Forbidden Miles - Claire Kingsley - E-Book

Forbidden Miles E-Book

Claire Kingsley

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Beschreibung

Brynn Miles hielt es für eine gute Idee auf das Weingut ihrer Familie zurückzukehren während sie an der nahegelegenen Uni studiert. Aber als Nesthäkchen der Familie ist ihr Leben komplizierter als gedacht. Dates? Beziehungen? Nicht, wenn sich ihre drei älteren Brüder Roland, Leo und Cooper wie wandelnde Keuschheitsgürtel und Bodyguards verhalten.

Für Chase war die kleine Schwester seines besten Freundes Cooper Miles immer uninteressant. Außerdem ist er nicht auf der Suche nach einer ernsthaften Beziehung. Frauen sind für ihn kurzweilige Abenteuer und er möchte Spaß und keinen Alltag mit Verpflichtungen. Bis zu dem Abend, an dem Chase Brynn nach Jahren wiedersieht. Und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben richtig sieht. Ab diesem Moment ist nichts mehr so wie vorher. Aber Brynn ist für ihn tabu, denn er ist der beste Freund ihres Bruders und die Miles Familie sein zweites Zuhause. Das darf er auf keinen Fall aufs Spiel setzen …

Eine Brother's Best Friend Romance und der zweite Teil der großen Miles Family Saga!

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Über das Buch

Brynn Miles hielt es für eine gute Idee, auf das Weingut ihrer Familie zurückzukehren während sie an der nahegelegenen Uni studiert. Aber als Nesthäkchen der Familie ist ihr Leben komplizierter als gedacht. Dates? Beziehungen? Nicht, wenn sich ihre drei älteren Brüder Roland, Leo und Cooper wie wandelnde Keuschheitsgürtel und Bodyguards verhalten.

Für Chase Reilly war die kleine Schwester seines besten Freundes Cooper immer uninteressant. Außerdem ist er nicht auf der Suche nach einer ernsthaften Beziehung. Frauen sind für ihn kurzweilige Abenteuer und er möchte Spaß und keinen Alltag mit Verpflichtungen.

Bis zu dem Abend, an dem Chase Brynn nach Jahren wiedersieht. Und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben richtig sieht. Ab diesem Moment ist nichts mehr so wie vorher.

Aber Brynn ist tabu, denn er ist der beste Freund ihres Bruders und die Miles Familie sein zweites Zuhause. Und das darf er auf keinen Fall aufs Spiel setzen …

Eine Brother's Best Friend Romance und der zweite Teil der großen Miles Family Saga!

Über Claire Kingsley

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen.

Sie kann sich ein Leben ohne Kaffee, ihren Kindle und all den Geschichten, die ihrer Fantasie entspringen, nicht mehr vorstellen. Sie lebt im pazifischen Nordwesten der USA mit ihrem Mann und ihren drei Kindern.

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Claire Kingsley

Forbidden Miles

Chase und Brynn

Übersetzt von Kerstin Fricke aus dem amerikanischen Englisch

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Nachwort

Dank

Impressum

Für alle, die diese beiden schon vom ersten Augenblick an mochten.

Kapitel 1

Chase

Ich saß so was von in der Klemme.

Shelly stand am anderen Ende des Parkplatzes, konnte jedoch jeden Augenblick den Kopf heben und mich entdecken. Ich zog meine Baseballkappe tiefer in die Stirn, als ob das etwas bringen würde. Sie wusste schließlich, was ich für einen Wagen fuhr.

Die Heizungsluft wärmte meine Beine, und ich hatte das Fenster heruntergelassen, um mir die kühle Oktoberluft um die Nase wehen zu lassen. Es war erst später Nachmittag, aber doch schon relativ kühl. So war der Herbst in Echo Creek, der Stadt an der Ostseite der Cascade Mountains, in der ich lebe. Der Wechsel der Jahreszeiten machte sich in der Luft bemerkbar, und die heißen Sommertage schlugen plötzlich und ohne Vorwarnung in kalte Herbstnächte um.

Mir knurrte der Magen, und ich warf erneut einen Blick in den Rückspiegel. Wie lange konnte eine Frau vor ihrem Wagen stehen, bevor sie endlich einstieg? War ihr nicht kalt? Ich hatte die Mittagspause durchgearbeitet und hatte einen Mordshunger. Wenn das noch lange so weiterging, würde ich in den sauren Apfel beißen und an ihr vorbeigehen müssen.

Ich hätte dieses Bedürfnis, mich auf so bescheuerte Weise vor ihr zu verstecken, lieber nicht verspürt. Aber ich hatte damals ziemlichen Mist gebaut und war fest entschlossen, mich nicht mehr in Shellys Netz aus Irrsinn verwickeln zu lassen.

War ich ein Arschloch, weil ich sie als irre bezeichnete? Nein, das war ich nicht – ganz bestimmt nicht.

Mir wurde im Wagen langsam zu warm, daher drehte ich die Heizung runter. Ein weiterer Wagen parkte ein Stück weit entfernt, und mehrere Männer stiegen aus. Sie betraten Ray’s Diner. Die Glückspilze. Shelly stand noch immer vor ihrem Auto, und obwohl sie mit ihrem Handy beschäftigt war, wusste ich genau, was mich erwartete. Sie hatte einen Chase-Radar und würde mich sofort bemerken, sobald ich auch nur in ihre Nähe kam. Ich hatte einen langen, anstrengenden Tag hinter mir und nicht die geringste Lust, mich mit Shelly auseinanderzusetzen, sondern wollte nur noch etwas essen.

Ich hatte Anfang des Jahres was mit Shelly. Sie schien ein nettes Mädchen zu sein. Hübsch, blond, blaue Augen. Wir waren ein paarmal aus, aber ich machte relativ schnell Schluss. So wie immer. Beziehungen waren kompliziert, aber mir gefiel mein Leben so, wie es war: einfach.

Als Mechaniker für Maschinen in Landwirtschaft und Industrie verdiente ich ganz gut, und ich wohnte mit meinem besten Freund Cooper zusammen. Coop hatte nicht vor, jemals sesshaft zu werden, und für mich galt das vermutlich ebenfalls. Wir arbeiteten hart und feierten wild. Unser Leben war fantastisch, und ich hatte keinerlei Interesse, daran etwas zu ändern.

Aber Shelly hätte am liebsten alles auf den Kopf gestellt.

Es war meine Schuld, dass ich die Regeln gebrochen hatte. Shelly hatte mir immer wieder Nachrichten geschickt, nachdem ich mich von ihr getrennt hatte, und Coop hatte mich gewarnt. Mit verrückten Weibern kann man sich amüsieren, aber man fängt keine Affäre mit ihnen an. Niemals. Das ist die wichtigste Regel.

Und Shelly hatte sich als die Verrückteste von allen herausgestellt.

Es begann mit einigen Nachrichten, und plötzlich waren wir zusammen. Für mich fühlte es sich an wie ein Schleudertrauma, und ich weiß bis heute nicht genau, wie das eigentlich passiert ist. An einem Tag schrieben wir uns noch, und auf einmal bat sie mich, in meinem Kleiderschrank Platz für ihre Sachen zu schaffen.

Sie wollte, dass ich mich melde, bevor ich morgens zur Arbeit fuhr, und dass ich sie auf dem Heimweg anrief. Wenn ich sie nicht darüber informierte, wo ich war und was ich machte, flippte sie aus. Eines Abends ging ich mit Cooper etwas trinken, und sie beschuldigte mich, sie betrogen zu haben. Am nächsten Tag redete sie davon, mich ihren Eltern vorzustellen, als wäre sie am Vorabend nicht komplett ausgetickt.

Ihre Eltern kennenlernen? Gott bewahre!

Meine Toleranzschwelle für derartige Dramen lag sehr niedrig, und so machte ich mit ihr Schluss. Aber sie nahm es nicht gut auf. Die wütenden Anrufe und Nachrichten waren eine Sache und überraschten mich nicht wirklich. Aber zweimal erwischte ich sie, wie sie an meinem Apartment vorbeifuhr, und einmal hat sie versucht, mich bei der Arbeit zur Rede zu stellen. So langsam entwickelte sie sich zum Psycho und zur Stalkerin. Konfrontationen lagen mir nicht, aber ich hatte ihr notgedrungen und eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie mich in Ruhe lassen sollte.

Bisher hatte sie es getan. Es war inzwischen einige Wochen her, dass ich das letzte Mal etwas von ihr gehört hatte. Trotzdem wollte ich ihr nicht auf einem Parkplatz über den Weg laufen und mich erneut in ihren Strudel des Irrsinns hineinsaugen lassen.

Und so saß ich nun hier mit leerem Magen und beobachtete sie im Rückspiegel, während ich darauf hoffte, dass sie endlich in ihren Wagen stieg und wegfuhr.

Genau das war der Grund dafür, dass ich es immer einfach hielt. Gelegenheitssex. Keine Bindungen. Keine Probleme.

Endlich steckte sie ihr Handy weg und stieg ein. Mein Magen knurrte lautstark, als wollte er seine Entrüstung über die Verzögerung zum Ausdruck bringen. Ich wartete, bis ihr Wagen außer Sicht war, stieg aus und betrat das Diner.

Ray’s Diner gab es schon, solange ich denken konnte, und die Kellnerin Jo war ungefähr Mitte fünfzig und arbeitete vermutlich schon seit der Eröffnung hier. Sie hatte blond gefärbtes Haar mit grauem Ansatz und ein herzliches Lächeln, bei dem die Fältchen an ihren Augen deutlich zum Vorschein traten. Cooper flirtete mit ihr auf Teufel komm raus – allerdings flirtete Cooper mit allem, was eine Vagina hatte –, doch ich ordnete sie eher in die Mom-Kategorie ein.

»Hi, Schätzchen«, begrüßte mich Jo lächelnd, als ich hereinkam. »Bist du allein, oder kommt dein Zwilling auch noch?«

Jo wusste, dass Cooper und ich nicht verwandt und erst recht keine Zwillinge waren, aber sehr viele Leute gingen davon aus, dass wir Brüder wären. Ich wusste nicht so genau, was ich davon halten sollte. Einerseits sahen wir einander durchaus ähnlich. Wir waren beide groß, sportlich und dunkelhaarig. Cooper hatte blaue Augen, ich graue. Daher konnte ich das nachvollziehen. Zudem sah man uns meist nur im Doppelpack, und das schon seit wir fünf waren, sodass man durchaus auf den Gedanken kommen konnte, wir könnten Brüder sein.

»Nein, ich esse allein«, antwortete ich.

Und ich habe mir schon unzählige Male gewünscht, tatsächlich Coops Bruder und ein echter Miles zu sein. Ich kam mir vor mir selbst dämlich vor, das zuzugeben, doch es war nun mal die Wahrheit. Daher fühlte sich die Bemerkung über meinen »Zwilling« manchmal an wie ein Schlag in die Magengrube, weil mich das daran erinnerte, dass dem nicht so war.

Jo gab mir einen Tisch in der Nähe der Tür. Ich warf einen Blick auf die Speisekarte, allerdings eher aus Gewohnheit.

»Brauchst du noch einen Moment, oder nimmst du das Übliche?«, wollte Jo wissen.

»Ich nehme das Übliche.« Ich gab ihr die Speisekarte zurück. Das Übliche bestand aus einem Cranberry-Walnuss-Salat mit gegrillten Hühnchenstreifen. Cooper zog mich deswegen immer auf, aber ich fand, dass ich das viele Bier irgendwie ausgleichen musste. Er konnte essen, was er wollte, ohne dick zu werden, war allerdings auch ständig in Bewegung. Vermutlich verbrannte er jeden Tag allein tausend Kalorien nur durch sein Herumzappeln.

Jo brachte mir ein Glas Wasser, und ich tippte auf meinem Handy herum, während ich auf das Essen wartete. Im Diner war nicht viel los, nur an einigen wenigen Tischen saßen weitere Gäste. Ich konnte das ganze Restaurant und auch das Paar in einer Nische in der Nähe der Toiletten überblicken. Die beiden saßen ganz am Rand der Bank und kuschelten sich aneinander. Auf dem Tisch standen keine Teller, nur Gläser. Was mir jedoch ins Auge fiel, war, dass sie wild knutschten.

Nicht, dass mich das gestört hätte. Schließlich hatte ich selbst in genau dieser Nische schon oft genug mit Mädchen herumgeknutscht. Das ist ein guter Ort dafür. Verborgen genug, um keinen Ärger zu bekommen, solange man aufhörte, wenn Jo oder eine der anderen Kellnerinnen vorbeiging. Aber auch noch öffentlich genug, dass es besonderen Spaß machte.

Der Junge beugte sich über das Mädchen, daher konnte ich nicht viel erkennen. Nicht, dass ich sehr lange hingeschaut hätte. Aber es fiel mir schwer, nicht hin und wieder einen Blick in die Richtung zu werfen. Der Kerl würde später garantiert einen Blowjob gekommen. Irgendwie wünschte ich mir das ebenfalls, aber nach der Sache mit Shelly war ich vorsichtiger geworden. Im Augenblick würde ich nichts mit einer Frau anfangen – selbst wenn es sich um eine noch so beiläufige Affäre handelte.

Jo brachte zwei Teller an den Tisch der beiden. Ich konnte das Paar nicht sehen, ging jedoch davon aus, dass sie eine Pause einlegen und sich ihrem Essen widmen würden. Mein Handy summte.

Cooper: Wo steckst du?

Ich: Im Ray’s.

Cooper: Hast du Feierabend?

Ich: Ja, und du?

Cooper: Ja. Hab bei Mom gegessen. Soll ich dir was mitbringen?

Ich: Immer gern.

Cooper: Geht klar. Wir sehen uns zu Hause.

Auch wenn ich hier im Ray’s aß, würde ich mich auf die Reste von Mrs Miles Essen stürzen. Coopers Mom war eine hervorragende Köchin.

Jo brachte mir meinen Salat, aber bevor ich mich darüber hermachen konnte, fiel mir erneut das Paar ins Auge. Sie knutschten nicht mehr, sondern aßen, aber nun starrte ich doch hinüber. Meine Gabel verharrte über meinem Teller, weil meine Finger wie eingefroren waren. Den Typen hatte ich noch nie gesehen, aber das Mädchen – das war eindeutig Brynn Miles.

Brynn war Coopers jüngere Schwester und das Nesthäkchen der Familie. Sie war beinahe sechs Jahre jünger als Cooper und ich, und ich kannte sie schon seit ihrer Geburt. Vor Kurzem war sie einundzwanzig geworden, und in den letzten Jahren hatte sie ein College in einer anderen Stadt besucht. Eigentlich dachte ich, sie würde immer noch aufs College gehen, darum wunderte es mich umso mehr, sie hier zu sehen.

Selbstverständlich spielte Brynn in meinem Leben keine besondere Rolle, daher konnte es durchaus sein, dass sie wieder hergezogen war. Oder ihre Eltern übers Wochenende besuchte. Augenblick, welcher Tag war heute? Es war Dienstag, daher hätte sie doch eigentlich Unterricht haben müssen, oder nicht? Oder zumindest morgen hingehen müssen. Und wer zum Henker war der Kerl da bei ihr?

Und wieso interessierte mich das überhaupt?

Brynn war nicht nur das Nesthäkchen der Familie, sie war Coopers Baby. Das mochte sich seltsam anhören, aber er sah die Sache nun mal so. Sie hatte drei ältere Brüder, aber Cooper war der Alpha-Bruder, wenn es um Brynn ging. Er hatte es zu seiner Aufgabe gemacht, auf sie aufzupassen. Wenn ich es mir recht überlegte – was ich überhaupt nicht tun wollte –, war Brynn vermutlich nicht so begeistert darüber, dass sich Cooper derart in ihr Leben einmischte, wie sie es seiner Meinung nach sein sollte.

Aber ich dachte eigentlich überhaupt nicht über so was nach und auch nicht über Brynn. Sie gehörte zur Familie, und ich wusste von ihrer Existenz. Aber es war immer eine Art Sperrzone um sie herum gewesen, durch die ich sie nicht näher kennenlernen konnte. Brynn war tabu, daher hatte ich sie unbewusst immer ignoriert.

Als wir noch Kinder waren, sah ich sie stets als das nervige kleine Mädchen und je älter sie wurde, desto mehr verschwand sie aus meinem Blickfeld. Fast so, als wäre sie durchsichtig oder substanzlos. Ich ließ nicht zu, dass ich sie bewusst wahrnahm, weil ich tief in meinem Inneren wusste, dass sie das einzige Mädchen auf dem Planeten war, das ich niemals, nicht einmal im Traum, anrühren durfte. Daher erschuf ich instinktiv eine Art Schutzschild um sie herum, den ich nicht durchdringen konnte. Selbst die Verlockung war das Risiko nicht wert.

Doch als ich sie jetzt vor mir sah, wie sie mit diesem Kerl in Ray’s Diner saß, zersprang dieser Schild völlig unerwartet in tausend Stücke.

Kapitel 2

Chase

Brynn fiel das dicke dunkle Haar über die Schultern. Sie lächelte das Arschloch neben sich an und strich sich eine Strähne hinters Ohr. Sah ihr Haar schon immer so glänzend und weich aus? Hatte sie schon immer so süß gelächelt, so volle Lippen gehabt? Sie war einundzwanzig und musste daher schon länger so umwerfend aussehen. Wieso hatte ich das nie zuvor bemerkt? Brynn war ein verdammt heißer Feger.

Hilfe! Was in aller Welt dachte ich denn da? Hierbei ging es nicht um irgendeine scharfe Braut, die ich auf der anderen Seite des Lokals entdeckt hatte. Ich konnte nicht einfach zu ihr schlendern, ihr auf den Zahn fühlen und herausfinden, was sie zum Lächeln brachte. Mit ihr flirten, Gründe finden, sie zu berühren. Sie auf meinen Schoß ziehen und ihr eine Hand auf den Oberschenkel legen. Ihr etwas ins Ohr raunen.

Ich fragte mich, wie Brynn wohl roch. Bestimmt unglaublich.

Himmel, was war denn mit mir los? Das war Coopers Brynnzessin. Ich konnte nicht einfach hier sitzen und mir ausmalen, wie sie wohl roch. Wenn Cooper auch nur die leiseste Ahnung hätte, dass ich mich fragte, wie seine Schwester duftete, würde er mir in den Arsch treten.

Ich versuchte, mich auf mein Essen zu konzentrieren und nicht mehr an Brynn zu denken. Dann saß sie eben mit einem Blödmann vom College in der Knutschnische – so würde ich den Tisch von jetzt an nennen. Noch dazu mit so einem armseligen Kerl mit Möchtegernbart und Wollmütze. Ich rieb mir das Kinn und spürte die gleichmäßig verteilten Bartstoppeln unter meinen Fingern. Wenn sich ein Mann nicht mal einen anständigen Bart wachsen lassen konnte, dann sollte er sich besser rasieren.

Wer war der Typ überhaupt? Brynns Freund? Sie war letztes Jahr mit einem Jungen vom College ausgegangen, aber der hatte sie betrogen. Cooper und Leo, einer ihrer anderen Brüder, hatte das Gesicht des Jungen auf Aufklärungsposter über Geschlechtskrankheiten gedruckt und den ganzen Campus damit tapeziert. Der arme Tropf war zum Symbol für Herpes geworden. Ich fragte mich, ob er danach das College gewechselt hatte. Von so einer Sache erholte man sich nie mehr.

Aber das war nicht derselbe Kerl. Nachdem ich Hunderte von Postern mit seinem Gesicht aufgehangen hatte, war es mir im Gedächtnis geblieben. Hatte Brynn einen Neuen?

Wieder einmal fragte ich mich, wieso mich das überhaupt interessierte. Es war doch völlig unwichtig, warum sich Brynn in der Stadt aufhielt oder mit wem sie ihre Zeit verbrachte. Das alles ging mich nichts an. Ich hatte nie zuvor auf sie geachtet, warum sollte ich dann jetzt damit anfangen?

Doch es gefiel mir nicht, sie kuschelnd mit diesem Kerl zu sehen. Machte sich da mein Beschützerinstinkt bemerkbar? Vielleicht übertrug sich nur Coopers Fürsorge auf mich. Da er nicht hier war, verspürte ich nun das Bedürfnis, an seiner statt auf sie aufzupassen. Das klang vernünftig.

Ich blickte auf meinen Teller. Einen Teil des Salats hatte bereits ich gegessen, aber irgendwie schmeckte er mir nicht. Und aus Gründen, die ich mir selbst nicht erklären konnte, war ich nicht länger imstande, hier sitzen zu bleiben. Nicht, wenn ich zusehen musste, wie Brynn wieder mit diesem Kerl knutschte. Ich legte ein paar Geldscheine auf den Tisch und ging hinaus.

An die Heimfahrt konnte ich mich später nicht mehr erinnern. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch und spürte eine seltsame Leere in der Brust. Was zum Teufel stimmte nicht mit mir? Wenn Brynn mit so einem dämlichen Knaben vom College ausgehen wollte, wieso sollte mich das scheren? Und warum zum Geier malte ich mir aus, wie sich ihr Haar anfühlen würde , wenn ich es mir durch die Finger glitt?

Ich musste mich wieder unter Kontrolle bekommen.

Cooper war zu Hause, als ich eintraf. Seine Arbeitsstiefel standen dreckbeschmiert neben der Tür, und er hatte sich auf dem Weg in sein Zimmer die Jeans ausgezogen, die noch immer auf dem Boden lag.

Er kam mit nassem Haar und einem Handtuch um die Taille aus dem Bad. »Hey, Kumpel.«

Ich starrte ihn verwirrt an. Mir war bewusst, dass ich etwas erwidern sollte, aber mein Gehirn schien nicht richtig zu funktionieren.

Coop merkte es offenbar nicht. Er ging in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Als er einige Minuten später wieder herauskam – halb angezogen in Boxershorts, T-Shirt und Socken – stand ich noch immer mitten im Zimmer.

»Was ist denn los mit dir, Mann?«, fragte Cooper. »Hattest du einen miesen Tag bei der Arbeit? Du hast was kaputt gemacht, richtig? Du solltest etwas reparieren, aber hinterher war es noch schlimmer?«

»Nein.« Etwas an Coopers Kommentar riss mich aus meiner Erstarrung. »Ich hab nichts kaputt gemacht. So ein Blödsinn.«

»Hast du Shelly angerufen? Muss ich dir dein Handy wegnehmen? Denn eins kann ich dir sagen: Wenn du Shelly angerufen oder ihr eine Nachricht geschickt oder heute auch nur an sie gedacht hast, dann siehst du dein Handy nie wieder.«

Ich zog die Jacke aus und hängte sie über die Rückenlehne eines Stuhls. »Nein, aber ich habe sie vor dem Ray’s gesehen.«

»Oh, Scheiße. Bitte sag, dass du nicht mit ihr geredet hast. Chase, alter Freund, wir haben das doch besprochen. Du kannst dich nicht erneut in diesen Irrsinn verwickeln lassen. Jedes Mal, wenn du das tust, fällt dir der Ausstieg schwerer. Du verstrickst dich immer mehr in ihren Dramen, bis du dich irgendwann nicht mehr befreien kannst.«

Dass ich Shelly gesehen hatte, war jedoch nicht der Grund für meine Schweigsamkeit. Es war auch nicht ihr Gesicht, das ich vor meinem inneren Auge sah. Aber ich war klug genug, um einen Ausweg zu erkennen, wenn er sich mir bot. Da Coop glaubte, ich wäre derart durch den Wind, weil ich Shelly gesehen hatte, würde er jedenfalls nicht vermuten, dass es etwas mit Brynn zu tun haben könnte.

»Nein, Mann, ich hab nicht mit ihr gesprochen. Ich habe im Wagen gewartet, bis sie weg war, aber regelrecht Panik bekommen.«

Cooper tätschelte mir die Schulter. »Das ist brutal, Mann. Gut, dass du ihr unverletzt entkommen konntest.«

»Ja.«

Ich hatte jedoch gar nicht das Gefühl, unverletzt zu sein. Vielmehr war mir, als hätte man mir mit einem Kantholz eins übergezogen.

Coop redete schon weiter, aber ich ging in die Küche und hörte ihm nur mit einem Ohr zu. Nachdem ich im Diner kaum etwas gegessen hatte, war ich am Verhungern. Ich holte die Reste aus dem Kühlschrank, die er von seiner Mom mitgebracht hatte.

Ein Teil meines Gehirns registrierte Coopers Worte – gerade genug, um sicherzustellen, dass mir nichts Wichtiges entging. Er redete viel, aber das war ich gewohnt. Der Trick war, auf Floskeln zu achten, die mir zu verstehen gaben, dass ich jetzt aufpassen musste. Den Rest ließ ich einfach an mir vorbeifließen.

Ich schaufelte mir gerade etwas von dem Essen – Hühnchen und Gemüse mit einer würzig duftenden Soße – auf einen Teller und hielt abrupt inne, als er Brynn sagte. Im nächsten Augenblick wirbelte ich herum und starrte ihn an. »Was?«

Cooper blinzelte und hatte den Mund halb offen, als wäre er drauf und dran gewesen, etwas zu sagen. »Brynn zieht wieder nach Hause, und wir müssen ihr beim Auspacken helfen, wenn sie morgen ankommt.«

»Sie ist schon da.«

»Woher weißt du das?«

Ich zuckte mit den Achseln und wandte ihm den Rücken zu, da ich noch immer ziemlich durcheinander war und er mein Gesicht nicht sehen sollte. »Sie war im Ray’s.«

»Du hast mit meiner Schwester gegessen und sagst keinen Ton? Das ist echt mies, Chase. Ich wusste nicht mal, dass sie schon in der Stadt ist. Mom sagte, sie kommt erst morgen. Was soll denn der Scheiß? Du hättest mir Bescheid sagen müssen. Dann wäre ich dazugestoßen.«

»Ich habe nicht mit ihr gegessen.«

»Du hast sie allein essen lassen? Wo sind denn deine Manieren? Ich dachte, ich hätte dich besser erzogen.«

Ich schüttelte den Kopf und wünschte mir nichts sehnlicher, als das Thema zu wechseln. Je mehr ich an Brynn dachte, wie sie dort in der Nische gesessen hatte – ihr hübsches Lächeln, ihr schimmerndes Haar, ihre weichen Lippen –, desto verwirrter wurde ich. Vor allem, weil ich nicht aufhören konnte, an den Kerl zu denken, der bei ihr war. An diesem dämlichen kleinen Mistkerl mit seinem dämlichen Bart und der dämlichen Mütze. Ich mochte gar nicht daran denken, dass er sie berührt und geküsst hatte. Am liebsten hätte ich ihm den Hals umgedreht.

»Sie war nicht allein.« Ich legte den Deckel auf den Plastikbehälter mit den Resten und stellte diesen etwas energischer als nötig zurück in den Kühlschrank. »Sie hat in der hinteren Nische mit so einem Typen vom College rumgeknutscht.«

Cooper erstarrte. Bei diesem Anblick lief es mir immer kalt den Rücken herunter. Es war nie ein gutes Zeichen, wenn Cooper nicht in Bewegung war. »Was?«

»Da war ein Kerl bei ihr.«

»Hast du eben was von rumgeknutscht gesagt?«

Wieder zuckte ich mit den Achseln und wollte den Anblick, wie Brynn einen anderen Mann küsste, nur noch vergessen.

»Erzählst du mir hier gerade, irgendein Kerl hätte mitten in Ray’s Diner mit meiner Brynnzessin rumgemacht?«

»Nicht mitten im Diner. Sie haben ganz hinten gesessen.«

Seine blauen Augen starrten mich durchdringend an, und er hatte sämtliche Muskeln angespannt. Als er weitersprach, hatte sich sein Tonfall verändert. Seine Stimme klang ausdruckslos. »Glaubst du, sie sind noch da?«

»Woher soll ich das wissen? Gut möglich.«

»Dann fahren wir hin.« Er griff nach seinem Schlüsselbund.

»Du hast keine Hose an, Cooper.«

Er war schon aus der Tür. »Ich hab keine Zeit für eine Hose.«

Ich ließ meinen Teller stehen – verdammt, ich hatte noch immer einen Riesenhunger –, schnappte mir meine Jacke und folgte ihm nach draußen. »Was soll denn der Mist, Mann?«

Er trug auch keine Schuhe, doch selbst das schien ihn nicht weiter zu stören. Als er in seinen Wagen stieg, nahm ich schnell auf dem Beifahrersitz Platz.

»Du musst dich beruhigen, Kumpel«, ermahnte ich ihn, als er vom Parkplatz fuhr. »Was hast du denn vor? Willst du in Unterwäsche in das Diner stürmen?«

Coop antwortete nicht.

Erst da wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Ich hatte Brynn soeben verpfiffen, weil sie mit einem Typen knutschte, bei dem es sich vermutlich um ihren Freund handelte, und zwar an den überfürsorglichsten Bruder des Universums.

Das würde böse enden.

Kapitel 3

Brynn

Kieran legte hinter mir den Arm auf die Rückenlehne der Bank, während ich meine letzten Pommes verputzte. In Ray’s Diner konnte man wirklich gut essen. Zwar gab es auch in Tilikum, der Collegestadt, in der ich die letzten beiden Jahre gelebt hatte, eine ganze Menge billiger Diner, aber Ray’s Diner hatte ich immer vermisst. Er lag ganz in der Nähe des Weinguts meiner Familie, und wir sind schon immer gern hier essen gegangen. Da Kieran noch nie hier war, habe ich darauf bestanden, dass wir herkommen, nachdem wir meine Sachen zu Hause abgeladen hatten.

Gerade hatte ich mein drittes Jahr am College angefangen und würde wieder nach Salishan ziehen. Nachdem mich mein Freund letztes Jahr mit meiner Mitbewohnerin betrogen hatte, war ich in ein Studioapartment gezogen. Das Leben allein war nicht schlecht, aber teuer. Und auch recht einsam. Immerhin war ich in einem trubeligen Haus mit drei älteren Brüdern und den ganzen Angestellten des Weingutes, die fast zur Familie gehörten, aufgewachsen.

Also hatte ich beschlossen, wieder nach Hause zu ziehen. Ich konnte weiterhin aufs Tilikum College gehen, das nur eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt lag. Auf diese Weise würde ich richtig viel Geld sparen. Da das Weingut dank meines widerlichen Vaters in finanziellen Schwierigkeiten steckte, kam das auch meiner Mom ganz gelegen.

Außerdem wollte ich meiner Familie näher sein. Mom hatte meinen Dad rausgeworfen, als sie herausfand, dass er eine Affäre hatte. Als wäre das noch nicht schlimm genug, hatte er sie nicht zum ersten Mal betrogen. Vielmehr hatte er eine ganze Familie vor uns versteckt, die er schon vor meiner Geburt gegründet hatte. Ich hatte eine ältere Halbschwester namens Grace und einen kleinen Halbbruder mit dem Namen Elijah. Grace war mir einmal begegnet, als sie auf der Suche nach Dad zu uns kam, der sie im Stich gelassen hatte. Sie hatte sich bei Roland gemeldet, weil ihre Mom Elijahs Arztrechnungen nicht mehr allein zahlen konnte. Aber wir hatten Grace nie wiedergesehen und Elijah gar nicht erst kennengelernt.

Ich war mir nicht sicher, was ich von der ganzen Sache halten sollte. Es war keine große Überraschung gewesen, dass mein Dad Mom betrogen hatte. Irgendwie schien es die ganze Zeit offensichtlich gewesen zu sein … traurig, aber wahr. Doch eine andere Familie? Wer in aller Welt tat denn so was?

Genüsslich steckte ich mir noch eine Pommes in den Mund und leckte mir die Finger ab. Kieran zog sein Handy aus der Tasche, um jemandem zu schreiben. Er war ein Fickfreund, wie es meine Schwägerin Zoe ausdrücken würde. Wir führten keine Beziehung und waren auch beide nicht darauf aus. Im Grunde genommen war es sogar Zoes Idee gewesen. Nachdem Austin mich betrogen hatte, war sie der Ansicht gewesen, mein Liebeskummer ließe sich am besten durch eine Affäre lindern. Ich hatte jedoch damit gewartet – die ganze Sache mit Austin war schon Monate her. Ein paar Tage nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag lernte ich Kieran in einer Bar kennen und hatte meinen ersten One-Night-Stand.

Danach tauschten wir Telefonnummern aus. Wir gingen noch ein paarmal miteinander ins Bett und hatten unseren Spaß. Er war heiß, wenn man auf Hipster stand. Und er stand auf Oralsex, wobei er die aktive der passiven Rolle – und sogar dem Sex – vorzog, was ihn zu einem einzigartigen Exemplar der Gattung Mann machte. Ich war der Ansicht, dass wir uns ruhig noch ein bisschen miteinander amüsieren konnten, bis einer von uns jemand anderen fand.

Wir hatten vor Kurzem die Nacht miteinander verbracht, und ich hatte dabei erwähnt, dass ich wieder nach Hause zog. Er besaß einen Lieferwagen und schlug vor, meine Sachen ins Haus meiner Familie zu bringen. Ich besaß zwar nicht viel, aber so konnte sich mein Bruder Cooper die Mühe sparen und musste nicht extra zu mir kommen.

Als Dank für seine Hilfe hatte ich Kieran zum Essen eingeladen – und ich hatte auch vor, mich noch auf andere Weise zu bedanken, wenn wir wieder im Gästecottage waren, in dem meine Mom mich wohnen ließ.

Die Tür wurde aufgerissen, und kalte Luft wehte in den Diner. Entweder hatte ich Halluzinationen oder Cooper kam durch den Gang auf uns zu. In Unterwäsche.

Nein, das bildete ich mir nicht nur ein. Das war mein Wirklichkeit gewordener Albtraum.

Kieran saß auf dem Platz am Gang, starrte noch immer auf sein Handy und bekam nichts von dem Wahnsinn mit, der gleich über unseren Tisch hereinbrechen würde. Ich hörte, wie Jo etwas zu Cooper sagte – war das da hinter ihm Chase? –, aber Cooper ging weiter und wandte den Blick nicht von Kieran ab. Ich war seltsamerweise erleichtert, dass es in der wirklichen Welt keine Superkräfte gab, denn sonst hätte Cooper Kieran mit seinem Laserblick längst durchbohrt oder auf andere Weise umgebracht.

Ich streckte einen Arm vor Kieran aus, um das abzublocken, was auch immer Cooper vorhatte. »Was treibst du denn hier, Cooper?«

Er blieb neben unserem Tisch stehen und starrte Kieran erbost an. »Halt dich da raus, Brynnzessin.«

Ich konnte es auf den Tod nicht leiden, wenn er mich so nannte. Als ich noch ein Kind war, mochte es ja niedlich gewesen sein, aber er behandelte mich noch immer so, als wäre ich gerade mal zehn. »Wo soll ich mich raushalten? Wieso hast du keine Hose an?«

»Wer zum Henker bist du?«, verlangte Cooper zu erfahren und ignorierte mich einfach.

Kieran blickte auf und runzelte verwirrt die Stirn. »Äh, ich bin Kieran.«

»Raus«, verlangte Cooper.

»Lass das, Cooper.« Ich hielt den Arm weiter vor Kierans Brust.

Doch dieser Protest war nutzlos. Cooper packte Kieran am Kragen und zerrte ihn von der Bank.

»Hey, was soll der Scheiß?« Kieran versuchte, sich zu befreien, aber mein Bruder war bärenstark.

»Cooper«, sagte ich eindringlich in dem Versuch, hier keine Szene zu machen – oder vielmehr die Szene, die Cooper machte, nicht noch weiter ausarten zu lassen.

Auch jetzt achtete Cooper nicht auf mich. Er zwang Kieran, vor ihm zwischen den Tischen hindurch zur Tür zu gehen. Chase warf einen Blick in meine Richtung – wieso sah er so schuldbewusst aus? – und ging den beiden rasch hinterher.

Mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls rauszugehen. Ich wollte schließlich nicht, dass die anderen Gäste noch mehr mitbekamen. Aber sobald ich auf dem Parkplatz war, würde ich Cooper was erzählen! Ich nahm meine Handtasche von der Bank und rannte meinem bescheuerten Bruder und seinem dämlichen Mitbewohner hinterher.

»Ich bin gleich wieder da und zahle«, rief ich Jo über die Schulter noch zu.

Cooper drückte Kieran mit dem Rücken an seinen Wagen, und Chase stand ein Stück abseits. Etwas an seiner Miene kam mir seltsam vor, doch mir blieb keine Zeit, um länger darüber nachzudenken.

»Folgendes solltest du wissen.« Cooper kam Kieran so nah, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. »Brynn Miles ist kostbar, und eine Arschgeige wie du hat nicht das Recht, sie in der Öffentlichkeit zu schänden.«

»Wie bitte? Was soll denn der Mist, Cooper?«

Er ignorierte mich noch immer. »Zeig gefälligst Respekt. Mit einem Mädchen wie ihr knutscht man nicht in einem gottverdammten Diner rum.«

Kieran hob die Hände. »Hey, Mann, ich weiß ja nicht mal, wer du bist.«

»Ich bin ihr Bruder«, erklärte Cooper. »Und ein dürrer Wichser wie du, hat jemanden wie meine Schwester nicht mal ansatzweise verdient. Glaubst du, du könntest sie so behandeln? Das kannst du vergessen!«

»Er behandelt mich gut«, sagte ich, auch wenn ich wusste, dass es keinen Unterschied machen würde.

Kieran sah an Cooper vorbei zu mir. »Tut mir leid, Brynn, aber mir reicht’s.«

Cooper machte einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, hätte ich die

Sache vielleicht sogar witzig gefunden. Mein alberner Bruder stand in T-Shirt und Unterhose auf einem Parkplatz – er hatte noch nicht mal Schuhe an! –, und starrte den Kerl nieder, von dem er ausging, er würde seine kleine Schwester schänden.

Aber ich war wütend und fand das ganz und gar nicht witzig.

Kieran huschte an Cooper vorbei und rannte praktisch schon zu seinem Wagen. Ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen, stieg er ein und fuhr vom Parkplatz.

Mein Herz raste, und ich spürte, dass ich knallrot geworden war. Ich würde ihn umbringen. Ihm das Herz aus der Brust reißen.

»Was zum Teufel sollte das?«, fragte ich und betonte jedes einzelne Wort.

Cooper drehte sich um und grinste schief. »Hey, Brynnzessin.«

Wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich Feuerstrahlen aus meinen Augen geschossen – oder, besser noch, aus den Fingern, um meinen Bruder zu Asche zu verbrennen. »Hey? Das sagst du zu mir, nachdem du meinen … meinen …« Wie zum Teufel sollte ich ihn nennen? »… Kieran vertrieben hast?«

»Ich habe dich nur vor diesem Mistkerl beschützt.« Cooper verschränkte abermals die Arme. »Du bist nicht gerade sehr dankbar, Brynnzessin. Ich bin den ganzen Weg hierhergekommen, um sicherzustellen, dass du deine Jungfräulichkeit nicht verlierst.«

»In Unterwäsche«, fügte Chase hinzu.

»Ganz genau.« Cooper nickte.

»Meine Jungfräulichkeit? Was willst du denn damit andeuten? Kieran hat mir beim Umzug geholfen.«

Coopers selbstsicheres Grinsen verblasste, und er sah mehrmals zwischen Chase und mir hin und her. »Augenblick mal. Hast du etwa nicht mit ihm im Diner geknutscht?«

»Was hat das denn damit zu tun?«

»Chase sagte, er hätte gesehen, wie dich das Arschloch in Ray’s Diner geschändet hat«, erläuterte Cooper.

Ich starrte Chase erbost an. Er sah aus, als wäre er am liebsten im Erdboden versunken. »Was hast du ihm erzählt?«

»Ich habe nur erwähnt, dass du hier bist«, antwortete Chase.

»Nein, du hast definitiv gesagt, dass ein Kerl mit ihr in Ray’s Diner rumknutscht«, präzisierte Cooper.

»Großer Gott! Das kannst du doch nicht machen, Cooper«, sagte ich. »Du kannst doch einen Typen nicht am Hemdkragen vor die Tür schleifen und ihm einen Vortrag über meine Jungfräulichkeit halten. Die habe ich im ersten Collegejahr verloren, falls es dich interessiert. Und du hast mich heute um einen Orgasmus gebracht. Wenn nicht gar zwei. Hoffentlich macht dich das glücklich.«

Warum sah Chase auf einmal so mordlustig aus? Und Cooper erst? Man konnte ja fast auf die Idee kommen, ich hätte ihm gerade gestanden, eine Serienmörderin zu sein.

»Sag nicht so was, Brynnzessin«, beschwerte sich Cooper. »Dafür bist du noch zu jung.«

»Wie bitte?« Ich kreischte schon fast, doch das war mir egal. »Zu jung? Ich bin einundzwanzig und vermutlich erwachsener als du und dein blöder Robin zusammen. Wie kannst du hier vor mir stehen – noch dazu in Unterwäsche, möchte ich hinzufügen – und über mich urteilen? Mit wie vielen Frauen hast du geschlafen? Und jetzt fang nicht mit diesem sexistischen Blödsinn an, dass das bei Männern anders wäre. Denn das ist es nicht. Du kannst jede Frau vögeln, und man hält dich für einen tollen Hecht. Aber wenn ich eine Affäre mit einem Kerl habe, der mich gern leckt, dann zückst du die scheinheilige Moralkeule? Rutsch mir doch den Buckel runter!«

Ich drehte mich um und marschierte über die Straße. Da mein Wagen nicht hier war, hatte ich einen langen Fußweg vor mir. Außerdem schuldete ich Jo noch das Geld für das Abendessen, aber ich würde sie von zu Hause anrufen und ihr meine Kreditkartennummer durchgeben. Jetzt musste ich erst mal hier weg, damit ich nicht noch etwas sagte, was ich später bereuen würde.

»Tu das nicht, Brynnzessin«, bat Cooper. »Ich wollte nur helfen. Lass mich dich wenigstens nach Hause fahren.«

»Nein. Du hast für heute genug geholfen.«

»Warte, Brynn.«

Ich stutze, denn das war nicht Coopers Stimme, sondern Chases. Zornig drehte ich mich zu ihm um. »Was ist?«

»Entschuldige, ich wollte nicht …«

Ich starrte ihn einige Sekunden lang an. Dieser lange Blickkontakt war seltsam. Normalerweise hatte ich immer das Gefühl, als würde Chase einfach durch mich hindurchsehen – als wäre ich gar nicht da.

»Lass mich in Ruhe, Chase.«

Es gab keinen Grund, aus dem Chase so geknickt aussehen sollte, daher hatte ich mir das bestimmt nur eingebildet. Ich drehte mich wieder um und ging die Straße entlang. Meine Schuhe waren nur bedingt zum Laufen geeignet, aber barfuß wäre es bestimmt noch schlimmer. Ich würde die Blasen hinterher eben ertragen müssen. Vielleicht konnte ich Cooper ja losschicken, damit er mir Pflaster besorgte. Das war das Mindeste, was er nach der Aktion eben für mich tun konnte.

Erst als ich schon ein ganzes Stück gegangen war, drehte ich mich um. Ich konnte das große rote Ray’s-Diner-Schild sehen, das die Straße in ein warmes Licht tauchte, aber weder Cooper noch Chase. So wie ich Cooper kannte, hätte es mich nicht überrascht, wenn er mir in seinem Wagen im Schneckentempo gefolgt wäre. Vielleicht würde er auch ein paar Mal im Kreis und an mir vorbeifahren, bis ich nachgab und mich von ihm nach Hause fahren ließ. Die wunde Stelle, die sich schon jetzt an meiner Ferse bemerkbar machte, ließ diese Aussicht immer verlockender erscheinen.

Himmel, mein Bruder! Cooper war verrückt. Das war er schon immer. Ich glaube ja, er hat den Großteil der Spaß-Gene abbekommen und Roland und Leo um ihren Anteil gebracht. Aber so witzig Cooper auch sein konnte – und er konnte verdammt witzig sein –, sein übertriebener Beschützerinstinkt ging mir mächtig auf die Nerven. Und seit Dad ausgezogen war, war es sogar noch schlimmer geworden. Cooper hatte schon immer auf mich aufgepasst, aber jetzt schien er sich für meinen Vater zu halten.

Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als von ihm wie eine Erwachsene behandelt zu werden. Aber das galt eigentlich für jeden in meiner Familie. Zugegeben, ich war noch jung. Aber ich schaffte das College und meine Mom musste mich nur ein bisschen unterstützen. Ich war auf dem besten Weg, meinen Abschluss sogar früher als geplant zu machen. Während Cooper sich betrank und mit irgendwelchen Frauen ins Bett ging, hatte ich mir alles selbst erarbeitet, mir einen Weg geschaffen und meiner Mom geholfen. Ich benahm mich nicht wie ein Kind, daher verstand ich nicht, warum sie mich noch immer wie eins behandelten.

Okay, in sehr schönen, aber äußerst unbequemen Schuhen mit hohen Absätzen nach Hause zu laufen, war möglicherweise nicht meine erwachsenste Entscheidung. Aber Cooper schaffte es immer wieder, mich meinen gesunden Menschenverstand vergessen zu lassen.

»Hey, Süße.« Eine schwarze Limousine hielt auf der leeren Straße neben mir. Zoe, die Frau meines ältesten Bruders Roland, steckte den Kopf aus dem Fenster. »Soll ich dich mitnehmen?«

»Oh, Gott sei Dank.« Ich rückte den Träger meiner Handtasche zurück und eilte auf die Beifahrerseite.

»Du bist ein bisschen weit weg von zu Hause, um den ganzen Weg zu Fuß zu gehen«, stellte Zoe fest. »Aber schicke Schuhe.«

Ich stellte die Handtasche auf meinem Schoß ab und schnallte mich an, während sie weiterfuhr. »Danke. Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit Cooper. Kommst du zufällig vorbei?«

Zoe warf mir einen Seitenblick zu. »Nicht so ganz. Ich saß im Wagen, aber ein gewisser Blödmann hat mir vor ein paar Minuten eine Nachricht geschickt, und ich dachte, ich fahr mal einen kleinen Umweg.«

»Ich hätte mir denken können, dass mich Cooper nicht den ganzen Weg nach Hause laufen lässt. Wie sollte ich das ohne Begleitung je überleben?«

»Das war nicht Cooper«, korrigierte mich Zoe.

Ich sah sie verblüfft an. »Chase?«

Zoe nickte.

»Das ist ja komisch. Vielleicht hatte Coop sein Handy nicht dabei.«

Sie zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Aber Chase schrieb, dass du vom Ray’s nach Hause laufen wolltest und dass er sich Sorgen um dich macht, weil deine Schuhe aussehen, als würde man sich darin schnell Blasen laufen.«

»Das hat Chase geschrieben?«

»In der Tat.«

Ich drehte die Füße und starrte meine Schuhe an. Zum Laufen waren sie wirklich nicht gedacht. Sie hatten aus einer meiner Taschen gelugt, und als Kieran und ich alles ausgeladen hatten, hatte ich sie angezogen, weil ich etwas Hübsches anhaben wollte. Schon seltsam, dass sie Chase aufgefallen waren. Er würdigte mich doch sonst auch keines Blickes.

Chase kannte ich schon mein ganzes Leben. Er war schon vor meiner Geburt Coopers bester Freund gewesen und für mich fast wie ein weiterer Bruder.

Nur … stimmte das nicht ganz. Eigentlich hatte er sich nie brüderlich verhalten, sondern mich immer ignoriert. Chase war kein Bruder, er war bloß Coopers bester Freund.

Und ich hatte sehr viele Jahre für ihn geschwärmt. Erst als ich wegzog, um aufs College zu gehen, bin ich drüber weggekommen. Was war ich doch für ein dummes kleines Mädchen gewesen. Okay, Chase sah umwerfend aus, aber wer stand denn schon jahrelang auf den besten Freund seines Bruders, der einen noch nicht mal zur Kenntnis nahm?

Offenbar ich.

In der Highschool hätte ich sowieso keinen Freund haben können, von daher hab ich auch nicht viel verpasst. Jeder Junge in der Stadt fürchtete sich vor meinen Brüdern – und vor allem vor Cooper. Es gab keinen, der es gewagt hätte, mit Brynn Miles anzubandeln. Nicht solange meine Psycho-Brüder in der Nähe waren.

Daher hing ich Tagträumen von Chase Reilly nach und malte mir aus, dass er mich eines Tages bemerken würde. Ich hatte unsere Namen umrahmt von kleinen Herzen in mein Tagebuch geschrieben. So getan, als wäre es mein Schicksal, Brynn Reilly zu werden. Ich hatte sogar meine Unterschrift mit seinem Nachnamen geübt. Wie peinlich!

Zum Glück hat Chase das nie rausgefunden. Und ich bin in den letzten Jahren erwachsen geworden und hatte die Schwärmerei endgültig hinter mir gelassen.

»Tausend Dank, dass du mich eingesammelt hast. Chase hatte recht – die Schuhe bringen mich schon jetzt fast um.«

»Kein Problem«, erwiderte Zoe. »Ich wollte noch was einkaufen, aber das kann ich auch machen, nachdem ich dich abgesetzt habe.«

»Danke.«

Als wir in Salishan ankamen, hatte ich schon drei Nachrichten von Cooper. In der ersten entschuldigte er sich, und in der zweiten und dritten wollte er wissen, ob ich gut nach Hause gekommen war. Zuerst überlegte ich, ihm erst in ein paar Stunden zu antworten und ihn zappeln zu lassen. Aber dann würde er vermutlich einfach herkommen und an meine Tür hämmern, bis er sich vergewissert hatte, dass ich nicht überfahren oder von einem Axtmörder entführt worden war.

Ich verabschiedete mich von Zoe und betrat mein Cottage. Dann beantwortete ich Coopers Nachricht und teilte ihm mit, dass ich jetzt zu Hause war. Er schickte sofort einige GIFs – tanzende Kätzchen, ein Einhorn, das Regenbögen pupste, ein kleines Mädchen, das einen Teddy im Arm hielt, eine Katze im Taco-Kostüm.

Es fiel mir wirklich schwer, länger wütend auf ihn zu sein.

Aber was war mit Chase los? Warum in aller Welt hatte er Cooper so etwas erzählt? Er kannte Cooper doch besser als jeder andere und musste wissen, dass Cooper durchdrehen würde, sobald er erfuhr, dass ich mit einem Mann zusammen war.

Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr ärgerte ich mich über Chase. Der Kerl sollte sich mal lieber um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.

Kapitel 4

Chase

Von einem erstaunlich durchdringenden Bass unterlegte Countrymusik dröhnte aus den Lautsprechern. In der Mountainside Tavern war an diesem Abend einiges los. Ich hielt mein Billardqueue in der Hand, stützte das Ende auf meinen Schuh und wartete, dass Cooper seinen Zug beendete. Er versenkte die Drei in der Ecke und grinste mich an.

»Ich bin einfach zu gut.«

»Ja.« Ich warf einen Blick auf den Tisch, doch es fiel mir schwer, mich auf unser Spiel zu konzentrieren.

»Wir sollten mal wieder einen Roadtrip machen und durch die Poolbars ziehen«, schlug Cooper vor. »Das eine Mal haben wir dabei doch richtig abgeräumt. Erinnerst du dich? Ich glaube, an dem Wochenende haben wir ein paar Tausender verdient.«

»Mm-hmm.« Ich ging um den Tisch herum, damit ich alles in Augenschein nehmen konnte.

»Es besteht natürlich immer die Gefahr, dass wir uns auf die Schnauze legen. Aber ich denke, wir haben ein paar wertvolle Lektionen gelernt. Collegebars in der Nähe von Privatschulen sind besser als Kellerbars voller Biker. Eigentlich klingt das logisch, aber wir haben eine Weile gebraucht, um es zu kapieren. Dumm gelaufen.« Sein Stoß ging daneben, und er nickte mir zu, weil ich an der Reihe war.

»Ja, dumm gelaufen.« Ich machte einen Stoß, konnte die Kugel jedoch nicht einlochen. »Mist.«

Cooper nahm mir das Queue aus der Hand. »Okay, Kumpel. Das reicht jetzt. Du benimmst dich komisch. Rede mit mir, Mann. Erzähl, was dir auf der Seele liegt. Mir ist klar, dass es um eine Frau gehen muss, aber vergiss nicht, dass Männer aus gutem Grund deutlich häufiger an einem Herzinfarkt sterben als Frauen. Wir fressen so was in uns rein.« Er legte sich eine Hand auf die Brust. »Wir stauen das alles hier auf, wo es uns langsam umbringt. Lass es raus. Sag mir, was los ist.«

Das war schlichtweg unmöglich. Ich konnte Cooper auf keinen Fall anvertrauen, was in mir vorging. Zuerst einmal war mir selbst völlig schleierhaft, was mit mir nicht stimmte. Ich kam mir vor, als hätte ich einen Schlag auf den Kopf bekommen – einen, der meinen Geisteszustand dauerhaft verändert hatte. Wenn ich nur an Brynn dachte, ging in mir bereits alles durcheinander.

Außerdem war das Cooper, und Brynn war … eben Brynn. Sie war dermaßen tabu, dass mich schon das Todesurteil erwartete, weil ich nur an sie dachte. Und in den letzten Tagen hatte ich erschreckend oft an sie gedacht.

Von den Tagträumen ganz zu schweigen. Ich hatte mir dabei öfter einen runtergeholt, als gesund sein konnte, und hoffte wirklich, dass das mit dem Blindwerden nichts als ein Ammenmärchen war. Denn ansonsten würde ich mich bald von meinem Sehvermögen verabschieden müssen.

»Es ist gar nichts«, wiegelte ich ab. »Ich hatte nur eine harte Woche bei der Arbeit.«

Cooper kniff die Augen zusammen. Er kaufte mir das nicht ab. »Bei der Arbeit? Du bist doch sonst nie wegen deines Jobs gestresst.«

»Woher willst du das wissen? Meist lasse ich den Stress einfach in der Werkstatt zurück.«

»Was immer dich im Moment stresst, ist auf jeden Fall immer da. Für mich sieht es so aus, als würdest du mit deiner eigenen Regenwolke über dem Kopf herumlaufen, und das macht mich fertig.«

Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. »Dich macht rein gar nichts fertig.«

»Das stimmt doch gar nicht. Sehr viele Dinge machen mich fertig. Ich kann dir aus dem Stegreif wenigstens fünf nennen.« Er fing an, sie an den Fingern abzuzählen. »Schlimme Nachrichtenmeldungen, vor allem, wenn es um Kinder oder Welpen geht. Fiese Kater nach durchzechter Nacht. Alles, was Zoe traurig macht. Dürreperioden. Und wenn du so vor dich hinbrütest. All das macht mich fertig.«

»Du kannst mich doch nicht für deinen Geisteszustand verantwortlich machen. Wenn ich dich fertig mache, dann geh halt woanders hin.«

»Siehst du? Genau das meine ich. Du frisst alles in dich rein, und es wird so lange von innen heraus an dir nagen, bis du darüber redest. Soll ich Zoe anrufen? Willst du die Sache mal aus der Perspektive einer Frau betrachten?«

Ich überlegte kurz, denn der Vorschlag klang schon verlockend. Zoe konnte mir vielleicht helfen, einen Ausweg zu finden, und sie würde mir vermutlich nicht sofort den Kopf abreißen. Aber wenn sie auch nur ein Wort darüber verlor, dass ich heiße Träume hatte, in denen Nesthäkchen Brynn Miles die Hauptrolle spielte, und sei es auch nur versehentlich, wäre ich geliefert. Roland würde es Cooper erzählen, und Cooper würde mich umbringen.

»Nein, ich muss die Sache auch nicht aus der Perspektive einer Frau betrachten. Soll ich dir sagen, was ich mir wünsche: Dass du endlich die Klappe hältst und mich damit in Ruhe lässt.«

»Ist ja schon gut. Ich wollte doch nur helfen. Arschloch.«

Gut, er beleidigte mich. Dann fing er bestimmt gleich an zu schmollen, was wiederum bedeutete, dass er fünf bis zehn Minuten lang die Klappe halten würde.

»Ich geh mir noch ein Bier holen. Willst du auch eins?«

Er griff nach seiner Bierflasche und spähte hinein, nur um festzustellen, dass sie leer war. »Ja.«

Ich ging zur Bar und bestellte zwei Bier. Cooper blieb am Billardtisch stehen und spielte weiter. Er musste die Kugel verfehlt haben, da er sich mein Queue schnappte und für mich einen Stoß machte.

Als ich mit zwei eiskalten Bierflaschen in der Hand zurückkehrte, grinste mich Cooper breit an.

Ich drückte ihm sein Bier in die Hand. »Was ist?«

»Ich bin so ein Idiot. Ich weiß genau, was dir fehlt, und verstehe gar nicht, wieso mir das nicht schon eher aufgefallen ist. Dabei ist es so offensichtlich. Und so leicht zu beheben.«

Ich lehnte mich an den Tisch, trank einen Schluck und wartete darauf, dass er mir seine Erkenntnis offenbarte.

»Du brauchst mal wieder Sex.«

Fast hätte ich mein Bier wieder ausgespuckt. Ich erholte mich zwar schnell von meinem Schreck, musste aber trotzdem husten.

»Gut, dass wir heute Abend hergekommen sind«, fuhr Cooper fort. »Hier wimmelt es nur so von scharfen Bräuten. Ich habe allein in den letzten zehn Minuten sechs gesehen, die etwas mehr Cooper in ihrem Leben gebrauchen könnten. Welche hast du im Auge? Lass uns loslegen.«

Verdammt. Frauen aufzureißen war Coops und mein Standardzeitvertreib. Üblicherweise amüsierten wir uns dabei prächtig. Wir hatten ein System, und solange wir uns an die Regeln hielten, klappte alles wunderbar. Im Normalfall hätte er recht gehabt. Sex war ein gutes Mittel gegen schlechte Laune.

Ich sah mich in der Bar um und musterte die Singlefrauen. Es war leicht, sie zu erkennen. Frauen, die regelmäßig Sex hatten, schienen von einer gewissen Aura umgeben zu sein – und sie wirkten abweisend. Coop und ich konnten ihren Kerl schon fast an ihnen riechen. Singlefrauen strahlten hingegen ihre Verfügbarkeit aus. Und er hatte recht, an diesem Abend liefen hier wirklich viele von ihnen rum.

Doch bei der Vorstellung, eine von ihnen mit nach Hause zu nehmen, drehte sich mir der Magen um. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Ich begriff überhaupt nicht, was mit mir los war. Die Kleine da drüben in dem roten Top und den engen Jeans? Wirklich heiß, und ich hätte eine ganze Menge darauf verwettet, dass sie Single und auf der Suche war. Ich musste Coop nur sagen, dass ich sie ins Auge gefasst hatte, schon standen die Chancen gut, dass sie noch diese Nacht mit mir im Bett landen würde.

»Kannst du dich nicht entscheiden?«, fragte Cooper. »Das geht mir nicht anders. Ich habe gleich drei Kandidatinnen im Auge. Und jetzt, wo sie den Dad-Test bestehen müssen, ist das Ganze gleich noch viel schwerer.«

Seine Worte entlockten mir ein Schmunzeln. Seitdem Cooper wusste, dass sein Dad eine andere Familie vor ihnen versteckt hatte – zu der auch eine Halbschwester gehörte, die er angebaggert hatte, als er noch nicht wusste, wer sie war –, trieb ihn der Gedanke, er könnte versehentlich mit einer Frau schlafen, die mit ihm verwandt war, fast in den Wahnsinn. Jetzt fragte er jede Frau, die er kennenlernte, zuerst, ob sie ihren Vater kannte und wie er hieß. Das Seltsame daran war, dass er auf diese Weise das Eis meist schnell brach. Allerdings konnte Cooper sowieso so gut wie jede Frau für sich gewinnen.

Ich trank noch einen Schluck Bier. »Irgendwie ist mir heute nicht danach.«

»Soll das ein Witz sein? Das kaufe ich dir nicht ab. Ich wette, du stehst auf …« Er rieb sich das Kinn und ließ den Blick durch die Bar schweifen. »Die da. Blond. Rotes Top. Knallenge Jeans.«