Patchwork-Morde - Peter Faszbender - E-Book

Patchwork-Morde E-Book

Peter Faszbender

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Es ist die Fortsetzung der Crimedy Whiskey-Ballett. Wieder muss sich die deutsch-irische Kommissarin Sarah Molony zusammen mit der Zollbeamtin Richenza Ottilie Schmitzlein-Ithana einen Fall lösen, das ungleiche Paar trifft dabei auch wieder auf Bekannte ... »Jesses!« Sarah starrt ungläubig auf die Toten. »Was ist das denn schon wieder?« Bizarre Morde an vier älteren Damen eines Nähkränzchens bringen das Zwangsteam aus Kommissarin Sarah Molony und Zollbeamtin Schmitzlein-Ithana auf den Plan. Die Morde lassen sich in Verbindung bringen mit gefälschten Nobelstoffen und führen die beiden erst in die örtliche Pachtwork-Szene, dann zu religiösen Eiferern und Sektierern, extremen Feministinnen, katholischen Würdenträgern, der organisierten Kriminalität und korrupten Beamten. Mittendrin die italienische Unternehmerin Flavia Nobile, die in der Sache mehr als nur ein doppeltes Spiel treibt. Sarahs Bruder Paul hat sich unterdessen bei seiner Schwester einquartiert. Der vorgebliche Verwaltungscoach zieht im Hintergrund der Ermittlungen und darüber hinaus, inkognito und unbemerkt, vielerlei Strippen. Derweil sind die aus einer Anstalt getürmten Sturm und Wichter weiter auf der Suche nach Verschwörungen, dem Heiligen Gral und der Bundeslade, dabei kommen sie Paul in die Quere … Im Flickwerk aus Morden, Entführungen, Fakten, Indizien, Intrigen, Verschwörungsfantasien, falschen Freunden und Aussagen laufen die Ermittlungen ins Leere. Sarah ist dabei mehr Getriebene als Handelnde. Wird sich das Gewirr aus Lügen, Halbwahrheiten und in die Irre führenden Fährten auflösen lassen? Wird Michail Kraknikow Rache üben für seinen getöteten Sohn? Werden weitere Menschen ihr Leben verlieren? Patchwork-Morde ist nach Whiskey-Ballett die zweite Crimedy mit Kommissarin Molony.

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Seitenzahl: 288

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Peter Faszbender

Patchwork-Morde

Kommissarin Molony auf falscher Fährte

Inhalt

Cover

Titelblatt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

Kapitel 98

Kapitel 99

Kapitel 100

Kapitel 101

Kapitel 102

Kapitel 103

Kapitel 104

Kapitel 105

Kapitel 106

Kapitel 107

Kapitel 108

Kapitel 109

Kapitel 110

Kapitel 111

Kapitel 112

Kapitel 113

Kapitel 114

Kapitel 115

Kapitel 116

Patchwork-Morde

Cover

Titelblatt

Kapitel 1

Kapitel 116

Patchwork-Morde

Cover

1

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Kapitel 1

Der Duft des frisch aufgebrühten Filterkaffees wabert schwer durch die reichlich mit bordeauxroten Polstermöbeln ausgestattete gute Stube.

»Aber nur ein ganz kleines Stückchen«, meint Mechtild, als Rosemarie die silberne Kuchenschaufel unter ein Stück der Schwarzwälder Kirschtorte schiebt.

»Die sind alle gleich klein«, flötet die Gastgeberin und prustet los, schallend lachend stimmen die anderen drei Frauen ein. Alsbald sind die vier Damen versorgt, stechen große Stücke der schweren Sahnetorte ab und befördern diese zügig in ihre dick mit rotem Lippenstift verzierten Münder. So wandern je drei Stück Torte in die gesetzten älteren Damen, begleitet von zwei Kannen Kaffee. Rosemarie stemmt sich schwerfällig aus dem Polsterstuhl hoch. »Ich hole uns noch ein Likörchen, zur Verdauung gibt es einfach nichts Besseres.« Behäbig trottet sie zur Anrichte, nimmt das Silbertablett mit der Kristallglasflasche und den Likörgläsern auf und bringt es an den Tisch. Flott sind zwei Runden »Julischka« geleert, und der Inhalt der umgehend wiederbefüllten Gläser wartet darauf, den gleichen Weg zu gehen. Schwer atmend sitzen die Damen auf den Stühlen.

Rosemarie beugt sich mühevoll ein wenig nach vorne. »Liebe Freundinnen, auch wenn nun die Müdigkeit langsam von uns Besitz ergreift, müssen wir uns jetzt mit der Sache beschäftigen, die uns heute, außer der Reihe, hier zusammengeführt hat.« Die anderen Frauen nicken schwerfällig und versuchen, die immer weiter herabsinkenden Augenlider offen zu halten. Rosemarie holt tief Luft, will zum Sprechen ansetzen, doch auch ihr fallen die Augen zu, und sie döst allmählich weg – ihre Freundinnen tun es ihr gleich. Ein sonorer Schnarchkanon erfüllt das Zimmer.

Vor der Gründerzeitvilla der alten Dame biegt ein Kleintransporter mit der Aufschrift »Teppichreinigung Karlsson« durch die aus Naturstein gemauerte Toreinfahrt auf das heckenumsäumte Grundstück ein. Er dreht auf dem kleinen Schottervorplatz und stößt rückwärts Richtung Gebäudeeingang. Zwei muskelbepackte, sonnenbebrillte Männer in blauen Overalls springen aus dem Transporter. Einer öffnet die Hecktüren des Wagens, während der zweite sich an der Haustür zu schaffen macht und geschickt das Schloss entriegelt. Zielstrebig hasten die Männer in das Wohnzimmer, verpacken zwei der Damen in den schweren Perserteppichen, mit denen der Boden ausgelegt ist. Zwei Bildteppiche, die von den Wänden abgenommen werden, dienen für die verbliebenen beiden Frauen als Umhüllung. Eine nach der anderen wird in den Transporter geschafft. In einen blauen Müllbeutel verpackt, werden Torte, Geschirr, Karaffe und Gläser zu den Damen gelegt. Haustür und Ladefläche des Wagens werden wieder verschlossen. Die Männer steigen zügig, doch ohne Hektik in den Transporter, fahren gemächlich von dem Grundstück herunter auf die menschenleere Straße und jagen davon.

Kapitel 2

Die ungewohnt tropische Hitze der Herbstnacht lässt Sarah Molony keinen Schlaf finden. Seit Stunden verharrt sie, sich unruhig hin und her wälzend, in der Zwischenwelt zum Wachsein. Das Lärmen der Müllabfuhr reißt sie schließlich aus dem Dämmerzustand. Sie rollt sich aus dem Bett, steigt in ihre Crocs, zieht sich den Bademantel über und schlurft los. Nachdem sie sich im Bad erleichtert hat, führt sie der Weg in die Küche. Die geöffnete Kühlschranktür lässt die kalte Luft vom Innern über den Fußboden und ihre Füße fließen. Sarah schaut auf den spärlichen Inhalt und greift sich eine einsame Plastikdose, die beim Öffnen einen merkwürdigen Geruch in den Raum entlässt. Sie schaut sich die schmierig wirkenden Fleischwurstscheiben an, schnuppert gründlich, blickt nochmals auf die bescheidenen Alternativen im Kühlschrank und holt schließlich den Senf und Cornichons heraus. Ein sanfter Tritt lässt die Tür des Eisschranks zufallen. Die Wurstscheiben wandern eilig auf drei ausgetrocknete Scheiben Schwarzbrot, werden vollflächig und dick mit Senf überdeckt, mit Gürkchenscheiben garniert und mit weiteren Brotscheiben bekrönt. Der Stapel Brote findet routiniert seinen Weg in eine Papiertüte. Sarah riecht noch einmal am Inhalt, zuckt mit den Schultern, verschließt die Tüte und steckt sie in ihre zerschlissene Lederumhängetasche. In dem Pizzakarton auf dem Küchentisch findet sich noch eine halbe Thunfischpizza, Sarah bröselt etwas aus der angebrochenen Packung Kartoffelchips darüber und rollt den Teigfladen zusammen. Das Mahlwerk des Kaffeevollautomaten jault schrill auf. Sarah schaut in das leere Vorratsbehältnis für die Bohnen und öffnet die Kaffeedose – ebenfalls leer. Sie setzt sich an den Küchentisch, schaltet den Fernseher ein. Eine halb leer herumstehende Flasche mit schalem Bier begleitet das Frühstück, auf dem Monitor referiert der Gesundheitsminister über die schwerwiegenden Folgen ungesunder Ernährung für die Bürger und die gesamte Volkswirtschaft. Sarah drückt mit fettigen Fingern auf der Fernbedienung herum, bis sie bei einer US-Sitcom landet. Sie stopft die Pizza in sich hinein, trinkt das Bier, amüsiert sich über die Sendung und dämmert während der Werbung weg.

Leise irische Harfenklänge aus ihrer Umhängetasche lassen sie wieder erwachen, sie wischt sich die Hände an ihrem Frottee-Bademantel ab und kramt das Smartphone aus der Tasche. »ROSI« blinkt der Name auf dem Display, sie verdreht die Augen. »Wasn los, Rosi, kann man nicht mal in Ruhe frühstücken? Wie … Uhr? Na und, dann ist es halt halb eins. Also, was gibt’s denn so Dringendes? Mord? Okay, okay, ich komme sofort.« Sarah reißt ein Stück von dem Pizzakarton ab und kratzt mit einem Messer die Adresse in die Beschichtung der Pappe. »Bis gleich dann.« Sie drückt den Anruf weg und nimmt sich wieder der Pizza an. Den gröbsten Hunger gestillt, springt sie kurz unter die Dusche und genießt das heiß herabprasselnde Wasser. Nach dem Abfrottieren klaubt sie ihre Klamotten, die wild vor dem Bett verteilt sind, zusammen, müht sich hinein, schnappt sich Umhängetasche und Autoschlüssel und macht sich auf den Weg.

Kapitel 3

Lautes Platschen begleitet Arian Wichters verzweifelte Versuche, mit einem angespitzten Stock im flachen Wasser des Flusses einen Fisch zu fangen. Er schreckt mit einem schrillen Schrei hoch, als ihm plötzlich eine Hand auf die Schulter schlägt.

Karl Sturm lacht laut auf. »Na, Poseidon, was macht das Abendessen?«

Wichter hyperventiliert. »Du sollst dich doch nicht immer so anschleichen. Irgendwann trifft mich hier noch der Schlag.« Er wischt sich den Schweiß von der Stirn.

»Wir sind auf der Flucht, Arian, da empfiehlt es sich, ein wenig mehr Vorsicht walten zu lassen. Wir haben mächtige, unerbittliche und brutale Feinde.« Sturm lässt seinen camouflagefarbenen Rucksack auf den Waldboden am Flussufer fallen. »Hier im Wasser herumzukaspern, und noch dazu völlig ergebnislos, bringt nichts, man wird nur auf uns aufmerksam.«

»Aber wir müssen doch etwas essen, Karl, wir können uns ja schlecht eine Pizza kommen lassen.« Zornig rammt Wichter seinen improvisierten Speer in die Uferböschung.

Sturm vergräbt die Hände tief in seiner Kampfhose. »In unserem Hauptquartier ist mehr als genug Essen gelagert; wenn eins unseren Kampf nicht behindert, dann die Versorgung mit Nahrung.«

Wichter tritt wütend nach einem Stein im Flussbett und kickt dabei unbeabsichtigt einen Fisch durch die Luft ein Stück weiter stromabwärts. »Ich kann diese alten Verpflegungspakete der Bundeswehr nicht mehr sehen. Den Fraß bekomme ich nicht weitere Wochen und Monate runter. Und nenn das feuchte Erdloch im Wald nicht ständig Hauptquartier. Jedes Eichhörnchen wohnt besser.«

»Wenn es dem Herrn hier nicht gefällt, geh doch zurück in die Klinik. Vollpension, alles schön weiß und sauber. Gepolsterte Wände, Drogen und Gehirnwäsche inklusive.«

Wichter setzt sich ans Ufer. »So war das ja auch nicht gemeint, ich will unseren gerechten Kampf nicht aufgeben, ich will einfach mal was Richtiges essen und ein nettes Getränk dazu.« Er wirft versonnen kleine Kieselsteine ins Wasser, eine Träne kullert über sein Gesicht. »Wir können ja nicht ewig im Wald hausen.«

Sturm lässt sich neben ihm nieder. »Arian, mein Freund, wir sind kurz davor, dass unsere Suche endet. Wenn wir die Bundeslade und den Heiligen Gral gefunden haben, halten wir die Macht der Welt in den Händen. Niemand kann sich mehr gegen uns stellen. Keine Ärzte, keine Polizei, keine geheime Weltregierung – alle müssen sich unserer Macht beugen.« Mit weit aufgerissenen Augen schaut er entrückt in den Himmel.

»Ja, das erzählst du schon seit Monaten.« Wichter steht auf. »Wir laufen den ganzen Tag im Wald herum, graben Löcher und finden nur Müll und Schutt.«

»Arian, jedes Loch, das wir graben, bringt uns dem Ziel näher, und es muss hier sein, ich fühle es, wir sind den Artefakten ganz nahe. Du hast doch alle Tatsachen und Beweise in meinem Buch gesehen und gelesen. Wir sind auf der richtigen Spur.«

Wichter schnaubt verächtlich. »Dein Buch, ja, da steht viel drin, aber gefunden haben wir bisher überhaupt nichts.« Er dreht sich um und marschiert in den Wald. »Ich bin dann mal im Hauptquartier und werde die kulinarischen Köstlichkeiten genießen, die dort parat stehen.«

»Tu das, mein Freund – schön, dass du dich beruhigt hast und wieder klar denkst.«

Wichter reißt den Mund auf, bleibt aber stumm und wandert kopfschüttelnd weiter.

Kapitel 4

Der alte Volvo-Kombi hält quietschend vor der Polizeiabsperrung auf dem Gelände der Kleiderverwertungsgesellschaft, röchelnd verstummt der Motor. Sarah müht sich langsam aus dem Wagen, reckt und streckt sich, steigt über das Absperrband und hält auf Richenza-Ottilie Schmitzlein-Ithana zu, die mit einer Gruppe uniformierter Polizisten neben dem Zaun des Grundstücks steht.

»Moisen, Rosi, que pasa?«

Schmitzlein-Ithana starrt Sarah wortlos mit zusammengekniffenen Augen an.

»Hat’s dir die Sprache verschlagen?«

»Hatten wir uns nicht geeinigt, dass du mich nicht mehr Rosi nennst?« Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Jedenfalls nicht, wenn Leute dabei sind.«

»Ja, es war so vieles verabredet, zum Beispiel, dass du wieder zurück zum Zoll gehst oder dass du zumindest nicht mehr bei mir im Büro sitzt, und so weiter. Und was hast du überhaupt gegen deine Initialen R-O-S-I?« Sarah schaut auf die mit einer großen Plane abgedeckte Stelle. »Ist da die Leiche drunter?«

»Leichen«, korrigiert Schmitzlein-Ithana.

»Soso, dann lasst doch mal sehen, Jungs.«

Die uniformierten Polizisten heben vorsichtig die Plane hoch und legen sie seitlich ab.

»Jesses!« Sarah starrt ungläubig auf die Toten. »Was ist das denn schon wieder?«

»Auf den ersten Blick sind das die Körper von vier älteren Damen, die auseinandergeschnitten und in Patchwork-Manier wieder zusammengefügt wurden«, informiert Schmitzlein-Ithana.

»Patchwork?«

»Genau, oder halt Quilt.«

»Was denn nun?«, hakt Sarah nach.

»Das ist so in etwa das Gleiche. Das eine ist lediglich der englische Begriff.«

»Aha, und welcher?«

»Quilt. Patchwork ist die amerikanische Variante.«

»Schön, Rosi, dann haben wir das ja schon mal geklärt. Und was ist das jetzt?«

»Ein Flickwerk aus Stoffresten, daraus werden neue Textilien gestaltet, so vom Ursprung her.«

»Alles klar.« Sarah nickt. »Und jetzt noch die Bonusfrage: Was haben wir damit zu tun? Auch wenn’s kurios ist, scheint mir das doch wohl eher eine Sache für die reguläre Kriminalpolizei.«

»Die vermutlich vier Damen sind mir bekannt«, sagt Schmitzlein-Ithana. Und schaut über die Körper, als wollte sie nochmals genau nachzählen. »Ich bin ebenfalls in der hiesigen Patchwork-Szene unterwegs …«

»So was aber auch.« Sarah mustert Schmitzlein-Ithanas bunte afrikanische Bekleidung von oben bis unten. »Wer hätte das ahnen können. Okay, du kennst die Frauen, deshalb müssen wir uns aber doch nicht darum kümmern.«

»Die vier gehören zusammen, es ist ein orthodoxer Quilt-Club. Sie haben sich schon öfter beim Zoll beschwert wegen gefälschter Nobelstoffe, und darum sind wir hier im Geschäft.«

»Orthodoxer Quilt-Club?« Sarah reibt sich die Schläfen.

»Sie sehen, besser gesagt, haben die Sache sehr traditionell gesehen. Ihnen ging es darum, aus Resten etwas Neues und Wertiges zu schaffen, Upcycling nennt man das heute.«

Sarah schüttelt den Kopf. »Und was machen die anderen so anders?«

»Man nimmt zum Teil neue und edle Stoffe, der Gedanke des Recyclings spielt bei vielen kaum eine Rolle mehr, man sieht es eher als Kunsthandwerk.«

»Ja, verstehe. Da kommen einem sicherlich schnell Mordgedanken. – Okay, Rosi, dann kümmere dich gerne weiter um die Sache hier und höre mal nach, was in deiner Patchwork-Szene so vor sich geht.« Sarah winkt zum Abschied den Polizisten zu. »Ich mache dann mal Feierabend, Rosi. Wie schnell so ein Arbeitstag doch verfliegen kann.«

Kapitel 5

»Flavia Nobile«, liest Kriminaldirektor Seidel laut die Visitenkarte vor. »Miteigentümerin und Produktionschefin, Textilmanufaktur Tessitura Nobile, Prato (Toskana).« Er legt die Karte beiseite. »Nun, Frau Nobile, was führt Sie zu uns, beziehungsweise zu mir?«

Die junge Frau in ihrem eleganten schwarzen Businesskostüm lässt sich grazil auf dem in die Jahre gekommenen Besucherstuhl nieder und schlägt die Beine übereinander. »Mein Unternehmen ist führend in der Herstellung von edlen und hochpreisigen Textilstoffen. Wir, wie in der Luxusbranche leider üblich, haben sehr mit Fälschungen zu kämpfen.«

»Verstehe. Natürlich habe ich für Sie und Ihre Situation Verständnis, sehr viel Verständnis.« Er schaut ihr in die Augen und lächelt freundlich. »Aber dieses Gebiet fällt leider nicht in meine Zuständigkeit, so gerne ich mich Ihrer Probleme auch annehmen möchte.« Er faltet die Hände und dreht seine Daumen einen Moment umeinander. »Möchten Sie einen Kaffee, Frau Nobile?«

Die Freude weicht schlagartig aus ihrem Gesicht, als sie die Thermoskanne sieht, auf die Seidel deutet. »Danke, Herr Seidel, im Augenblick nicht«, sagt sie mit mühsam gefassten Gesichtszügen.

»Wie schon angedeutet, gnädige Frau, die Zuständigkeit hierfür liegt beim Zoll. Ich kann Ihnen gerne die Adresse heraussuchen. Wir haben auch hier im Hause eine gemeinsame Gruppe von Zoll und Kriminalpolizei, insbesondere um Kapitalverbrechen im Zusammenhang mit entsprechenden Vergehen, die den Zoll betreffen, aufzuklären. Ich denke, Frau Schmitzlein-Ithana kann Ihnen sicherlich weiterführende Informationen geben.«

Flavia Nobile lehnt sich zurück und schaut sinnend gegen die Decke. »Natürlich gibt es nicht nur Produktpiraterie, jedenfalls ist diese nicht immer eindeutig. Oft werden Designs nicht eins zu eins kopiert und unter Originalnamen vertrieben. Es gibt auch Annäherungen, Ähnlichkeiten. Dem beizukommen, ist schwer.«

Seidel nickt. »Sicher, das ist ein großes Problem in der Wirtschaft, die Globalisierung hat enorme Schattenseiten.«

»Genau. Und da muss die Unternehmerin kreativ sein. Warum irgendwelchen dahergelaufenen Leuten das Massengeschäft überlassen? Warum nicht selbst eine Billigsparte anbieten?«

»Sicher, gnädige Frau, warum nicht. Sie können in Ihrem Unternehmen schließlich produzieren, was und wie Sie wollen.«

Flavia Nobile beugt sich vor. »Ganz so einfach ist es nicht. Unser Familienunternehmen ist eine Manufaktur, hochbezahlte Fachkräfte, extremer Anteil an Handarbeit. Die Kreativität kann sich lediglich auf steuerliche Möglichkeiten, Arbeitszeiten, Arbeitsschutz und nicht ganz so legale Mitarbeiter gründen.«

Seidel stutzt. »Liebe Frau Nobile, es ist ungewöhnlich, dass jemand so etwas mit der Polizei besprechen möchte. Auch wenn die Zuständigkeit hier nicht gegeben ist, bin ich trotzdem verpflichtet, Straftaten zur Anzeige zu bringen.«

Frau Nobiles Gesicht formt sich zu einem Lächeln. »Unser gemeinsamer Freund, Michail Kraknikow, hat mich dahingehend informiert, dass Sie nicht nur Polizist, sondern auch Geschäftsmann sind, und dass ich mich mit allen geschäftlichen Fragen und Problemen vertrauensvoll an Sie wenden kann.«

Seidel trommelt mit den Fingerkuppen auf dem Schreibtisch.

»Sie müssen jetzt nichts sagen, Herr Seidel, halten Sie Rücksprache mit Herrn Kraknikow, Sicherheit geht bei unseren Geschäften vor. Wir sprechen uns dann später.« Anmutig erhebt sie sich aus dem Stuhl. »Zwischenzeitlich erlaube ich mir, Ihnen einen italienischen Kaffeevollautomaten für das Büro zukommen zu lassen. Und das da«, sie schaut auf die Thermoskanne, »sollten Sie schleunigst entsorgen.« Sie scheint fast aus dem Raum zu schweben und lässt Seidel alleine im Büro zurück.

Kapitel 6

»Wer trinkt denn Rotwein zu einem Burger?« Sarah stopft sich eine Handvoll Fritten in den Mund. »Und dann noch mit Messer und Gabel essen, du bist so was von peinlich.«

Elegant trennt Paul mit einem Steakmesser ein Stück von dem mit zwei Patties hoch aufgetürmten Burger ab und befördert es mittels Gabel Richtung Mund. Er vergisst nicht, vorab intensiv an dem Happen zu riechen und das Aroma förmlich aufzusaugen. Genüsslich kaut er dann lange und gründlich den Bissen, um ihn im Anschluss mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck hinunterzuschlucken. Er greift das große bauchige Rotweinglas, nimmt über die Nase das Bouquet auf, lässt das Licht durch den Wein fallen und verkostet den Primitivo gründlich.

Sarah schaut mit angewiderter Miene der Prozedur zu. »Haben wir es jetzt endlich? Wir sind hier im Burgerladen und nicht im Sternerestaurant.«

»Sarah, du hast keine Kultur, es geht hier nicht um reine Nahrungsaufnahme, auch das hier ist eine Errungenschaft der Zivilisation. Menschen haben ihre Kraft, Arbeit und Kreativität eingesetzt, nicht zu vergessen die Tiere, die hierfür sterben mussten.«

Sie verdreht die Augen und lässt den Inhalt ihrer Bierflasche die Kehle hinunterlaufen. Mit der leeren Flasche winkt sie der Bedienung, die umgehend eine neue bringt.

»Man kann auch ein Glas benutzen, Kleines.«

»Die Flasche ist auch aus Glas, Klugscheißer. Und zumindest ist dafür kein Tier gestorben, jedenfalls nicht direkt.« Sie rülpst vernehmbar.

Er schaut sie entnervt an. »Mit dir stirbt hier nur das seit Tausenden von Jahren zivilisierte Benehmen der Menschheit.«

»Es gibt Kulturen auf dieser Welt, dort ist es ganz normal, die Luft freizulassen, es ist sogar unhöflich, wenn man es nicht macht.«

»Du gehörst diesen Kulturen aber nicht an, und wir sitzen auch nicht dort, Kleines.«

»Ich bin multikultiviert und überkulturell, aber eins bin ich nicht, dein Kleines!«

Er gibt ihr einen leichten Klaps auf den Kopf. »Nana, Schwesterchen, jetzt reg dich nicht künstlich auf, alles ist gut, kein Grund, sich zu echauffieren.«

»Arsch«, presst sie heraus.

»Iss deinen Teller leer, Sarah, bevor es kalt wird.«

Sie wirft ihm drei Fritten ins Gesicht, stopft sich den Rest ihres Burgers in den Mund, kaut kräftig schmatzend und spült mit Bier nach.

Paul klaubt die Pommes auf und legt sie ordentlich auf dem Tablett ab. »Mädchen, Mädchen, Mädchen, was haben unsere Eltern bloß falsch gemacht bei deiner Erziehung.«

Sarah knallt die Bierflasche auf den Tisch. »Wenn du die Nacht unter einer Brücke schlafen willst, dann mach ruhig so weiter.«

»Ausgehend von meiner letzten Übernachtung bei dir wäre eine Brücke nicht die schlechteste Alternative.« Er kneift ihr in die Backe, Sarah schlägt seine Hand weg.

»Was machst du eigentlich wieder hier in der Stadt? Richtig viel über deinen Job erzählst du ja nie, im Gegensatz zu allem anderen, von dem du meinst, berichten zu müssen.«

»Ich bin halt dienstlich hier, Verwaltungskram, nichts Spannendes.«

»Und warum muss man wegen Verwaltungskram das ganze runde Jahr in der Republik herumreisen? Das lässt sich doch alles online regeln, heutzutage jedenfalls.« Sie nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche.

»Beratungsleistungen sind Auge in Auge besser realisierbar, außerdem ist die IT-Ausstattung in den Behörden nicht immer optimal.« Er klopft einige Brotkrümel von seiner Designerkrawatte und genießt seinen Rotwein.

»Paul, warum glaube ich dir das alles nicht? Mit solchen Klamotten ist man doch nicht irgendein Verwaltungsfuzzi, so laufen nicht einmal die Behördenleiter herum.«

Er zieht sein Sakko gerade. »Ach, so ein großer Aufwand ist das nun auch nicht, sich etwas kultivierter zu geben. Es ist eine neue Zeit, du darfst nicht von der alten, der aussterbenden Generation ausgehen.«

Sarah leert die Bierflasche. »Ich muss mal ein wachsames Auge auf dich haben. Bezahl schnell, Brüderchen, und dann geht’s in den Irish Pub.«

Paul zieht aus seiner Brieftasche eine Platin-Kreditkarte und gibt der Bedienung ein Zeichen. »Für mich ist heute Schluss, morgen wird es bei mir ein harter und sicherlich langer Tag.«

»Sicher, ein ganz harter Verwaltungstag. Dann trinken wir eben zu Hause noch einen Sundowner.«

Kapitel 7

Schmitzlein-Ithana wühlt in einem Berg von Stoffresten und zieht einige Teile heraus, legt sie prüfend nebeneinander, ändert die Reihenfolge und schneidet den Stoff zu. »Ja, meine Lieben«, sagt sie zu den anderen Frauen am Tisch, »schrecklich, was den vier Damen passiert ist. Hatte eine von euch in der letzten Zeit noch Kontakt zu ihnen?«

»Nein«, antwortet Ellen, »seit dem Eklat auf der Stoffmesse in der Sporthalle war Funkstille. Vorher war der Austausch zwischen uns auch nicht sehr intensiv. Aber zumindest da, wo wir halbwegs einer Meinung waren, konnte ich mit ihnen zusammenarbeiten.«

»War das bei euch beiden genauso?«

Maria und Karin stimmen schweigend zu.

Schmitzlein-Ithana schaut einen Moment stumm in die Runde. »Tja, da fallen einem die Worte schwer. Ich hatte die Damen schon länger nicht mehr gesehen – was ich problemlos verschmerzen konnte, wie wohl alle hier. Aber so etwas wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht. Verbrechen passieren überall auf der Welt, aber in unseren Kreisen so etwas …«

Ellen schenkt Schmitzlein-Ithana Tee nach. »Ermittelst du bei uns oder bist du privat hier?«

»Das ist unser normales Treffen, liebe Freundinnen. Andererseits bin ich Beamtin und immer im Dienst. Zudem sollte es wohl in unser aller Interesse sein, dass die Tat schleunigst aufgeklärt wird.«

»Genau, liebe Richenza, du sagst es: schleunigst. Sich fix ein paar Leute ausgucken und wegsperren. Hauptsache, man hat schnell einen Täter. Das liest man ja immer wieder.«

Schmitzlein-Ithana trinkt einen Schluck Tee. »Das würdest du mir zutrauen, Ellen?«

»Warum nicht, du gehörst doch auch zum konservativen Flügel im Verein. Sicher eine willkommene Gelegenheit, die missliebigen progressiven Kräfte loszuwerden.«

Schmitzlein-Ithana klaubt die Stoffstücke zusammen. »Nur weil ich nicht jeden neumodischen Blödsinn mitmache, heißt das noch lange nicht, dass ich irgendeinem konservativen Kreis angehöre. Aber Besinnung auf die Tradition unseres Hobbys ist sicherlich kein Fehler.«

»Hobby?«, erregt Ellen sich. »Das hier ist kein Hobby, jedenfalls nicht für die Enthusiasten, die hier zusammengefunden haben – zumindest nicht für die meisten. Die jungen Frauen im Club – wie du, liebe Richenza, als jüngste – sehen das sicher alles nicht mit der gebotenen Achtsamkeit, weder gegenüber der Tätigkeit noch gegenüber dem Material.«

»Gut, liebe Freundinnen, ich bin noch keine achtzig, aber junge Frau ist doch etwas übertrieben, wo in der Ferne schon meine Pensionierung winkt.«

»Wie dem auch sei, wenn wir hier von dir verhört werden, dann wollen wir auch wissen, warum. Nur als Bekannte von den vieren oder als Zeu-ginnen von irgendetwas – oder verdächtigst du uns gar, liebste Freundin?«

»Nichts von all dem. Ich höre mich nur um, manchmal stolpert man so über die entscheidende Kleinigkeit, die in einem Fall die Lösung bringt. Wenn ich wirklich dienstlich agieren würde, würde ich diejenige Person einbestellen und in der Dienststelle verhören. Wie man das so macht, alles nach Vorschrift. Insoweit dürftet ihr mich ja kennen, liebe Freundinnen. – Sollte eine von euch irgendetwas wissen, was es auch sein mag, informiert mich bitte. Wer weiß, was für ein Wahnsinniger da draußen herumläuft und ob oder wie er wieder zuschlägt.«

Die Frauen am Tisch nicken stumm.

Ellen schaut in die Runde. »Gut, etwas umhören können wir uns selbstverständlich, insbesondere bei denen, die heute nicht hier sind. Ich rate dir aber, mach keine krummen Touren mit uns. Über dich und die anderen vier gibt es genug, was man erzählen könnte, liebe Richenza.«

»Ich habe es euch erklärt, so ist die Lage, und ich bin für jeden Hinweis dankbar.« Schmitzlein-Ithana räumt ihr Handwerkszeug zusammen. »Ich muss dann jetzt auch mal, schönen Abend wünsche ich euch.« Sie verlässt den Raum und schlägt die Tür hinter sich zu.

»Wir hätten ihr alles sagen sollen«, platzt es aus Maria heraus. »Wir können doch jetzt nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts passiert.«

»Es ist nichts passiert«, stellt Karin kalt fest. »Vergesst einfach alles. Wir nähen, sonst tun wir nichts und haben auch nichts anderes gemacht. Was geschehen ist, ist nicht mehr rückgängig zu machen.«

Kapitel 8

»Ich kann mir auch ein Hotelzimmer nehmen, kein Problem, du musst dir keine Umstände machen wegen mir.«

»So weit kommt es noch!« Sarah schließt die Wohnungstür auf und eilt voraus. »Meinen Bruder im Hotel übernachten lassen, wie sieht das denn aus?«

Paul schaut sich in der Wohnung um. »Besser, würde ich mir jedenfalls von einem regulären Hotelbetrieb erhoffen. Hat deine Putzfrau gekündigt?«

Sarah stutzt. »Putzfrau? Ich habe doch keine Putzfrau, selbst ist die Frau.«

»Wo darf ich mein müdes Haupt betten, neben dem Stapel alter Pizzakartons oder lieber in der Asia-Abteilung neben den Schachteln des Chinarestaurants Mykonos?« Er begutachtet eine der Pappschachteln näher. »Asia-Food – Gyros – Pizza. Hört sich nach einem exquisiten Etablissement an.« Paul schüttelt den Kopf. »Ich habe mich schon immer gefragt, wer sich in solchen Lokalitäten Essen bestellt. Nun, diese Frage ist jetzt auch geklärt.«

Sarah holt einen Abfallsack aus der Küche und entsorgt die alten Verpackungen. »So, schaut doch direkt wieder heimelig und gemütlich aus.«

»Ja, Schwesterchen, aber ich habe den Eindruck, wir haben eine etwas unterschiedliche Auffassung von Wohnlichkeit.«

»Man muss Prioritäten setzen«, erwidert Sarah ungerührt und holt eine Flasche Whiskey und zwei elegante Kristallgläser.

Paul schnappt sich die Flasche. »Waterford Ballymorgan, schön, so für unter der Woche. Man muss sich ja immer ein wenig Luft nach oben lassen.«

»Weißt du überhaupt, was so ein Single Malt kostet?«

»Sicher, Schwesterchen, von dem habe ich auch einige Flaschen im Keller. Wie gesagt, so für unter der Woche ein netter Tropfen.«

Sarah füllt die Gläser. »Da, trink einfach und halt die Klappe.«

»Sláinte, Sarah«

»Sláinte, Brüderchen.«

»Wo soll ich denn jetzt schlafen?«

»Hier auf dem Sofa, das kann man ausklappen, ich hole noch Bettzeug und so.« Sarah füllt die Gläser wieder.

»Wann?«

»Sei doch nicht so ungemütlich, Paul.«

»Hast du morgen frei, Sarah?«

»Nein, aber ich leite ja die Gruppe, von daher ist es egal, wann ich komme.« Sie kippt den Whiskey hinunter.

Paul riecht intensiv an seinem Glas. »So schlecht ist er auch nicht, dass man ihn wie einen billigen Korn hinunterstürzen muss. Du hast doch Ahnung genug vom Whiskey, warum nimmst du dir nicht die nötige Zeit? In der Destillerie hat man sich auch genügend Zeit genommen.« Er betrachtet die Farbe des Brandes, nimmt einen winzigen Schluck und lässt ihn im Mund wandern. »Jahrelang behütet, von Meisterhand geschaffen. Du musst auch immer an die Menschen denken, die in die Herstellung ihre gesamte Liebe und Passion hineinbringen, Sarah.« Er nimmt einen großen Schluck aus dem Glas.

»Jo, Mann, ich tu nichts anderes, wenn ich trinke.« Sie geht in ihr Schlafzimmer und kommt mit einem Packen Bettzeug zurück. »Ich bin dann jetzt auch mal in der Falle, Paul. Bis morgen. Gute Nacht.«

»Gute Nacht, Schwesterchen.« Er bezieht penibel das Sofa, zieht sich aus und einen Pyjama an. Aus seinem Aktenkoffer holt er drei Hefter, die beschriftet sind mit »Sarah Molony«, »Richenza-Ottilie Schmitzlein-Ithana« und »Martin Seidel«. Er legt sich hin und studiert die Akten.

Kapitel 9

»Nett.«Sarah stiefelt durch die Gründerzeitvilla. »Wo sind denn die ganzen Bewohner von dem Haus?«

»Das Haus gehört beziehungsweise gehörte einer alleinstehenden Dame.« Der Polizist zieht ein Notizbuch aus der Uniformjacke. »Einer Rosemarie Gräff.«

»Ja, sie ist eines der Mordopfer.Gibt es Verwandtschaft?«

»In Hessen, die Kollegen vor Ort werden die Angehörigen informieren.«

»Gut.« Sarah schaut sich weiter um. »Man hat mich hergerufen wegen irgendwelcher Besonderheiten hier im Haus.«

»Die Spurensicherung ist gerade weg. Der Bericht von denen kommt dann noch. Aber hier im Wohnzimmer«, der Polizist marschiert voraus, »an der Wand, scheint irgendetwas zu fehlen, an den beiden großen hellen Stellen. Die sind ganz frei, und sonst ist alles vollgehängt mit Teppichen und Bildern.«

Sarah nickt. »Auf dem Boden hier sind auch keine Teppiche, es hängen welche an den Wänden, sonst liegen die auch überall in den Räumen, nur hier nicht.«

Der Uniformierte blättert in seinem Notizbuch. »Eine Nachbarin hat ausgesagt, dass hier ein Trans-porter von der Teppichreinigung Karlsson vorgefahren ist und was eingeladen hat.«

»Wäre eine Erklärung. Können Sie dort mal vorbeifahren und nachfragen, was die alles mitgenommen haben, Kollege – ähm …«

»Treller. Heinz Treller.«

»Okay, Kollege Treller. Wenn’s die Teppiche waren, sollte man die Spurensicherung dransetzen, jedenfalls wenn die Dinger noch nicht gereinigt sind.«

»Ich hatte schon danach geschaut, aber eine Teppichreinigung Karlsson gibt es nicht, weder hier noch sonst wo. Auch keine Firma, die so ähnlich klingt. Ich habe den Wagen zur Fahndung ausgeschrieben.«

»Danke, nehmen Sie das so in Ihren Bericht auf, und lassen Sie mir den zukommen. Ich schau mich noch ein wenig hier um.«

Kapitel 10

Sitel 10eidel lässt sich auf der Parkbank nieder, faltet die Tageszeitung auf und blättert sie gemächlich durch. Er schaut über die Grünanlagen und den Teich. Schließt die Augen, lehnt sich zurück und genießt die Sonne.

»Hallo, Martin, mein Freund.«

Seidel öffnet die Augen und mustert den Mann, der sich neben ihn gesetzt hat. »Hallo, Michail. Mit Bart und neuer Frisur heute?« Seidel rollt seine Zeitung zusammen.

»Man kann nicht vorsichtig genug sein in der heutigen Zeit, wo hier schon mein Sohn ermordet wurde.«

Seidel winkt ab. »Michail, das Thema haben wir doch abgeschlossen, letztlich ist es das Berufsrisiko von uns allen.«

Michail Kraknikow atmet tief durch. »Einerseits ist das richtig, andererseits laufen seine Mörder noch fröhlich in der Gegend herum, lieber Martin.«

Seidel schlägt die Zeitung auf die Parkbank. »Keine Aktionen in meinem Geschäftsbereich, so ist es vereinbart, und daran solltest du dich auch halten.«