Forever next to you - Eric & Joyce - Amy Baxter - E-Book
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Forever next to you - Eric & Joyce E-Book

Amy Baxter

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Beschreibung

Eine Nacht ist nicht genug.

Es war nur ein One-Night-Stand. Noch nicht mal: eine schnelle Nummer nach einem Konzert. Zugegeben, die unvergesslichste Nummer ihres Lebens. Nie hätte Joyce gedacht, dass sie ihn so bald wiedersieht. Eric. Ausgerechnet bei ihrem neuen Auftraggeber. Denn Eric ist Tätowierer, genau wie Jake, in dessen neuem Studio in San Francisco sie zwei riesige Wandbilder malen soll. Und als wäre die Situation nicht unangenehm genug, lässt Eric keine Möglichkeit unversucht, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen...

Die Liebesgeschichte von Eric und Joyce ist Teil der San-Francisco-Ink-Reihe, deren Romane jeweils unabhängig voneinander gelesen werden können. Wenn ihr wissen wollt, was genau in der besagten Nacht zwischen Eric und Joyce passiert: In »Simply with you« wird die erste, folgenschwere Begegnung der beiden erzählt. EBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 348

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Inhalt

Cover

Der Roman

Die Autorin

Titel

Impressum

Thema

Playlist von Eric & Joyce

Joyce

Eric

Joyce

Eric

Joyce

Joyce

Joyce

Eric

Joyce

Eric

Joyce

Eric

Joyce

Joyce

Eric

Joyce

Joyce

Eric

Joyce

Eric

Joyce

Joyce

Joyce

Eric

Joyce

Eric

Joyce

Eric

Joyce

Joyce

Eric

Joyce

Joyce

Eric

Eric

Joyce

Joyce

Epilog – drei Monate später

Dank

Der Roman

Es war nur ein One-Night-Stand. Noch nicht mal: eine schnelle Nummer nach einem Konzert. Zugegeben, die unvergesslichste Nummer ihres Lebens. Nie hätte Joyce gedacht, dass sie ihn so bald wiedersieht. Eric. Ausgerechnet bei ihrem neuen Auftraggeber. Denn Eric ist Tätowierer, genau wie Jake, in dessen neuem Studio in San Francisco sie zwei riesige Wandbilder malen soll. Und als wäre die Situation nicht unangenehm genug, lässt Eric keine Möglichkeit unversucht, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen …

Die Autorin

Amy Baxter ist das Pseudonym der erfolgreichen Liebesroman- und Fantasyautorin Andrea Bielfeldt. Mit einer Fantasy-Saga begann sie 2012 ihre Karriere als Selfpublisherin und hat sich, dank ihres Erfolgs, mittlerweile ganz dem Schreiben gewidmet. Zusammen mit ihrer Familie lebt und arbeitet sie in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein.

Weitere Infos findest du unter http://amybaxter.de/, http://andrea-bielfeldt.de/ und über Facebook.

Amy Baxter

Forever next to you

ERIC & JOYCE

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Clarissa Czöppan

Lektorat: Eileen Sprenger

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Varvara Zinchenko

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-4470-7

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

I’m holding onWhy is everything so heavyHolding onSo much more than I can carryI keep dragging around what’s bringing me downIf I just let go, I’d be set freeHolding on

Linkin Park – Heavy

Playlist von Eric & Joyce

Heavy – Linkin Park

Crawling – Linkin Park

Scars To Your Beautiful – Alessia Care

Boulevard Of Broken Dreams – Green Day

Mr. Jones – Counting Crows

The Kill – Thirty Seconds To Mars

Best Of You – Foo Fighters

The Greatest – Sia

Say You Won’t Let Go – James Arthur

Way Down We Go – Kaleo

Behind Blue Eyes – Limp Bizkit

My Immortal – Evanescence

Die Playlist von Eric & Joyce findest du auch auf YouTube:https://www.youtube.com/playlist?list=PLp0AExZP6bVE3VXU7cN4jC5JbaRuxRAtD

Sowohl der Song Freed myself als auch die Band Obsidian sind von der Autorin frei erfunden und somit nicht in der Playlist enthalten.

Joyce

»Wirklich gut. Das gefällt mir.«

Jake hatte sich neben mich gestellt und begutachtete meine Arbeit. Die dunklen Haare fielen ihm leicht in die Stirn, während er den Kopf über meine Mappe beugte und jede Zeichnung mit kritischem Auge betrachtete. Die vielen Tattoos an seinen Armen ließen erahnen, mit welcher Leidenschaft er seinem Job nachging.

»Danke, dass du dir so kurzfristig Zeit genommen hast«, sagte er, ohne den Blick von den Blättern abzuwenden.

»Passt gerade gut«, erwiderte ich.

Vor einigen Monaten hatte er mich in L.A. auf meine Arbeit an der Außenwand einer Bar – dem Hot Chocolate – angesprochen und mir daraufhin einen Job angeboten. Jake baute sich in San Francisco gerade ein eigenes Tattoo-Studio auf und suchte jemanden, der ihm eine Wand im Laden sowie die Außenfassade seines Ladens gestaltete. Zuerst war ich skeptisch gewesen, als dieser tätowierte Kerl mich angesprochen hatte. Ich ließ mich nicht von jedem anquatschen, aber irgendwie war mir seine Art dann doch sympathisch gewesen. Und nachdem der Besitzer des Hot Chocolate sich für ihn verbürgt hatte, hatte ich ernsthaft drüber nachgedacht. Denn tatsächlich kam sein Angebot zur rechten Zeit.

Seit Monaten wurden die Jobs immer rarer, es wurde schwierig, sich über Wasser zu halten. Die Streetart-Künstler schossen in L.A. wie Pilze aus dem Boden, und viele von ihnen unterboten meine Preise. Das war hart, aber ich sah es auch nicht ein, meine Arbeit unter Wert zu verkaufen. Schließlich waren die Werke, die ich auf Kundenwunsch anfertigte, Einzelstücke, über denen ich im Vorfeld meist tagelang brütete. Ich machte für jeden Auftrag mehrere Entwürfe, beschäftigte mich intensiv mit den Vorstellungen des Auftraggebers, damit das fertige Ergebnis auch zu der Philosophie der Firma oder dem Menschen passte, der es bestellt hatte. Ganz zu schweigen von der eigentlichen Fertigstellung, die je nach Auftrag Tage oder auch mal Wochen in Anspruch nahm. Ich suchte je nach Größe des Bildes Farben aus und bestimmte die Mengen. Meist malte ich auf Wänden, sodass ich vorher für einen glatten Untergrund sorgen musste, bevor ich überhaupt mit der eigentlichen Arbeit anfangen konnte.

Von meinen Einnahmen konnte ich gerade so die Miete für das kleine Einzimmerapartment bezahlen, das ich zur Zwischenmiete bewohnt und das auch schon mal bessere Tage gesehen hatte. Aber es hatte seinen Zweck für die wenigen Wochen, die ich dort verbracht hatte, erfüllt. Es war immerhin bezahlbar gewesen, und ich hatte ein Dach über dem Kopf gehabt. So hatte ich mir tagelang dieselbe Frage gestellt: Was hielt mich in L.A. noch? Zudem zahlte Jake gut, und das hatte letztlich den Ausschlag gegeben. Ich brauchte das Geld. Heute Morgen war ich in San Francisco angekommen. Ob ich nach meinem Auftrag hier wieder zurück nach L.A. gehen würde oder in eine andere Stadt, wusste ich im Moment noch nicht. Je nachdem, was sich ergeben und wo es mich hinverschlagen würde. Ich war flexibel.

Jetzt stand ich in seinem Laden, der noch mehr nach Möbellager aussah als nach Tattoo-Shop. Es roch nach Holz und Leim, einzelne Schrankteile lehnten scheinbar nach einem System geordnet an der einen Wand, Tüten voller Müll und Folie häuften sich an der anderen. Ungefähr ein Dutzend Pappkartons stapelten sich vor dem Tresen, und auf der Theke lagen etliche Bilderrahmen aufeinander, die vermutlich alle noch an die Wände angebracht werden sollten. Und inmitten dieses Chaos breitete ich die Skizzen aus meiner abgegriffenen Ledermappe auf dem Tisch aus.

Wir hatten schon per Telefon seine Vorstellungen besprochen, und ich war mit einem Haufen Vorschläge im Gepäck zu meinem neuen Arbeitgeber geflogen. Er hatte das Flugticket bezahlt und kam auch für die Unterkunft auf. Es war zwar nur ein günstiges Hostel hier um die Ecke, hielt mir aber finanzielle Schwierigkeiten vom Leib.

Offenbar gefielen Jake meine Entwürfe, und darüber war ich mehr als erleichtert.

»Man kann hier und da noch was ändern«, erklärte ich ihm und zupfte unsicher an meinem roten Top herum, als er sich immer wieder mit einem Stirnrunzeln einer bestimmten Zeichnung zuwandte. Sie zeigte eine Tätowiermaschine, im Hintergrund Friscos Skyline – mein persönlicher Favorit.

»Nein, das ist gut.« Jake nahm das Blatt mit Bedacht in die Hand und studierte die mit Kohle gezogenen Linien eindringlich. Mit Aquarellfarben hatte ich darin in verschiedenen Grüntönen ein paar Highlights gesetzt. »Der Stil passt gut in den Shop.«

»Danke.« Ich hatte schnell erfasst, dass ich von Jake nicht mehr Euphorie erwarten konnte. Ich erlaubte mir, erleichtert durchzuatmen.

»Sag mir, was ich besorgen soll. Ach Quatsch. Kauf du es, und gib mir die Quittung. Wann fängst du an?« Mit leuchtenden Augen sah er mich an. Er glich in diesem Moment eher einem kleinen Schuljungen als einem einschüchternden Tattoo-Künstler.

Ich schmunzelte. »Sofort. Zeig mir einen guten Laden für Malerbedarf, und ich lege los. Wann ist die Eröffnung noch mal?«

»In genau einundzwanzig Tagen.«

»Wow …«

»Ich weiß, das ist eng. Wenn die Fassade bis dahin nicht fertig wird, ist es nicht schlimm. Aber die Wand hier drin will ich zur Eröffnung präsentieren«, machte er mir unmissverständlich klar.

Ich nickte nachdenklich. Einundzwanzig Tage. Gerade mal drei Wochen. Das war verdammt knapp für zwei Projekte dieser Größenordnung. Aber ich liebte Herausforderungen. »Okay. Ich werde mit der Innenwand anfangen, die krieg ich in der Zeit auf jeden Fall hin.«

»Gut.« Jake schien zufrieden.

Ich machte eine grobe Liste mit den Dingen, die ich für meine Arbeit brauchen würde, und Jake drückte mir ein Bündel Geldscheine in die Hand. Dann zeigte er entschuldigend auf die Müllsäcke. »Ich räume dir die Seite hier gleich frei, damit du Platz hast. Heute Abend kommt noch ein neuer Tätowierer an. Übrigens auch aus L.A.«

»Oh, echt? Cool. Kennt man ihn?« Ich kannte nicht viele Leute in L.A. Zwar hatte ich mich entgegen meiner Gewohnheiten eine ganze Weile in der Stadt aufgehalten, aber außer zu Kunden hatte ich dort kaum Kontakte gepflegt. Ich ging selten aus. Das wenige Geld, das mir übrig blieb, investierte ich lieber in Farben, Blöcke oder Klamotten aus dem Secondhandshop. Oder in Tattoos. Drei hatte ich mir mittlerweile stechen lassen, und sobald ich genügend Geld zusammengespart hatte, würde ein weiteres dazukommen. Vielleicht sogar hier, im Skinneedles, Jakes Shop.

»Er hat an dem Abend, als wir uns kennengelernt haben, ein kleines Konzert im Hot Chocolate gegeben, falls du dich erinnerst«, half Jake mir auf die Sprünge.

Wie in Slow Motion erreichten mich seine Worte und versetzten mich augenblicklich in Schockstarre. Mir lief es heiß den Rücken hinunter, und ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Mein Herz hämmerte los und pumpte das Blut so rasend schnell durch meine Adern, dass es laut in meinen Ohren rauschte. Sofort hatte ich wieder die Stimme der Barkeeperin im Kopf: Er scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben. Ich sah seine nackte Haut mit den unzähligen Tattoos vor mir und hatte direkt wieder seinen Geruch in der Nase. Roch es hier nicht gerade nach Zitrone? Shit!

»Du meinst … Eric?« Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, ich räusperte mich.

»Genau der.« Jake nickte und begann, die Säcke von der Wand wegzuräumen und sie an der anderen Wand zu einem Haufen aufzutürmen. Eric. Der Eric.

So. Ein. Mist!

Eric hatte mir die unvergesslichste Nacht meines bisherigen Lebens beschert.

Wir hatten miteinander geschlafen, es war bisher der erste und einzige One-Night-Stand für mich gewesen. Nie würde ich vergessen, wie sich seine Hände auf meinem Körper angefühlt hatten. Fordernd und doch sanft zugleich. Er konnte küssen … hmmm … und hatte mich mehr als einmal in dieser Nacht zum Höhepunkt gebracht. Ich hatte bis heute keine Ahnung, warum ich mich überhaupt darauf eingelassen hatte, aber – auch im Nachhinein – ich bereute es nicht. Denn er hatte mir gezeigt, dass Sex und Gefühle nicht zwangsläufig zusammengehörten, sondern man auch so eine Menge Spaß dabei haben konnte. Allein bei der Erinnerung daran, welchen Spaß wir miteinander gehabt hatten, schoss mir die Hitze ins Gesicht. Bevor ich meine Mimik wieder unter Kontrolle gebracht hatte, drehte Jake sich zu mir um und nahm mich eingehend unter die Lupe.

»Gibt es ein Problem?« Meine Wangen glühten heftig. Ich war eine lausige Schauspielerin. Aber es fiel mir verdammt schwer, die Überraschung zu verbergen, die wie Stromschläge durch meinen Körper schoss. Wie sollte ich Eric nur in die Augen sehen nach dem, was wir miteinander angestellt hatten? Wie sollte ich mich ihm gegenüber bloß verhalten nach der Nacht? Shit, Shit, Shit! Ich hatte doch keine Ahnung, wie man danach miteinander umging!

»Was? Nein! Nein, alles im grünen Bereich. Im wahrsten Sinne …«, stammelte ich und zeigte verlegen auf die Zeichnung vor mir, von der mich das Grün schadenfroh anzugrinsen schien.

Noch ein kurzer skeptischer Blick, dann ein Nicken. »Gut.«

Ich durfte mich durch Erics Anwesenheit nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ich hatte hier einen Job zu machen. Und ich konnte nicht zulassen, dass mich irgendwas davon ablenkte. Schon gar nicht Eric. Eric war fantastisch im Bett, keine Frage. Er hatte einen unglaublich natürlichen Charme, mit dem er portionsweise um sich warf. Sein entwaffnendes Lächeln wickelte jeden um den Finger – egal ob Mann oder Frau. Sein Körperbau war … hm … ich leckte mir noch jetzt alle zehn Finger danach. Aber es war nur ein One-Night-Stand gewesen. Ein guter, mehr aber auch nicht. Ich würde mich wie eine Erwachsene benehmen und die Situation so abgeklärt wie möglich regeln.

Ja, ich liebte Herausforderungen. Nur leider wusste ich absolut nicht, wie ich mit dieser umgehen sollte.

Eric

Ich riss die Wagentür auf, sog die frische Luft ein und stolperte ins Freie. Der Fahrer des Taxis hatte die Heizung auf volle Pulle laufen lassen, und ich war froh, als er endlich hielt.

Während er mir meinen Seesack aus dem Kofferraum holte, zückte ich mein Portemonnaie und warf einen Blick auf das Haus, das für die nächste Zeit mein Arbeitsplatz sein sollte.

Die Sonne war längst untergegangen, doch die Straßenbeleuchtung ermöglichte mir einen ersten Eindruck. Ich blieb stehen und besah mir die Front. Inmitten der bunt gestrichenen Fassaden des Hippie-Viertels wirkte die graue Mauer ziemlich trist.

Über dem Eingang hing ein Schild mit dem Logo des Shops. »Skinneedles« prangte in großen schwarzen Lettern auf einem grünen Hintergrund, beleuchtet von drei Strahlern. Rechts und links neben der Tür befanden sich fast bodentiefe Fenster, die zur Hälfte mit einer milchigen Folie beklebt waren. Ich trat näher und warf einen Blick durch die regennasse Scheibe.

Jake stand hinter einem imposanten Tresen vor einer schwarzen Wand, auf der metallene Lettern mit dem Namen des Shops angebracht waren, und kramte in irgendeiner Kiste herum. Folie, Möbel und Kartons voller Krimskrams füllten den vorderen Bereich aus. Ich sah schon – an Arbeit mangelte es hier nicht.

Eine Bewegung an der rechten Seite des Studios lenkte mich ab. Ich kniff die Augen zusammen, trat noch einen Schritt näher und fixierte das Mädchen, das mit dem Rücken zu mir an der Wand stand. Sie hob gerade ihre Arme und streckte sich, als hätte sie stundenlang in einer Position verharrt. Ihr Blick war auf die leere Wand gerichtet. In der Hand hielt sie einen Stift, als wollte sie den glatten Beton als Schreibunterlage benutzen, und – heilige Scheiße!

Die langen schwarzen Haare, im Nacken zu einem unordentlichen Knoten gebunden, der zierliche Körper, der mal etwas mehr Sonne vertragen könnte – das alles kam mir bekannt vor. Meine Augen blieben an dem Stück Haut hängen, welches entblößt wurde, als das enge Top über den Bund ihrer engen Jeans nach oben rutschte, während sie den Kopf etwas neigte, die Hand hob und ein paar Striche auf die Wand brachte.

Mein Blick schweifte höher, fiel auf das Tattoo auf ihrem Schulterblatt: ein blau-lila Farbklecks, mit Stiften und kleinen Herzen drum herum. Feminin und doch abstrakt. Und absolut passend. Als wir uns vor ein paar Monaten begegnet waren, war das Bild noch leicht gerötet gewesen. Sie hatte es sich erst kurz vorher stechen lassen. Jetzt saß es perfekt auf ihrer schmalen Schulter.

Kein Zweifel. Sie war es.

Joyce.

Schneewittchen.

Was zum Teufel machte sie hier in San Francisco?

Ich neigte den Kopf zur Seite, ihr Anblick katapultierte mich augenblicklich in unsere gemeinsam verbrachte Nacht zurück. Ich sah mich mit meinen Fingern über ihre Tattoos fahren, ihr die Haarsträhnen aus dem schlanken Nacken streichen und mit der anderen Hand über ihren knackigen Hintern streicheln. Spürte ihre Fingernägel in meiner Haut, ihre weichen Lippen auf meinem Körper und hörte ihr verhaltenes Stöhnen, das uns die halbe Nacht begleitet hatte. Und in der Morgendämmerung, als sie tief und fest schlafend in meinem Arm gelegen hatte, war ich abgehauen. Wenn es etwas gab, das ich verabscheute, war es, am nächsten Morgen neben einem One-Night-Stand aufzuwachen und Small Talk halten zu müssen oder womöglich gemeinsam zu frühstücken. Ich hätte nicht gedacht, sie jemals wiederzusehen.

Mit gemischten Gefühlen schulterte ich meinen Seesack und öffnete die Tür. Laute Rockmusik empfing mich. Linkin Park. Crawling. Ein Stück, das ich mit meiner alten Band in L.A. bei Auftritten gerne gecovert hatte. Ich sang den Text in Gedanken mit: Crawling in my skin, these wounds they will not heal, fear is how I fall, confusing what is real.

Ein gutes Gefühl zu wissen, dass man hier die gleiche Musik hörte. Das hatte irgendwie was von »nach Hause kommen«.

Keiner der beiden bemerkte mein Eintreten, und das gab mir Zeit, Joyce aus der Nähe zu betrachten. Sie drehte mir immer noch den Rücken zu, schien vertieft in ihre Arbeit. Ich versuchte, die mit Bleistift grob skizzierten Formen an der Wand zu einem Bild zusammenzusetzen. Eine Stadtlandschaft – so viel erkannte ich schon mal.

Deswegen ist sie hier, klar. Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass Jake sie für seinen Laden engagiert hatte. Ich hatte selten so präzise, scheinbar dreidimensionale Fassadenmalerei gesehen wie ihre Arbeit für das Hot Chocolate. Dort musste Jake ihr begegnet sein.

Ich atmete ein, roch Farbe und … Erdbeeren … Fast unmerklich zuckte sie zusammen, ihre Schultern hoben und senkten sich wie in Zeitlupe, so als würde sie einmal tief durchatmen. Ich ließ meine Augen an ihrer schmalen Taille runterwandern und löste meinen Blick nur widerwillig von ihrem Hintern, als sie sich im selben Moment zu mir umdrehte.

Sie trug eine große schwarze Brille, Modell Nerd, durch deren Gläser ihre grünen, mit dunklem Kajal geschminkten Augen riesig erschienen und leuchteten. Ihre Wangen waren gerötet, ob von der Wärme im Laden oder weil sie ebenfalls nicht mit mir gerechnet hatte, konnte ich nicht sagen. Ein verschüchtertes Lächeln umspielte ihren hübschen Mund, bevor sie ihn öffnete. Doch ich kam ihr zuvor.

»Hallo, Schneewittchen …«, sagte ich, wobei meine Worte in Chester Benningtons kräftigem Gesang untergingen.

»Eric!« Die Musik verstummte schlagartig. Jake kam um den Tresen herum auf mich zu, hielt mir seine Hand hin. »Willkommen im Skinneedles«, begrüßte er mich. Ich schlug ein, erleichtert, dankbar für die Ablenkung.

»Hey, Jake.«

»Hast du gut hergefunden?«

»Ja, der Taxifahrer war auf Zack. Danke für die Einladung, ich bin froh, hier zu sein. Gute Musik übrigens.«

»Ich weiß.« Er grinste, schlug mir auf die Schulter und drehte mich herum. »Das ist Joyce. Aber ich glaube, ihr kennt euch schon, oder?«

Woher wusste er das? Hatte sie getratscht? Sie hatte ihrem Chef doch wohl nichts von uns erzählt? Forschend sah ich sie an. Sie biss sich auf die Lippe, ihre Finger umklammerten den Stift, und sie starrte auf ihre Chucks, bevor sie den Blick wieder hob und mich mit einem nervösen Lächeln ansah.

Ich runzelte die Stirn, war plötzlich leicht genervt, sie hier anzutreffen. Hoffentlich glaubte sie nicht, wir könnten die Nacht wiederholen, nur weil wir zufällig in der gleichen Stadt, im gleichen Studio waren. »Ja, wir kennen uns tatsächlich«, gab ich verhalten zurück. Joyce zappelte unruhig auf der Stelle.

»Ja, aus dem Hot Chocolate, genau. Hey, Eric. Schön … dich zu sehen.« Mit fahrigen Fingern setzte sie ihre Brille ab und wischte mit dem Zipfel ihres Tops die Gläser sauber.

»So klein ist die Welt. Ich wusste nicht, dass du auch …«

»Ja, ich auch nicht. Also, dass du … Witzig. Irgendwie.« Sie vermied es, mir in die Augen zu sehen, und schien eher nervös statt erfreut zu sein, mich zu sehen.

»Ja, sehr. Aber nett …« Ich verkniff mir einen weiteren Spruch, als ihr Blick hochschnellte und sie ihre Lippen verzog, um erneut darauf herumzuknabbern. Ich grinste sie an, sie sah eilig wieder runter auf ihre Brille. Sie würde wohl doch keine Klette sein? Vermutlich war sie einfach nur ungeübt in solchen Begegnungen. Sie hatte ja damals erwähnt, dass sie nicht viel Erfahrung mit Männern hatte. Ihre Verlegenheit war irgendwie niedlich. So was war ich nicht gewohnt. Die meisten Frauen, mit denen ich zusammen gewesen war, waren ziemlich abgebrüht.

»Komm, ich zeig dir alles«, unterbrach Jake unser stummes Duell. Joyce wandte sich nach einem kurzen Nicken mit zusammengepressten Lippen wieder ihrer Arbeit zu.

Jake dirigierte mich durch den vollgestopften Eingangsbereich. Die Wand hinter dem Tresen ließ rechts und links jeweils einen kleinen Durchgang in den hinteren Bereich, der von vorne aus nicht einsehbar war. Die Arbeitsplätze – fünf an der Zahl – wurden durch halbhohe Wände voneinander getrennt, die mir fast bis zur Schulter reichten. Sie bildeten einzelne Nischen, in denen die Tätowierer in Ruhe arbeiten konnten, ohne auf dem Präsentierteller zu sitzen. Die Regale, Tische, Liegen und Stühle warteten noch darauf, zusammengebaut zu werden.

Am Ende des Raums befanden sich drei Türen. Links ging es in ein kleines Bad, rechts in eine Teeküche und von dort aus weiter in Jakes Büro. Und die Glastür daneben führte offenbar direkt nach draußen.

In dem kleinen Büro stapelten sich Ordner und Papierkram in den Regalen an der einen Wand, während der Schreibtisch die andere Seite ausfüllte. Am Ende gab es ebenfalls eine Tür nach draußen. Was dahinter lag, konnte ich nicht erkennen, dafür war es schon zu dunkel.

»Ich bin froh, dass du da bist«, sagte er, als er sich hinter seinen Schreibtisch setzte.

Ich pflanzte mich ihm gegenüber auf den Stuhl. »Ich auch. Endlich mal andere Luft schnuppern.« Ich hatte meine Zelte in L.A. zwei Wochen früher als geplant abgebrochen. Ein Freund war ohnehin gerade auf Wohnungssuche gewesen und hatte mich wegen meines Apartments angequatscht. Also hatte ich nach Absprache mit Jake entschieden, vorzeitig nach San Francisco zu kommen. Nun war mein geliebter alter Van verkauft und über die Möbel freute sich der Nachmieter. Meine Jungs hatten eine kleine Abschiedsparty für mich organisiert, und danach hatte ich mich in den Flieger gesetzt. Im Gepäck war nur das Nötigste.

»Wie war dein Flug?«

»Gut. In L.A. gab es Startverzögerung, aber das hat der Rückenwind wieder wettgemacht.«

»Und wie geht’s Hank?«

»Er lässt dich grüßen.«

»Ich hoffe, er verzeiht mir irgendwann, dass ich dich abgeworben habe«, sagte er mit einem leichten Schmunzeln.

»Er wollte mich doch sowieso loswerden.« Ich grinste schief. Hank war mein ehemaliger Boss in dem Tattoo-Studio, in dem ich bisher gearbeitet hatte. Er hatte mir den Kontakt zu Jake verschafft.

»Gut für mich. Ich hoffe, du bereust es nicht, hierhergekommen zu sein?«

»Auf keinen Fall! Es wird Zeit für etwas Neues. Aber ich hab mich bisher nie aufraffen können.« Ich hatte meine ersten Jahre als Tätowierer bei Hank verbracht, viel gelernt und einiges an Erfahrung mitgenommen. Langsam aber wurde es Zeit, mich weiterzuentwickeln. Und San Francisco kam mir ganz gelegen. Dazu kam, dass meine Mom seit einigen Jahren in einem Vorort der Stadt lebte, so war es einfacher, den Kontakt zu halten.

Jake besah mich mit ernstem Blick. »Kenn ich nur zu gut«, sagte er nach einer Weile. Ich sagte nichts. Was auch.

»Brauchst du ein Auto?«, fragte er. Ich verneinte. Ich war mir sicher, in dieser Stadt keinen motorisierten Untersatz zu benötigen. Vielleicht hatte Joyce ihr Fahrrad dabei? Ich verkniff mir das Grinsen, als sich das Bild unserer gemeinsamen Nacht vor meine Augen schob.

»Wenn du sonst was brauchst, meld dich einfach bei mir.«

»Klar. Danke.«

Jake nickte. »Bis zur Eröffnung in drei Wochen haben wir noch ein paar Dinge zu tun«, teilte er mir mit.

Ich warf einen Blick durch die offene Tür in die Räume, die für die nächste Zeit mein Arbeitsplatz sein sollten. »Nicht zu übersehen. Wie genau kann ich dir dabei helfen?«

Jake lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Zuerst müssen wir uns um die Möbel kümmern, alles zusammenbauen. Dann kommen die Regale an die Wände, für die Deko …« Er versah das Wort mit Gänsefüßchen in der Luft. »Carrie – meine Freundin – besteht drauf«, schmunzelte er. Ich ebenfalls. »Sobald die Ware kommt, die sie bestellt hat, geht es ans Einräumen, das kann aber noch ein, zwei Wochen dauern. In der Zeit wollen wir dem Innenhof eine Verjüngungskur verpassen. Außerdem müssen die Fenster noch mit dem Logo versehen werden, der Getränkeautomat wird noch geliefert – ich hoffe rechtzeitig –, und die Sofas für den Wartebereich sollen nächste Woche hier eintreffen. Alles in allem ist das locker zu schaffen, wir haben keinen Druck, solange alles läuft wie geplant. Du hast also genügend Zeit, dich hier in Ruhe zurechtzufinden, bevor dein eigentlicher Job losgeht.«

Das hörte sich gut an. »Klar. Ich freu mich drauf!«

»Wir starten morgen um zehn mit den ersten Möbeln, den Schränken und Tischen für die Arbeitsplätze. Im Hostel ist das Zimmer auf deinen Namen gebucht. Die Rechnung geht an mich. Ach, hier … ist die Wegbeschreibung. Ist nicht weit von hier. Hast du sonst noch Fragen?« Er reichte mir ein Infoblatt der Unterkunft.

»Erst mal nicht.« Ich würde einfach alles auf mich zukommen lassen.

»Okay.« Jake stand auf und hielt mir die Hand hin. Ich erhob mich ebenfalls und schlug ein. Sein Händedruck war fest.

»Willkommen im Team, Eric.«

Es fühlte sich gut an. Und richtig. Ich packte meinen Seesack und folgte Jake.

»Joyce und du, ihr seid übrigens im gleichen Hostel einquartiert«, meinte Jake, als wir vom Büro zurück in den Shopbereich traten.

Joyces Kopf fuhr hoch. »Im gleichen …?« Sie verstummte abrupt, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, ihre Stupsnase kräuselte sich.

»Ja, ihr könnt gemeinsam fahren, wenn ihr wollt. Ist nicht weit von hier. Joyce, du kannst ruhig Schluss machen für heute«, schlug Jake vor und zog sich wieder in sein Büro zurück.

»Klar. Pack zusammen, ich warte«, bot ich an.

Sie schluckte, und obwohl sie sich offensichtlich unwohl fühlte, straffte sie ihre Schultern. »Musst du nicht«, lehnte sie ab.

»Meine Mutter hat mir gutes Benehmen beigebracht. Frauen nach Hause zu begleiten gehört dazu«, erwiderte ich und beantwortete ihren zweifelnden Blick mit einem Schulterzucken. »Und? Was gibt es bei dir so Neues?«, fragte ich, während ich mich an den Tresen lehnte, um auf sie zu warten. Und um sie zu beobachten. Ich hatte vergessen, wie hübsch sie eigentlich war. Und zwar auf eine natürliche Art und Weise.

Ihre Haare umrahmten ihr blasses Gesicht, ihre Augen blickten zurückhaltend in die Welt, ihre Lippen hatten ein schönes natürliches Rot, wenn auch etwas dunkler als sonst, weil sie ständig ihre Zähne darin vergrub. Sie war entweder nervös oder hatte einen nervigen Tick. Ich hoffte auf Ersteres.

Es gab nichts Aufgesetztes an ihr, das hatte mich damals im Hot Chocolate schon angemacht und fiel mir auch jetzt wieder positiv auf. Als sie mich erneut ansah, zwinkerte ich ihr zu. Sie senkte sofort ihren Kopf und kramte in ihrer Tasche herum.

»Nichts Aufregendes«, gab sie zurück und packte Handy, Kopfhörer und Zeichenmappe in einen Rucksack.

»Wie geht’s Freddy?« Ich hatte ihn seit dem letzten Gig in seiner Bar nicht mehr gesehen. Das war bereits einige Monate her.

»Ich glaube gut.«

»Schön.«

»Ich bin fertig.« Sie griff ihren Rucksack und sah mich an. Kleine Punkte tanzten in ihren Augen hinter der Brille.

»Dann lass uns.« Wir verabschiedeten uns von Jake und verließen das Skinneedles.

Kein Taxi war in Sicht, als wir auf die Straße traten. »Wenigstens regnet es nicht mehr«, murmelte Joyce und zog den Reißverschluss ihrer Lederjacke höher.

»Gehen wir zu Fuß, oder hast du dein Fahrrad dabei?«, fragte ich in Anspielung auf unsere letzte Begegnung. Da waren wir zusammen auf ihrem Mountainbike zu ihr gefahren. Ich auf dem Sattel, sie auf der Stange vor mir. Verdammt, das war heiß gewesen.

»Nein, zu Fuß«, seufzte sie mit einem verlegenen Lächeln und vergrub ihre kleine Nase in dem Kragen ihrer Jacke. Ich zog den Infoflyer vom Hostel aus meiner Jackentasche und versuchte, mich zu orientieren.

»Da geht’s lang«, entschied ich und setzte mich in Bewegung. Mit etwas Abstand marschierte sie neben mir her. Ihr Kopf ging mir gerade mal bis zur Schulter.

»Seit wann bist du schon hier?«

»Heute Morgen«, murmelte sie.

»Und wie lange bleibst du?«

»Bis ich hier fertig bin.«

»Doch so lange?« Ich entlockte ihr damit nur ein lahmes Schmunzeln.

»Wann hast du dir die Haare schneiden lassen?«, fragte sie mich nach einer Weile. Ich grinste innerlich bei der Erinnerung daran, wie sie ihre Finger in meinen langen Haaren vergraben hatte, während sie auf meiner Zunge gekommen war. Mehrfach. Ob sie in dem Moment auch daran dachte? »Vor zwei Wochen oder so.«

»Warum?«

»Neue Stadt, neuer Look. Gefällt’s dir?«

Sie warf mir einen Blick zu, der etwas intensiver war als die vorherigen. »Doch, steht dir.«

»Du siehst auch gut aus. Was hast du so getrieben in den letzten Monaten?«

»Gemalt.«

»Klar. Und sonst so?« In L.A. hatte sie nichts von sich preisgegeben – nicht dass ich zu dem Zeitpunkt mehr von ihr hatte wissen wollen, aber wir waren für die nächste Zeit so was wie Kollegen, und ich wusste immer gern, mit wem ich es zu tun hatte.

»Nichts.«

Ich rieb mir über mein unrasiertes Kinn. »Das ist nicht viel.« Sie schwieg weiterhin und musterte den Weg vor uns so, als würde sie jeden einzelnen Stein akribisch unter die Lupe nehmen. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass die Nacht vor drei Monaten jetzt zwischen uns stand. Das wollte ich unbedingt vermeiden, schließlich waren wir jetzt Kollegen.

»Sag mal …« Ich hielt an und legte meine Hand auf ihre Schulter, um sie ebenfalls zu stoppen. »Kann es sein, dass du ein Problem mit mir hast?«

Sie drehte sich um und sah mich mit ihren großen Augen an. Ihre Brille hatte sie abgesetzt, vermutlich brauchte sie diese nur, während sie arbeitete. »Nein, ich … sollte ich?«, stammelte sie.

»Du weichst mir aus. Hast du ein Problem damit, dass wir miteinander geschlafen haben? Ich hätte erwartet, dass wir beide reif genug sind, um damit umzugehen. Jedenfalls möchte ich nicht, dass die nächsten Wochen, die wir wohl oder übel im Team verbringen müssen, anstrengend werden.«

»Nein! Ich habe kein Problem mit dir. Und auch nicht mit …« Sie winkte ab, schüttelte den Kopf und senkte verschämt den Blick. Im nächsten Augenblick drehte sie sich um und stapfte davon. Ich lief ihr hinterher, ging rückwärts neben ihr, sodass ich sie ansehen konnte.

»Mit was?«, hakte ich nach. Für mich war das Thema noch nicht erledigt, ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich verstanden hatte, worauf ich hinauswollte.

»Ich komm damit klar, dass wir einen One-Night-Stand hatten«, antwortete sie betont locker mit einem kurzen Seitenblick auf mich.

Ich grinste und nickte. »Das erleichtert einiges. Wäre irgendwie blöd, wenn wir uns deswegen jetzt aus dem Wege gehen würden. Ich fand es nämlich nett mit dir.«

Ein erstaunter Blick traf mich. »Nett?«

»Ja.«

Sie schnaubte abfällig, das irritierte mich, aber ich sammelte mich schnell wieder.

»Wie auch immer … Ich hab zwar nicht damit gerechnet, dich hier wiederzusehen, aber ich kann damit locker umgehen.«

»Ich auch«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück.

»Es war ja auch von vornherein klar, dass es eine einmalige Sache war.«

»Aber so was von einmalig«, erwiderte sie mit einem kehligen Lachen.

»Wunderbar. Mir ist es wichtig, dass wir die Zeit, die wir zusammenarbeiten, gut miteinander auskommen und es keine Missverständnisse gibt.«

»Wird es nicht. Schließlich war es ja nett mit uns.« Ihre trockene Art entlockte mir ein Schmunzeln. Sie war verunsichert, aber die Grenzen waren gezogen. Ich konnte nur hoffen, dass sie sie auch einhielt.

Joyce

Völlig gerädert saß ich im Frühstücksraum, die Kopfhörer auf den Ohren, um dem Geräuschpegel von klapperndem Geschirr und Stimmengemurmel zu entfliehen, und darauf konzentriert, dass mir die Marmelade nicht von dem trockenen Brötchen runterrutschte. Die letzte Nacht war die Hölle gewesen.

Mein Zimmer lag direkt neben dem Treppenhaus, und jeder Nachtschwärmer war auf dem Weg in sein Bett anscheinend daran vorbeigetrampelt. Die Wände konnten nur aus Papier sein, so dünn, dass ich jedes Wort verstanden hatte, das auf den Fluren gesprochen wurde. Außerdem war die Matratze so durchgelegen, dass ich mich kurzerhand auf den Fußboden gelegt hatte. Aber auch das hatte die Nacht nicht besser gemacht.

Zudem befand sich Erics Zimmer auf demselben Stockwerk, er hatte also nur wenige Meter von mir entfernt in seinem Bett gelegen. Meine Gedanken waren unaufhaltsam um ihn und unseren Wortwechsel gekreist. Nett. Er hatte es nett gefunden mit mir. Nett ist die kleine Schwester von Scheiße!

Das Fazit: Ich hatte so gut wie gar nicht geschlafen und war absolut übermüdet.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf Alessia Cara, deren Song Scars To Your Beautiful in meinem Ohr dudelte. And you don’t have to change a thing. The world could change it’s heart. Wie passend. Meine Playlist schien die Lieder zielführend aufgrund meiner Stimmung auszuwählen.

Ich seufzte, stopfte mir den letzten Bissen des geschmacklosen Brötchens in den Mund und begann, das Geschirr auf das Tablett zu räumen. Als ich den Kopf hob und aufstehen wollte, zuckte ich zusammen.

Eric stand vor mir, und seine Lippen formten stumme Worte, ich runzelte die Stirn, dann begriff ich. Hastig riss ich mir die Kopfhörer von den Ohren.

»… fertig?«

»Äh, sorry, was?« Ich fummelte mit zitternden Fingern am Handy herum, um die Musik zu stoppen. Dieser Mann machte mich kirre!

Am Vorabend im Tattoo-Shop hatte ich ihn erst nicht gehört, sondern nur den kalten Luftzug auf meiner nackten Haut gespürt und genau gewusst, wer eingetreten war. Und auch wenn es zu meinem Vorteil gewesen war zu wissen, dass er hier aufkreuzen würde, hatte ich ihn nicht genutzt. Ich war fest entschlossen gewesen, ihm nicht zu zeigen, wie sehr mich sein Auftauchen durcheinanderbrachte – aber ich war einfach nicht so cool und hatte keine Erfahrung darin, einem One-Night-Stand gegenüberzustehen.

Sein Aussehen war nicht hilfreich gewesen … In seiner dunklen Jeans und dem engen Shirt unter der Lederjacke hatte er fantastisch ausgesehen. Ich hatte das Gefühl, als wären seine Schultern noch breiter und seine Brust noch muskulöser geworden.

Er hatte sich rasiert, sein Hipsterbart war einem Dreitagebart gewichen, was ihm unverschämt gut stand und ihn noch verwegener aussehen ließ. Mir war zum ersten Mal das Grübchen in seiner rechten Wange aufgefallen. Seine langen Haare waren der Schere zum Opfer gefallen. Er trug sie nun kürzer, und das stand ihm verdammt gut! Nicht dass es mir vorher nicht gefallen hätte, aber so kam viel mehr von seinem wunderschönen Gesicht zur Geltung. Ich hatte Schwierigkeiten gehabt, ihn nicht anzustarren.

Der Blick aus seinen blauen Augen hatte sich in mein Innerstes gebohrt, sein Lächeln meinen Puls rasen lassen und seine Stimme mir einen wohligen Schauer über den Rücken gejagt. Und als ich mich endlich einigermaßen gefangen hatte, musste er natürlich unsere gemeinsame Nacht ansprechen. Als wäre das ganz normal. Ich dachte, man tut einfach so, als wäre nichts passiert. Zumindest war das mein Plan gewesen. Darüber zu sprechen löste bei mir nur unnötiges Kopfkino aus, und mir war nichts anderes eingefallen, als den Abwehrmechanismus zu aktivieren und ihm zu zeigen, dass er mir egal war. Aber das war gelogen. Es gab nur wenige Männer, mit denen ich bisher Sex gehabt hatte, und deswegen war die Nacht mit Eric nichts, was ich so leicht vergessen konnte. Und dieses »wir reden drüber wie zwei Erwachsene« …, damit hatte ich keine Erfahrung. Ich war einfach nicht so abgebrüht wie er.

Eric schmunzelte, als könnte er meine Gedanken lesen. Oh Gott, alles, bloß das nicht! Ich spürte, wie mir die Hitze wieder ins Gesicht schoss. Ein Nachteil von blasser Haut war, dass man jede Emotion sofort bemerkte, wenn man – wie ich – dazu neigte, prompt rot zu werden. Aber nichtsdestotrotz konnte ich nicht aufhören, ihn anzustarren.

Kleine Lachfältchen gruben sich in die gebräunte Haut um seine Augenwinkel, helle Stoppeln bedeckten sein Kinn, die neue Frisur lud fast dazu ein, die einzelnen Strähnen in Ordnung zu bringen. Ich wollte ihm das nur zu gerne abnehmen. Hastig riss ich meinen Blick davon los.

Das karierte Holzfällerhemd hing offen über einem weißen Shirt, das sich eng über seine breite Brust spannte, und seine Beine steckten in einem Paar verblichener Jeans.

Wie kann jemand nur so früh am Morgen so gut aussehen? Im Gegensatz zu mir hatte er weder dunkle Ränder unter den Augen noch Schwierigkeiten damit, den Mund aufzukriegen, sondern zeigte sein sexy Lächeln und entblößte dabei seine weißen Zähne. Er wirkte nicht, als hätte sein Zimmer auch direkt am Treppenaufgang gelegen.

»Ich habe gefragt, ob du gut geschlafen hast und ob du schon fertig bist mit dem Frühstück.«

Ich rieb mir den verspannten Nacken, froh, seinem Blick für eine Sekunde zu entkommen. »Nein. Und ja.«

»Nein, nicht gut geschlafen? Und ja, schon fertig?«

»Punktlandung«, seufzte ich. Ich mutierte spürbar zum Morgenmuffel.

»Autsch. Schlechte Laune?« Seine Augen verdunkelten sich.

»Nein. Ich habe einfach nur hundsmiserabel geschlafen«, gab ich etwas verträglicher zurück. »War echt eine bescheidene Nacht, und der Kaffee hier schmeckt auch nicht.« Ich versuchte mich an einem Lächeln. Ich musste ihm ja nun nicht gleich auf die Nase binden, dass er Mitschuld an meiner schlaflosen Nacht trug. Sein Ego war so schon groß genug.

»Schon okay. Meine Nacht war auch nicht viel besser.« Er unterdrückte ein Gähnen, dann schweifte sein Blick über das dürftige Buffet wenige Meter neben uns: nur noch drei Brötchen, ein paar Scheiben Käse, ein wenig ranziger Aufschnitt und ein paar Tomatenscheiben. Ich wusste schon, warum ich mich für die abgepackte Marmelade entschieden hatte. Er rümpfte die Nase, stützte seine Handflächen vor mir auf den Tisch und beugte sich zu mir vor. Ich hielt die Luft an.

»In der Nähe vom Shop hab ich ein kleines Café gesehen. Was meinst du? Lust auf ein anständiges Frühstück?«

Meine Augenbrauen zuckten nach oben, mein Magen sackte nach unten. Nach dem Sex abhauen, aber jetzt frühstücken wollen? Beruhig dich, Joyce! Ihr habt denselben Weg und seid Kollegen. Er will nur die Laune hochhalten. Nichts weiter.

Ich brauchte dringend einen zweiten Kaffee, die Plörre hier im Hostel war eher kontraproduktiv. Außerdem musste ich mich so schnell wie möglich daran gewöhnen, Eric die nächsten Wochen um mich herum zu haben und mit seiner Anwesenheit klarzukommen, ohne dass mein Herz losraste wie ein Junkie auf Speed. Ich wusste nicht, ob das überhaupt möglich war, aber ich musste es zumindest austesten. Also nickte ich und presste leise die Luft aus meinen Lungen. »Überredet.«

Keine zehn Minuten später schlenderten wir zu dem kleinen Café. Nebel lag über der Stadt, feiner Nieselregen benetzte meine Wangen. Typisches Herbstwetter. Ich zog mir die Kapuze des Hoodies tiefer ins Gesicht und steckte die Hände in die Jackentaschen. Der fehlende Schlaf ließ mich extra frösteln. Seit meiner Ankunft war es diesig und regnerisch, mir fehlte die Sonne. In L.A. war es warm, immer sonnig, und selbst im Winter lief man im T-Shirt und in Shorts herum. Regen gab es so gut wie nie.

»Da vorne ist es«, unterbrach Eric meine Gedanken, und ich hob den Kopf, um seiner ausgestreckten Hand mit meinem Blick zu folgen. »Café of Arts« stand in bläulich schimmernder Neonbeleuchtung über der Tür. Das Café befand sich tatsächlich nur eine Querstraße von Jakes Shop entfernt. Eric hielt mir die schwere Eingangstür auf.

»Danke.« Überrascht von seinen Gentlemanqualitäten warf ich ihm ein Lächeln zu und trat an ihm vorbei in das bereits gut besuchte Café. Ich atmete tief ein, und der Geruch seines Aftershaves drang mir in die Nase. Ein Fehler. Unruhig drehte ich meinen Kopf aus seiner Duftlinie und stolperte ungelenk ins Café. Nur weg aus seiner unmittelbaren Nähe.

Ich scannte den Raum. Durch die bis zum Boden reichenden Fenster hatte man einen Blick auf die Straße, und ich fühlte mich sofort wohl hier. Es hatte das Flair eines Studentencafés. Regale voller Bücher und Nippes und einige bunte Bilder säumten die Wände, zusammengewürfeltes Mobiliar aus dunklem Holz und modernen sowie alten Sofas, Sesseln und Stühlen gab dem Ganzen einen künstlerischen Touch. Wuchtige Lampen hingen von der Decke und tauchten das Café in gemütliches Licht. Die Tische am Fenster waren bis auf zwei alle besetzt, und ein verhaltenes Stimmengemurmel gemischt mit Geschirrklappern und angenehmer Hintergrundmusik erfüllte den Raum. Jetzt zog mir auch der leckere Duft in die Nase. Hier roch es nach Kaffee. Nach richtigem Kaffee.

»Da ist noch was frei«, hörte ich Eric nahe an meinem Ohr sagen, und schon spürte ich seine Hand zwischen meinen Schulterblättern. Ein Schauder überlief meine Haut, und ich verkrampfte mich. Reiß dich zusammen, Joyce! Ich hasste meine Unsicherheit, grub verstohlen meine Fingernägel in meine Handflächen, um mich von seiner Berührung abzulenken, und ließ mich von ihm durch das Café dirigieren. Erst kurz bevor wir den freien Tisch erreicht hatten, nahm er seine Hand von meinem Rücken und ließ dabei ein heißes Mal an dieser Stelle zurück.

Zitternd legte ich meine feuchte Jacke über die Stuhllehne und atmete tief durch. Ich blickte zum großen Tresen aus poliertem Holz, hinter dem zwei Kellner an dem Kaffeeautomaten herumhantierten. Eric setzte sich mir gegenüber, ich schnappte mir die Karte, vergrub meine Nase darin und las mich durch die unzähligen Variationen. Dabei spürte ich seinen Blick immer wieder auf mir, versuchte ihn aber zu ignorieren.

»Hey, ihr beiden. Ich bin Harper, was kann ich euch bringen?« Mein Kopf flog hoch, so sehr hatte ich mich erschrocken.

»Hi, Harper«, entgegnete Eric und warf der schlanken Blonden mit der üppigen Oberweite ein smartes Lächeln zu. Sie flirtete subtil und ließ ein Piercing in ihrem Lippenbändchen hervorblitzen.

»Ich bin Eric. Cooles Tattoo.« Er zeigte auf ein Tribal auf ihrem Unterarm, das unter dem Ärmel ihrer schwarzen Uniformbluse hervorblitzte.

Pfff … Was war denn daran so besonders?

Harper lächelte noch breiter und zwinkerte ihm mit ihren himmelblauen, mit Eyeliner umrahmten Augen zu, als wäre er nicht in Begleitung hier.

»Danke, Eric. Interessierst du dich für Tattoos?«Vor meinem inneren Auge blitzten die Tätowierungen auf seiner Brust auf, über die ich bereits mit den Fingern gestrichen hatte.

»Ja, das tut er.« Oh Gott! Was war nur in mich gefahren? Hatte ich das eben wirklich laut gesagt?

Erics Augenbrauen schnellten in die Höhe, so entgeistert sah er mich an. Dann grinste er fast unmerklich. Ich wusste, mein Gesicht war gerade der Inbegriff einer reifen Tomate.

»Ich habe selbst einige«, sagte er, schob zur Bestätigung die Ärmel seines Langarmshirts über die Ellenbogen, und das, ohne seine Augen dabei von mir abzuwenden.

Ich konnte nicht anders, als in seinem Blick zu versinken, auch wenn ich lieber im Boden versunken wäre.

Aus dem Augenwinkel vernahm ich, dass Harper wie bei einem Tennismatch zwischen uns beiden hin und her sah. Ich sah, wie ihre Lippen sich bewegten, sie mit Eric redete und er mit ihr, aber ich verstand kein Wort. In meinen Ohren rauschte das Blut, und irgendwie verschwammen alle Bilder um mich herum zu einer einzigen verworrenen Collage.

»Joyce?« Erics Hand bewegte sich vor meinem Gesicht auf und ab.

»Was?« Ich hatte ihn anscheinend die ganze Zeit über angestarrt. Gott, wie peinlich!