Flehentlich mit seinem Weibe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage - Waltraud Krannich - E-Book

Flehentlich mit seinem Weibe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage E-Book

Waltraud Krannich

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Beschreibung

Der reiche Schatz an alten Handschriften im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden machte es möglich, die Geschichte von Rübenau als eines der im 16. Jahrhundert neu entstandenen Dörfer zu rekonstruieren und dabei die ersten Ansiedler gewissermaßen zu neuem Leben zu erwecken. Geschildert und dokumentarisch belegt wird, wie ein armer Müller und Bäcker in der Wildnis eine Mühle aus Holz baute, wie ein findiger Herrensohn ein "Gütlein" in Rübenau errang, wie ein Mann zeitlebens Schulden abzahlte und dennoch sein Eigentum verlor, wie ein Gut zwischen Vernachlässigung und Kriegsgewalt zerrieben wurde, wie ein Geheimer Kammerdiener mit Ausdauer und Schlauheit zu zwei Gütern kam, wie ein draufgängerischer Gutsherr viel Nützliches anfing, aber sich dabei überschätzte, wie er das Münzwesen von Sachsen heilen wollte und ihn August der Starke verhaften ließ und ein kursächsischer Hof- und Jägermeister bei der Versteigerung zweier Güter seinen Schnitt machte.

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Teil 1 Von den Anfängen bis 1700

Vorwort

Ein Fischgewässer im Miriquidi

Die Mühle an der Rybenaw

Ein Anwesen ganz für sich

Flehentlich mit seinem Weibe

Das missliebige Besitztum

Ein Kammerdiener als Gutsherr

Der gewitzte Unternehmer

Damit gute Münzen klingen

Das Zwischenspiel

Rübenau – noch mitten im Wald

Das Erbregister von Rübenau

Glossar

Zur Autorin

Vorwort

„An diesem Ortte ist vor deßen keine Hoffstatt noch Wohnung, sondern nur allein lauter Holz gewesen“, so heißt es in einem kurfürstlichen Dokument von 1595 über die Gegend am Erzgebirgskamm bei Marienberg. Das änderte sich, als Kurfürst August ab 1560 das Holz der dortigen ausgedehnten Waldungen für den Freiberger Silberbergbau zu nutzen befahl. Holzfäller, Köhler und Flößer, Fuhrleute und Jäger setzten ihren Fuß in diese abgelegenen Gebiete des Gebirges. Die gerodeten Flächen nahmen zu, und mit ihnen begannen sich Menschen anzusiedeln, um hier ein karges Auskommen zu finden. Floßteiche entstanden und allmählich auch neue Dörfer.

Inmitten der tiefen Wälder floss nahe der böhmischen Grenze mitten durch eine zunächst winzigkleine Ansiedlung ungestört ein Bach zu Tal, der wegen seines Fischreichtums Rybenaw hieß, abgeleitet von ‚ryba’ ‚Fisch’. Wie sich die ersten Bewohner des künftigen Dorfes in der rauen Natur des Obererzgebirges behaupteten, wie sie mit ihrer Abhängigkeit vom sächsischen Kurfürstentum zurechtkamen und die abgeholzten Flächen urbar machten, schildert dieses Buch. Der reiche Schatz an Archivalien, der im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden verwahrt wird, macht es möglich, die Geschichte von Rübenau nach historischen Unterlagen mit vielen Einzelheiten zu rekonstruieren und dabei die ersten namentlich bekannten Ansiedler gewissermaßen zu neuem Leben zu erwecken.

Den Grundstein zu dem Dorf Rybenaw, dem späteren Rübenau, legte ab 1580 ein mutiger Mann mit Elan, der Müller und Bäcker Georg Müller aus dem Dorf Olbernhaw, der späteren Stadt Olbernhau. Mit kurfürstlicher Erlaubnis rodete er eine ihm überlassene Flur, baute eine kleine Mühle und legte einen Mühlgraben an. Zeitlebens hatte er es ungeheuer schwer, sich mitten im tiefen Wald mit seiner Familie durchzuschlagen.

Sein Nachfolger Jonas Oehmichen, erst Richter in Geyer, dann Floßmeister in Rübenau und Olbernhau, kaufte ihm die Mühle ab und begann im Dörflein Rübenau ein Lehngut zu bewirtschaften.

Dessen Sohn Hans und seine Frau Rosina konnten mit ihrer großen Familie die Schulden ihres Vaters Jonas beim kurfürstlichen Amt Lauterstein zeitlebens nicht abtragen und verloren das Gut an das Haus Wettin.

Magnus Oehmichen, eines ihrer 16 Kinder, wurde bei Kurfürst Johann Georg I. Geheimer Kammerdiener. Ihm gelang das Kunststück, das einstige Gut seiner Eltern zurückzubekommen – als Schenkung seines hohen Herrn.

Sein tatkräftiger Sohn Johann Georg gründete als zweifacher Gutsherr in Rübenau eine Brettmühle, einen Rohrhammer und eine Glashütte, war Oberfloßmeister und Zolleinnehmer und betrieb erfolgreich das Waldäschern und Pottaschesieden. Voller Selbstüberschätzung beschritt er in seinem Amt als kursächsischer Ober-Münzinspektor einen Weg, der für ihn mit einer tödlichen Katastrophe endete.

Die beiden Güter Johann Georg Oehmichens erwarb der einflussreiche Hofund Landjägermeister Carl Gottlob von Leubnitz bei der Versteigerung. Das Gut in Rübenau verkaufte er bis auf die Glashütte weiter an einen gewesenen adligen Leutnant „zu Ross“.

Am 4. Oktober 1607 wurde in der neuerbauten kleinen Kirche von Rübenau das erste Paar getraut - Oßwalt Ulman aus Bermsgrün bei Schwarzenberg heiratete Anne, einer Tochter des verstorbenen Jacob Hunger. Am 3. September 1609 vermählte der Pfarrer den Bräutigam Caspar Hänel mit Christine, eine Tochter von Jacob Reichel zu Olbernhau, und am 4. September 1610 heiratete Christoff Freyer aus der Hammermühle die Jungfrau Anna, eine Tochter von Caspar Müller. Leider ließ sich nicht ermitteln, ob sie aus der Familie von Georg Müller stammten.

Wie sich das Dasein der Bewohner von Rübenau auch gestaltete, trotz vieler neuer Bewohner gibt es dort bis heute nicht wenige, die ebenso heißen und Namen wie Müller, Freyer, Uhlig, Hänel, Baldauf, Reichel, Hunger, Lorenz und manche andere, die immer noch häufig anzutreffen sind. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich das Grenzdorf allmählich zu einem Ort, in dem die anfangs vorhererschende Bewaldung immer mehr gerodet wurde und sich die Häuser, Scheunen und landwirtschaftliche Flächen über mehrere Erhebungen und Täler verstreut ausbreiteten. Mit der Zeit um 1700 endet dieser erste Teil der Rübenauer Chronik. Wie die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Geschichte dieses Dorfes sowie die Entwicklung des Obererzgebirges bis 1900 weiter verliefen, schildet das Buch „Herrenhaus und Hütten“.

Zwar veränderte sich das Leben im Laufe der Jahrhunderte von Grund auf, aber der arbeitsame, heimatverbundene Menschenschlag der Erzgebirgler bewahrt in seinem Wesen vieles von seinen Ahnen. Einige der Menschen aus den Anfängen von Rübenau stellt dieses Buch mit ihrem Hoffen und Handeln vor und damit zugleich die Verhältnisse, unter denen sie lebten.

Waltraud Krannich

Die Mühle an der Rybenaw

Georg Müller 1580 – 1590

Zunächst glaubt der junge Müller und Bäcker, in seinem Heimatdorf sein Glück machen zu können, und pachtet von dem Lehnrichter Christoph Oehmichen eine Mühle. Aber nach zwei Jahren bricht ein Feuer aus, alles geht verloren. Nun ist er ein armer Mann. Anno 1577 schlägt Kurfürst August sein Jagdlager in Olbernhaw auf. Um sich eine neue Existenz gründen zu können, richtet Georg Müller eine Bittschrift an den Landsherrn.

Georg Müllers 1. Brief an Kurfürst August

Dies ist der erste historisch belegte Brief eines künftigen Rübenauers und zudem ein berührendes Bittgesuch. Deshalb sei wiedergegeben, was er schreibt:

„Durchlauchtigster Hochgeborner Churfurst, […] Wie daß Ich von dem Richter allhier20, Seine muhle auff zwey Jar umb gebuhrlich Zinß bestanden. Baldt aber hernach alß ich eingesassen Solche muhle, durch ein Plotzlich Feuer unversehens Zugange und mir Armen alle meine vorradt von getreidich, und Anderen mehr leider verbranndt. Unnd dardurch in mercklichen schad gefallen, unnd in schuld kommen. Wan aber Gnedigster Churfurst und Her, eine kleine Muhlstadt an dem kleinen Wasserlein Rybenau an der Behmischen Strassen, die auf Zobolß [Zöblitz] zugehet, Auch des orts uff eine grosse halbe meil Weges dass Holtz umbhero abgehauen, unnd E: Churfst: Gn: [Gnaden] gar nichts schedlichs. Alß [bitte] ich underthenigst, Und demuthigst E: Churf. Gn. wollen meynen Sachen großen ergangenen Unfalls gnedigst erwegen, Und mich Armen mahn mit solcher kleinen muhlstadt zu oben gemelten ort, domit ich die mit eynem muhlgange, zu wider Errichtung meiner Narung auffbawen und einrichten konte, Auß gnaden gnedigst bedenken und begnaden […]

E: Churf. Gn:. Underthenigster Gehorsamer

George Muller Becke und Muller zum Olberhau“ 21

Warum gerade an der Bach Rybenaw?

Während der Müller einen hochbeladenen Karren den Berghang über seinem Heimatdorf Olbernhau hinauf und weiter mühsam quer durch den Wald schiebt, schweifen seine Gedanken zurück. Noch viele solche schweren Fuhren würden nötig sein, um alles heranzuschaffen, was er zum Bauen und zum Leben brauchte. Die Strecke ist zwar nur eine gute Landmeile22 lang, aber sehr bergig und steinig. Er weiß, der Kurfürst hat fast die ganze Herrschaft Lauterstein aufgekauft und eine Holzordnung erlassen. Viel hat sich im Land zu ändern begonnen, auch ganz oben nahe bei Böhmen...

„Vor unsre Freybergische Bergkwerke sollen in unsern Lautersteinischen Hauptwäldern, welche an dem Wasser der Nazschke gelegen.

Vier tausend Schragen floßholz 23 geschlagen und an den Holz=Anger hinter Blumenau geflößet, daselbst zu Kohlen gebrand – Und do dannen nach Freybergk geführet werden“, wird in der Holzordnung angewiesen.24

Das Leben im Gebirge hat sich seitdem sehr gewandelt. Durch die Wälder erklingen der Schlag von Äxten, das Kreischen von Sägen und der dumpfe Ton niederfallender Bäume. Überallhin dringt der Geruch von rauchenden Meilern. Zurück bleiben große Stockräume als Gelegenheit zum Roden und Ansiedeln. Im Umkreis des Bachs Rübenau ist schon ein großes Stück Wald niedergehauen. Die Gegend belebt sich immer mehr mit Holzhauern, Flößern, Köhlern und Fuhrleuten, die mit Pferden das Holz zu den Floßplätzen transportieren. Auch nach Erz wird gesucht. Alle werden sich freuen über eine Mühle und Brot, denkt der Müller und hofft auf gute Einkünfte.

Er verspricht sich viel davon, gerade dort oben in der Einsamkeit eine Mühle zu bauen. Schon anno 1556 hatten die Berbisdorfer Herren dem Christoph Gneuß und Hans Steinhard aus Freiberg gestattet, „uffn Einsiedel“ am Wasser der Natzschung einen Knittel- oder Sensenhammer mit einem Wohnhaus und anderen nützlichen Gebäuden zu errichten. Aber eine Mahlmühle gibt es dort noch nicht! Das weiß Georg Müller. Zudem lassen tiefe Karrenspuren auf den Straßen zwischen Böhmen und Sachsen vermuten, dass all die Fuhrleute und Reisenden dankbar für Einkehr und Verköstigung wären.

Warten auf „solch Krumblein“

Auf seinen Bittbrief erhält Georg Müller überraschend schnell eine zustimmende Antwort. Kurfürst August sieht es gern, wenn seine Untertanen Tatkraft dabei zeigen, Sachsen voranzubringen. Darum findet er h im Sommer 1577 auf Schloss Wolkenstein in seinem Brief an Johann Heintze, den Schösser des Amtes auf der Burg Lauterstein, wohlwollende Worte für den Plan des geplagten Müllers aus Olbernhau. Was er vorhat, verspricht Brot für neue Siedler und wäre ohne Nachteil für andere Mahlmühlen!

Der Kurfürst weist seine Beamten an:

„Lieber getreuer, Ann Unns hatt Georg Muller Becker und Muller zum Olbernhaw undertheinigst Supplicirt [gebeten], Inen mitt einer Muhlstadt ann der Riebenau ann der Behemischen strassen gnedigst zubegnaden, wie Du Inligendt Zubefinden, Weil wir dan die nachrichtung bekommen, Das Ime ohne unserer Ambts auch andern umbligenden Muhlen nachtheil wohl gestattet werden könne, des orts eine Muhle mit einem Mahlgange Zubauen. So befehlen wir Dir hiermit, Du wollest vonn Unsert wegen beschaffen, Das Ime des orts ein Raum hirzu eingereumet, Und darauf nach gelegenheit ein Jerlicher Erb Zins geschlagen werde, […]

Wolckenstein, den 19 Augusti Anno 1577.

Augustus“25