Advent, Advent ... - Peter Faszbender - E-Book

Advent, Advent ... E-Book

Peter Faszbender

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Beschreibung

Advent, Advent Besinnliche Zeit? Was zumeist beschworen und wie ein Banner vorangetragen wird, das spiegelt selten die Realität. Was tatsächlich vor dem Fest der Liebe angesagt ist, sind: Stress, Streit, Gewalt, Hektik, Panik, maßlose Forderungen, unfinanzierbare Wünsche usw. Zusammengenommen gute Gründe, um sich spätestens am Weihnachtsfest zu verkriechen und die Tage bis Neujahr alleine und in Ruhe entspannt zu verleben. Dies wird aber nur den Wenigsten vergönnt sein. In diesem Buch sind Geschichten aus und um die Adventszeit gesammelt, die zeigen: Es kann alles noch viel schlimmer kommen. Also Kopf hoch, genießt die angenehmen Momente und schönen Augenblicke. Frohes Fest!

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Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit ...

Krisensitzung

Adventsspaziergang

Disharmonie

Heimweh

Hauskauf

Überraschung

Adventssamstag

Schreie im Morgengrauen

KITA-Spätbetreuung

Leichen fliegen nicht

Garten Eden

Arbeitskampf

Familienbande

Wunderland

Bis aufs Blut

Weihnachtsmodus

Spätschicht

Bretter, die die Welt bedeuten

Mit Schuss

O Tannenbaum

Feuerabend

Weihnachtswunsch

O du Gnadenreiche ...

Warenströme

Geisel

Irgendwas ist immer ...

Zum guten Schluss

Zum Geleit …

… plötzlich war er wieder da!

Advent. Adventus Domini, Ankunft des Herrn. Die Adventszeit beginnt am Vorabend des ersten Advents mit der Vesper. Alle Jahre wieder, und alle Jahre wieder zur gleichen Zeit, ist das Weihnachtsfest am 25. Dezember. Optimale Voraussetzungen, um die besinnliche Zeit zur Vorbereitung zu nutzen. In vielen Familien gibt es feste Bräuche, feste Rituale, feste Abläufe. Nichts Unvorhersehbares vorstellbar, kein Planungsbedarf gegeben, alles geregelt? Somit könnte der Advent seiner Bestimmung nach entspannt und besinnlich genutzt und gelebt werden … In einer idealen Welt vielleicht, aber werfen wir doch mal einen Blick auf Situationen, wo es nicht »normal« läuft. Auf den Irrsinn festtäglicher Vorbereitungen …

Krisensitzung

Er schlägt auf den Küchentisch und schreit: »Jetzt ist aber mal gut. Jedes Jahr die gleiche Diskussion, ich kann es nicht mehr hören. Einmal, ein einziges Mal kannst du doch nachgeben!«

Sie verschränkt die Arme über der Brust und starrt ihn mit versteinerter Miene an. Er sinkt zurück in den Stuhl.

»War’s das jetzt mit dem Egotrip für heute, Horst?«

»Red nicht mit mir, als wäre ich ein kleines Kind, Sabine. Ich bin der Mann im Haus und als Haushaltsvorstand …«

»Der Mann in meinem Haus, mein Lieber«, unterbricht sie ihn.

»Unser Haus, Schatz«, presst er heraus.

»Das Grundbuch sieht das etwas anders«, erwidert sie spitz.

»Wenn wir uns jetzt in juristischen Kleinigkeiten verzetteln, werden wir unser Problem nie lösen«, nörgelt er.

»Ich habe kein Problem, Horst. Jeder macht sich seine Probleme selbst. Ich habe die Lösung, wir machen es so, wie von mir vorgeschlagen, und alles ist gut. Keine Probleme, kein Streit. – Harmonie pur.«

»Meine Mutter hat jedes Jahr …«

»Deine Mutter ist seit drei Jahren tot. Und auch als sie noch lebte, war es lächerlich, nach über zehn Jahren Ehe immer noch das Muttersöhnchen zu spielen.« Sie lacht gequält auf. »Meine Mamma hat das aber immer anders gemacht. Mamma hat das aber nie getan. Mamma würde das jetzt aber für mich tun«, fügt sie mit quengeliger Stimme hinzu.

»Es ist noch keine drei Jahre her, dass meine Mamma nicht mehr unter uns ist, und du wagst es, dich lustig zu machen?«, schnaubt er.

»Oh, habe ich das sensible Seelchen des Waisenkindes beschädigt? Was hätte Mutti denn jetzt für ihren Kleinen gemacht?«

Er springt auf. »Mach dich nur lustig, Sabine, gerade du!«

»Was soll das denn schon wieder heißen?«

»Na was schon, Pappas Prinzesschen musste doch nie einen Handschlag tun, alles wurde für dich erledigt. Deine Mutter kann einem richtig leidtun.«

»Das ist ja wieder logisch, dass du dich auf die Seite meiner Mutter schlägst. Einmal Muttersöhnchen, immer Muttersöhnchen!«

»Es trifft mich zutiefst, wenn es eurer Hoheit nicht beliebt. Aber die Tage des verwöhnten Nesthäkchens und der Prinzessin, die man auf Händen trägt, sind vorbei, endgültig vorbei. Jedenfalls in diesem Haus.« Er lässt sich wieder auf seinen Stuhl fallen.

Langsam und ruhig führt sie aus: »Ich hatte und habe keineswegs vor, hier in meinem Haus die Monarchie einzuführen, aber ein gewisses Entgegenkommen und vor allem Respekt habe ich unter meinem Dach schon verdient.« Auf dem Küchenstuhl thronend, nickt sie ihm würdevoll zu.

»Ich habe mehr als genug von meinem sauer verdienten Geld in das Haus hier gesteckt, Sabine«, presst er leise heraus.

»Das ist ja auch das Mindeste. Wenn ich bedenke, wie lange du hier schon mietfrei wohnst, dann sind die paar kleinen Schönheitsreparaturen doch das Geringste, was ich als Besitzerin des Anwesens verlangen kann. Und es ist ja auch nicht so, dass ich nichts bezahlt habe, um das Haus über die Jahre zu unterhalten …«

»Du und bezahlen? Dein Vater hat dir das Geld doch immer hinten und vorne reingesteckt. Hast du einen selbst verdienten Euro hier in das Haus oder in unsere Ehe eingebracht?«

»Ich sehe nichts Verwerfliches darin, wenn mir mein Vater während des Studiums ein wenig unter die Arme greift. Das ist ja auch nichts Ungewöhnliches, Eltern machen so was.«

»Fünfunddreißig Semester Philosophiestudium sind ja auch keine Zeit, man will das Prinzesschen ja zu nichts drängen.«

»Philosophie ist eine jahrtausendealte Wissenschaft, um nicht zu sagen, seit der Mensch denken kann. Das geht nicht so schnell von der Hand wie eine Buchhalterlehre«, säuselt sie.

Er verzieht das Gesicht. »Ich bin staatlich geprüfter Betriebswirt, das weißt du ganz genau.«

»Was auch immer, Schatz, jedenfalls hängst du jahrein, jahraus in der Buchhaltung ab und verstaubst.«

»Zumindest bin ich produktiv!«

»Na ja, von mir aus, nennen wir es produktiv. – Ich denke mal, wenn dein Chef, der Besitzer des Unternehmens, kommt und einen Wunsch äußert, dann versuchst du doch sicher, das möglich zu machen, oder?« Sie lächelt ihn verschmitzt an.

»Du bist nicht mein Chef«, entgegnet er.

»Wie man’s nimmt, aber sei’s drum – bevor du dich deswegen schon wieder künstlich aufregst. Zurück zum Thema, was machen wir denn jetzt?«

Er starrt sie an, atmet tief durch. »Wie immer?«

»Och, Horst, das ist doch nicht dein Ernst?«

»Wenn wir doch sonst keine Lösung finden …«

»Okay«, sie lässt den Kopf sinken und kritzelt auf den Zettel vor sich. »Heiligabend: Kartoffelsalat und Würstchen.«

Adventsspaziergang

»Warum hast du denn diese grelle orange Weste an, Paul?«, fragt sie, als die beiden vom Parkplatz aus in den Wald spazieren.

»Das trägt man jetzt so, Petra.«

»Und warum habe ich dann nicht so eine Weste?«

»Wie gesagt, Mann trägt das jetzt«, sagt er und lacht.

»Frau gewandet sich dann wohl zurzeit in Felloptik – oder warum hast du mir dieses Fake Fur hier gekauft, Paul?« Sie streicht den Webpelz glatt.

»Das kommt doch nie aus der Mode«, murmelt er. »Und wenn doch, ist es ruckzuck wieder modern, was für immer halt.«

Sie schüttelt den Kopf. »Ich werde bestimmt nicht für den Rest meines Lebens in dem braunen Zeug herumlaufen«, presst sie heraus.

»Warten wir es ab«, brummt er leise.

»Was hast du gesagt, Paul?«

»Nichts, Liebelein. Ich meine nur, du solltet die Sachen nicht immer gleich wegwerfen, wenn sie mal gerade nicht mehr ›in‹ sind«, schiebt er schnell nach.

»Nur weil du mit deinen drei Jeans durchs Leben kommst, muss ich ja nicht herumlaufen wie in den siebziger Jahren«, ätzt sie zurück.

»Ganz wie du meinst, Schatz«, flötet er. »Da lang, Petra.« Er deutet ins Dickicht.

»Warum sollen wir den Weg verlassen, Paul?«

»Wenn man die winterliche Natur richtig erleben will, dann darf man nicht die eingetretenen Pfade nehmen. Geh mal vor, Liebchen, damit du nicht verloren gehst«, sagt er und schubst seine Frau vor sich her.

»Ich weiß doch gar nicht, wohin …«

»Egal, Petra, die Natur ist überall, da gibt es keine falsche Richtung.«

Sie stolpert durch das Gehölz. »Unter einem Adventsspaziergang verstehe ich aber etwas anderes. Das hier macht keinen Spaß, Paul, außerdem dämmert es schon, und was ist das überhaupt für eine Knallerei?«

Er tapert mit einigem Abstand hinter ihr her. »Das kommt bestimmt von der Autobahn, im Wald hört man den Lärm immer gut, ohne die ganzen Zivilisationsgeräusche schallt der weit in die Natur.«

»Das soll von Autos kommen?«, fragt sie zweifelnd.

»Doch, doch, durch die Bäume verändert sich die Geräuschkulisse immer etwas«, ruft er zu ihr nach vorne.

»Pah, wenn du keine Ahnung hast, Paul, dann erzähl wenigstens nicht so einen Mist. Bäume verändern die Geräusche, tze tzetze …« Sie rennt weiter geradeaus. In immer weiterem Abstand folgt Paul ihr langsam. Endlich kommt sie aus dem Wald heraus und läuft auf einer ausgedehnten Wiesenfläche hin und her. »Paul, wohin denn jetzt?«

Von dem Hochstand auf der anderen Seite der Freifläche peitschen zwei Schüsse, Petra wird von einem niedergestreckt und sinkt stumm zu Boden.

Paul beobachtet die Szene aus dem Wald heraus ruhig und reibt sich die Hände: »Dieses Jahr werde ich ein sehr schönes und sehr frohes Weihnachtsfest haben …«, murmelt er, dreht sich fröhlich lachend um und marschiert Richtung Parkplatz. Lautes Quieken schreckt ihn auf, beim Versuch, die Geräusche zu lokalisieren, erkennt er eine durch die Schüsse aufgeschreckte große Wildschweinrotte, die ihn niedertrampelt und wieder im dichten Wald verschwindet.

Disharmonie

»Nein, nein, nein, nein«, schreit Friedrich. »So nicht, ich kann so nicht arbeiten!«

Clara stöhnt auf: »Jetzt mach mal halblang, so schlecht war das doch nicht …«

»Nicht schlecht? Nicht schlecht, sagt sie … Ich kann so nicht arbeiten!«

»Wie wär‘s, wenn wir für heute Schluss machen?«, wirft Sven ein. »Das bringt doch nichts mehr. Was nach fünf Stunden nicht klappt, das wird auch nach sechs Stunden nichts.«

»Ah ja, der Herr«, entgegnet Friedrich. »Ist das jetzt die Grundlage für unsere Arbeit? Nicht so schlecht und wenn’s nicht klappt, klappt‘s halt nicht – verschieben wir’s auf morgen?«

»Ja – nein, aber man muss sich doch auch mal eine Pause gönnen«, sagt Sven.

»Da hat der Junge recht«, stimmt Clara zu.

»In einem Familienbetrieb gibt es keine Pausen oder Feierabend, das Unternehmen ist Teil der Familie, was sag’ ich, es ist die Familie. Es ist Hingabe, Passion …«

»Obsession«, ergänzt Sven.

Friedrich lässt den Kopf sinken. »Ich bin wohl der Einzige, der das Unternehmen hier liebt und lebt. Mutter und Sohn vereint gegen den Mann, Vater, Firmengründer. – Sven muss nach dir kommen, Clara. Er schaut mir nicht einmal ähnlich.« Er betrachtet den Jungen kritisch. »Keine Ähnlichkeiten, weder äußerlich noch im Charakter.«

Clara springt auf. »Jetzt ist aber mal gut, fang bloß nicht so an. Nur weil hier einmal nicht alles ganz genau so läuft, wie du es dir vorstellst, musst du nicht alles infrage stellen.«

Sven schaut Friedrich intensiv an. »So schlecht ist der Gedanke auch wieder nicht …«

Clara schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Ja, die Herren, macht nur so weiter, dann könnt ihr den Mist hier gleich allein machen.«

»Nein, tausendmal nein! Das hier ist Geschäfts- und Familiensache, also ziehen wir das auch gemeinsam durch«, sagt Friedrich energisch.

Sven verdreht die Augen. »Das hat doch nichts mit dem Unternehmen zu tun. Wir müssen uns gemeinsam auf das Kerngeschäft konzentrieren, das hier hat nichts, aber auch rein gar nichts mit dem Geschäft zu tun. Alberne Spinnereien des Patriarchen.«

Clara nickt. »Stimmt schon, was der Sven da sagt.«

Friedrich sackt in seinem Stuhl zusammen. »Von wegen Patriarch, verraten von der eigenen Familie. Der Dolchstoß für die Firma und die Tradition. Aber da sind wir in unserer Gesellschaft ja nicht allein. Es ist überall zu beobachten, von den Familien überträgt sich das auf den Staat, auf alle Länder, auf den ganzen Planeten. Der Untergang jeglicher Gemeinsamkeiten, jeglicher Werte, jeglicher Kultur.«

»Jo, Vadder, ’ne Nummer kleiner haben wir’s wohl nicht? – Aber jetzt ist Schluss mit dem Blödsinn.« Sven zerbricht die Blockflöte über seinem Knie und wirft die Teile in die Ecke. »Mutter kümmert sich ums Büfett, ich besorge einen DJ, und fertig ist die Weihnachtsparty der Firma. Und dieser Hausmusikquatsch wird gestrichen, ein für alle Mal.«

Heimweh