Flight Levels – Organisationen mit Business-Agilität führen - Klaus Leopold - E-Book

Flight Levels – Organisationen mit Business-Agilität führen E-Book

Klaus Leopold

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Beschreibung

Know-how, um in der Organisation mit Flight Levels abheben und messbare Verbesserungen landen zu können - erfrischend ehrliche und leicht verständliche Darstellung - ansprechend illustrierte Aufbereitung - Pflichtlektüre für jeden Mitarbeitenden eines im Umbruch befindlichen Unternehmens – vom Topmanagement bis zu den TeamsFlight Levels bieten im Unterschied zu agilen Skalierungsansätzen, die stark auf Lösungsstandards setzen, ein offenes Denk- und Gestaltungsmodell. Dieses Modell hilft Fach- wie Führungskräften, auf die spezifischen Stärken und Herausforderungen eines Unternehmens zu fokussieren, um gemeinsam maßgeschneiderte Verbesserungen zu erarbeiten. Das Buch bietet einen fundierten Überblick über die verschiedenen Lösungsansätze und guten Praktiken der Flight Levels und zeigt im Detail, worauf es bei der praktischen Anwendung ankommt. Im Einzelnen werden behandelt: • Die wichtigsten Bausteine der Flight Levels • Die Vorbereitung von Flight-Levels-Initiativen • Detaillierte Bauanleitungen zu Koordinations- und Strategiesystemen • Flight-Levels-Systemarchitekturen • Tipps und Tricks für den Flugalltag

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Klaus Leopold ist Informatiker und unterstützt als Topmanagement-Berater seit circa 15 Jahren Unternehmen auf der ganzen Welt dabei, sich agil am Markt zu bewegen. Das Flight-Levels-Modell hat Klaus entwickelt, weil er in der Praxis von agilen Transformationen immer wieder ein Phänomen beobachtet: Zwar werden Teams »agilisiert«, aber diese lokalen Optimierungen ergeben in Summe kein agiles Business. Mit seinen Büchern »Agilität neu denken«, »Kanban in der Praxis« und als Co-Autor des Standardwerks »Kanban in der IT« zeigt er auf, wie man diesen Irrtum von Anfang an vermeidet und was bei der Ausrichtung einer Organisation auf den Markt für echte Wendigkeit sorgt. Seine Gedanken, Erlebnisse und Erkenntnisse teilt er auf dem Blog von www.leanability.com sowie unter @klausleopold auf Twitter.

Siegfried Kaltenecker ist geschäftsführender Gesellschafter der Loop GmbH, die sich auf agile Unternehmensentwicklung spezialisiert hat. Seit den 1990er-Jahren unterstützt er die Umsetzung innovativer Arbeits- und Organisationsformen in den unterschiedlichsten Branchen und fungiert als Pionier des Flight Levels Coaching. Die Erfahrungen, die er dabei sammelt, verarbeitet er in Artikeln und Büchern wie »Kanban in der IT«, »Selbstorganisierte Teams führen«, »Selbstorganisierte Unternehmen«, »Tatort Kanban« und »Tod dem Management«.

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Klaus Leopold · Siegfried Kaltenecker

Flight Levels –Organisationen mitBusiness-Agilität führen

Klaus Leopold

[email protected]

Siegfried Kaltenecker

[email protected]

Lektorat: Christa Preisendanz

Lektoratsassistenz: Julia Griebel

Redaktion: Dolores Omann, www.doloresomann.com

Illustrationen: Matthias Seifert, www.matthias-seifert.com

Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg

Satz & Layout: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-86490-971-9

PDF

978-3-98890-038-8

ePub

978-3-98890-039-5

mobi

978-3-98890-040-1

1. Auflage 2023

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Hinweis:

Dieses Buch wurde mit mineralölfreien Farben auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie. Hergestellt in Deutschland.

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Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autoren noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Vorwort

Herzlich willkommen an Bord unseres Buches, das dir ein besonderes Flugerlebnis bieten möchte. Ganz ohne Sitzgurt und Sauerstoffmaske erfährst du hier alles, um erfolgreich mit Flight Levels abheben und messbare Verbesserungen landen zu können: von der Entdeckung des Flight-Levels-Modells über die Vorbereitung unternehmerischer Flight-Levels-Initiativen und den Bau maßgeschneiderter Flight-Levels-Systeme bis hin zu deren professionellem Betrieb. Damit möchten wir deine Freude am Fliegen wecken, selbstverständlich 100 % ökologisch und höchst ökonomisch dazu. Schließlich haben unsere diversen Einsätze in den letzten Jahren bereits vielen Unternehmen zu effizienterer Zusammenarbeit, besseren Arbeitsabläufen und höherer Wertschöpfung verholfen.

Was wir dabei gelernt haben, steht im Zentrum dieses Buches. Der Ausdruck »letzter Stand des Irrtums«, den wir dafür gerne verwenden, verweist auf eine längere Geschichte. Tatsächlich sind wir mit dem Buch Kanban in der IT[Leopold & Kaltenecker 2018] bereits vor 12 Jahren als schreibende Co-Piloten in Erscheinung getreten. Es folgten individuelle Buchprojekte wie Selbstorganisierte Teams führen[Kaltenecker 2021a], Kanban in der Praxis[Leopold 2017], Selbstorganisierte Unternehmen[Kaltenecker 2017], Agilität neu denken[Leopold 2022] sowie die beiden agilen Kriminalromane Tatort Kanban[Kaltenecker 2019] und Tod dem Management[Kaltenecker 2021b] Wie unsere diversen Vorträge, Interviews oder Blogposts sind diese Bücher von unseren Praxisprojekten und von all den Erfahrungen inspiriert, die wir im Rahmen der Flight Levels Academy (https://www.flight-levels.io) oder bei den Events Flight Levels Day (https://fld.inside-agile.com) sammeln durften.

Angesichts einer rasant wachsenden Community an Praktikerinnen und Praktikern aus den unterschiedlichsten Unternehmenskontexten trauen wir uns mittlerweile zu behaupten, dass Flight Levels nicht nur Spaß machen, sondern eine höchst lukrative Investition sind:

Sie schaffen Transparenz und öffnen den Blick für das größere Ganze.

Sie bieten ein Denkmodell, mit dem sich Geschäftsprozesse erhellen und zielgerichtet umgestalten lassen.

Sie stärken die gemeinsame Verantwortung, da die unternehmerische Verbesserung von Anfang an ko-kreativ erfolgt.

Sie konzentrieren die Kommunikation darauf, die richtigen Leute zu den richtigen Themen zur richtigen Zeit zusammenzubringen.

Sie entlasten, indem sie auf allen Ebenen für Fokus sorgen.

Sie erhöhen die Arbeitszufriedenheit, da mit der sinkenden Belastung die Anzahl der Erfolgserlebnisse steigt – nicht zuletzt, weil nun alle Beteiligten sehen, wie ihre Arbeit gleichermaßen zur Kundenzufriedenheit und zur Unternehmensentwicklung beiträgt.

Bevor du nun deine persönliche Entdeckungsreise durch dieses Buch fortsetzt, wollen wir dich auf zwei besondere Flugbegleiterinnen hinweisen. Zum einen wird dir wahrscheinlich schon aufgefallen sein, dass wir in diesem Buch die direkte Anrede pflegen. Das »Du« bzw. »Ihr« will jene persönliche Nähe und Offenheit betonen, die in unserem Trainings- und Beratungsalltag gang und gäbe sind. Zum anderen benützen wir durchgängig die weibliche Form und sehen darin alle binären und nicht binären Geschlechter inkludiert.

Vor der endgültigen Startfreigabe möchten wir noch all jenen Kolleginnen und Kollegen danken, ohne deren Hilfe dieses Buch nicht zustande gekommen wäre: Katrin Dietze, Sabine Eybl, Stella Kaltenecker, Dolores Omann, Kathrin Schröder, Mathias Böni, Markus Brandl, Stephan Neck, Lukas Schmidt, Thorsten Schillo, Matthias Seifert.

Last but not least wollen wir uns auch bei euch, liebe Leserinnen und Leser, bedanken. Wenn ihr nämlich mit dem Kauf dieses Buches nicht euer ganz persönliches Flugticket gelöst hättet, müssten wir mit all unseren schönen Erfahrungen und Ideen am Boden bleiben. Erst eure Reiselust verleiht dem Flight-Levels-Modell jene Flügel, ohne die kein unternehmerisches Verbesserungsvorhaben auskommt. Dafür bietet euch dieses Buch mehrere Ansatzpunkte. Je nach Interesse und Vorwissen habt ihr folgende Möglichkeiten:

In

Kapitel 1

»

Flight Levels entdecken

« könnt ihr die wichtigsten Bausteine des Modells kennenlernen oder eure bisherigen Kenntnisse auffrischen und erweitern.

Ihr könnt die technischen Bausteine überspringen und in

Kapitel 2

»

Flight Levels vorbereiten

« gleich die sozialen Dimensionen ausloten: von der gemeinsamen Klärung der Ausgangssituation über die Fokussierung auf ein unternehmerisches Verbesserungsziel bis hin zu den unterschiedlichen Baumeisterinnen, ohne deren agile Veränderungsarbeit ihr nichts verbessern könnt.

Ihr könnt technische wie soziale Grundlagen links liegen lassen und direkt in die Raffinessen des Systemdesigns eintauchen – sei es nun in das

Kapitel 3

»

Flight-Level-2-Design

«, das

Kapitel 4

»

Flight-Level-3-Design

« oder das

Kapitel 5

»

Flight-Levels-Systemarchitektur

«, die alle jede Menge Gestaltungsoptionen bieten.

In

Kapitel 6

»

Flight Levels betreiben

« könnt ihr euch Tipps und Tricks in Sachen Flugalltag abholen, falls die Entdeckung, die Vorbereitung und der Bau bereits hinter euch liegen.

Wie auch immer du durch dieses Buch navigieren möchtest: Wir wünschen dir viel Vergnügen beim Lesen und viel Erfolg beim Anwenden der Flight Levels – ganz unter der Devise, die wir uns standesgemäß von den Austrian Airlines ausborgen: »Fly with a smile!«

Klaus Leopold & Siegfried Kaltenecker

Wien, im März 2023

Inhaltsverzeichnis

1Flight Levels entdecken

1.1Die drei Ebenen des Flight-Levels-Modells

1.2Fünf Kernaktivitäten auf dem Weg zur Business-Agilität

1.3Abläufe zwischen den Flight Levels

1.3.1Arbeitssystem-Topologie

1.3.2Flight Routes beschreiben

1.4Wozu Flight Levels?

2Flight Levels vorbereiten

2.1Die Basis: agil vorgehen

2.2Ist-Situation klären

2.3Verbesserungsfokus definieren

2.4Führungskoalition schaffen

2.4.1Sponsorin

2.4.2Change-Team

2.4.3Change Agents

2.4.4Stakeholder

2.5Engagement fördern

2.5.1Das Contracting

2.5.2Die Sparringspartnerschaft mit Sponsorinnen

2.5.3Die Arbeit im Change-Team

2.5.4Der Flight-Levels-Einführungsworkshop

2.5.5Das Sounding Board

2.5.6Der Take-off

2.6Agil vorgehen

2.6.1Ein idealtypischer Einführungsprozess

2.6.2Interaktionsformate im Veränderungsprozess

2.6.3Der Change-Flow-Workshop

2.6.4Ein Fallbeispiel in Detailansicht

3Flight-Level-2-Design

3.1Situation visualisieren

3.1.1Flight Item Types identifizieren

3.1.2Flight Routes – wie sich Arbeit über das Board bewegt

3.1.3Flight Routes finden und abgrenzen

3.2Das Board modellieren

3.2.1Board Pattern 1:Mehrere Flight Item Types managen

3.2.2Board Pattern 2:Flight Items ändern ihren Typ im Verlauf der Flight Route

3.2.3Board Pattern 3:Jetzt, als Nächstes, später

3.2.4Board Pattern 4:Up- and Downstream miteinander verbinden

3.2.5Board Pattern 5:Alles visualisieren und auf die Wartezeiten fokussieren

3.2.6Board Pattern 6:Doing vs. versteckte Wartezeiten

3.2.7Board Pattern 7:Die Wertschöpfungskette schließen

3.2.8Board Pattern 8:Arbeit von anderen

3.2.9Board Pattern 9:Output vs. Outcome

3.2.10Board Pattern 10:Definition of Done

3.2.11Board Pattern 11:Flight Level 2 Focus Explorer

3.2.12Board Pattern 12:Wissensengpässe sichtbar machen

3.2.13Board Pattern 13:Slicing

3.2.14Board Pattern 14:Flight Levels miteinander verbinden

3.3Umgang mit Problemen

3.3.1Blockaden

3.3.2Backflow – Rückfluss

3.4Fokus schaffen

3.4.1Das Flussexperiment – Parallelogramme bauen

3.4.2Erkenntnisse aus dem Flussexperiment

3.4.3Fokus im Allgemeinen

3.4.4Wie Fokus aufgebaut werden kann

3.4.5Worauf wird eigentlich der Fokus gelegt?

4Flight-Level-3-Design

4.1Aufgaben von Flight Level 3

4.1.1Ausführung der Strategie: Kreislauf statt Einbahnstraße

4.1.2Flight Level 3 am Beispiel eines Drohnenherstellers

4.1.3Skalierungsinhärenz: Connection Patterns

4.1.3.1Connection Pattern 1:Ein Flight-Level-3-System ist mit anderen Flight-Level-3-Systemen verbunden

4.1.3.2Connection Pattern 2:Ein Flight-Level-3-System ist mit mehreren Flight-Level-2-Systemen verbunden

4.1.3.3Connection Pattern 3:Ein Flight-Level-3-System ist direkt mit Flight-Level-1-Systemen verbunden

4.1.3.4Connection Pattern 4a/b:Ein Flight-Level-3-System wird (a) mit einem oder (b) mit mehreren Flight-Level-2- und Flight-Level-1-Systemen auf einem gemeinsamen Board abgebildet

4.1.3.5Connection Pattern 5:Ein Flight-Level-3-System ist mit mehreren kombinierten Flight-Level-3-2-1-Systemen verbunden

4.2Bestehende Strategien und Flight Levels zusammenführen – hallo SOFI!

4.2.1Allgemeines zur SOFI

4.2.2Patterns für Flight-Level-3-Boards

4.2.2.1FL3-Board Pattern 1:Die führende Spalte definieren

4.2.2.2FL3-Board Pattern 2:Verbindung durch Swimlanes, Avatare oder Farben

4.2.2.3FL3-Board Pattern 3:Objectives, Key Results, Actions – OKRA

4.2.2.4FL3-Board Pattern 4:Skalen

4.2.2.5FL3-Board Pattern 5:Stories hinzufügen

4.2.2.6FL3-Board Pattern 6:Viele Flight Items

4.2.2.7FL3-Board Pattern 7:Verfeinern, erkunden, analysieren

4.2.2.8FL3-Board Pattern 8:SAFe® Portfolio

4.2.3SOFI verbessern

4.2.3.1Flight Items formulieren

4.2.3.2Outcomes formulieren

4.2.3.3Die Qualität von Outcomes verbessern

4.2.3.4Stories formulieren

4.3Fokus schaffen und Rahmenbedingungen setzen

4.3.1Outcomes in Process

4.3.2Budgeting

5Flight-Levels-Systemarchitektur

5.1Fallbeispiel: Systemarchitektur eines Drohnenherstellers

5.2Visualisierung der Arbeitssystem-Topologie

5.2.1Potenzielle Flight-Level-2-Systeme identifizieren

5.2.2Die einzelnen Teams den Flight-Level-2-Systemen zuordnen

5.2.3Unnötige Flight-Level-1-Systeme aus der Topologie entfernen

5.2.4Den Koordinationsbedarf zwischen Flight-Level-2-Systemen identifizieren

5.2.5Flight-Level-3-Systeme identifizieren, um Strategie und Arbeitsfluss zu verbinden

5.3Flight Routes

5.3.1Flight Routes definieren

5.3.2Wozu werden Flight Routes benötigt?

5.3.3Das große Flight-Levels-Antipattern

6Flight Levels betreiben

6.1Agile Interaktionen im Systembetrieb am Beispiel eines Flight-Level-2-Systems

6.1.1Interaktionen im Arbeitsfluss

6.1.2Interaktionen und Meetings gestalten

6.2Synchronisation sicherstellen

6.2.1Gute Praktiken der Synchronisation

6.2.2Synchronisation auf dem Prüfstand

6.3Systemverbesserung messen

6.4Interaktionen verbessern

6.4.1Die organisatorischen Weichen stellen

6.4.2Moderationsplan ausarbeiten

6.4.3Das Momentum wahren

6.5Neue Impulse setzen

6.5.1Johari-Fenster trifft auf Flight Levels

6.5.2Die systemische Schleife zur Vorbereitung

6.5.3Bausteine eines Verbesserungsworkshops

6.5.4Debriefing

Glossar der wichtigsten Begriffe im Flight-Levels-Modell

Literaturverzeichnis

Index

1Flight Levels entdecken

»Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen«, heißt es. Egal, ob diese Reise nun zu Fuß erfolgt, per Fahrrad, Kreuzfahrtschiff oder Düsenjet – die Erzählung darüber wird stets den gleichen Fragen folgen: Was ist das für eine Reise? Wozu machst du sie? Wohin führt sie dich? Und wie organisierst du sie?

Dieselben Fragen stellen sich, wenn es um deine Reise durch dieses Buch geht. Lass uns gleich einmal mit der ersten Frage beginnen: Was sind Flight Levels? In der Luftfahrt beschreibt ein Flight Level, wie hoch ein Flugzeug fliegt. Je nach Flughöhe verändert sich der Detailgrad, mit dem du eine Landschaft wahrnehmen kannst. Fliegst du sehr hoch, siehst du kilometerweit in die Ferne, gleichzeitig erkennst du aber am Boden nicht mehr jede Einzelheit. Fliegst du eher niedrig, kannst du quasi in die Wohnzimmerfenster hineinschauen. Gleichzeitig verlierst du allerdings die flächenmäßige Ausdehnung einer Stadt aus den Augen. Jede Flugebene hat also ihre Vorteile, sie hat aber auch ihre Einschränkungen im Umfang dessen, was die Personen an Bord erkennen können.

Das gleiche Prinzip gilt für Unternehmen: Ein Flight Level ist hier als Beobachtungs- und Gestaltungshorizont zu verstehen, innerhalb dessen wir wertschöpfungsrelevante Zusammenhänge erkennen und gestalten können. In jedem Unternehmen lassen sich drei Flight Levels unterscheiden, die wir im nächsten Abschnitt genauer beschreiben werden: die strategische Ebene, die koordinative Ebene und die operative Ebene.

In Abschnitt 1.2 wenden wir uns dann den Aktivitäten zu, die auf jeder dieser Ebenen stattfinden. Ohne diese Aktivitäten kann eine Organisation weder zielorientiert abheben noch die unternehmerischen Verbesserungen landen, für die das Flight-Levels-Modell eingesetzt wird.

In Abschnitt 1.3 zeigen wir, dass dieselben Aktivitäten sinnvollerweise auch zwischen den Ebenen stattfinden. Dafür musst du allerdings erst die unterschiedlichen Arbeitssysteme in deinem Unternehmen identifizieren sowie die sogenannten Flight Routes, auf denen sich jede Arbeit über die verschiedenen Flugebenen hinweg zum ultimativen Ziel bewegt: einem für Kundinnen und Userinnen hochwertigen Produkt oder Service.

Abschnitt 1.4 fasst noch einmal die großen Glücksversprechen zusammen: Wozu sind Flight Levels gut? Was hat das Unternehmen davon? Was bringt es den Beschäftigten? Und was musst du beachten, um all diese Versprechen einzulösen? Nachdem wir das »Was?« und Wozu?« der Flight Levels adressiert haben, bleibt natürlich immer noch die Frage nach dem »Wie?«: Wie genau wendest du das Modell denn nun für dein Unternehmen an? Wie kannst du es für eine zielgerichtete Verbesserungsinitiative einsetzen? Und wie gewinnst du deine Kolleginnen für die gemeinsame Gestaltung des dafür notwendigen Veränderungsprozesses? Kapitel 2 umreißt in groben Zügen, welche Antworten wir in Sachen »Change Leadership« für richtungsweisend halten.

1.1Die drei Ebenen des Flight-Levels-Modells

Abbildung 1–1 bietet dir eine erste Übersicht über die verschiedenen Ebenen und deren Verbindungen.

Abb. 1–1Die drei Flight Levels – strategische, koordinative und operative Ebene

Flight Level 1: operative Ebene

Fangen wir bodennah an. Die erste Flugebene gehört den Teams, die die tägliche Arbeit erledigen: in der Produktentwicklung oder Softwareentwicklung, im Marketing oder Vertrieb, im Kundenservice oder Labor, in der Personal- oder Rechtsabteilung etc.

Mit welchen Methoden ein Team arbeitet, ob agil oder herkömmlich, ist völlig egal, denn das Flight-Levels-Modell ist methodenagnostisch. In einem Unternehmen gibt es meistens mehr als ein Team und nicht jede Arbeitsweise ist für jeden Arbeitskontext gleich gut geeignet. Man wird in ein und derselben Organisation daher verschieden gestaltete Flight-Level-1-Systeme antreffen. Ein Team von Juristinnen muss in seinen Abläufen und bei der Wahl des Fokus auf andere Dinge achten als ein Team von Maschinenbauerinnen oder Softwareentwicklerinnen.

Um Wert zu generieren, müssen die einzelnen Teams in irgendeiner Art und Weise kooperieren, denn »no team is an island«. Wird dieses Grundprinzip ignoriert, indem die Optimierungsbemühungen nur auf die einzelnen Teams gerichtet werden, besteht die Gefahr der Suboptimierung. Ja, vielleicht entsteht dadurch das eine oder andere Hochleistungsteam. Allerdings bleibt die Gesamtleistung des Unternehmens, also die Performance aller Teams zusammengenommen, im besten Fall gleich. Viel wahrscheinlicher wird sie sogar sinken.

Willkommen in der Welt des Systemdenkens! Lokale Optimierung führt meist zu globaler Suboptimierung. Der Grund sind die Abhängigkeiten und deren Management – was der Hauptzweck von Flight Level 2 ist.

Flight Level 2: koordinative Ebene

Damit ein Produkt entstehen oder eine Dienstleistung geliefert werden kann, müssen in der Regel mehrere Teams interagieren. Meistens besteht zwischen diesen Teams bereits ein reger Austausch, nur sollten diese Interaktionen auch zielführend sein. Die Kunst besteht folglich darin, dass die richtigen Teams (Flight Level 1) zur richtigen Zeit an der richtigen Sache arbeiten. Auf Flight Level 2 zoomen wir daher aus dem einzelnen Team heraus und visualisieren den Wertstrom, also die Art und Weise, wie ein Produkt oder Service bis zu seiner Auslieferung an die Kundinnen Form annimmt.

In der Praxis treffen wir zumeist auf drei Varianten von Flight-Level-2-Systemen:

Koordination mehrerer Teams

Ein Online-Händler möchte den Handel mit Gebrauchtwagen im Internet vereinfachen. In die Entwicklung seiner Plattform sind sechs Teams involviert. In regelmäßigen Interaktionen zwischen Vertreterinnen der einzelnen Teams wird geklärt, wer sich mit wem, wann und an welcher Stelle abstimmen muss, damit für Kundinnen Wert entstehen kann. Wieder sind wir methodenagnostisch unterwegs, denn für die Koordination ist es völlig irrelevant, auf welche Weise die einzelnen Teams liefern.

Ende-zu-Ende-Teilfluss

Selbst wenn mehrere Teams zusammenarbeiten, muss das noch keine Ende-zu-Ende-Koordination im Sinne eines gesamten Wertstroms bedeuten. Ganz einfach deshalb, weil manchmal mehrere Teams gemeinsam nur einen bestimmten Teil eines sehr viel größeren Vorhabens umsetzen. Umgekehrt kann aber sehr wohl ein einziges Team ein vollständiges Flight-Level-2-System darstellen, wenn es die Ende-zu-Ende-Verantwortung für ein ganzes Produkt oder einen Service hat.

Koordination mehrerer Flight-Level-2-Systeme

Je größer eine Organisation ist, desto mehr Wertströme gibt es – zum Beispiel in Form verschiedener Produkte und Services. Deswegen wird man in einem Unternehmen mit Tausenden Beschäftigten in der Regel mehrere Flight-Level-2-Systeme und zwischen diesen Wertströmen wiederum diverse Abhängigkeiten finden. Wird zum Beispiel in einem Produkt etwas verändert, muss häufig auch etwas in einem anderen Produkt geändert werden. In solchen Fällen werden die verschiedenen Boards, auf denen Wertströme visualisiert werden, physisch oder virtuell zusammengeführt, um die Abhängigkeiten sichtbar zu machen und dadurch managen zu können.

In Kapitel 3 findest du eine detaillierte Darstellung dieser Systeme und was du bei deren Bau beachten solltest.

Flight Level 3: strategische Ebene

Jedes Unternehmen hat eine Strategie, also eine Vorstellung davon, welche Marktposition es kurz-, mittel- und langfristig einnehmen will und wie die Mitarbeiterinnen dieses Ziel gemeinsam erreichen können. Die Gretchenfrage ist jedoch, wie klar diese Strategie formuliert und wie explizit sie kommuniziert wird. Üblicherweise wird die Entwicklung der Strategie als Kernaufgabe des Topmanagements betrachtet. Nur bringt die schönste Strategie nichts, wenn lediglich die Unternehmensspitze weiß, wohin die Reise gehen soll. Auf Flight Level 3 sind daher vor allem drei Fragen relevant:

Wie sieht unsere Strategie aus?

Welche Ergebnisse wollen wir in unterschiedlichen Zeithorizonten erreichen – zum Beispiel in drei Jahren, in einem Jahr oder in den nächsten drei Monaten?

Welche großen Initiativen, mittelfristigen Projekte oder kleineren Aktionen können wir daraus für die unmittelbare Zukunft ableiten?

Mithilfe eines Flight-Level-3-Systems werden diese Fragen nicht länger hinter verschlossenen Türen und im exklusiven Kreis beantwortet. Stattdessen entsteht eine transparente Verbindung zwischen allen drei Flight Levels (Strategie, Koordination und operative Umsetzung) und es wird von Anfang an für kontinuierliche Kommunikation gesorgt.

Das am Ende eines Jahres oft stattfindende nachträgliche Hineinpressen der Arbeitsergebnisse (»Backward Mapping«) in die strategischen Vorgaben fällt damit weg. An dessen Stelle tritt das »Forward Mapping«, das gemeinsame Planen überschaubarer Schritte und der laufende Check der Ergebnisse in kurzen Abständen. Wie genau ein Unternehmen zu einem solchen Mapping kommst und was das für die unternehmerische Strategiearbeit bedeutet, erfährst du in Kapitel 5.

Vision, Strategie & Flight Levels

Obwohl die Vision und die Strategie eines Unternehmens wichtige Ausgangspunkte sind: Deren Ausarbeitung selbst ist nicht Teil des Flight-Levels-Modells. Zwar beschäftigt uns die Frage, wie die Strategie operationalisiert wird, aber wir befassen uns nicht mit dem Finden und der Formulierung der Strategie selbst. Ob ein Unternehmen als Nächstes den lateinamerikanischen oder den asiatischen Markt erobern soll, lässt sich mit dem Flight-Levels-Modell nicht beantworten. Wenn aber die strategische Entscheidung getroffen wurde, hilft das Denken in Flight Levels bei der Umsetzung der strategischen Vorhaben.

Ein umfassendes Bild über die Performance einer Organisation ergibt sich erst, wenn die Sichtweiten dieser drei Flugebenen zusammengeführt, aufeinander abgestimmt und koordiniert werden.

Wie wir in diesem Buch im Detail beschreiben werden, können wir mithilfe des Flight-Levels-Modells herausfinden, wo innerhalb der Organisation welche Hebel für die Verbesserung liegen. Dazu ist es nicht immer notwendig, Rollen und Verantwortlichkeiten neu zu verteilen oder originelle Organisationsstrukturen zu schaffen. Die Frage lautet vielmehr: An welchen Stellen in den Wertströmen können wir ansetzen, um mit möglichst wenig Veränderungsaufwand eine substanzielle Verbesserung zu erreichen? Um diese Frage beantworten zu können, werden die in einer Organisation existierenden Arbeitssysteme mit ihren Abhängigkeiten, die in den einzelnen Systemen gemanagten Arbeiten sowie deren Wege in und zwischen den einzelnen Arbeitssystemen abgebildet. Womit wir nun beim eigentlichen Motor kontinuierlicher Verbesserung gelandet wären: den fünf Kernaktivitäten, die in einem nachhaltigen Zyklus auf allen Flight Levels angewendet werden.

Ablauf- nicht Aufbauorganisation

Bitte zieh das Flight-Levels-Modell nicht dazu heran, um ein Unternehmen nach Flight Levels auseinander zu dividieren! Die Flight Levels sind weder ein Organisations- noch ein Maturitätsmodell. Sie dienen nicht zum Aufbau eines hierarchischen Organigramms, in das du nur noch die bestehende Abteilungs-, Team- oder Führungsstruktur einsortieren musst. Flight Level 3 ist nicht dreimal besser oder wichtiger als Flight Level 1.

1.2Fünf Kernaktivitäten auf dem Weg zur Business-Agilität

Im Folgenden umreißen wir jede der fünf Aktivitäten, die du auf allen Flight Levels kontinuierlich anwenden solltest, wenn dein Ziel nicht »agile Teams«, sondern »Business-Agilität« lautet (siehe auch Abb. 1–2 auf S. 8).

Die Situation visualisieren

In der Wissensarbeit haben wir das Problem, dass schwer greifbar ist, was eigentlich getan wird. Am Ende eines Arbeitstages existiert in irgendeinem Kopf eine Idee, Dokumente schwirren durch die Cloud oder ein Stück Code wartet auf einem Rechner auf seine Weiterbearbeitung. Was nicht sichtbar ist, sorgt oft für Missverständnisse, und die Koordination voneinander abhängiger Fachexpertinnen, Teams oder Abteilungen ist wesentlich schwieriger.

Bevor wir überhaupt an Lösungen denken, sollte daher die aktuelle Situation für alle Beteiligten sichtbar werden. Die Idee ist, ein Abbild der Arbeiten und Tätigkeiten zu schaffen, mit denen die jeweilige Organisation derzeit beschäftigt ist. So können die beteiligten Expertinnen besser verstehen, wie diese Arbeiten durch die Organisation fließen und welche Wechselwirkungen es zwischen den einzelnen Organisationseinheiten gibt.

Diese Visualisierung passiert in der agilen Welt hauptsächlich durch Boards, deren professionelle Erstellung wir in den Kapiteln 3 bis 5 thematisieren.

Fokus schaffen

Für gewöhnlich haben Menschen weit mehr Ideen, als sie tatsächlich umsetzen können. An allen Ideen gleichzeitig zu arbeiten, bringt aber nicht viel, da sonst alles ewig dauert. Damit etwas innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens fertig werden kann, müssen wir uns jeweils auf eine bestimmte Menge an Arbeit fokussieren und diese Schritt für Schritt umsetzen. Das hilft auch dabei, Planungsunsicherheiten aufzulösen. Erst wenn etwas abgeschlossen ist, wird mit etwas Neuem begonnen, denn: Arbeiten kostet Geld. Arbeit abschließen bringt Geld.

Agil interagieren

Wir können die schönsten Boards bauen und den sensationellsten Fokus schaffen: Es wird sich nichts verbessern, wenn die Menschen in einer Organisation nicht gut zusammenarbeiten. Das klingt nach Binsenweisheit – und entpuppt sich bei genauerer Betrachtung doch als ziemlich anspruchsvoll. Immerhin hängt eine gute Zusammenarbeit ganz wesentlich davon ab, dass sich die richtigen Menschen zur richtigen Zeit mit den richtigen Dingen beschäftigen.

Aus unserer Sicht ist dies nur durch agile Interaktionen zu bewerkstelligen. Interagieren bedeutet ja buchstäblich aufeinander bezogen zu handeln, was intensive Kommunikation und effektive Koordination voraussetzt. Wie bereits erwähnt wird durch die Visualisierung der Arbeit auf einem Flight Level Board ein gemeinsames Medium geschaffen. Das Board spiegelt den jeweiligen Stand und Fortschritt der Arbeit wider, sodass alle ihre Kommunikation auf den zukünftigen Handlungsbedarf konzentrieren können:

Wo müssen wir etwas tun, um besser voranzukommen?

Wie entscheiden wir, was als Nächstes zu tun ist?

Wie legen wir fest, wer sich worum kümmert?

Wo sind noch Informationen erforderlich, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können?

In Kapitel 6 erfährst du, wie du diese Fragen adressieren kannst, indem du ein für eure Flight-Levels-Initiative maßgeschneidertes System agiler Interaktionen gestaltest.

Fortschritt messen

Wenn wir Verbesserungen anstreben, sind eine Übersicht, ein klarer Fokus und intensiver Austausch unbedingt erforderlich, wie auch Messungen. Woran genau erkennen wir den Fortschritt? Welche messbaren Optimierungen zeichnen sich ab? Und woran sehen wir, dass wir wie gewünscht vorankommen?

Messungen sind nichts anderes als eine ständige Feedbackschleife. Sie zeigen, ob wir einem Ziel nähergekommen sind und ob wir uns verbessert oder verschlechtert haben. Sinnhaftigkeit und Aussagekraft von Messungen hängen einmal mehr vom Kontext ab. Was als Verbesserung bzw. Fortschritt betrachtet wird, ist für jede Organisation höchst individuell. Deshalb hält das Flight-Levels-Modell zwar zum Messen an, gibt aber keine Standardmetriken vor.

Für aussagekräftige Messungen sollte nicht ein Hype die wichtigste Grundlage sein. Wirkliche Kraft hat das im Kommunikationsprozess einer Gruppe ausgehandelte gemeinsame Verständnis darüber, was warum wie gemessen werden soll. Angenommen, das gemeinsame Ziel lautet »bessere Qualität«. Wenn jemand dieses Ziel in die Runde wirft, werden wahrscheinlich viele zustimmend nicken. Sobald aber gefragt wird: »Woran erkennen wir, dass sich die Qualität verbessert hat?«, wird ein Raunen durch die Menge gehen. Ist die Qualität gestiegen, wenn sich die Anzahl der Fehlerbehebungen verringert hat? Merken wir es am positiven Feedback der Kundinnen? Oder an der sinkenden Zahl der Anrufe bei der Support-Hotline?

Es versteht sich von selbst, dass es darauf verbindliche Antworten braucht. Wie genau dabei vorgegangen wird und warum dabei auch sogenannte Gegenmessungen berücksichtigt werden sollten, erläutern wir in Abschnitt 6.3.

Verbesserungen durchführen

»Wir könnten ja mal schauen, ob …«, »Man sollte wirklich einmal …«, »Könnten wir nicht … probieren« – über Verbesserungen kann man viele schöne Gespräche führen, aber: »The proof of the pudding is in the eating.« In anderen Worten: Verbesserung passiert nur, wenn tatsächlich etwas getan wird. Deshalb ist es uns Menschen von der Flight Levels Academy so wichtig, das Verbessern als Tätigkeit in einem ständigen Kreislauf explizit hervorzuheben. Verbesserung ist ein integraler Bestandteil der Arbeit, für die auch angemessene Kapazitäten innerhalb des jeweiligen Flight-Levels-System reserviert sein sollten.

Abb. 1–2Kreislauf der fünf Kernaktivitäten des Systemdesigns

Jetzt wirst du dich vielleicht fragen: Was ist denn so einzigartig an diesen fünf Kernaktivitäten? Und wir antworten dir: Im Grunde sind sie nichts Neues. Ähnliche Kreisläufe liegen auch Scrum, Kanban, Lean Startup oder Design Thinking zugrunde. Aus unserer Sicht ist der springende Punkt, dass die beschriebenen Kernaktivitäten selbst völlig unabhängig davon sind, nach welcher Methode gearbeitet wird. Das Besondere am Flight-Levels-Modell ist nun, dass dieser Kreislauf nicht nur in einzelnen Organisationsbereichen, sondern auf und zwischen allen drei Flugebenen angewendet wird. Erst dadurch können alle Planungshorizonte und Aktivitäten aufeinander abgestimmt werden.

Konsequent angewendet unterstützen diese Aktivitäten also die kontinuierliche, messbare Verbesserung des gesamten Unternehmens – daher können wir sie auch als die »fünf Kernaktivitäten des Systemdesigns« im Rahmen des Flight-Levels-Modells bezeichnen. In Kapitel 2 werden wir sehen, dass auch die Veränderung, die durch die Einführung von Flight Levels in einer Organisation angestoßen wird, entlang von fünf zentralen Schritten gestaltet werden kann – diese Schritte werden wir daher als die »fünf Kernaktivitäten des Veränderungsdesigns« bezeichnen.

1.3Abläufe zwischen den Flight Levels

Die Flight Levels sind also eine Denk- und Kommunikationshilfe, in deren Mittelpunkt die Verbesserung der Ablauforganisation steht. Die fünf Kernaktivitäten machen deutlich, wo wir dafür am besten ansetzen können. Mittlerweile sollten wir einen ersten Überblick gewonnen haben, wie das auf den einzelnen Flight Levels funktioniert. Aber wie schaffen wir es, auch die Abläufe zwischen den Flight Levels zu verbessern? Dafür sind zwei Bausteine nötig:

Die Arbeitssystem-Topologie

Welche Arbeitssysteme gibt es derzeit in der Organisation? Wie sind diese Systeme miteinander verbunden?

Die Flight Routes

Wie bewegt sich die Arbeit durch die Arbeitssysteme, die wir identifiziert haben?

Topologie und Flight Routes zusammen bezeichnen wir als Flight-Levels-Systemarchitektur. Und das Schönste daran ist: Diese Architektur kann ebenso visualisiert und durchleuchtet werden wie die einzelnen Flugebenen. Im Folgenden erhältst du einen kurzen Überblick über die Bausteine, die wir in Kapitel 5 detailliert beschreiben.

1.3.1Arbeitssystem-Topologie

Um eine passende Systemarchitektur erstellen zu können, müssen wir herausfinden, welche Arbeitssysteme es in einem Unternehmen zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt gibt. Das heißt, wir bilden die sogenannte Topologie ab und untersuchen das Unternehmen auf existierende Flight-Level-1-, Flight-Level-2- und Flight-Level-3-Systeme. Im Anschluss erkunden wir, welche Abläufe und Abhängigkeiten es derzeit zwischen diesen Systemen gibt. Dadurch können wir erkennen, wie sich diese Systeme miteinander verbinden lassen, um das Unternehmen gezielt zu verbessern.

Was ist ein Arbeitssystem bzw. Flight-Level-System?

Mit einem Arbeits- oder Flight-Level-System meinen wir einen Ausschnitt der Organisation, in dem die fünf Kernaktivitäten angewendet werden. In Abbildung 1–3 wird so ein Systemausschnitt beispielhaft durch ein Kästchen in der Topologie repräsentiert.

Was ist eine Arbeitssystem-Topologie?

Eine Topologie bezeichnet im Allgemeinen die Position und Beziehung von Objekten zueinander. Die Arbeitssystem-Topologie ist eine Visualisierung, die abbildet, welche Flight-Level-Systeme in einer Organisation für die Erledigung von Arbeit gebraucht werden und wie diese miteinander verbunden sind.

Abb. 1–3Beispiel für eine Flight-Levels-Systemarchitektur

Flight-Level-1-Systeme zu finden, ist meistens recht einfach, denn dabei können wir uns an den einzelnen Teams orientieren. Flight-Level-3-Systeme berühren immer die Strategie, also auch hier fällt es grundsätzlich leicht, sie herauszuarbeiten.

Die größte Herausforderung steckt zumeist in der Identifikation der Flight-Level-2-Systeme. Hier ist Sorgfalt angebracht, denn genau diese Drehscheiben der Koordination sind der Schlüssel zur Business-Agilität.

Das in Abbildung 1–3 dargestellte Beispiel einer Arbeitssystem-Topologie stammt aus dem echten Leben und zeigt die Flight-Level-Systeme einer Webplattform für Automobil-Inserate:

Hier sehen wir, dass die Teams 1 bis 12 (Flight Level 1) gemeinsam an der »Core Experience« (eine Plattform, daher Flight Level 2) arbeiten und sich koordinieren müssen.

»Business Intelligence« ist ebenfalls ein Flight Level 2. Im konkreten Fall war die Plattform »Business Intelligence« ein kleines Arbeitssystem mit 15 involvierten Personen in zwei Teams. Diese zwei Teams sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht viel Sinn ergibt, zwei separate Teamboards und ein weiteres, gemeinsames Board für die Koordination zu bauen. Sie verantworten zusammen ohnehin die gesamte Wertschöpfungskette. Also koordinieren sich die zwei Teams regelmäßig vor einem gemeinsamen Flight-Level-2-Board.

Bei den unterstützenden Services wie Vertrieb, Marketing oder die Rechtsabteilung ist es in diesem Unternehmen hingegen wieder recht klar, dass es sich um Flight-Level-2-Systeme handelt, weil sie jeweils aus einem einzelnen Team bestehen. An diesen Abteilungen zeigt sich, dass es bei der Arbeit mit den Flight Levels nicht um einen einzigen Ausschnitt der Organisation geht, zum Beispiel um die IT.

Was in diesem Beispiel auffällt: Alle Systeme sind mit der Strategieebene, der sogenannten »Company Wall«, verbunden. Warum ist das so? In diesem Unternehmen gibt es viele Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Produkten. Die Company Wall ist der Ort, an dem die Vertreterinnen dieser Produkte die Abhängigkeiten und die zu erledigende Arbeit koordinieren. Wir sehen außerdem, dass die Company Wall eine Mischung aus Flight-Level-2- und Flight-Level-3-Systemen ist, denn hier werden auch strategische Informationen gemanagt.

Auf Architekturebene geht es also nicht darum, lustig drauflos ein paar Boards zu bauen. Stattdessen erarbeiten wir uns Schritt für Schritt einen ersten Überblick über die bestehende Ablauforganisation. Von diesem Punkt aus können wir Topologien nach verschiedenen Gesichtspunkten entwerfen und durchdenken. Das Ziel ist, die meist unsichtbare Ablauforganisation in den Mittelpunkt zu stellen und sichtbar zu machen. Wie das genau funktioniert, erfährst du in Kapitel 5.

1.3.2Flight Routes beschreiben

Wenn wir wissen, welche Arbeit so durch unsere Systeme fließt, können wir heraus finden, auf welchen Wegen sie sich durch die verschiedenen Systeme bewegt. Wir versuchen also, die »Flight Routes« verschiedener Kategorien von Arbeit nachzuvollziehen.

Aus diesen Bewegungen lässt sich indirekt ablesen, wie ein Unternehmen tickt. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn Flight Routes größtenteils von der strategischen zur operativen Ebene, aber nie von der operativen zur strategischen Ebene weisen? Es könnte sein, dass in diesem Fall eine Gruppe sehr kluger Menschen alles weiß und dem Rest der Organisation am liebsten Anweisungen erteilt. Gibt es hingegen Routen, die von der operativen auch wieder zurück zur strategischen Ebene verlaufen, dann werden anscheinend Kolleginnen der koordinativen und der operativen Ebene in die strategischen Entscheidungen eingebunden und es findet ein Abgleich zwischen der Strategie und den Ergebnissen der Arbeit statt. Verlaufen die Flight Routes hauptsächlich durch Flight-Level-2- oder Flight-Level-1-Systeme, dann ist das meistens ein Zeichen dafür, dass viele Entscheidungsbefugnisse und Verantwortungen an die ausführenden Stellen weitergegeben werden.

Wie wir in Kapitel 5 noch genauer ausführen werden, lassen sich anhand der Flight Routes Rückschlüsse über die Funktionsweise einer Organisation ziehen. Leider kennen viele Organisationen ihre Flight Routes und deren Auswirkung auf die Abläufe überhaupt nicht. Das Sichtbarmachen hilft dabei, die Störungen zu erkennen, die durch ungünstige Flight Routes entstehen.

1.4Wozu Flight Levels?

Die wichtigsten Bausteine von Flight-Level-Systemen haben wir dir nun kurz vorgestellt. Eine Grundsatzfrage ist jedoch noch offen: Wozu das Ganze? Anders gefragt: Was hat ein Unternehmen davon, mit Flight Levels zu arbeiten? Was bringt es den einzelnen Fach- und Führungskräften, das Modell auf die eigene Arbeitssituation anzuwenden? Und was haben eigentlich die Kundinnen und Userinnen davon?

Der konkrete Nutzen der Flight Levels ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass es durchaus so etwas wie typische Probleme und Herausforderungen gibt, die mit Flight Levels gut adressiert werden können.

Im Unternehmen wird Business-Agilität angestrebt, ihr kommt aber nicht über die Grenzen der Aufbauorganisation hinaus. Bei dieser Ausgangssituation hilft das Flight-Levels-Modell, da es an den wertgenerierenden Abläufen ansetzt und die einzelnen Arbeitssysteme zu einer sinnvollen Architektur verbindet (

Kap. 5

).

In einzelnen Geschäftsbereichen ist das Unternehmen zwar schon agil unterwegs, scheitert aber an einer erfolgreichen Skalierung. Auch in diesem Zusammenhang kann eine Flight-Levels-Architektur gute Dienste erweisen, da dadurch eine Übersicht über die systemischen Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Koordinationspunkte entsteht, ohne die eine effektive Skalierung nicht gelingen kann (

Kap. 5

).

Der Vorstand legt zwar klare strategische Ziele fest, am Ende des Jahres stellt sich allerdings heraus, dass das Unternehmen großteils mit ganz anderen Dingen beschäftigt war. In so einem Fall könnte das Unternehmen davon profitieren, wenn die Ziele mit messbaren Ergebnissen und konkreten Initiativen verbunden werden, ein transparentes System dafür geschaffen und dieses parallel zu den Umsetzungsfortschritten regelmäßig geprüft und adaptiert wird (

Kap. 4

).

In allen Geschäftsbereichen wird an einer Fülle vielversprechender Projekte gearbeitet, diese gehen aber weit langsamer voran als erwartet. Diese Situation schreit geradezu nach einer differenzierten Visualisierung der aktuellen Arbeitssituation, damit ihr eine Übersicht über die verschiedenen Projektarbeiten gewinnt und diese sinnvoll fokussieren könnt (

Kap. 3

und

4

).

Es sind viele agile Teams im Einsatz, allerdings wird weder schneller geliefert noch mehr Wert erzielt. In so einer Situation können Flight Levels helfen, indem sie auf Ende-zu-Ende-Wertströme fokussieren und für eine zielorientierte Koordination agiler wie nicht agiler Inseln sorgen (

Kap. 3

).

Die Fachabteilungen arbeiten sehr produktiv, wissen aber nicht, auf welches größere Ganze ihre Arbeit einzahlt. Diese Leerstelle kann ebenfalls durch ein Strategieboard gefüllt werden: Es schafft ein für alle transparentes System, wenn dazu auch regelmäßig kommuniziert wird (

Kap. 4

).

In der Organisation wurden bereits einige agile Frameworks ausprobiert, aber es ist immer daran gescheitert, die vorgegebenen Organisationsstandards, Rollen und Interaktionen planmäßig im Unternehmen zu implementieren. Falls dem so ist, könnte sich eine genauere Auseinandersetzung mit dem agilen Veränderungsansatz der Flight Levels lohnen (

Kap. 2

).

In diesem Kapitel haben wir umrissen, wie dir das Flight-Levels-Modell bei solchen Problemen und Herausforderungen helfen kann. Du kannst damit Transparenz über die aktuelle Situation und dadurch ein gemeinsames Ausgangsbild schaffen. Du konzentrierst dich auf die Wertschöpfung und die damit verbundenen Arbeitsabläufe. Du hast die Möglichkeit, ambitionierte Vorhaben nicht bloß zu konzipieren, sondern über die verschiedenen Flugebenen hinweg für deren konsequente Umsetzung zu sorgen. Du unterstützt die Zusammenarbeit agiler Expertinnen, förderst aber auch deren team- und bereichsübergreifende Koordination. Dafür stellen dir die Flight Levels ein praxiserprobtes Set an Gestaltungselementen, Methoden und Techniken zur Verfügung, das du in einer Weise zusammenbauen kannst, die zu deinem Unternehmen passt.

Um damit die gewünschten Verbesserungen zu erzielen, brauchst du allerdings nicht nur geeignete Flugsysteme, sondern auch Menschen, die sie mit dir gestalten. Dementsprechend kommen zu all den technischen noch viele soziale Fragen hinzu: Wie genau bringst du die Flight Levels in deinen Organisationsalltag ein? Wie kommst du vom allgemeinen Modell zu einer punktgenauen Anwendung? Wie gewinnst du deine Kolleginnen für eine gezielte Verbesserungsinitiative? Und wie kannst du den dafür notwendigen Veränderungsprozess bestmöglich gestalten? Kapitel 2 liefert dir darauf praxisorientierte Antworten.

2Flight Levels vorbereiten

Nun hast du also eine erste Übersicht über das Modell der Flight Levels gewonnen – zumindest über jenen Teil, den wir der Einfachheit halber »den technischen« nennen. Doch genau genommen hat dieser Teil von Anfang an auch eine soziale Komponente, schließlich sind die Flight Levels nicht ohne die Menschen denkbar, die sie auf ihre eigene Situation anwenden. Verbesserung kommt eben nicht über das technische Systemdesign zustande, sondern über die agilen Interaktionen innerhalb dieses Systems. Verbesserung passiert durch die Ideen, die Expertinnen miteinander entwickeln, in der Praxis erproben und gemeinsam auswerten.

Kurzum: Es sind die Akteurinnen und deren Aktivitäten, die Unternehmen ins Fliegen bringen. Soziales und Technisches bleiben miteinander so untrennbar verbunden wie die zwei Seiten der sprichwörtlichen Medaille (siehe auch Abb. 2–1). Erst dadurch werden Flight Levels zum Motor jener kontinuierlichen Verbesserung, die im agilen Zeitalter allerorten gefragt ist.

Damit das gelingt, musst du allerdings auch für Veränderung sorgen. Diese Veränderung beginnt schon mit der Frage, wie du Flight Levels in dein Unternehmen bringst und deine Kolleginnen für eine zielgerichtete Initiative gewinnst. Handlungsleitende Antworten liefern dir die fünf Kernaktivitäten des Veränderungsdesigns, die sich analog zum in Kapitel 1 beschriebenen Kreislauf des Systemdesigns identifizieren lassen:

Ist-Situation klären

Verbesserungsfokus definieren

Führungskoalition schaffen

Engagement fördern

Agil vorgehen

Abb. 2–1Zwei Seiten derselben Flight-Levels-Medaille

Diese fünf Veränderungsdimensionen komplementieren die technischen Kernaktivitäten, die auf allen Flight Levels zur Anwendung kommen und denen wir uns in den Kapiteln 3 bis 6 widmen werden. Zeitlich betrachtet stellen die Kernaktivitäten des Veränderungsdesigns sogar den logischen Startpunkt jeder Flight-Levels-Initiative dar. Denn ohne eine umsichtige Klärung des Startfelds, ohne die Klärung des eigenen Flugziels, ohne eine versierte Crew und ohne ein Vorgehen, das der Dynamik des regulären Flugbetriebs gewachsen ist, werden wir gar nicht abheben, geschweige denn nachhaltige Verbesserungen landen können.

Weniger metaphorisch gesagt schaffen die fünf Veränderungsaktivitäten also die Voraussetzungen für die unternehmerische Verbesserung, indem sie den dafür notwendigen Veränderungsprozess so gestalten, dass er der Komplexität heutiger Geschäftsprozesse gewachsen ist. Sie helfen insbesondere:

Flight-Levels-Initiativen vorzubereiten, von einer umsichtigen Klärung der Ausgangssituation über die Definition eines strategischen Verbesserungsfokus bis zur gezielten Beteiligung der unterschiedlichen Stakeholder;

bereits in der Vorbereitung jene Verhaltensformen zu modellieren und zu bestärken, die für den erfolgreichen Betrieb von Flight-Levels-Systemen notwendig sind – von der gemeinsamen, team- und siloübergreifenden Verantwortung über die offene Kommunikation bis hin zur ko-kreativen Lösungsarbeit;

idealerweise mit jedem Veränderungsschritt auch ein kleines Stück Verbesserung zu verwirklichen – sei es nun auf der Ebene des persönlichen Kennenlernens (andere Leute, Perspektiven, Erfahrungen), der sozialen Interaktionen (fach- und hierarchieübergreifend, auf das große Ganze fokussiert, im gesamten Unternehmen) oder des Wissens (Business-Agilität, Ablauforganisationen, Wertströme);

die Einführung maßgeschneiderter Systeme und Architekturen zu orchestrieren, etwa durch klar definierte Veränderungsrollen, durch das iterative Vorgehen, durch den Einsatz agiler Workshop-Formate oder durch regelmäßige Feedbackschleifen;

den Betrieb von Flugsystemen so zu strukturieren, dass ein regelmäßiges Inspect & Adapt kultiviert und kontinuierliche Verbesserung auf allen Ebenen gefördert wird.

In diesem Kapitel wollen wir jede der fünf Veränderungsaktivitäten genauer beschreiben: Worum geht es dabei? Was sind die wichtigsten Herausforderungen unternehmerischer Verbesserung, die jede dieser Aktivitäten adressiert? Welche Formate haben sich dafür bewährt? Und wie sieht das Ganze in der Praxis aus?

Es liegt nahe, diese Fragen in der vorgestellten Reihenfolge der Kernaktivitäten nacheinander zu beantworten – schließlich klären wir für gewöhnlich zuerst die Ist-Situation und legen dann einen Verbesserungsfokus fest oder definieren erst die Führungskoalition, bevor wir auf breiter Basis Engagement fördern. Doch die Praxis lehrt uns, dass diese Kernaktivitäten mitunter gleichzeitig laufen, einander überschneiden oder hin- und herpendeln. So kann bereits die Klärung der aktuellen Situation das Engagement vieler Leute fördern und die explizite Vereinbarung von Veränderungsrollen einen starken Einfluss auf das Verbesserungsziel haben. Zuweilen gibt es von Anfang an eine ambitionierte Sponsorin, die ein klares Verbesserungsziel verfolgt. Und in anderen Fällen sorgen unterschiedliche Fachexpertinnen bereits für starke Veränderungsimpulse, die gewissermaßen das Feld für eine offizielle Flight-Levels-Initiative aufbereiten.

Um ein fundiertes Verständnis dieser oft eigenwilligen Veränderungsdynamiken abzusichern, wollen wir daher mit der fünften Kernaktivität beginnen. Das agile Vorgehen stellt nämlich so etwas wie die Basis dar, auf der alle anderen Aktivitäten, Formate und Methoden aufbauen.

What’s wrong with changing?

»What’s wrong with changing?«, fragt die irische Musikerin Wallis Bird. »A hell of a lot!«, möchten wir zurücksingen – sei es nun im Hinblick auf die hohe Misserfolgsrate unternehmerischer Verbesserungsprojekte, im Hinblick auf haarsträubende Fehler im operativen Change Management oder im Hinblick auf die weitverbreitete Veränderungsmüdigkeit.

Da wir unternehmerischen Wandel ungebrochen als Kernkompetenz betrachten, möchten wir in diesem Kapitel die wichtigsten Bausteine einer »Change Leadership« skizzieren, die den Anforderungen des agilen Zeitalters gewachsen ist.

2.1Die Basis: agil vorgehen

Wenn ihr im Unternehmen Flight Levels einführen wollt, seid ihr schlagartig mit einer ganzen Latte von Fragezeichen konfrontiert:

Wie genau wollt ihr in eurer speziellen Situation vorgehen?

Welche einzelnen Schritte setzt ihr?

Wie lange dauern diese Schritte und wie aufwendig sind sie?

Wann tut ihr was?

Wer genau ist woran beteiligt?

Wie behaltet ihr die Übersicht über all eure Verbesserungsaktivitäten?

Wie geht ihr mit unvorhergesehenen Ereignissen um?

Wie stellt ihr sicher, dass ihr sukzessive dazulernt?

Wie überprüft ihr euren Fortschritt und wie nehmt ihr notwendige Kurskorrekturen vor?

Das traditionelle Change Management liefert dazu eindeutige Antworten: Definiere, wie dein Arbeitsprozess aussehen soll, entwirf eine Roadmap, die dich dort Meilenstein für Meilenstein hinführt, beauftrage eine Projektmanagerin, die für die plangetreue Umsetzung sorgt, und wickle das Ganze generalstabsmäßig ab. Die hohe Rate an gescheiterten Verbesserungsinitiativen und die grassierende Veränderungsmüdigkeit in vielen Unternehmen dokumentieren allerdings, dass ihr mit diesem klassischen Rezept nicht allzu weit kommt.

Also zurück zum Start: Wie können wir unsere Verbesserungsreise mit Flight Levels so gestalten, dass sie den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen ist? Indem wir dabei agil vorgehen, lautet die kurze Antwort. Und die etwas längere: Nicht nur das Ziel unserer Reise sollte agil sein, sondern auch der Weg dorthin.

Prinzipien des Flight Levels Change

Starke Ansagen stehen hoch im Kurs, wenn es um Agilität geht. Nicht umsonst postuliert bereits das Manifest für Agile Softwareentwicklung vier Wertepaare und zwölf Prinzipien [Beck et al. 2001]. Da liegt die Frage nahe, wie das denn bei den Flight Levels ist. Beruht dieses Modell auf ähnlich starken Fundamenten? Gibt es so etwas wie programmatische Grundsätze? Und wie sehen diese aus, wenn es um unternehmensweite Business-Agilität und nicht nur um agile Softwareentwicklungsteams geht?

Aus unserer Sicht sind für Flight Levels vier Parameter handlungsleitend:

Wir setzen an den Abläufen an. Aus zahlreichen Flight-Levels-Verbesserungsinitiativen wissen wir, dass sich messbare Verbesserungen für Kundinnen und Userinnen deutlich schneller über effizientere Abläufe realisieren lassen als über einen Umbau der Organisationsstrukturen.Wir gehen agil vor. Statt Change-Expertinnen top-down damit zu beauftragen, detaillierte Transformationspläne auszuarbeiten, setzen wir auf ein iteratives Vorgehen mit kurzen Feedbackschleifen.Wir arbeiten ko-kreativ. Nachhaltige Verbesserung kann nur gelingen, wenn Betroffene von Anfang an beteiligt sind und für die Umsetzung der Flight Levels interaktive Gestaltungsformate eingesetzt werden.Wir fangen bei uns selbst an. Flight Levels verlangen einen hohen persönlichen Einsatz, da sie nicht nur Systeme, sondern auch unsere individuellen Verhaltensformen in Bewegung bringen. Es liegt daher nahe, neben den unternehmerischen Prozessen auch sich selbst regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen.

Fragt sich natürlich, was genau unter einem agilen Weg zu verstehen ist. Immerhin hat der Begriff in den letzten Jahren eine spektakuläre Karriere hingelegt. Agil scheint heutzutage alles Mögliche sein zu können, aber auch das Gegenteil davon. Für die einen heißt es, rasch auf neue Anforderungen zu reagieren, für die anderen, Mitarbeitende möglichst flexibel einzusetzen, für die dritten bedeutet Agilität primär Schnelligkeit, während die vierten es als Rückgrat von »New Work« sehen. Auf die Gefahr hin, dass wir jetzt nur einen weiteren vergeblichen Versuch starten, den sprichwörtlichen Pudding an die Wand zu nageln, behaupten wir: Agil vorzugehen bedeutet, möglichst beweglich zu agieren und dabei auf überschaubare Etappen und kurze Feedbackschleifen zu bauen. Aus dem klassischen »Big Design Up Front« wird dadurch ein iteratives Vorgehen, wobei jede Iteration auf konkrete Ergebnisse ausgerichtet ist, die am Ende gemeinsam überprüft werden können.

Aus mehr als 20 Jahren agiler Produktentwicklung wissen wir, dass sich neben solchen Reviewschleifen auch Retrospektiven bewährt haben, die auf die Zusammenarbeit fokussieren. Durch diese doppelten Feedbackschleifen werden regelmäßig zwei Fragen beantwortet, die für jeden agilen Veränderungsprozess essenziell sind: Was haben wir in der letzten Etappe tatsächlich erreicht? Und wie haben wir das erreicht?

Die Antworten, die dabei ausgearbeitet werden, sind nicht nur für einen gepflegten Rückspiegel interessant. Sie liefern uns vielmehr wichtige Einsichten für den weiteren Veränderungskurs und die Kultur der kontinuierlichen Verbesserung, die damit gefördert werden soll. Wo kommen wir wie geplant voran? Und wo fehlen uns wesentliche Zwischenergebnisse? Wie kommen wir miteinander voran? Und welche Ideen haben wir entwickelt, um unsere Zusammenarbeit zu optimieren?

Die Beantwortung dieser Fragen ist richtungsweisend für das weitere Vorgehen. Sie stärken uns den Rücken (»das ist uns gelungen!«) und spornen weitere Verbesserungsmaßnahmen an (»da müssen wir noch nachschärfen!«). Im besten Sinne eines selbstkritischen Inspect & Adapt dienen sie dazu, den ursprünglich angedachten Weg genauer abzustecken. Sie können aber auch dazu führen, dass wir die nächste Etappe oder sogar das gesamte Vorhaben nochmals grundsätzlich überdenken. Allen Leserinnen, die bei diesem Ausblick sogleich ein unangenehmes Bauchgefühl verspüren, rufen wir an dieser Stelle zu: Willkommen beim Abenteuer unternehmerischer Verbesserungsarbeit!

Agil vorgehen

Agil vorzugehen bedeutet für uns, im Veränderungsprozess auf überschaubare Etappen und kurze Feedbackschleifen zu bauen. Jede Etappe fokussiert auf konkrete Ergebnisse, die am Ende gemeinsam geprüft und ausgewertet werden. Erst auf Basis dieses Lernprozesses wird entschieden, wie die nächste Etappe der unternehmerischen Verbesserungsreise aussieht.

Bevor wir dich jetzt zu sehr verunsichern, versuchen wir lieber ein wenig mehr Übersicht zu schaffen. Schließlich ist Transparenz eine der großen Stärken des Flight-Levels-Modells. Mithilfe ähnlicher Visualisierungstechniken, wie du sie für die Darstellung von Arbeitsabläufen und Wertströmen verwendest, kannst du auch den Veränderungsprozess sichtbar machen. Abbildung 2–2 zeigt, wie du dir eine Basisvisualisierung des agilen Vorgehens vorstellen kannst.

Abb. 2–2Agiles Vorgehen visualisieren

Abbildung 2–2 macht alle bisher beschriebenen Aspekte sichtbar: die Kernaktivitäten des Veränderungsdesigns (hellblaue Balken), das Vorgehen in Etappen mit klarer Ergebniserwartung (dunkelblaue Rechtecke), die regelmäßigen Feedbackschleifen (Klebezettel mit Loops) sowie die Kernaktivitäten des Systemdesigns bis hin zum Betrieb (lila Balken) Das Bild ist allerdings noch so allgemein, dass wir dich förmlich nach Konkretisierung rufen hören:

Wie viele Etappen brauchen wir in unserem Unternehmen?

Wie lange dauern sie jeweils?

Was genau passiert in den einzelnen Etappen?

Wer soll woran aktiv beteiligt werden und bei welchen Stakeholdern genügt es, sie regelmäßig zu informieren?

Und wie soll das Ganze ablaufen?

Agile Change Flow

Die Bearbeitung dieser Fragen gehört zu den wichtigsten Aufgaben jener agilen »Change Leadership«, die wir mit diesem Buch stärken wollen. Es geht darum, richtungsweisende Antworten zu fördern und einen für das Unternehmen maßgeschneiderten Veränderungsfluss – Change Flow – zu gestalten, der die vorhandenen Verbesserungsenergien kanalisiert und das operative Wie der Flight-Levels-Initiative konkretisiert. Abschnitt 2.6 gibt hierzu detaillierte Hilfestellung.

Im agilen Umfeld gibt es selbstverständlich nur eine richtige Antwort auf all diese Fragen: It depends! Tatsächlich kommt es in der Ausgestaltung eines für das jeweilige Unternehmen maßgeschneiderten Veränderungsdesigns auf viele verschiedene Aspekte an: etwa auf die Themen, die die Leute gerade am stärksten beschäftigen, auf den organisations- und marktspezifischen Kontext oder die bisherige Veränderungsgeschichte. Umso wichtiger ist es eben, nicht schnell einmal Flight Levels ins Unternehmen zu schrauben, sondern die Ist-Situation sorgsam zu klären. Was uns nunmehr zur ersten Vertiefung in jene Kernaktivitäten bringt, die für das agile Vorgehen wesentlich sind.

2.2Ist-Situation klären

Gut durchdachte Verbesserungsinitiativen fallen nicht vom Himmel. Stattdessen haben sie immer eine spezielle Geschichte, die mit den unterschiedlichsten Ereignissen verbunden ist: mit Marktveränderungen, die traditionelle Geschäftsmodelle radikal infrage stellen; mit Veränderungen der Eigentumsverhältnisse, die zu neuen Zielsetzungen führen; mit politischen Veränderungen, die elementare Rahmenbedingungen auf den Kopf stellen, oder mit höheren Gewalten, wie wir sie alle in Form der globalen Covid-19-Pandemie erlebt haben. Ob aus diesen Veränderungsgeschichten eine zielgerichtete Initiative erwächst, hängt davon ab, welche Lehren gezogen werden. Dabei stellen sich jeder einzelnen Mitarbeiterin Fragen wie:

In welcher Arbeitssituation befinde ich mich gerade?

Was beschäftigt unser Unternehmen aktuell am stärksten?

Was läuft gut?

Was läuft nicht gut?

Womit bin ich zufrieden, womit ist mein Team oder meine Abteilung zufrieden?

Womit bin ich unzufrieden, womit ist mein Team oder meine Abteilung unzufrieden?

Womit sind unsere Kundinnen und Userinnen zufrieden?

Womit sind unsere Kundinnen und Userinnen unzufrieden?

Welche Ursachen liegen allen diesen Problemen und Unzufriedenheiten zugrunde?

Welche Schlussfolgerungen ziehen wir aus unserer Bestandsaufnahme?

Was sind derzeit unsere wichtigsten Verbesserungsthemen?

Die Vielfalt dieser Fragen spiegelt sich in den unterschiedlichen Wegen wider, mit denen wir zu richtungsweisenden Antworten kommen können. Die Geschichte agiler Arbeitskulturen ist reich an Methoden, die sich für eine differenzierte Klärung der Ist-Situation einsetzen lassen. Je nach deiner eigenen Geschichte, deiner aktuellen Position im Unternehmen und deinen Präferenzen kannst du beispielsweise:

eine persönliche Retrospektive durchführen, um deine aktuellen Erfahrungen zu reflektieren, Erkenntnisse zu gewinnen und Entscheidungen bezüglich deines weiteren Vorgehens zu treffen;

die aktuelle Situation im Team beleuchten, um über deine eigenen Eindrücke hinauszugehen und unterschiedliche Erfahrungsschätze zusammenzutragen;

die Ergebnisse mehrerer Teamretrospektiven, etwa innerhalb einer bestimmten Geschäftseinheit, zusammenführen, um gemeinsame Stärken, Schwächen und Verbesserungsfelder zu verdichten;

Schlüsselpersonen zu sogenannten Retrospektive-Interviews einladen, um die Top-3-Stärken, Top-3-Herausforderungen und das allerwichtigste Verbesserungsziel aus der Sicht der Interviewten herauszuarbeiten;

das Thema »Gemeinsame Zwischenbilanz« auf die Agenda von Regelmeetings setzen, um eine kritische Selbstreflexion mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen anzuregen;

sozusagen aufs Ganze gehen und Delegierte aus den unterschiedlichsten Teams, Fachbereichen und Hierarchiestufen zu einem Großgruppenevent einladen, um bewusst über Silogrenzen und Kommunikationsroutinen hinaus zu gehen.

»Den ganzen Elefanten erkunden«, könnte das Motto für diesen unternehmerischen Reflexionsprozess lauten. Die Komplexität des System-Elefanten bringt es mit sich, dass die Ist-Situation nicht in einem einzigen Kraftakt geklärt werden kann – geschweige denn die Geschichte, die dazu geführt hat. Stattdessen kann eine solche Klärung nur iterativ gelingen, einem Puzzle-Spiel gleich, bei dem ihr Schritt für Schritt ein ganzes Bild hervorbringt.

Sechs Blinde