind meine Grundfragen nicht: Was kann sich daraus Faszinierendes entwickeln? Was wäre ein schönes Happy End? Wie bringe ich die Welt in Ordnung? Sondern: Was könnte in solchen Konstellationen, Szenen, Ereignissen etc. alles geschehen und sich zeigen, was nicht gewöhnlich ist? Insbesondere mit Figuren, die nicht ganz so ticken, wie man es als normal ansehen würde – was auch immer normal ist.

Auf den nächsten Seiten erwartet den geneigten Leser ein bunter Strauß von kurzen, schrägen, grotesken, bösen, humorigen Geschichten, die aus dem wirklichen Leben sein könnten, wenn man auf die falschen Leute trifft. Und was ist unterhaltsamer, befriedigender und entspannter, als wenn es die anderen trifft, während man mit einem guten Getränk seiner Wahl an einem angenehmen Ort seinem Kopfkino freien Lauf lassen kann?

Aber auch drei Begebenheiten aus dem wahren Leben sind enthalten, wo ich, der Autor, zugeschaut habe, das Erlebte auf Papier fließen ließ und meine Gedanken dazu ergänzt habe. Abgespielt hat sich das alles in der schwedischen Kapitale, und so sind diese Begebenheiten hier unter der Überschrift »Stockholmer Szenen« zusammengefasst und abgedruckt.

Bleibt mir nur noch, allen Lesern gute Unterhaltung zu wünschen, mit den fiktiven Erzählungen ebenso wie mit den drei erlebten Begebenheiten …

Verunfallt

»Kommt leider immer wieder vor, die Leute sind ja auch so unvorsichtig«, sagt der Notfallarzt über die Leiche gebeugt.

»Haushaltsunfall?« Der Kommissar schaut den Arzt ungläubig an. »Sind Sie sicher?«

Doktor Stein steht auf und wendet sich dem Kriminalbeamten zu. »Sicher, sieht man doch auf den ersten Blick, die Frau war beim Putzen.«

Kommissar Gerol atmet tief durch. »So weit gehe ich ja noch mit Ihnen, aber man muss doch auch die äußeren Umstände mitberücksichtigen.«

Der Arzt zuckt mit den Achseln. »Auch unter Berücksichtigung der äußeren Umstände ist die Frau tot …«

»Das steht außer Frage, Doktor Stein. Aber wie schaut es mit einer etwaigen Fremdeinwirkung aus?«

»Kommissar Gerol, mir ist ja schon klar, dass es Ihr Job ist, alles zu hinterfragen. Aber hier, wie schon gesagt, sieht man doch auf den ersten Blick, dass es bei der Hausarbeit passiert ist. Nur weil in Ihrem Dienstbezirk keine Morde geschehen, muss man ja keinen mit aller Gewalt konstruieren.«

Der Kommissar schaut den Arzt einen Moment schweigend an. »Ist so etwas in Ihrer Praxis als Mediziner schon öfter vorgekommen?«

»Diese Todesart? Na sicher, das kommt immer wieder mal vor …«

»Ich meine natürlich die Umstände, die zum Tod führten.«

Mit einer verlegenen Geste murmelt Doktor Stein: »Jeder Fall ist gewiss etwas anders, aber so in groben Zügen kommt das immer mal vor, und gerade diese dummen Haushaltsunfälle sind auf ihre Weise jeweils unterschiedlich. Eben auf ihre eigene blöde Art, fast lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre.«

»Und Sie glauben, im rechtsmedizinischen Institut wird man das genauso sehen?«, fragt der Kommissar skeptisch nach.

Doktor Stein nickt kräftig mit dem Kopf. »Mein Schwiegerpapa dort wird das nicht anders sehen, weder wollen noch können.«

Kommissar Gerol runzelt die Stirn. »Nun gut, also ein Haushaltsunfall.« Er kritzelt in sein Notizbuch. »Ihre Schwiegermutter ist also bei Reinigungsarbeiten im Putzeimer ertrunken.«

Spontanlesung

Er winkt würdevoll den verwundert und irritiert dreinblickenden Besuchern zu, als er mit seinen abgewetzten Klamotten den Raum betritt und zu dem als Bühne dienenden Tisch schreitet.

»Hallo, Katalin.«

Sie schaut von ihrem Manuskript hoch. »Da bist du ja endlich.«

»Ist doch noch genügend Zeit, zudem kommt der Star des Abends immer etwas später.« Er winkt wieder zum Publikum, das ihm weiterhin keinerlei Beachtung schenkt.

»Absprechen sollte man sich trotzdem vorab ein wenig. Außerdem würde ich die Lesung gerne mal etwas anders gestalten, etwas spontaner.«

Er verdreht die Augen. »Und wie stellst du dir das so vor?«

»Ich lese deine Texte vor und du meine …«

»Und warum fällt dir so ein Blödsinn immer erst kurz vor Beginn einer Veranstaltung ein, Katalin?« Vasco van der Valk lässt seine in die Jahre gekommene, abgescheuerte Lederumhängetasche auf den Tisch knallen.

Katalin Bucher flötet: »Ich bin halt kreativ und spontan …«

»Aha, wobei denn? In deinen vorhersehbaren Texten doch wohl eher nicht. Kreatives Marketing vielleicht?« Er setzt sich neben sie und packt lachend seine Texte aus.

»Das nennt sich schöpferisch-individueller Stil mit hohem Wiedererkennungswert, aber woher soll ein anarchistischer Worte-Choleriker so etwas wissen.« Sie zieht eine blutrote Kladde aus ihrer blauen Hermès-Shopping-Bag heraus.

Er schnaubt abfällig. »Ohne meine Fangemeinde würde sich doch niemand für deine Bücher interessieren. Was du hier verkaufst, ist doch reines Mitleid von meinen treuen Anhängern. – Sie selbst werden diesen Schund sicher nicht lesen, vermutlich haben sie damit an Weihnachten ihre gesamte Verwandtschaft versorgt und somit nachhaltig verärgert.« Er schaut auf das Publikum, das zwischenzeitlich die Sitzplätze im Saal fast vollständig besetzt hat. »Der Gedanke daran erfüllt mich mit Trauer, mit tiefer, tiefer Trauer …« Schwer atmend sackt er ein wenig auf seinem Stuhl zusammen.

Katalin läuft puterrot an. »Pah, ohne die Prozente, die du von meinen Buchverkäufen bekommst, wärst du doch schon längst verhungert, Karl-Heinz Störpelberg.«

»Karl-Heinz Störpelberg gibt es schon lange nicht mehr. Ich bin Vasco van der Valk, Künstler, Gelehrter, Universalliterat, zudem dein äußerst erfolgreicher Manager.«

Katalin blafft ihn an: »Von wegen, was kommt denn von dir? Nur blöde Sprüche, sonst nichts.«

»Wir haben einen Vertrag, du hast unterschrieben – alles ganz legal und völlig korrekt.« Zufrieden lächelnd dreht er seine Daumen vor dem Bauch. »Nach dem Vertragsabschluss kam dein Erfolg, was willst du mehr?«

Sie presst heraus: »Wenn du mir den Verlagsvertrag nicht unterschlagen hättest, wärst du nie mein Manager geworden.«

Er schaut sie entspannt an. »Unterschlagen? Ich sollte mich doch kümmern und ich habe mich gekümmert. Wenn du keine Lust auf meine Dienste hast, kannst du mich ja ausbezahlen – wie vertraglich vereinbart. Ansonsten läuft alles weiter wie bisher … weiter und weiter.«

»Alles hat irgendwann mal ein Ende, mein Lieber …«

»Sicher, wenn du das hundertste Buch geliefert hast. Fehlen ja nur noch 83.« Er nimmt einen kräftigen Schluck aus der bereitstehenden Teetasse. »Puh, was ist das denn schon wieder für ein Gebräu?«

»Ein gerösteter japanischer grüner Tee, pikant und nussig im Geschmack. Mit einem langen Abgang.« Sie riecht an ihrer Tasse und trinkt ein wenig von dem Sud.

Er schüttelt sich. »Na ja, so kann man die bittere Brühe auch beschreiben …«

»Zurück zu unserer Lesung hier, Vasco. Was hast du denn heute dabei, Kurzgeschichte oder Essay?«

»Nein, heute ist mal wieder Prosagedicht-Abend.« Er schiebt ihr den Text rüber.

»Oh Gott, auch das noch …« Sie massiert sich die Schläfen.

Er lacht genüsslich. »Du hast die große Ehre, es vortragen zu dürfen.« Er schaltet das Mikrofon an. »Liebes Publikum, herzlich willkommen zu unserer heutigen Lesung. Katalin Bucher hatte die Idee, dass wir heute die vorzulesenden Texte tauschen. Beginnen wir also sogleich mit meinem ersten Text, vorgetragen von Katalin.« Er dreht das Mikro zu ihr.

»Auch ich wünsche allen einen wunderschönen Abend. Wir beide werden heute spontan die Texte des anderen lesen, alles ohne vorherige Probe und ohne die Texte zu kennen. Vasco van der Valk hat für heute ein Prosagedicht vorbereitet.« Katalin greift sich den Text und liest den Titel vor: »Massenmord!« Sie schließt die Augen und lässt den Kopf sinken, nach einem kurzen Moment des Innehaltens beginnt sie das Werk vorzutragen:

»Massenmord

Aufgezogen, herangezüchtet über Jahre

Selektiert, gemeuchelt – Abtransport

Feilgeboten, verkauft, verschleppt

Fixiert mit eisernen Krallen

Unwürdig drapiert und ausgestellt

Malträtiert mit Klängen und Gesängen

Gebraucht – verbraucht – verstoßen

Jung, so jung gerissen aus dem Leben

Warum? Für wen? Für was?

Tot – Millionen Jahr für Jahr

Weggeworfen, verrottend in Wind und Wetter

Menschheit – Menschenkinder!

Macht euch die Erde nicht untertan!

Schaut auf die klägliche Kreatur!

Schaut auf ihn im Dreck

Dort im Unrat, fast vergessen

Schaut nicht weg, schaut auf ihn

Den massakrierten Weihnachtsbaum.«

Katalin hält sich beide Hände vor das Gesicht und schüttelt den Kopf. Das Publikum blickt entsetzt, starr und schweigend auf die beiden. Nur eine junge Frau klatscht voller Begeisterung und Euphorie Beifall.

Vasco springt auf, schreitet langsam vor den Tisch und verbeugt sich mehrmals lange und tief. »Danke meine lieben Freunde, danke, danke.« Mit beschwichtigenden Gesten beider Hände scheint er das bereits verstummte, regungslose Publikum beruhigen zu wollen. »Keine Sorge, nach einer kleinen Intermission mit einem Text von Katalin Bucher dürft ihr euch auf ein weiteres neues Werk von mir freuen.« Katalin sitzt mit verschränkten Armen und verbissenem Gesicht am Tisch, Vasco gesellt sich wieder zu ihr und beginnt zu lesen:

»Schwer wabert der dicke Nebel durch die Straßen und Gassen Londons. – Mal wieder«, ergänzt Vasco.

Katalin stößt ihm den Ellenbogen in die Rippen und zischt: »Du sollst nur lesen, was da steht.«

Er massiert sich kurz seine Seite und liest weiter:

»Der junge Earl of Desmond begibt sich nach seinem ausgiebigen Nachtmahl in den Salon und setzt sich in seinen mit purpurnem Samt bezogenen Sessel. Butler James serviert ihm auf dem kleinen Mahagoni-Beistelltisch eine Tasse Tee.

›Bitte sehr. Haben Euer Lordschaft noch weitere Wünsche?‹

›Danke, James.‹ Er nimmt einen kräftigen Schluck aus der bereitstehenden Teetasse. ›Puh, was ist das denn schon wieder für ein Gebräu?‹

›Ein gerösteter japanischer grüner Tee, pikant und nussig im Geschmack. Mit einem langen Abgang‹, führt James aus.

›Na ja, so kann man die bittere Brühe auch beschreiben …‹ Er schüttelt sich.«

Vasco schaut kritisch auf seine Teetasse, dann auf Katalin, in deren entspanntem Gesichtsausdruck ein Lächeln durchscheint, und liest weiter.

»Der Earl of Desmond leert die Tasse zügig und schüttelt sich nochmals kräftig. ›James, bringen Sie mir künftig wieder meinen gewohnten Abend-Tee.‹ Er stellt die Tasse ab. ›Diese Experimente sind nichts für mich – wie gesund es auch sein mag oder soll. Diesen Tee können Sie den Bediensteten zur Verfügung stellen.‹ Der Butler nimmt mit einer leichten Verbeugung die Tasse auf.

›Ich brauche Sie heute nicht mehr, James, Sie können sich zurückziehen.‹

›Danke, Mylord, wünsche eine gute Nachtruhe.‹ James verlässt den Raum. Desmond vertieft sich in seine Abendlektüre, als plötzlich sein Kopf erst stellenweise, dann gänzlich rot anläuft, er ringt röchelnd um Luft, fällt aus dem Sessel und macht nach einigen Minuten des Kampfes zwischen Leben und Tod den altehrwürdigen Grafenstuhl frei für seinen Nachfolger.«

Vasco legt den Text beiseite und atmet schwer, erste rote Flecken in seinem Gesicht vereinigen sich zu einem flächendeckenden Kirschrot, röchelnd rutscht er von seinem Stuhl und bleibt nahezu bewegungsunfähig hinter dem Tisch liegen.

Katalin Bucher schreit in das hektisch-unruhige Publikum: »Einen Arzt, schnell, ruft einen Arzt!« Sie beugt sich zu Vasco hinunter und flüstert ihm ins Ohr: »Das hast du nicht vorhergesehen, Karl-Heinz Störpelberg.«

Leise keuchend murmelt er: »Karl-Heinz Störpelberg ist seit Langem tot, es gibt nur Vasco van der Valk.« Er verstummt und bleibt reglos liegen.

Katalin schlägt ihm freundschaftlich auf die Wange. »Vasco van der Valk ist jetzt aber auch nicht mehr …« Sie drückt ihm die Augen zu, lässt Vascos Tasse in ihre Tasche gleiten, stellt eine neue auf den Tisch und verschwindet im Trubel um den eintreffenden Notarzt und die Sanitäter aus dem Saal.

Ja, Schatz!

Er hastet voraus. »Schnell, da sind noch zwei Plätze frei.«