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Nachdem die Schattenwesen besiegt wurden, schweben Amia und Lyra im Liebesglück. Beide genießen ihr neues Leben in vollen Zügen, doch dann wird ihrer beider Glück von einem neuen Feind bedroht: Hel. Die Totengöttin plant Asgard zu zerstören und die Götter zu vernichten. Doch das ist nicht die einzige Bedrohung: Auch der Sohn des Schattenkönigs soll mit seinen mächtigen Kräften in die Fußstapfen seines Vaters treten und die Alben vernichten. Können Amia und Lyra den Kampf gegen ihre übermächtigen Gegner erneut gewinnen oder ist ihr Ende bereits besiegelt?
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Seitenzahl: 248
Fluch der Elemente
Die Krieger von Luft und Wasser
Band 2
Bewahre die Liebe,
denn sie ist das rettende Licht
in der Dunkelheit.
Deutsche Erstausgabe Juni 2018
Copyright ©Yvonne Rose
Lektorat: Stefanie Zainer
Korrektorat: Stefanie Zainer
Coverdesign: Kristina Licht
Impressum:
Yvonne Rose
Stettinerstr. 22
24537 Neumünster
© 2018
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt.
ISBN: 9783744852388
Für meine Eltern,
die mich immer bei allem unterstützt haben.
Ganz besonders aber für meinen Vater,
der mich erst in die wunderbare
Welt der Bücher
hineingeführt hat.
Prolog
Das erste Totenfest nach der Vereinigung der Albenreiche
Die Schilde zwischen den Albenländern waren gefallen, weshalb beide Völker nun wieder als ein vereintes Volk unter einem gemeinsamen König ein friedliches Leben führen konnten, ohne Fluch und ohne die Schattenwesen.
Das Land war in die Krone des Weltenbaumes Yggdrasil hinaufgezogen, das Reich der Schattenwesen hingegen lag nun dort, wo sich einst das Reich der Dunkelalben befunden hatte: Tief unter den Wurzeln des Baumes, der die Welten zusammenhielt.
Das Schattenreich war dem Totenreich sehr nahe. Kein Leben konnte dort heranwachsen und keine Fröhlichkeit die Gemüter erheitern. Alles war verdorben und böse.
Normalerweise ging es in den Ebenen dieser Welt ruhig zu, doch heute wurde Yggdrasil von einem Erdbeben nach dem anderen erschüttert. Alle fragten sich, was es wohl mit den Beben auf sich hatte, doch die Antwort war nur in den Tiefen der Schattenwelt zu finden. Denn heute wurde ihr neuer König geboren.
Lyff lag bereits seit vielen Stunden in den Wehen, denn sie gebar nicht irgendein Schattenkind, nein, es war der Sohn von Airikr, dem toten König der Schattenwesen. Seit einem halben Jahr war er nun schon tot, die Schattenwesen lebten seither ohne jede Führung. Doch all das würde sich heute ändern. Bald würde der neue König geboren sein und die Schattenwesen in eine neue, glorreiche Zukunft führen. Einen Namen hatte er bereits: Erik. Der Mächtige, der Große, der Alleinherrschende. Genau dies würde er auch sein. Mächtig, groß und der alleinige Herrscher über den Weltenbaum und die Wesen, die dort lebten. Wer sich ihm nicht beugte, würde sterben.
Lyff schrie erneut auf, die Wehen wurden stärker und kamen in immer kürzeren Abständen. Die Hebamme saß schon bereit und achtete darauf, dass alles nach Plan verlief.
»Ich habe diesem Mistkerl gesagt, dass er mich zu seiner Königin nehmen soll! Aber er musste ja unbedingt dieses Mädchen haben und uns somit alle noch tiefer in die Verdammnis stoßen!«, regte Lyff sich auf. Sie verfluchte Airikr, denn er hatte sie verschmäht und nun war sie trotzdem gezwungen, seinen Sohn auf die Welt zu bringen. Jenen Sohn, den er noch vor der Entführung des Menschenmädchens in ihren Körper verpflanzt hatte, um ganz sicher zu gehen, dass sein Erbe weiterleben würde, sollten seine Pläne mit dem Menschenmädchen scheitern. Obwohl er sie nicht zu seiner Königin hatte machen wollen, willigte Lyff ein, denn sie hatte bereits geahnt, dass Airikr nicht gegen die Alben gewinnen würde und als Mutter des neuen Königs würde sie an die von ihr ersehnte Macht gelangen. Warum er ausgerechnet sie erwählt hatte, seinen Erben auszutragen, wusste sie nicht. Vermutlich einfach nur, weil sie gerade da gewesen war.
Um sicherzugehen, dass der zukünftige König auch wirklich bösartig sein würde, hatte sie während der Schwangerschaft die Tinktur des Bösen zu sich genommen. Ein Trank, gebraut aus jenen magischen Kräutern, die schwarze Magie innehatten und tödlich wirkten, wenn man sie nicht einzusetzen wusste.
»Gleich ist es soweit, den Kopf kann ich bereits sehen!«, sagte die Hebamme. Lyff fing an zu pressen, so stark sie nur konnte. Dabei schrie sie immer wieder auf und versuchte, dieses Kind endlich aus sich herauszubekommen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war es endlich soweit. Die Erde bebte tausendfach stärker als irgendein Beben zuvor und sie konnte das laute Plärren des Kindes hören. Erschöpft sank Lyff in die Kissen ihres Bettes, während die Hebamme das Kind säuberte und sich vergewisserte, dass es dem zukünftigen König gut ging.
Sobald sie ihre Arbeit verrichtet hatte, reichte sie der Mutter ihren Sohn, die ihn behutsam in den Arm nahm.
»Erik... Du wirst deinem Vater alle Ehre machen. Nun ist es an dir, die Alben zu vernichten und dir zurückzuholen, was dir zusteht. Räche die Gefallenen! Hole dir den Thron! Es ist deine Bestimmung, der alleinige Herrscher über alle Wesen dieser und aller anderen Welten zu sein, denn dein Vater war der einzig wahre König. Schon jetzt ist deine schwarze Magie so unfassbar mächtig, ich kann es in jeder Pore meines Körpers spüren!«, murmelte sie und wiegte den Kleinen ein wenig, damit er ruhig wurde. Er sah seinem Vater unfassbar ähnlich: Pechschwarzes Haar und blaue Augen, so dunkel wie der Himmel in der Nacht.
Sie empfand keine Mutterliebe für das Neugeborene, doch als Mutter war es ihre Pflicht, den Kleinen aufzuziehen und ihm alles beizubringen, was er wissen musste, um die Alben endgültig auszulöschen. Sie würde dem Kind zeigen, dass Gefühle wie die Liebe nicht existierten, sondern nur Macht und Schwäche demonstrierten. Schwäche durfte er sich niemals erlauben, sonst würde er wie sein Vater untergehen.
Die Hebamme nahm Lyff den kleinen Erik wieder ab.
»Er sollte keine allzu enge Bindung zu irgendjemandem aufbauen. Am besten ist er immer alleine, außer, wenn er Nahrung oder eine frische Windel braucht«, riet sie und wandte sich mit dem Baby auf dem Arm von Lyff ab. Das gefiel Erik jedoch gar nicht. Er mochte diese Frau nicht und fing fürchterlich an zu schreien. Die Hebamme ignorierte dies, denn sie war sich sicher, dass das Kind bald still sein würde. Doch Erik beruhigte sich nicht. Stattdessen setzte sich seine schwarze Magie frei und sie fing Feuer. Panisch schrie sie auf, ließ das Baby fallen und brannte weiter, bis sie sich schließlich auflöste und nur noch ein Haufen Asche übrig war. Erik hingegen verwandelte sich in einen tiefschwarzen Schatten, schwebte zurück zu seiner Mutter und sah sie aus großen, dunklen Augen an, als wäre nichts gewesen. Lyff war jedoch zutiefst erschrocken.
»Du hast sie umgebracht! Einfach so«, flüsterte sie und fragte sich, ob sie vor ihrem eigenen Kind Angst haben sollte oder nicht. Auf jeden Fall aber wusste sie, dass man Erik wohl besser nicht reizen sollte und dass seine Macht schon jetzt sehr viel größer war als angenommen.
Lyff schluckte hart, sah auf ihren Sohn hinab und betrachtete ihn eine Weile, während sie ihre Kräfte sammelte. Dann erhob sie sich ein wenig wankend, bevor sie mit dem Neugeborenen auf den Balkon ging. Dort blieb sie stehen und konnte in den Innenhof der ehemaligen Dunkelalbenburg sehen, in dem sich die restlichen Schattenwesen versammelt hatten. Einige in ihrer menschlichen Gestalt, andere hatten ihre schwarze Schattengestalt angenommen.
»Schattenwesen!«, rief Lyff an die Menge gewandt, die erwartungsvoll zu ihr aufblickte. »Dies ist euer zukünftiger König, Erik der Mächtige! Nur wenige Momente nach seiner Geburt hat er nicht gezögert, ein Leben zu nehmen, was nur bedeuten kann, dass er seinem Vater in nichts nachsteht! Er wird eure Familien rächen! Er wird uns in eine glorreiche Zukunft führen! Seid geduldig und ihr werdet belohnt!«, sprach sie zum Volk, welches ihren Worten gebannt lauschte. Jeder von ihnen wollte sich an den Alben rächen, die ihnen alles genommen hatten. Besonders an jenem Alb, der den Pakt mit ihrem König gebrochen hatte und sie noch weiter ins Unglück gestürzt hatte. Erik entfachte in den Schattenwesen neue Hoffnung, dass Myrkvi und sein Volk bekamen, was sie verdienten. Schließlich hatten die Schattenwesen sich nichts zu Schulden kommen lassen, denn sie hatten sich all die Jahre an den Pakt gehalten, den Airikr einst mit Ragn geschlossen hatte: Mehr Abenteuer und großes Wissen gegen zwei Albenleben. Dass man ihn dann verflucht hatte, war nicht ihre Schuld gewesen und trotzdem hatten sie nun darunter zu leiden.
»Myrkvi wird für das büßen, was er uns angetan hat! Er und seine Frau, wir werden ihnen alles nehmen, so wie sie uns alles genommen haben! Wenn die Zeit gekommen ist, wird Erik der Mächtige uns alles zurückholen!«, feuerte Lyff die Menge an, welche laut jubelte und den kleinen Prinzen feierte, auf dessen Schultern schon jetzt die Last aller Schattenwesen ruhte.
Zufrieden lächelte Lyff. Sie drehte sich langsam wieder um und ging mit Erik auf dem Arm zurück in ihr Gemach, wo sie das Neugeborene in seine Wiege legte.
»Kleiner Prinz ... Du hast nun selbst gesehen, dass unser Volk seine ganze Hoffnung in dich legt. Man hat uns Unrecht zugefügt und du wirst das wieder gutmachen. Verbanne die Alben in diese schreckliche Welt und bringe uns unsere eigene Welt wieder zurück. Auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis du voll ausgebildet sein wirst, bist du unser aller Hoffnung!«, flüsterte sie leise, während sie ihn sachte zudeckte. Der kleine Erik kuschelte sich tief in seine Decke, schloss die Äuglein und schlummerte friedlich ein. Lyff betrachtete ihn noch eine Weile. So wie er dort lag und schlief, mochte man kaum glauben, dass dieses neugeborene Baby in einigen Jahren ein gefährlicher Krieger werden würde. Und doch lag der Beweis in Form eines Aschehaufens keine zwei Schritte entfernt vor ihrem Bett. Unvorstellbar, dass er nur Minuten nach seiner Geburt das erste Mal getötet hatte. Es blieb nur zu hoffen, dass er später in seiner Trotzphase nicht das gesamte Volk auslöschte.
Müde und erschöpft legte Lyff sich noch ein wenig hin, um ebenfalls ein wenig Kraft zu schöpfen. Doch lange schlief sie nicht, denn schon bald wurde sie von einem heftigen Erdbeben und dem Geschrei Eriks geweckt. Hastig sprang sie aus dem Bett, wankte hinüber zur Wiege, wobei sie versuchte, nicht hinzufallen. Als sie sich der Wiege näherte, spürte sie eine starke, dunkle Aura um das Baby, die schnell ausströmte und sich verbreitete.
»Schhh, kleiner Prinz, ich bin hier!«, sprach sie beruhigend, wobei sie ihn auf den Arm nahm. Langsam beruhigte Erik sich wieder, die Erde hörte auf zu beben. Auch die dunkle Aura zog sich zurück.
Lyff wusste, dass es nicht einfach werden würde, das Kind des Bösen aufzuziehen, vielleicht war es auch ein Fehler gewesen, dieses Leben überhaupt zuzulassen. Und trotzdem... Erik war die einzige Chance der Schattenwesen auf Rache und Vergeltung. Darauf, dass Myrkvi, seine Braut und die anderen bekamen, was sie verdienten.
Kapitel 1 Alev schließt sich an
Meine liebe Schwester,
Aleksi und ich haben seit unserem Aufbruch vor einem halben Jahr viel gesehen. Ich weiß, dass ich dir schon viel früher hätte schreiben sollen, aber wir haben eine Menge erlebt, weshalb ich kaum Zeit hatte, um Lesen und Schreiben zu lernen. Aleksi wollte ich den Brief nicht überlassen, er hätte dir sicher irgendwelchen Unsinn erzählt.
Über deine Nachricht habe ich mich jedenfalls sehr gefreut! Das sind ja wunderbare Neuigkeiten! Ich finde es so toll, dass ihr Eltern werdet. Zum errechneten Geburtstermin werden wir auf jeden Fall wieder Zuhause sein. Zumindest, wenn ich Aleksi bis dahin nicht erwürgt habe. Weißt du, wir waren bis vor kurzem im Reich der Phönixe, nachdem wir die Meerjungfrauen und Walküren besucht haben. Aus irgendeinem Grund waren die Männer dort von mir und meinem Feuer sehr angetan, besonders ein junger Phönix namens Alev. Er hat mich gebeten, seine Frau zu werden und bei ihm zu bleiben. Aleksi fand das nicht lustig und hat Alev kurzerhand eingefroren. Nun ja, direkt danach sind wir abgereist, denn Aleksi hat es keinen Tag länger geduldet, dass mir dort nachgestellt wird.
Heute sind wir bei den Menschen und ich sitze gerade auf meinem alten Bett und schreibe dir, während Aleksi sich unsere Lichtungen ansieht und unser Essen auf der Feuerstelle brutzelt. Du wirst es nicht glauben, aber als wir ankamen, sah es hier genauso aus wie damals, als du und ich von hier fortgingen! Als wären wir nur kurz im Dorf gewesen.
Morgen möchte ich das Grab von Vater und Mutter besuchen. Ich werde ihnen von uns erzählen, dass du jetzt die Königin der Alben bist und ein Kind erwartest. Dass auch ich mein Glück gefunden habe und sie sich keine Sorgen machen müssen, wo auch immer sie sein mögen. Aleksi wird mich begleiten, damit ich ihn den beiden vorstellen kann.
Nun muss ich diesen Brief leider beenden. Aleksi ist zurückgekommen und schaut schon ganz ungeduldig zu mir herüber, offenbar ist unser Abendessen fertig. Stell dir vor, es gibt Fisch. Endlich wieder etwas anderes als Schlangen und andere Kriechtiere, die im Vulkanland leben.
Noch etwa einen Mondlauf, dann sehen wir uns wieder. Wir kommen bereits vor dem Fruchtbarkeitsfest, damit wir noch ein wenig Zeit für uns beide haben, bevor dein Baby auf die Welt kommt.
Deine dich liebende Schwester,
Lyra
Lyra band den Brief der Taube um das Bein und ließ sie davonfliegen, ehe sie zu Aleksi schaute, doch bei seinem düsteren Blick musste sie lachen.
»Erzähl mir nicht, dass du immer noch wütend wegen dem Vorfall mit Alev bist!«, meinte sie amüsiert, setzte sich neben ihren Lichtalben und gab ihm einen Kuss.
»Du hast keinen Grund eifersüchtig zu sein, das weißt du doch. Alev ist auch nicht mehr hier, also entspann dich ein wenig, bevor du uns noch den ganzen Ausflug mit deiner miesepetrigen Laune verdirbst«, versuchte sie, ihn zu beruhigen, doch Aleksi schien noch nicht so recht überzeugt zu sein. Die Sache mit Alev musste ihn mehr mitgenommen haben, als Lyra gedacht hatte, was aber irgendwie auch kein Wunder war. Schließlich war Alev mit seiner verwegenen Frisur und den dunkelbraunen Augen sehr gutaussehend. Das kurze schwarze Haar war lang genug, um Finger dazu zu verlocken, sich in ihm zu versenken, während die dunkelbraunen Augen immerzu Mädchenherzen zum Dahinschmelzen brachten.
Lyra setzte sich auf Aleksis Schoß und schlang die Arme um seinen Hals.
»Denk nicht so viel darüber nach. Wenn du Alev nicht eingefroren hättest, dann hätte ich ihn in Flammen aufgehen lassen. Schließlich weiß er, wem mein Herz gehört und er hätte nicht versuchen sollen, mich zu seiner Frau zu machen. Der Letzte, der das versucht hat, muss sich jetzt als König aller Alben herumschlagen«, sagte sie amüsiert. Nun zuckten auch Aleksis Mundwinkel ein wenig.
»Soll das etwa bedeuten, dass ich lieber nicht versuchen sollte, dich zu meiner Frau zu nehmen?«, fragte er und Lyra zwinkerte ihm zu.
»Dir würde ich es gestatten, wenn du es dir verdienst«, erwiderte sie grinsend und stahl sich einen kurzen Kuss. Bisher hatten sie nicht oft über das Heiraten gesprochen, doch einmal war es zum großen Thema geworden und stand seither zwischen ihnen. Darüber würde sie unbedingt, sobald sie wieder Zuhause waren, mit Amia reden müssen, denn bestimmt würde ihre Schwester ihr zuhören und einen Ratschlag geben.
»Ich bin dennoch froh, dass wir diesen Phönix los sind!«, meinte Aleksi erneut. »Auch wenn er der Prinz ist, hat er kein Recht eine Frau als sein Eigentum anzusehen«, murrte er. Lyra wollte ihn gerade damit aufziehen, dass er das Gleiche damals mit Amia versucht hatte, aber sie unterdrückte ihre Worte lieber und hörte Aleksi schweigend zu.
»Außerdem ist er nicht mal ein sonderlich guter Kämpfer, höchstens durchschnittlich! Trotzdem liegen ihm die Frauen zu Füßen, als wäre er sonst wer!«, regte Aleksi sich wieder auf, woraufhin Lyra ihm nun sanft ihren Zeigefinger an die Lippen legte.
»Reg dich doch nicht so über ihn auf! Wir sind nicht mehr dort und er ist nicht hier. Vergiss das alles und genieße den Moment«, versuchte sie ihn abzulenken und gab ihm einen sanften Kuss, ehe sie sich der Feuerstelle zuwandte.
»Ich habe Hunger! Essen wir etwas!«, meinte sie anschließend. Sie freute sich schon auf den leckeren Fisch, denn im Vulkanreich, wo die Phönixe lebten, gab es weder Tiere noch Fische. Dort konnten lediglich Amphibien überleben und diese mochte Lyra nicht besonders. Doch nun waren sie in der Welt der Menschen, in ihrem alten Zuhause, wo sie bis vor einem Jahr mit ihrer Schwester gelebt hatte.
Aleksi nickte nun wesentlich besser gelaunt und schaute nach dem Fisch, den sie über das Feuer gehängt hatten. Er schien gar zu sein, also nahm Aleksi das Essen und zerteilte es, ehe er das Fleisch gleichmäßig aufteilte.
»Ich hoffe, dass er dir schmeckt «, sagte er und Lyra schmunzelte.
»Nach den Schlangen und Käfern wird er wie das beste Essen der Welt schmecken!«, erwiderte sie, ehe sie sich auch schon über den Fisch her machte. Auch Aleksi aß und genoss es, endlich wieder etwas Ordentliches essen zu können.
Doch dann hörte er draußen plötzlich etwas und blickte aufmerksam zur Tür. Langsam stand er auf, ging zum Eingang der Hütte, von wo aus er in die Dunkelheit spähte. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und die einzige Lichtquelle waren die Mondsichel und die Sterne am Himmel.
»Was ist los?«, fragte Lyra, die ebenfalls aufgestanden war und sich neben Aleksi stellte, wobei sie ebenfalls in die Dunkelheit starrte.
»Irgendetwas ist dort! Ich weiß nur noch nicht, ob es ein Tier oder ein Mensch ist«, flüsterte Aleksi leise und versuchte etwas zu erkennen.
Dann hörte Lyra es auch, ein leises, kaum hörbares Knacken eines Astes. Etwas kam näher.
Sofort war das leckere Essen vergessen und beide standen in Kampfposition bereit. Aleksi ließ seine Hand zu dem Griff seines Schwertes wandern, auch Lyra machte sich bereit, ihr Schwert zu zücken. Doch in dem Moment stolperte jemand aus dem Unterholz und blickte die zwei an.
»Was soll denn das? Habt ihr gehofft, einen Hirsch zu erlegen?«
Aleksi knurrte wütend, als er den verhassten Phönix erkannte, doch auch seine Worte trieben ihn zur Weißglut.
»Was willst du hier, Alev?«, verlangte er zu wissen, trat direkt etwas näher an Lyra heran und legte besitzergreifend einen Arm um sie. Der Phönix grinste schief.
»Ich kann die süße Lyra doch nicht alleine mit einem so mürrischen Alben durch die Welt wandern lassen!«, erwiderte Alev gelassen, bevor er an den beiden vorbei in die Hütte ging, sich an den Tisch setzte und sich einfach Aleksis Fisch nahm. Lyra und Aleksi waren sprachlos, denn mit ihm hatten sie nun gewiss nicht gerechnet.
»Alev, wie kommst du hierher und was willst du wirklich hier?«, fragte Lyra, ehe sie ebenfalls wieder am Tisch Platz nahm. Aleksi folgte ihr, setzte sich neben sie und legte abermals einen Arm um sie, denn der Phönix sollte gleich wissen, dass Lyra zu ihm gehörte.
»Es klang ganz interessant, als ihr erzähltet, dass ihr euch die Welt ansehen wollt. Also dachte ich mir, dass ich euch einfach begleite. Warum auch nicht? Zu dritt macht es doch viel mehr Spaß und irgendjemand muss doch auf dich aufpassen, wenn Feinde auftauchen und der Alb die Flucht ergreift«, erklärte Alev schulterzuckend, während er ungeniert Aleksis Fisch aufaß. Dieser war immer noch alles andere als begeistert davon, dass der Phönix hier aufgetaucht war.
»Wir brauchen dich hier nicht. Geh und such dir jemand anderen, dem du auf die Nerven gehen kannst!«, knurrte der Lichtalb, während er Alev wütend anfunkelte. Lyra konnte die knisternde Stimmung förmlich greifen. Sie beschloss einzugreifen, um zu verhindern, dass sich die beiden die Köpfe einschlugen.
»Ganz ruhig, Liebster«, begann sie und gab Aleksi einen beruhigenden Kuss. Dann widmete sie sich Alev. »Wenn du uns beide begleiten willst, dann musst du aber auch gewisse Regeln befolgen! Ich liebe Aleksi und du wirst nicht weiter versuchen, mich zu deiner Frau zu nehmen!«, machte sie dem Phönix klar. »Außerdem werden wir uns in den nächsten Wochen nichts ansehen. Aleksi und ich möchten in meinem alten Zuhause bleiben, ich war seit einem Jahr nicht mehr hier. Danach wollen wir meine Schwester und ihren Mann besuchen, denn Amia erwartet ein Baby«, fuhr sie fort, ehe sie auf eine Antwort des Phönixes wartete.
»Das ist schon in Ordnung. Ich war noch nie bei den Menschen oder den Alben, das wird sicher interessant. So wie ich dich inzwischen einschätze, wird es danach wieder weiter gehen und dann kann ich euch beide ja begleiten und auf dich aufpassen. Ein Phönix ist schließlich besser als ein Hirsch! Aber ich muss sagen, dass es gar nicht so aussieht, als wärst du ein Jahr fort gewesen. Es sieht hier auch nicht nach Frühlingsende aus, sondern vielmehr nach Sommermitte«, meinte Alev und sah sich ein wenig um.
»Das ist die Albenmagie. Lyra und ihre Schwester stehen noch immer unter dem Schutz der Alben, dazu gehört auch diese Lichtung. Sie leben zwar nicht mehr hier, aber hier hat alles seinen Ursprung genommen. Hier wurde der Pakt mit Myrkvi geschlossen, hier wurden die zwei geboren und hier wuchsen sie auf und kamen das erste Mal in Berührung mit ihrer Magie und uns. Alles blüht schneller und etwas früher als anderswo in der Menschenwelt. Schließlich versprachen Myrkvi und sein Vater damals, dass es den Nachkommen von Amias und Lyras Eltern nie an etwas fehlen wird«, klärte er Alev auf. Lyra schmunzelte.
»Amias Magie war auch immer eine große Hilfe. Sie konnte alles wachsen lassen, egal welche Jahreszeit es war. Selbst bei gefrorenem Boden konnte sie wunderschöne Blumen und Gemüse wachsen lassen«, erzählte sie, ehe sie ebenfalls den Blick durch das Häuschen schweifen ließ. Bis auf das neu entfachte Feuer war hier alles noch genau so, wie sie es zurückgelassen hatten. Myrkvis Schutz war wirklich gut. Auf dem Tisch standen sogar noch die Kerzen des letzten Totenfestes, woran sich Lyra gut erinnerte. Dort an dem Tisch hatte sie mit Amia gesessen und das erste Mal das Albenreich durch eine Vision erblickt. Nur wenige Minuten später war dann Myrkvi aufgetaucht und hatte ihnen offenbart, dass sie, Lyra, mit ihm verlobt war. Ein Lächeln schlich sich auf Lyras Lippen, als sie an jene Dinge dachte, die seither geschehen waren. Und nun? Nun war Amia mit Myrkvi verheiratet, erwartete ein Kind und war die Königin der Alben, während Lyra selbst seit einem Jahr mit Aleksi umherreiste und sich die Welt ansah. Viel hatte sie auf dieser Reise erlebt, zahlreiche neue Länder und Wesen kennengelernt. Jetzt war sie wieder an dem Ort, an dem alles begonnen hatte.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Aleksi vorsichtig und legte behutsam eine Hand auf ihre Schulter. Sie war so schweigsam, das passte nicht zu ihr. Normalerweise war sie immer energiegeladen und kaum zu bändigen.
»Ja, es sind nur die Erinnerungen«, erwiderte sie leise. Aleksi nickte und warf Alev einen Blick zu, dass er hinausgehen und sie beide alleine lassen sollte. Ausnahmsweise tat der Phönix dies auch und verließ die Hütte, ehe Lyra abermals an ihr altes Bett herantrat. Mit einem Finger strich sie über zahlreiche Kratzer auf dem Holz.
»Hier hat Armas sich immer ausgetobt und ich habe ihn dann immer ausgeschimpft. Amia hat den Kater natürlich immer in Schutz genommen«, erzählte sie, wobei sie schmunzeln musste. Aleksi lächelte und stellte sich neben sie.
»Ihr hattet es wirklich schön hier. Ver- «, zögerte Aleksi und wusste nicht, ob er bereit war, die Antwort zu hören. Doch es gab kein Zurück mehr. »-misst du es?«, beendete er schließlich unsicher seine Frage. Lyra blickte zu ihm hoch und konnte deutlich in seinen Augen erkennen, was in ihm vorging. Lächelnd stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss.
»Es war wundervoll hier und ja, manchmal vermisse ich es, hier mit meiner Schwester zu leben. Aber um nichts in der Welt würde ich zurückwollen. Schließlich waren Amia und ich hier ganz alleine, wir hatten nur einander. Jetzt aber haben wir beide das, was wir uns immer wünschten. Amia hat einen Mann, der sie liebt, dazu ein Kind, das bald geboren wird... und ich habe ebenfalls einen wundervollen Mann an meiner Seite und kann mir endlich die Welt ansehen, wie ich es mir immer gewünscht habe«, sagte sie lächelnd, was Aleksi ein wenig zu beruhigen schien. Offensichtlich hatte er sich Sorgen gemacht, dass sie hierbleiben wollen könnte.
»Es ist spät. Lass uns schlafen«, meinte sie schließlich und legte sich in ihr Bett. »Leg dich zu mir. Alev wird schon irgendwann merken, dass wir bereits schlafen«, fügte sie hinzu. Der Gedanke, dass er den Phönix damit ärgern konnte, schien Aleksi zu gefallen. Kurzerhand entledigte er sich seiner Stiefel aus und legte sich zu seiner Liebsten. Sanft zog er sie in seine Arme und stahl sich noch einen Kuss, ehe er sie an seine Brust drückte und müde die Augen schloss. Es war ein anstrengender Tag gewesen und es wurde wirklich Zeit, dass sie beide zur Ruhe kamen.
Am nächsten Morgen war Lyra die Erste, die wach war. Eine Weile blieb sie noch liegen und beobachtete ihren blonden Alb beim Schlafen, doch dann kam ihr eine Idee. Sie setzte sich auf und weckte Aleksi vorsichtig, indem sie ihm mit dem Zeigefinger sanft über die Wange streichelte.
»Komm, ich möchte dich meinen Eltern vorstellen«, forderte Lyra Aleksi flüsternd auf, nahm seine Hand und führte ihn, nachdem er einigermaßen wach geworden war, aus der Hütte. Den schlafenden Phönix ließen sie einfach zurück, er würde schon alleine zurechtkommen, denn schließlich wollten sie beide nicht ewig fortbleiben.
Aufgeregt ging sie mit ihm einen kleinen gewundenen Pfad im Wald entlang, auf welchem es steil bergab ging. Der Boden war wegen des Regens etwas rutschig, aber Lyra kannte diesen Weg sehr gut und wusste ganz genau, worauf sie achtgeben musste. Gemeinsam mit ihrem Liebsten kletterte sie die Anhöhen hinunter, passte auf, dass sie nicht über Steine stolperten. Dabei schaute sie sich immer wieder nach größeren Tieren um, die hier ebenfalls im Wald wohnten.
»Wir sind da!«, sagte sie schließlich und bog mit Aleksi um eine Ecke. Sie waren auf einer großen Lichtung angekommen, auf der einige Elche lagen und die ersten Sonnenstrahlen genossen. Kurz schauten die Tiere zu ihnen, schienen aber in ihr und dem Alb aber keine Gefahr zu sehen, weshalb sie liegen blieben und sich weiter sonnten. Mit einem Lächeln sah Lyra ihren Liebsten an.
»Dort ist das Grab unserer Eltern. Amia hat dort Blumen wachsen lassen, die dank ihrer Magie niemals sterben«, erklärte sie ruhig, während sie mit Aleksi die Lichtung betrat. Nahe den Elchen war deutlich ein Doppelgrab zu erkennen, denn dort, wo ihre Eltern begraben waren, wuchsen viele weiße Blumen.
Lyra trat an es heran und verweilte einen Moment schweigend. Aleksi wagte es nicht, etwas zu sagen, denn es war ein sehr emotionaler Moment für sie, weshalb er Lyras nächsten Schritt abwartete.
Nachdem einer ganzen Weile, als nichts weiter als das Rauschen in den Ästen zu hören gewesen war, richtete Lyra schließlich das Wort an das Grab.
»Vater... Mutter... ich bin hier, um euch zu sagen, dass es Amia und mir gut geht. Amia ist jetzt eine Königin. Sie hat an meiner Stelle Myrkvi geheiratet und erwartet nun sogar ein Kind! Und das hier, das ist Aleksi!« Mit einem Lächeln sah sie ihren Liebsten an, schlang die Arme um seine Mitte und schmiegte sich an seine Brust.
»Er macht mich wirklich glücklich. Bis vor dem Kampf gegen die Schattenwesen war er der König der Lichtalben! Dann aber hat er die Krone an Myrkvi abgegeben, damit er mich begleiten und mit mir zusammen die Welt erkunden kann!«, erzählte sie weiter, ehe sie Aleksi einen liebevollen Kuss gab.
»Ich bin mir sicher, dass sie dich sehr gemocht hätten! Sie wollten immer, dass Amia und ich glücklich werden. Außerdem bist du auf jeden Fall eine bessere Partie, als diese Bauerntrampel im Dorf. Die hatten immer nichts anderes im Sinn, als gegeneinander zu kämpfen und zu testen, wer der Stärkste von ihnen sei. Danach lagen sie stets am Boden und waren zu nichts mehr fähig«, fuhr sie fort und seufzte auf. Sie war wirklich froh, dass sie Aleksi hatte. Auch wenn sie nie gedacht hätte, dass ein Mann sie glücklich machen könnte.
»Das klingt nach typisch menschlichem Verhalten. Machen die Männer nicht dauernd irgendwelche Konkurrenzkämpfe, um potenzielle Ehefrauen zu beeindrucken?«, erwiderte der Lichtalb amüsiert und zupfte an einer von Lyras roten Haarsträhnen. Seit sie unterwegs waren, trug Lyra keine langen Haare mehr. Nach ihrem Besuch bei den Walküren hatte sie ihre Haare auf Kinnlänge gekürzt, was für sie praktischer war.
»Menschliches Verhalten? Ich denke eher, dass es männliches Verhalten ist«, antwortete Lyra nun mit einem breiten Grinsen, wobei sie Aleksi anfunkelte. Schließlich verhielt sich Aleksi ähnlich, wenn Alev dabei war und dieser war auch nicht besser. Immerzu schien ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden zu herrschen, dabei hatte sich Lyra doch schon lange entschieden, wem sie ihr Herz schenkte.
»Willst du damit etwas andeuten?«, fragte Aleksi, was Lyra ein Lachen entlockte.
»Wie kommst du nur auf sowas? Ich würde doch nie irgendetwas andeuten!«, sagte sie lachend und gab ihrem Liebsten einen innigen Kuss, ehe sie erneut zu dem Grab ihrer Eltern schaute.
»Auf Wiedersehen, Mutter. Auf Wiedersehen, Vater. Ich werde sicher wiederkommen, wenn es weitere Neuigkeiten gibt. Vielleicht kommt Amia euch auch besuchen, wenn ihr Kind da ist«, sprach sie leise und schmiegte sich an Aleksi. In Momenten wie diesen vermisste sie ihre Eltern mehr als sonst. Denn bestimmt hätten diese sich gefreut, dass ihre Töchter so glücklich waren und sicher hätten sie viel Freude an ihrem Enkelkind gehabt.
»Lass uns gehen... Amia wartet schon auf uns. Ich vermisse meine Schwester«, sagte sie schließlich, Aleksi nickte.
»Ja, lass uns gehen. Ich freue mich ebenfalls, meine Familie wieder zu sehen«, stimmte er ihr zu und drückte sie kurz an sich, ehe er mit Lyra im Arm zurück zu Alev ging, der erneut die Hütte der Schwestern erkundete.
»Wir wollen zurück nach Hause. Zu unserer Familie«, teilte Lyra dem Phönix mit, wobei sie ihren Blick im Raum umherschweifen ließ.
»Können wir etwas mitnehmen?«, fragte sie Aleksi und sah den Alben an.
»Ich denke schon. Woran dachtest du?«, fragte er, woraufhin Lyra kurz die Hütte verließ. Zurück kam sie mit einer Leiter, die sie an die Wand stellte und anschließend hinaufkletterte. Alev und Aleksi sahen ihr verwundert dabei zu, aber dann öffnete Lyra eine Klappe. Offensichtlich gab es hier noch einen Dachboden.
»Komm!«, forderte Lyra Aleksi auf und verschwand in der Dunkelheit. Ohne lange zu überlegen, folgte Aleksi ihr und fand Lyra auf der anderen Seite wieder.