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FÜNF NAMHAFTE LYRIKERINNEN UNSERER ZEIT - EIN GEDICHT Gomringer, Grosse, Hagemann, Koch und Merz - ein kollektives Gedicht. Das KOLLEKTIVE GEDICHT ist in unseren Breiten seit den Siebzigern bekannt. Es basiert auf dem RENSHI, der modernen Form des JAPANISCHEN RENGA, dem althergebrachten KETTENGEDICHT Fünf renommierte PoetInnen unserer Zeit haben sich zusammengefunden, um ein solches Kettengedicht zu verfassen. Im E-Mail-Austausch zwischen Nora GOMRINGER, Marco GROSSE, Annette HAGEMANN, Ulrich KOCH und Klaus MERZ ist das vielfältige lyrische Gewebe im Laufe von eineinhalb Jahren zu 90 Strophen angewachsen. "Es schüttelt sich die Leichtigkeit / was von der Schulter" Mit diesem Satz beginnt die außergewöhnliche künstlerische Zusammenarbeit. Die LyrikerInnen spielen sich gegenseitig Bälle zu, fangen sie auf, verknoten Fäden ineinander und entflechten sie: Von den Krümeln des Lichts zum Flackern der Stroboskope, vom Provinzzug, der durch die Wiesen schunkelt, in den Mangrovensumpf, von der Spinne, die Gras kämmt, zu den Raben, die Fabeln krächzen. EIN MANNIGFALTIGER LYRISCHER GENUSS, EINE POETISCHE REISE VOLLER SPRACHLUST UND GEDANKENSPIEL!
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Seitenzahl: 19
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Nora Gomringer, Marco Grosse,Annette Hagemann, Ulrich Koch,Klaus Merz
Ein Kettengedicht
HAYMON
1
Es schüttelt sich die Leichtigkeit
was von der Schulter:
die Krümel des Lichts, die ihm
beim Flüstern aus dem Mund
fallen.
MG
2
in sonnenfinsternis so fällt ihr auf
werfen die bäume nicht – sondern sie
senken ihre schatten sanft zu boden
und legen kleine sicheln auf asphalt sie denkt
sie hat die sonnenbrille auf dabei sinds ihre augen
AH
3
Im Morgengrauen führte der Weg
an den Grabstätten erstorbener
Freundschaften vorbei. Durch
Lichtrisse grüsste ich, zwinkernd.
KM
4
Fast niemanden, antwortete ich der Sonne, aber
aus meiner vorsprachlichen Zeit dufte ich noch
wie eine Libelle. Warum schaust du mich nicht mehr an
wollte sie wissen. Wo sind die Kinder.
Wen liebst du jetzt.
UK
5
Licht, so meine Mutter, schien der Welt mein erstes Wort.
Wie stolz die Eltern: Goethescher Anklang –dem Endklang nach!
Es war wohl Nachmittag, als ich über das Taufbeckengebogen ward
wortwispernd. Ein kleiner Mensch, unbeseelt zuvor
nun doch von Lichtern ganz beflüstert.
NG
6
bei seiner taufe sprang m. ins hohe becken tauchte ein
und schwamm uns davon wir waren zu umfangreich
um hinterher zu tauchen ihn zu verfolgen
wir gaben auf kaum dass er geboren war und er
saß derweil schon auf seiner insel vielleicht den azoren
AH
7
Danke, ich bin gut angekommen, aber wo bin ich.
Auf den Weiden verrinnen die Lämmer.Rücklings auf den Kanälen
strampeln die Frachtschiffe. Die Häuser glühen nach.
In den Zwischenräumen stochert die Sonne
nach einem schlafenden Hund oder nackten Rücken.
UK
8
Ein Freund lud zu Tisch,
es lagen auch Würste bereit
sein Hund fraß sie auf. – Nie
saßen wir vergnügter bei Brot & Wein.
KM
9
In der Ferne, am Nachmittag
kein Zirpen, kein Lüftchen.
Nur das Schnarchen der fülligen Bäuche.
Selbst die Zeit gibt endlich nach und schließt die Augen.
Der Weinhang neigt sich zum Fluss.
MG
10
Bei uns ist es Bier.
Immer Bier, das den Nachmittag, den Abendungespundet überschwemmt.
Bei uns sind es Enten
die sich paarweise aufmachen, wie einst von Noahstrengstens angewiesen.
(Nur auf den Tellern – unter der Soße –liegen sie in Teile getrennt.)
NG
11
Ladan und Ladek, die siamesischen Zwillinge,hatten beschlossen
sich von einander trennen zu lassen, unbedingt. –Auf dem Bild