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Ein Meister der Verführung, der jede Bindung scheut, trifft auf eine selbstbewusste Frau, bereit für eine große Liebe jenseits aller Konventionen! - Teil 1 des sechsteiligen prickelnden Serials zu »Fly me to the moon«. Die junge Dozentin Ann-Sophie Lauenstein besucht mit ihren Studenten ein von dem milliardenschweren Hotelier Ian Reed gestiftetes Privatmuseum. Im Museumscafé lässt sie sich zu äußerst kritischen Bemerkungen über den unsteten Playboy und Immobilienhai Reed hinreißen - ohne zu ahnen, wer der ungemein attraktive Geschäftsmann am Nebentisch wirklich ist. Als Reed sich zu erkennen gibt, verlangt er als Wiedergutmachung ein gemeinsames Abendessen. Doch er hat mehr im Sinn als bloß ein romantisches Dinner. In einer rauschhaften Liebesnacht entführt er Ann-Sophie an die fremden Gestade dunkler, gefährlicher Leidenschaft - und das ist erst der Anfang ... Höhenflüge der Lust, sinnlich, geheimnisvoll, romantisch - erotisches Lesevergnügen von Anaïs Goutier!
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Seitenzahl: 62
Anaïs Goutier
Fly me to the Moon 1
Serial Teil 1
Knaur e-books
Ein Meister der Verführung, der jede Bindung scheut, trifft auf eine selbstbewusste Frau, bereit für eine große Liebe jenseits aller Konventionen!
Die junge Dozentin Ann-Sophie Lauenstein besucht mit ihren Studenten ein von dem milliardenschweren Hotelier Ian Reed gestiftetes Privatmuseum. Im Museumscafé lässt sie sich zu äußerst kritischen Bemerkungen über den unsteten Playboy und Immobilienhai Reed hinreißen - ohne zu ahnen, wer der ungemein attraktive Geschäftsmann am Nebentisch wirklich ist. Als Reed sich zu erkennen gibt, verlangt er als Wiedergutmachung ein gemeinsames Abendessen. Doch er hat mehr im Sinn als bloß ein romantisches Dinner. In einer rauschhaften Liebesnacht entführt er Ann-Sophie an die fremden Gestade dunkler, gefährlicher Leidenschaft - und das ist erst der Anfang ...
Alle in diesem Roman erwähnten Namen sowie alle darin geschilderten Handlungen, Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie mit realen Ereignissen oder Schauplätzen wären zufällig und sind nicht beabsichtigt.
Es existiert ein unbekanntes Land, voll seltsamer Blumen und zarter Düfte. Ein Land, von dem zu träumen die Freude aller Freuden ist. Ein Land, in dem alle Dinge vollkommen sind und vergiftet.
(Oscar Wilde)
Sometimes you get so lonely
Sometimes you get nowhere
I’ve lived all over the world
(David Bowie)
Wir betrachteten das Objekt, das auf einem niedrigen Podest vor uns lag wie auf einem Seziertisch. Einige der Studierenden gingen um den Tisch herum, beäugten den allansichtigen Gegenstand auch von der Rückseite und den schmalen Seiten. Wenige Neugierige gingen sogar in die Hocke oder beugten sich über das obskure Gebilde, um seine intimen Details auszumachen. Die meisten aber blieben hinter mir zurück, bildeten, gespannt auf meine Ausführungen wartend, einen Halbkreis um mich, und ich sah in ihren Mienen das Unbehagen und die gleichzeitige Faszination, die dieser verbotene voyeuristische Blick hervorrief, zu dem uns der Künstler mit aller Macht verführte.
Vor uns lag ein nackter weiblicher Körper mit vier verrenkt gespreizten Beinen, ähnlich einem siamesischen Zwilling, am Bauch zusammengewachsen, ohne Oberkörper und Kopf, dafür mit zwei klaffenden, geröteten Spalten. Die schwarzen flachen Sonntagssandalen und die weißen Söckchen an allen vier Füßen ließen das entblößte, sich windende Geschöpf im Kopf des Betrachters zu einem Mädchen werden, zu einem unschuldigen minderjährigen Mädchen.
Obwohl ich dieses Werk aus unzähligen Abbildungen kannte und ihm sogar bereits zweimal in anderen Ausstellungen in natura gegenübergestanden hatte, waren meine Empfindungen noch immer ebenso zwiespältig wie die meiner Studierenden. Es schockierte mich jedes Mal aufs Neue, diesen hilflos ausgelieferten Körper vor mir zu sehen, der so schutzbedürftig wirkte und dabei auf so brutale Weise entmenschlicht.
»Was Sie hier sehen, ist eine von Hans Bellmers berühmt-berüchtigten Puppen«, begann ich mit belegter Stimme. »Formal handelt es sich um Versatzstücke von hölzernen Schaufensterpuppen aus den 1930er-Jahren, zusammengehalten von einer Metallkonstruktion und Gips-Kitt. Zunächst dienten diese und ähnliche Puppen Bellmer lediglich als Modelle für seine Skizzen und Zeichnungen oder er setzte sie wirkungsvoll in Fotografien in Szene. Was wir hier haben, ist also weniger ein eigenständiges skulpturales Kunstwerk, denn eine Requisite, ein kunsthistorisches Artefakt.«
Nach dieser kurzen formalästhetischen Einführung hätte ich die Frage nach subjektiven Eindrücken und Interpretationsansätzen gern ins Plenum weitergereicht und die Wirkung auf den Betrachter mit den Studierenden diskutiert, doch wie befürchtet, folgte auf meine Aufforderung lediglich betretenes Schweigen.
»Möchte sich wirklich keiner von Ihnen zu dieser Arbeit äußern?«
Mein Blick wanderte über die Gruppe, dann gezielt zu denjenigen Seminarteilnehmern, die sich die Chance auf einen Redebeitrag normalerweise nie entgehen ließen.
»Larissa, Carola, Fabian? Sind Sie wirklich alle so sprachlos vor Entsetzen?«
Ein schwaches Grinsen, dann der schülerhafte Blick auf die eigenen Schuhspitzen. Selbst zu einer banalen Werkbeschreibung ließ sich keiner bewegen.
»Also gut. Ich kann verstehen, dass Sie sich mit dieser Arbeit schwertun. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass uns in dieser Ausstellung noch einige Werke begegnen werden, die es Ihnen nicht unbedingt leichter machen werden als die Puppe. Und ich habe nicht vor, Ihnen einen Rundgang mit Frontalunterricht zu servieren. Schließlich haben Sie sich alle wissentlich in ein Seminar über Schockstrategien in der Kunst eingeschrieben. Das nur als Zuruf, und jetzt zu Bellmers Puppe.«
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass drei Männer den Raum betreten hatten, sich aber vermutlich unseretwegen zunächst den gerahmten Zeichnungen und Druckgrafiken zuwandten, statt mit der prominent in den Raum gesetzten Puppe zu beginnen.
Dennoch sprach ich eine Nuance leiser, als ich fortfuhr.
»Um ein Kugelgelenk, die Bauchkugel, sind zwei weibliche Unterleiber mit den dazugehörigen unteren Extremitäten gespiegelt. Obwohl derart fragmentarisiert und verfremdet, dass man sich an Tod Brownings Film Freaks und Frankensteins Monster erinnert fühlen könnte, wirkt dieser Körper auf beunruhigende Art menschlich und bemitleidenswert. Diese Echtheit und Lebendigkeit verdankt die Puppe der Detailversessenheit ihres Schöpfers. Die blasse, porzellanfarbene Haut der Beine und des Bauches lässt die fleischfarben klaffenden Vulven und die unnatürlich geröteten Hinterbacken noch deutlicher hervortreten. Das sind eher die Attribute von Gummipuppen denn von Schaufenster-Mannequins. Der weibliche Körper wird also radikal modifiziert und auf seine am stärksten sexuell aufgeladenen Teile reduziert. Schon auf dieser Ebene wird diesem Körper Gewalt angetan. Hinzu kommen die biederen Mädchenschuhe und die unnatürliche, krampfartig-verdrehte Körperhaltung. Man kann als Betrachter kaum umhin, hier ein Gewaltverbrechen, ein minderjähriges Opfer von sexuellem Missbrauch zu assoziieren.«
Als ich meinen Blick erneut über die Gruppe schweifen ließ, stellte ich fest, dass die drei Herren den Saal gar nicht verlassen hatten, wie ich zwischenzeitlich angenommen hatte, sondern sich zu uns gesellt und meinen Ausführungen vom Rand der Gruppe aus gelauscht hatten.
Sie alle trugen Maßanzüge, und ich nahm an, dass es sich um Frankfurter Banker handelte, die ihre Mittagspause zu einer der neuerdings so populären Kunstpausen, einem kurzen Ausstellungsbesuch, nutzten. Während mir für zwei von ihnen, dem leicht untersetzten Endfünfziger mit weichen Zügen, Halbglatze und Randlosbrille und dem schlaksig wirkenden Asiaten mit der mausgrauen Krawatte, ein kurzer Seitenblick genügte, um sie in meine imaginären Typ-Schubladen einzusortieren, blieb mein Blick an dem dritten Geschäftsmann länger hängen.
Er war überdurchschnittlich attraktiv, gertenschlank, aber nicht hager, mit einem äußerst scharf geschnittenen Gesicht. Mir fiel auf, dass er als Einziger der drei keine Krawatte trug. Seine dunklen Haare, in denen die ersten silbrigen Reflexe spielten, wirkten wie vom Wind zerzaust und sein weißes Hemd mit dem schmalen Kragen war ein bisschen verknittert. Dennoch saß der sündhaft teure Hedi-Slimane-Anzug wie angegossen.
Ich merkte, dass ich leicht ins Stottern geriet, während ich meinen Blick einfach nicht von ihm zu lösen vermochte. Noch schlimmer wurde es, als er meine Konzentrationsschwierigkeiten offenbar umgehend registrierte und mich anlächelte.
Himmel, dieses Lächeln! Es war nur ein ganz feines Schmunzeln, das seine sinnlich geschwungenen Lippen umspielte, nicht breit oder gar hämisch, sondern sympathisch, wenn auch mit einem Hauch von spöttischem Amüsement. Und es ließ seine wachen graublauen Augen strahlen, die unter perfekt geformten Brauen genau auf mich gerichtet waren.
Endlich fand ich die nötige Kraft, meinen Blick von ihm abzuwenden, doch ich sah aus dem Augenwinkel, wie er mir wenig später freundlich zunickte und seinen Begleitern dann mit einer ausholenden Geste bedeutete, ihm in den nächsten Raum zu folgen. Einen Moment lang sah ich den dreien nach, und mir fiel auf, dass ich noch nie einen Mann gesehen hatte, der so ging. In seinen gemessenen und gleichzeitig kraftvollen Bewegungen vereinigten sich Anmut und männliche Selbstsicherheit auf eine nie gesehene, äußerst anziehende Weise.