Never before you - Jake & Carrie - Amy Baxter - E-Book
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Never before you - Jake & Carrie E-Book

Amy Baxter

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Beschreibung

WENN DU WEIßT, DASS SIE ETWAS VOR DIR VERBIRGT, UND DU SIE TROTZDEM WILLST ...

Jake muss weg aus Brooklyn. Weg von der Gang, die ihn immer tiefer in die Kriminalität zieht. Weg von der Frau, die er nicht vergessen kann. Auf der anderen Seite des Kontinents, in San Francisco, will er das Tattoo Studio seines verstorbenen Vaters wiederaufbauen und ein neues Kapitel beginnen. Die kesse und gut organisierte Carrie kommt ihm da gerade recht. Sie hilft ihm mit dem Papierkram, doch pünktlich zum Feierabend verschwindet sie still und heimlich. Aber wohin? Und warum erzählt sie nichts von sich? Obwohl ihn Frauen außerhalb des Schlafzimmers nicht interessieren, geht ihm die kleine Tänzerin nicht mehr aus dem Kopf - und mächtig unter die Haut ...

"Never before you" ist der erste Band der heißen Romance-Reihe San Francisco Ink von Amy Baxter rund um das Team des Tattoo Studios Skinneedles. Jetzt exklusiv im eBook bei beHEARTBEAT.

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Seitenzahl: 437

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Inhalt

Cover

Der Roman

Die Autorin

Titel

Impressum

Zitat

Playlist von Jake & Carrie

Carrie

Jake

Carrie

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Carrie

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Carrie

Jake

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Carrie

Jake

Carrie

Carrie

Jake

Jake

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Carrie

Jake

Jake

Carrie

Jake

Epilog – 3 Monate später

Danke

Der Roman

Jake muss weg aus Brooklyn. Weg von der Gang, die ihn immer tiefer in die Kriminalität zieht. Weg von der Frau, die er nicht vergessen kann. Auf der anderen Seite des Kontinents, in San Francisco, will er das Tattoo Studio seines verstorbenen Vaters wiederaufbauen und ein neues Kapitel beginnen. Die kesse und gut organisierte Carrie kommt ihm da gerade recht. Sie hilft ihm mit dem Papierkram, doch pünktlich zum Feierabend verschwindet sie still und heimlich. Aber wohin? Und warum erzählt sie nichts von sich? Obwohl ihn Frauen außerhalb des Schlafzimmers nicht interessieren, geht ihm die kleine Tänzerin nicht mehr aus dem Kopf – und mächtig unter die Haut …

Die Autorin

Amy Baxter ist das Pseudonym der erfolgreichen Liebesroman- und Fantasyautorin Andrea Bielfeldt. Mit einer Fantasy-Saga begann sie 2012 ihre Karriere als Selfpublisherin und hat sich, dank ihres Erfolgs, mittlerweile ganz dem Schreiben gewidmet. Zusammen mit ihrer Familie lebt und arbeitet sie in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein.

Weitere Infos findest du unter http://amybaxter.de/, http://andrea-bielfeldt.de/ und über Facebook.

Amy Baxter

Never Before You

JAKE & CARRIE

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Clarissa Czöppan

Lektorat/Projektmanagement: Eileen Sprenger

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © iStock.com/fmbackx

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3431-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

I tried so hardAnd got so farBut in the endIt doesn’t even matterI had to fallTo lose it allBut in the endIt doesn’t even matter.

Linkin Park – In the End

Playlist von Jake & Carrie

In the End – Linkin Park

Beggin’ – Madcon

Revolution – Diplo (feat. Faustix & Imanos and Kai)

Wild Things – Alessia Cara

Serve the Servants – Nirvana

Sex on Fire – Kings of Leon

Because of You – Kelly Clarkson

Don’t be so shy – Imany

I hate you, I love you – Gnash (feat. Olivia O’Brien)

Heathens – Twenty One Pilots

The Diary of Jane – Breaking Benjamin

Die Playlist von Jake & Carrie findest du auch auf YouTube:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLp0AExZP6bVHZ98ixeh2y0qVDKJ_A9acs

Carrie

»Verdammt, Phil! Warum hast du mir das denn nicht früher erzählt?« Ich saß auf dem Beifahrersitz des schwarzen Maserati, kniff meine Augenbrauen zusammen und verzog enttäuscht das Gesicht. Wieso war dieser Mann nur so stur? Phil sah mit angestrengtem Blick auf die Straße. Man hätte meinen können, er vermied es, mich anzusehen. Was ich an seiner Stelle auch getan hätte.

»Das ist mein Problem. Ich wollte nicht, dass du davon erfährst.« Anstatt wieder in den Verkehr einzufädeln, legte er seine Hände unschlüssig auf das Lenkrad, bevor er den Motor zum Schweigen brachte. Wie es aussah, stellte er sich auf eine längere Diskussion mit mir ein. Gut so.

»Dann kann ich ja froh sein, dass Melissa geplaudert hat. Verdammt, Phil, wir sind doch ein Team.« Kopfschüttelnd sah ich ihn an und atmete tief durch. »Lass dir doch einmal von mir helfen.«

Seine Bardame hatte mir im Vertrauen erzählt, dass Phil in Schwierigkeiten steckte, weil er seit mehreren Wochen keine neue Tänzerin für seinen Nachtclub fand. Zwei Tänzerinnen waren ihm abgesprungen. Die verbliebenen Mädchen wurden seitdem stärker als sonst eingespannt, aber mehr als arbeiten konnten sie auch nicht. Das Angebot an Shows war somit auf ein Mindestmaß geschrumpft, und der Blue String Club geriet durch ausbleibende Gäste langsam in finanzielle Nöte. Ich verstand zwar nicht, warum er so lange dafür brauchte, jemand Neues zu finden, aber bei der Hingabe, mit der Phil seinen Laden führte, sollte es mich eigentlich nicht überraschen, dass er auf die perfekte Kandidatin wartete. Allerdings brachte er dabei den Club und die anderen Mädchen in Schwierigkeiten, und das konnte ich nicht zulassen. Umso wichtiger war es, dass er meine Hilfe annahm. Auch wenn mich die Vorstellung, halbnackt vor gaffenden Männern mit dem Hintern zu wackeln, eher verunsicherte als begeisterte. Aber ich würde mir lieber die Zunge abbeißen als das zuzugeben, sonst würde Phil mich nie tanzen lassen.

Phil setzte seine Brille ab und rieb sich die Augen. Erst jetzt fiel mir auf, wie blass er war. Und das, obwohl sich schon seit einigen Tagen die Sonne durch die Dunstglocke schob, die üblicherweise über San Francisco hing. Melissa hatte recht gehabt, als sie gesagt hatte, es ginge Phil nicht gut. Das schlechte Gewissen in mir wuchs. Ich war in den letzten Wochen so sehr mit meinem Training und den Kursen im Tanzstudio beschäftigt gewesen, dass ich Phil kaum gesehen hatte. Kein Wunder, dass er sich mit dem Problem nicht an mich gewandt hatte. Wann auch?

Er musste sich seit Tagen nicht rasiert haben, dunkle Bartstoppeln waren auf seinem Gesicht zu sehen. Zudem hatte er abgenommen. Das Jackett spannte nicht wie gewohnt über seiner massigen Brust, und auch der Kragen seines Hemdes saß lockerer, sodass ich gut einen Finger zwischen Stoff und Hals hätte schieben können. Wann hatte er das letzte Mal etwas Vernünftiges gegessen?

»Ach, Carrie, versteh doch … Ich wollte nicht, dass du dir meinen Kopf zerbrichst.«

Ich lachte trocken auf. »Aber du steckst in der Klemme und hier sitzt die Lösung. Du hättest mich doch nur zu fragen brauchen.«

Er atmete schwer aus und setzte seine Brille wieder auf. Dann schüttelte er fast unmerklich den Kopf. »Ich wollte dich da einfach nicht mit reinziehen.« Er wirkte müde und resigniert, wie ein geprügelter Hund sah er mich an.

Trotz meiner Wut musste ich mir ein Schmunzeln verkneifen. Der ach so coole und immer über alles erhabene Phil duckte sich unter meinem Blick. Diesen Tag sollte ich mir rot im Kalender anstreichen. »Als wäre ich das nicht schon längst. Ich gehe seit Jahren im Club ein und aus. Es gibt nichts, das ich nicht schon gesehen hätte. Und ich kann tanzen. Das mit der Stange – nun, das werde ich auch hinkriegen.«

»Du würdest es wirklich machen?«

Der zweifelnde Unterton in seiner Stimme entsetzte mich ein wenig. Was glaubte er denn? »Natürlich! Du hast so viel für mich getan. Endlich kann ich dir mal was zurückgeben.«

Mit einem zögernden Lächeln nahm er meine Hand in seine. »Du weißt, dass mir der Gedanke nicht gefällt und es mir widerstrebt, dich darum zu bitten.«

Ich nickte. Das wusste ich nur zu gut. Phil wollte, dass ich mich von dem Milieu fernhielt. Und hätte Melissa nicht gequatscht, würden wir dieses Gespräch auch nicht führen. Ich bemühte mich um ein Lächeln. »Und trotzdem werde ich mich nicht davon abhalten lassen, im Club einzuspringen.«

»Aber nur übergangsweise.«

»Klar.«

»Sobald ich passenden Ersatz gefunden habe, bist du wieder raus.«

»Auch klar.«

»Und ich werde dich nicht aus den Augen lassen und -«

»Phil!«, unterbrach ich ihn. »Ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ich bin erwachsen! Du musst mich nicht beschützen. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.«

»Ich weiß. Trotzdem ist das Tanzen im Club nicht mit dem im Tanzstudio zu vergleichen. Vor allem nicht das Publikum.« Seine braunen Augen ruhten so eindringlich auf mir, dass mir unter seinem Blick unbehaglich zumute wurde. Ich wusste, was er mir damit sagen wollte und auch, dass es ein letzter halbherziger Versuch war, mich umzustimmen. Doch ich hatte mich entschieden.

»Mach dir keinen Kopf, das kriege ich hin. Und jetzt sag endlich Ja.« Ich setzte mein Sonntagslächeln auf. Mein Tanzlehrer und Chef Nolan würde nicht begeistert sein, wenn ich meine Stunden etwas herunterschraubte, aber ich würde es irgendwie schon schaffen, beiden Jobs gerecht zu werden. Zur Not tanzte ich eben in meiner Freizeit weniger. Der Tanz an der Stange würde sicher Ausdauersport genug sein. Phil war nun wichtiger.

Er seufzte. »Aber nur unter einer Bedingung.« Er klang vollkommen ernst. »Es wird nur getanzt. Sonst nichts. Sonst bist du sofort wieder raus. Und wir zwei bekommen richtig Ärger. Verstanden?« Der strenge Blick, den er mir über den Rand seiner schwarzen Brille hinweg zuwarf, verlieh seinen Worten Nachdruck.

»Natürlich! Du weißt ja wohl, dass ich die Letzte bin, die Bock auf so was hat«, schnaubte ich verächtlich.

»Hey! Red nicht so über die Mädchen. Sie machen auch nur ihren Job. Und das freiwillig«, belehrte er mich.

»Entschuldige. Du hast recht.« Ich widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Auch wenn ich dem ganzen Milieu nichts abgewinnen konnte, Phil war ein fairer Boss, und die Mädchen hatten es gut bei ihm. Er kümmerte sich um sie und tat alles, um ihnen nicht das Gefühl zu geben, sich in seinem Nachtclub zu prostituieren, auch wenn sie im Grunde genau das taten. »Ich werde nur tanzen. Sonst nichts«, fügte ich beschwichtigend hinzu.

Er grinste mich hilflos an und zwinkerte mir zu. »Na gut, aber vergiss nicht: Mein Baby gehört zu mir.«

Ich kicherte. Phil und seine Schwäche für Dirty Dancing. Ich sah ihn mit einem filmreifen Augenaufschlag an und legte ihm sanft meine Hand auf den Oberarm. »Hey, Johnny. Dein Baby wird immer zu dir gehören.« Und das meinte ich auch so.

Er brummte noch etwas Unverständliches, bevor er den Zündschlüssel umdrehte und den Motor startete. »Aber das Büro schmeißt du trotzdem weiter, oder?«

»Ehrensache.« Weil ich Phil unterstützen wollte und die Buchhaltung mir leichter fiel als ihm, nahm ich ihm den Papierkram im Club ab. Phil hasste alles, was mit Zahlen zu tun hatte. Außer dem Tagesumsatz, der ihm zeigte, dass sein Laden immer noch ganz gut lief.

Die Schule hatte mich nie wirklich interessiert. Lernen war für mich ein lästiges Übel gewesen. Wie seitenlange Aufsätze über Literatur oder das Wissen über tote Philosophen mich auf das spätere Leben vorbereiten sollten, ging mir nicht in den Kopf. Ich wollte doch keine Schriftstellerin oder Philosophin werden. Aber es hatte mir schon immer Spaß gemacht, mit Zahlen zu jonglieren. Und so erledigte ich seit Jahren die Buchführung für den Club. Merkwürdig eigentlich, dass mir die angeblichen roten Zahlen, die Melissa erwähnt hatte, nicht aufgefallen waren. Es waren ab und an kleine Einbrüche in den Einnahmen zu erkennen, wie derzeit wegen der deutlich reduzierten Anzahl an Shows, aber es war noch nichts Dramatisches. Vermutlich hatte Melissa in der Hinsicht etwas übertrieben. Ich würde mit meinem Einsatz dafür sorgen, dass die Zahlen weiterhin schwarz blieben.

»Danke, Baby.« Phil lächelte, legte die Hände ans Lenkrad und fädelte Sekunden später in den fließenden Verkehr ein. »Hast du noch Zeit für eine Clam Chowder?«

»Das ist die beste Idee, die du heute hattest«, gab ich mit einem breiten Lächeln zurück. Ich liebte die Fischsuppe aus Muscheln und anderen Meeresfrüchten, die in einer Schale aus ausgehöhltem Brot serviert wurde.

»Du wirst immer frecher, kleine Lady.« Er versuchte, eine gewisse Ernsthaftigkeit in seine Stimme zu legen, versagte dabei aber kläglich.

***

Während er den Wagen durch die verstopften Straßen am Ocean Beach in Richtung Fisherman’s Wharf lenkte, sah ich durch die dunklen Gläser meiner Sonnenbrille aus dem offenen Fenster und ließ mir den Wind der Westküste um die Nase wehen.

Ich lebte gerne in San Francisco, mich begeisterte, dass hier so viele unterschiedliche Kulturen auf engstem Raum so harmonisch miteinander lebten. Diese Stadt bezauberte durch ihre optische Vielfalt, war mitreißend und voller Leben. Besonders Chinatown faszinierte mich. Ich liebte das kantonesische Essen, das man dort an jeder Straßenecke frisch aus dem Topf bekam. Manchmal setzte ich mich an den Ocean Beach, um am Ende eines langen Tages hinter der Golden Gate Bridge die Sonne im Meer versinken zu sehen. Dann roch ich den Duft des Meeres und schmeckte das Salz auf meinen Lippen. Wenn ich Lust hatte, feierte ich in den Clubs und Bars rund um die Castrostreet die Nächte durch, bis die Sonne wieder aufging. Oder tankte im Morgengrauen mit einem Lauf am einsamen South Beach Kraft für den Tag, während die Nebelschwaden vom Wasser über die Hügel ins Landesinnere zogen und die Stadt wieder unter sich vergruben. Wer das sonnige Kalifornien suchte, der musste in der Regel über die Bay fahren.

Von den Twin Peaks aus, den Zwillingsgipfeln, genoss ich, wenn ich Zeit dazu fand, den schönsten Ausblick über die Stadt oder ließ mich in einer der Cable Cars wie ein Tourist durch den Osten San Franciscos treiben. Ich konnte mir keinen schöneren Platz zum Leben vorstellen als hier, wo ich endlich ein Zuhause gefunden hatte, das mir als Kind verwehrt geblieben war, und wo ich meine Leidenschaft zum Beruf machen durfte.

Ich war vierzehn gewesen, als ich in San Francisco gelandet und gleich zu Beginn in Schwierigkeiten geraten war, weil ich mich in der verkehrten Ecke der Stadt herumgetrieben hatte. Phil hatte mich vor zwei dunklen Gestalten beschützt, die mich – wie ich erst viel später erfuhr – für das horizontale Gewerbe anwerben wollten. Er kümmerte sich um mich und nahm mich irgendwann ganz bei sich auf. Er hat dafür gesorgt, dass ich wieder regelmäßig zur Schule ging. Er hat sogar meine Leidenschaft fürs Tanzen entdeckt und mir ermöglicht, Unterricht in einem professionellen Studio zu nehmen. Wie er unseren recht luxuriösen Lebensstil finanzierte, hatte ich anfangs nicht gewusst und auch nie danach gefragt. Erst gute zwei Jahre, nachdem ich bei ihm eingezogen war, erfuhr ich, dass er einen der exklusivsten Nachtclubs von San Francisco betrieb.

Obwohl Geld dadurch nie ein Problem war, war es mir immer unangenehm gewesen, dass ich auf Phils Kosten lebte – besonders, was die teuren Tanzstunden betraf. Als er mich an meinem achtzehnten Geburtstag endlich mit in den Club nahm – in dieser Hinsicht hatte er sich wie ein spießiger Vater benommen – und ich das Chaos in seinem Büro sah, kam mir die Idee, wie ich mich endlich revanchieren konnte. So schwer ich mich auch in der Schule tat, in Rechnungswesen war ich immer ganz gut gewesen, es hatte mir sogar Spaß gemacht, dass einmal etwas berechenbar, logisch und systematisch war – so ganz anders als mein eigenes Leben.

Sobald ich meinen Schulabschluss in der Tasche hatte, versuchte ich mich als Kellnerin in verschiedenen Cafés, um Phil nicht länger auf der Tasche zu liegen. Ich wollte mein eigenes Geld verdienen. Doch meine Leidenschaft, das, was ich wirklich konnte, war tanzen, und deshalb musste ich nicht lange überlegen, als mein damaliger Trainer Nolan mir wenige Zeit später einen Job als Tanzlehrerin in seinem Studio anbot. Ich wurde endlich für das Tanzen bezahlt, anstatt dafür Geld auszugeben.

Phil hatte immer gut für mich gesorgt, und wenn ich ihm nun im Club aushelfen konnte, machten sich all das Training und sein Investment wenigstens bezahlt.

Phil und ich lebten nun seit mittlerweile zehn Jahren miteinander, und er war in dieser Zeit viel mehr für mich geworden als nur ein Freund und Ziehvater. Nie drängte er mich, über die Zeit vor ihm zu reden, und ließ mir meine Privatsphäre, wenn ich mich mal wieder in meiner eigenen kleinen Welt abschottete, die nur aus Tanzen und Musik bestand. Es gab eben Erinnerungen, die besser vergraben blieben.

Jake

Meine Haut kribbelte beim Betreten des alten Shops, und die Bilder aus meiner Kindheit überrollten mich wie eine Dampflok. Ich schloss die Augen und fand mich sofort wieder inmitten des geschäftigen Treibens, das vor Jahren diese Räume mit Leben erfüllt hatte. Ich hörte das Surren der kleinen Maschine, spürte sie zwischen meinen Fingern und war mit einem Schlag aufgeregt wie ein Junge zu Weihnachten. Ich erinnerte mich an den vertrauten Geruch von Tinte, Schweiß und Farbe. Ich spürte die Nervosität und Vorfreude, hörte das Schnalzen beim Überziehen von Gummihandschuhen, das Rattern der Maschinen und die raue Stimme meines Vaters, wenn er sich mit den Kunden über ihre Tattoos unterhielt. Ich sah mich als kleinen Jungen bei ihm auf dem Schoß sitzen, eine Maschine zwischen den Fingern, deren Nadel hundertfach pro Sekunde in seinen Arm stach. Natürlich ohne Tinte. Es war sein Geschenk zu meinem achten Geburtstag.

»Du machst das großartig, Jake«, sagte er ruhig und mit Stolz in der Stimme. »Aus dir wird mal der beste Tätowierer der Stadt.«

»Aber das bist doch du.«

Er lachte. »Noch, aber irgendwann wirst du all das erben.«

Als ich die Augen wieder öffnete – jetzt, 18 Jahre später –, verflog die Erinnerung so schnell, wie sie gekommen war. Leider war dieser friedliche Moment zwischen mir und meinem Vater nicht der letzte, an den ich mich erinnerte. Meine Brust zog sich mit einem Stich zusammen, als ich an die Worte dachte, die er hier zu mir gesprochen hatte. Danach hatte ich nie wieder von ihm gehört. Es war eine Ewigkeit her, doch der Anblick seines verlassenen Studios ließ die Erinnerungen schmerzhaft wieder aufleben.

Ich schmeckte den dreckigen Staub der Vergangenheit auf meiner Zunge und roch den Mief des verlassenen Gebäudes. Ich sah auf die vergilbten Wände, den verschlissenen Fußboden und die verdreckten Fenster, die nur wenig Tageslicht hineinließen.

Die Möbel waren alt und müssten ausgetauscht werden, die Einrichtung trug noch die Handschrift meines Vaters. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder hier stehen würde.

»Es tut mir wirklich sehr leid, Jake«, sagte Olivia, die hinter mir den Laden betreten hatte.

Was antwortete man auf so eine Floskel? Sie hatte keine Ahnung, was in mir vorging. Hatte keine Ahnung, was für ein Scheißgefühl es war, an einem Ort zu stehen, an den man geschworen hatte, nie wieder zurückzukommen; was ich dabei empfand, vom Lebenswerk meines verstorbenen Vaters umgeben zu sein. Oder besser gesagt von dem, was davon übrig war.

Niemand konnte nachvollziehen, wie ich mich fühlte. Und das war auch gut so. Ich brauchte kein Mitleid. Sollte sie ruhig denken, dass ich um meinen Vater trauerte. Das wäre ja auch normal gewesen, richtig?

Langsam drehte ich mich zu Olivia um. Sie war die Nachlassverwalterin meines Vaters und seit meiner Ankunft kaum von meiner Seite gewichen. Nun drückte sie mir die Schlüssel sowie einen weiteren Stapel Papiere zum Unterschreiben in die Hand. Ich dachte eigentlich, ich hätte in der Kanzlei schon alles erledigt, aber vermutlich nahm der Mist hier nie ein Ende.

Ich blickte auf ihren rot geschminkten Mund. Ich mochte keine Frauen mit rotem Lippenstift. Ob ich bei ihr eine Ausnahme machen würde? Ihre Nägel leuchteten in derselben Farbe, wirkten unecht. Sie war wirklich ein Püppchen, nicht die Art Frau, die ich mir sonst ins Bett holte. Zu angemalt, zu künstlich. Aber vielleicht war es einfach an der Zeit, neue Wege zu beschreiten. Schließlich war ich zurück in San Francisco, der Stadt der Träume. Und Olivia war offen, witzig, charmant, offensichtlich vom Erfolg verwöhnt und trug ihre beeindruckenden Vorzüge selbstbewusst zur Schau. Mein Blick wanderte von ihren schwarzen Stöckelschuhen über ihre langen Beine, die unter einem kurzen Rock verschwanden, über ihre Hüften hoch zum Ausschnitt ihrer Bluse. Als meine Augen eine Sekunde länger bei ihren prallen Brüsten Halt machten, als es höflich gewesen wäre, räusperte sie sich leise.

»Hast du einen Kugelschreiber?«, lenkte ich ab. Sie drückte mir ohne ein Wort einen Füllfederhalter in die Hand.

Vor einer Woche hatte Olivia mich angerufen, und ich war ohne zu überlegen aufgebrochen. Nach den beschissensten Monaten meines Lebens schien dieser Anruf fast wie ein Zeichen. Die Nachricht über den Tod meines Vaters hätte mich traurig machen sollen, aber stattdessen war ich erleichtert, endlich verschwinden zu können. Endlich weg aus dieser ganzen Scheiße. Meine Heimatstadt hatte sich verändert. Als das Taxi mich vom Flughafen durch die Straßen von San Francisco zum Hotel brachte, merkte ich jedoch, wie verbunden ich mich noch immer mit dieser Stadt fühlte. Sie war noch genauso bunt, laut und schrill, wie ich sie in Erinnerung hatte. Der perfekte Ort, um unterzutauchen und noch einmal neu anzufangen.

Gestern war die Beerdigung gewesen. Olivia hatte mich nach einer schlaflosen Nacht im Hotel abgeholt und zum Friedhof gefahren. Mein Vater hatte ihr vor seinem Tod genaue Anweisungen gegeben, wie sie mir erzählt hatte, sodass es für mich nichts zu tun gab. Ich wäre ohnehin keine Hilfe gewesen. Mein Kopf war voll mit Fragen, die mich seit ihrem Anruf umtrieben, auf die ich jedoch keine Antwort fand. Warum hatte mein Vater mich in seinem Testament bedacht? Nach all den Jahren? Auf wen würde ich hier treffen? Würde meine Mutter auch hier sein?

Die letzte Frage hätte ich mir sparen können. Sie hatte sich weder bei mir gemeldet, noch war sie auf seiner Beerdigung erschienen. Nachdem wir schon Jahre keinen Kontakt mehr hatten, hätte ich mir das auch denken können. Vielleicht wusste sie nicht einmal, dass ihr Exmann tot war.

Mein Vater hatte ein einfaches Rasengrab auf einem Friedhof in Colma bekommen. Nur wenige Trauergäste waren erschienen. Auf den ersten Blick kam mir niemand bekannt vor. Doch nach und nach sickerten die Erinnerungen in mein Gehirn, und ich erkannte einige von der alten Crew wieder.

Ich war noch klein gewesen, als ich sie alle das letzte Mal gesehen hatte, und die Wilden von damals waren inzwischen zu liebenden Familien- oder sogar Großvätern geworden. Ihre langen Bärte waren gestutzt oder ganz dem Rasierer zum Opfer gefallen. Die zahlreichen Tattoos versteckten sie unter schwarzen Anzügen, und ihre anteilnehmenden Blicke lagen hinter verspiegelten Sonnenbrillen verborgen. Statt schwerer Harleys lenkten viele von ihnen mittlerweile Familienkutschen mit sieben Sitzen durch die Stadt und lebten mit Frau und Kindern in Vororten in ganz Kalifornien verteilt. Sie alle sprachen mir ihr Beileid aus, das ich schweigend entgegennahm.

Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, als sie über alte Zeiten sprachen und mir ihre Unterstützung anboten. Aber ich wollte keine Hilfe von ihnen. Ich hatte nichts mit meinem Vater gemeinsam, außer, dass wir beide Tätowierer waren, und wollte möglichst wenig von ihm wissen und hören. Wir hatten keinen Kontakt mehr gehabt, seit er Mom und mich verlassen hatte.

Heute Morgen hatte Olivia das Testament verlesen und mir eröffnet, dass ich der einzige eingetragene Erbe war. Es hatte keine neue Frau im Leben meines Vaters gegeben und auch keine weiteren Kinder. Somit hatte ich das Anrecht auf die Immobilie und auf alles andere, was er hinterlassen hatte.

Perfektes Timing. Wenigstens einmal bist du hilfreich, alter Herr.

Ich schluckte und drehte mich zu Olivia um. »Hast du fähige Bauarbeiter an der Hand, die du mir empfehlen kannst?«

Olivia zog die Augenbrauen in die Höhe, sodass sie unter ihrem Pony verschwanden, und schürzte die Lippen. »Du willst dashier renovieren?« Ihre Hand beschrieb einen Halbkreis durch den Raum, und ihre braunen Augen warfen mir einen ungläubigen Blick zu.

Ich nickte knapp und sah mich erneut in dem verlassenen Studio um. Meine Entschlossenheit überraschte mich selbst. Doch noch nie war mir eine Entscheidung leichter gefallen: Ich würde hier neu anfangen, mir ein eigenes Studio einrichten und einen Kundenstamm aufbauen. Es war die perfekte Gelegenheit und vielleicht die einzige Chance auf einen Neuanfang, die ich bekommen würde.

Olivias Blick wurde weicher, dann nickte sie verständnisvoll. Wahrscheinlich dachte sie, ich wollte das Vermächtnis meines Vaters fortführen. Sollte sie ruhig …

»Ich glaube, das hätte deinen Vater sehr gefreut.« Was wusste sie schon? Sie hatte weder ihn gekannt, noch kannte sie mich. Aber klar – sie wollte nur höflich sein.

Sie kramte in ihrer koffergroßen Handtasche nach ihrem Handy und tippte sekundenlang konzentriert darauf herum. Bis sie einen Namen samt einer Nummer auf einem Notizblock notierte und mir hinhielt. »Pete hat für meinen Dad schon viel gemacht. Ich habe bisher nur Gutes gehört. Ruf ihn an und richte ihm Grüße von mir aus. Ich bin sicher, er wird aus dieser Bruchbude wieder einen vorzeigbaren Shop machen.« Mit einem aufreizenden Lächeln berührte sie wie zufällig meine Finger, als ich den Zettel entgegennahm. Ich ignorierte es.

Gleich morgen würde ich Pete anrufen. Es gab viel zu tun, ich scheute die Arbeit nicht, die auf mich zukam. Was hatte ich zu verlieren? Es konnte nur besser werden. »Und falls du noch Tätowierer suchst … Ich kenne so einige Leute und höre mich gerne mal um.«

Ich bezweifelte, dass sie die richtigen Leute kannte, aber es konnte ja nicht schaden, wenn sie mal ihre Fühler ausstreckte. Ein Studio war keine One-Man-Show, und auch wenn ich mir über die Jahre hinweg verschiedene Stile angeeignet hatte, würde ich Unterstützung brauchen. »Klar, hör dich ruhig um. Vor allem, wenn du wen kennst, der japanisch, Buena Vista oder Maori draufhat, wäre das nicht schlecht für den Anfang. Damit wäre der Shop schnell in aller Munde.« Ich sah ihr an, dass ich sie mit meinem Fachchinesisch überforderte, doch sie lächelte tapfer und machte sich tatsächlich Notizen auf ihrem Block. Ich schmunzelte. Wenn sie unbedingt wollte, sollte sie doch mal zeigen, was sie konnte.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Das mache ich gern.«

»Und könntest du dich um ein Apartment für mich kümmern? Ich will erst alles sanieren, bevor ich endgültig hier einziehe. Und ich kenne in San Francisco kaum mehr jemanden.« Über dem Shop lag die alte Wohnung meines Vaters, die irgendwann meine werden würde. Auch wenn mir jetzt noch nicht der Sinn danach stand, ich würde nicht darum herumkommen, in seinem Leben herumzuwühlen. Erste Priorität aber war, dass ich die Sanierung des Shops vorantrieb. Glücklicherweise musste ich mir um Geld keine Gedanken mehr machen. Er hatte mir eine stolze Summe hinterlassen, von der ich einen großen Teil in meinen Neuanfang investieren konnte. Der Rest würde mir ein entspanntes Leben sichern, wenn ich erst mal Fuß gefasst hatte.

»Gerne, Jake. Ich gehe morgen im Büro mal meine Kontakte durch. Wir werden schon was Passendes für dich finden«, versprach sie und legte ihre schmale Hand aufmunternd auf meinen Oberarm. Ich verkniff es mir zurückzuweichen. Keine Ahnung warum, aber ich konnte das gerade gar nicht ab. Genervt strich ich mir meine Haare aus dem Gesicht.

»Ich muss wieder zurück in die Kanzlei, soll ich dich mitnehmen, oder kommst du allein zurecht?« Olivia lächelte mich erneut auf eine Art an, die für eine Nachlassverwalterin ihrem Klienten gegenüber fast schon unprofessionell war.

Mir ist schon klar, was du willst. Aber heute nicht, Süße. »Ich bleibe noch und nehme später ein Taxi.«

»Okay. Dann ruf ich dich an, wenn ich ein paar Wohnungsangebote rausgesucht habe. Wenn du magst, können wir die morgen Abend durchgehen. Vielleicht bei einem Drink?«

Hmm, sehr subtil. Ich nickte unverbindlich. Sie hauchte mir einen Kuss auf die Wange, der gefährlich nahe an meinem Mund platziert war. Sie roch gut, ohne dass ihr Parfum aufdringlich war. Ihr Blick war eindeutig, ihr Lächeln einladend, doch ich wollte sie nur noch loswerden und wandte mich von ihr ab. »Bis dann, Olivia.«

Carrie

»Hey, No! Wie war dein Wochenende?« Schwungvoll betrat ich den Spiegelsaal des Tanzstudios durch die große Flügeltür und warf meinem Trainer Nolan einen Gruß zu. Es waren gerade die letzten Töne der Musik verklungen, als die Tür hinter mir mit einem Klacken ins Schloss fiel. Wie es aussah, hatte er schon eine Weile trainiert. Die Luft roch verbraucht, sein schwarzes Shirt klebte ihm am Leib, und sein braungebranntes Gesicht glänzte verschwitzt. Ich riss das Fenster auf und ließ erst mal frische Luft herein. Nolan stand neben der Anlage und freute sich offensichtlich, mich zu sehen. Er grinste erwartungsvoll. Doch als ich mich vor den Spiegel an die Stange stellte, verging ihm das Grinsen augenblicklich.

Seine Mundwinkel zuckten, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er verwirrt war. »Was machst du denn schon hier?« Ich unterdrückte ein Schmunzeln. Das klappte ja prima.

»Ich bin etwas früher gekommen, weil ich ein paar neue Schritte üben will«, antwortete ich. Ich tat so, als würde ich mich auf meine Aufwärmübungen konzentrieren, und ignorierte seine Anspannung. Hatte ich es doch gewusst! Er hatte seit Wochen alle Nachfragen bezüglich seines Geburtstags abgeblockt und so getan, als würde er nicht feiern wollen. Irgendwann seien Geburtstage nicht mehr so wichtig, hatte er gesagt. Aber ich kannte No gut genug und wusste, dass er nichts mehr liebte, als im Mittelpunkt zu stehen und eine gute Zeit zu haben. Entsprechend erwartete er Kuchen oder zumindest ein Ständchen von mir. Aber da musste er noch ein bisschen länger warten. Zu sehr genoss ich es, ihn zappeln zu lassen.

Schweigend begann ich, mich aufzuwärmen. Den Schmerz in meinem linken Oberschenkel versuchte ich zu ignorieren. Vor einigen Tagen hatte ich mir beim Tanzen einen Muskel überdehnt, der mich drei Tage lang daran gehindert hatte, meine Kurse vernünftig abzuhalten. Für mich gab es nichts Schlimmeres, als pausieren zu müssen. Ich liebte das Geräusch der vielen Füße auf dem federnden Holzfußboden, die Konzentration in den Gesichtern der Tänzer und das Glücksgefühl, wenn eine Choreo fehlerfrei geklappt hatte. Aber am besten war es, das Gemeinschaftsgefühl zu spüren, wenn man in einer Gruppe tanzte und sich aufeinander verlassen musste. Einer für alle – alle für einen.

Nolan hielt es noch einige Augenblicke aus, dann rollte er mit den Augen und stieß einen Seufzer aus, bevor er sich mit in die Hüften gestemmten Händen hinter mir aufbaute. »Sugar … Hast du wirklich vergessen, was für ein Tag heute ist?«

»Ähm … Ich habe gleich wieder die zwei Anfängerkurse. Aber keine Sorge, mit denen komme ich gut klar.« Ich zwinkerte ihm im Spiegel zu.

»Du hast es nicht ernsthaft vergessen«, stieß Nolan fast atemlos aus. »Nicht wirklich, oder?«

Es fiel mir immer schwerer, nicht laut aufzulachen und meine Maske fallen zu lassen. »Habe ich was verpasst? Würdest du mich bitte aufklären?« Innerlich amüsierte ich mich prächtig, blieb äußerlich aber ruhig und beobachtete ihn mit undurchsichtiger Miene über die Spiegelwand.

Im Gegensatz zu Nolan, der jetzt im Saal umherlief wie ein aufgescheuchtes Huhn. Als er erneut hinter mir stehenblieb und mich im Spiegel mit seinem typischen Dackelblick ansah, der mein Herz jedes Mal zum Schmelzen brachte, konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ich prustete los, löste mich von der Stange und fiel ihm in die Arme. »Happy Birthday, No. Alles, alles Liebe zu deinem Geburtstag«, murmelte ich in sein verschwitztes T-Shirt, während ich mich an seine stahlharte Brust schmiegte. Ich umarmte ihn fest und merkte, wie seine Anspannung sich schlagartig auflöste. Trotz des Schweißes roch ich einen Hauch von Jean Paul Gaultier – seinem Lieblingsparfüm, seit ich es ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte.

Dieses Jahr hatte ich ein Geschenk für ihn gefunden, das man nicht in jedem beliebigen Laden kaufen konnte. Ich war verdammt gespannt, wie es ihm gefallen würde. Nach einem Kuss auf seine glattrasierte Wange ließ ich ihn los und lachte. »Du hast nicht ernsthaft geglaubt, dass ich deinen Geburtstag vergesse, oder?«

Er senkte den Kopf und grinste verlegen. »Fast hättest du mich gehabt, du kleines Biest. Du hast echt eine gute Show abgeliefert.«

»Das war meine Absicht. Warte.« Ich lief zur Bank und zog ein kleines Päckchen aus meiner Tasche, das ich ihm mit einem gespielt theatralischen Hofknicks überreichte. »Hier, König No. Eine Kleinigkeit für Euch.«

Seine Augen glänzten vor Freude, während er die Schleife löste und das silberne Geschenkpapier achtlos aufriss. Als er den Karton öffnete und das Seidenpapier zur Seite schlug, weiteten sich seine Augen.

»Oh mein Gott! Carrie!« Er schlug eine Hand gegen seinen Mund. Mit zitternden Fingern holte er die schwarzen Ballettschläppchen heraus. »Du bist verrückt. Du bist eindeutig verrückt!« Er ließ den Karton einfach fallen und umarmte mich so fest, dass ich kaum noch Luft bekam. »Woher hast du die?«, nuschelte er in meine Haare, und ich war glücklich über seine Freude und die gelungene Überraschung.

»Du musst nicht alles wissen«, antwortete ich. Wochenlang hatte ich online die Shops durchforstet, bis ich ein einigermaßen bezahlbares Exemplar der Designerschlappen ergattern konnte. Es war das neueste Modell, das es auf dem Markt zu kaufen gab, und hatte immer noch ein kleines Vermögen gekostet, das ich mir eisern zusammengespart hatte.

»Süße, du bist unglaublich. Danke.«

»Sehr gerne. Zum Dank kannst du mir beim Aufwärmen helfen. Ich wollte noch einmal die Choreo durchgehen.«

»Nichts lieber als das.«

Nolan hatte in jungen Jahren mit dem Ballett angefangen, sich allerdings mittlerweile dem Streetdance zugewandt. Ballet meets Street war sein Motto, und ich liebte es, ihm zuzuschauen und mit ihm gemeinsam zu tanzen. Er war ein wahrer Gott auf dem Parkett und der beste Lehrer, den man sich vorstellen konnte.

Nolan legte sein Geschenk zur Seite und stellte sich neben mir auf. Barfuß, in seiner locker auf den Hüften sitzenden Trainingshose, dem schwarzen Shirt, das wie eine zweite Haut an seinem Sixpack klebte, und den dunklen Haaren, die wie immer zu einem Dutt auf dem Oberkopf gewickelt waren, sah er aus wie der fleischgewordene Traum aller Frauen. Nur leider machte er sich aus dieser Auszeichnung nichts. Er stand eindeutig auf Männer. Was für ein Verlust für die Frauenwelt!

»Ach, bevor wir loslegen …«, sagte No. »Es gibt Neuigkeiten aus der großen, weiten Welt. Habe ich dir von Leroy erzählt? Meinem alten Freund aus der Ballet Academy?«

»Du meinst deinen Tanzkollegen aus New York?«

»Genau den. Leroy will in ein paar Wochen nach San Francisco kommen. Er besucht gerade mehrere große Schulen im Land, um neue Tänzer zu akquirieren.« Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Natürlich kannte ich Leroy, zumindest vom Hörensagen, und ich wusste, worauf Nolan hinauswollte. Mit ihm zusammen hatte er vor sechs Jahren die Juilliard School in New York besucht. Nolan hatte sich mit dem Big Apple nie wirklich verbunden gefühlt und war nach seinem Abschluss nach San Francisco zurückgekommen, um seinen Traum vom eigenen Tanzstudio hier wahrzumachen. Sein Freund war mittlerweile einer der angesagtesten Choreografen mit eigenem Studio in New York City und arbeitete mit den ganz Großen zusammen. Er bildete Tänzer für Shows auf dem Broadway aus und bereitete Schauspieler für die Tanzeinlagen in ihren Filmen vor. Einfach irre, wozu er es in der kurzen Zeit gebracht hatte. »Vielleicht wäre das deine Chance, Schnecke.«

»No …« Ich unterbrach meine Dehnübungen und schüttelte energisch den Kopf.

»Warum denn nicht? Was hast du zu verlieren?«

»No, das ist wirklich lieb von dir, aber …«

»Was aber? Sei nicht immer so feige.«

Autsch, das saß. Ich wusste, dass er es nicht böse meinte und es keinen Zweck hatte, mit ihm zu diskutieren. Seit Jahren schon versuchte er, mich zum Vortanzen zu überreden oder dazu, seine guten Kontakte zu nutzen. Er war überzeugt, ich vergeudete mein ›Talent‹ in seinem Studio. Sicher, ich war nicht schlecht, hatte möglicherweise auch den Ehrgeiz und das nötige Rhythmusgefühl, aber – ich war nicht gut genug für die Bühne. Punkt.

Außerdem wollte ich hier nicht weg. Hier war ich zu Hause, hier lebten meine Freunde. Und Phil würde ich zu diesem Zeitpunkt schon mal gar nicht alleinlassen.

Weil ich wusste, dass Nolan keine Ruhe geben würde, versprach ich ihm, darüber nachzudenken. Auch wenn ich die Antwort schon kannte.

»Aber nun lass uns endlich loslegen. Der Kurs beginnt bald, und ich will noch einmal die Schritte durchgehen.« Ich band meine Haare zu einem festen Zopf zusammen und ging zur Musikanlage, um meine Playlist abzuspielen. Als die ersten Töne von Beggin’ von Madcon den Saal erfüllten, schloss ich kurz die Augen und begann mit meiner Choreografie. Nolan kannte die Schritte, machte allerdings keine Anstalten einzusteigen, sondern musterte jede meiner Bewegungen mit Argusaugen. Ich versuchte, ihn auszublenden. Die Musik tropfte Takt für Takt in mein Blut und verursachte das vertraute, wohlige Kribbeln in meinem Bauch, welches ich so nur beim Tanzen spürte. Ich gab mich dem Beat hin und zog meine Beine möglichst leichtfüßig über das glatte Parkett. Der Bass bewegte meine Füße, meine Arme, Kopf und Hüften, und wie immer, wenn ich tanzte, lächelte ich.

Als die Melodie verklang und ich den Kopf hob, fand ich sofort Nolans Blick. »Nicht schlecht«, sagte er mit einem anerkennenden Lächeln.

Ich grinste. Fehler hätte er sofort angesprochen oder Verbesserungsvorschläge gemacht. Also war ›nicht schlecht‹ das größte Kompliment. »Hab ja auch den besten Lehrer.«

Die Playlist lief weiter, er kam im Beat des nächsten Songs auf mich zu und hob und senkte spielerisch die Augenbrauen. »Wie wahr, my Dear. Aber besser als ich bist du noch lange nicht. Battle?«

Ich strecke meine Daumen nach oben. »Aber immer doch, Balletboy.«

Ich fühlte mich erneut in die Musik ein. Revolution von Diplo erschall aus den Lautsprechern. Ich kannte jedes Lied meiner Playlist in- und auswendig. Hätte man mich gebeten, einen Gegenstand zu nennen, der mich ständig begleitete, so hätte ich mein Handy genannt, auf dem ich meine Playlist gespeichert hatte und ständig um neue Songs erweiterte. Ich trug es immer bei mir und konnte damit auch unterwegs auf die verschiedenen Musik-Plattformen zugreifen, auf denen immer neue Stücke liefen.

Nach nur wenigen Minuten waren wir beide schweißgebadet. Nolan und ich bewegten uns geschmeidig umeinander herum. Mein Herz pumpte, mein Oberschenkel schmerzte, doch ich behielt die Konzentration und die Nerven, um mit meinem Lehrer mitzuhalten. Wir lachten uns an, klatschten uns ab, wenn eine Drehung besonders gut gelungen war. Wir gaben uns gegenseitig Raum, um Breaking- oder Ballett-Elemente einzubauen, und kamen immer wieder zu den gleichen Schritten zurück, die wir spiegelverkehrt zueinander ausführten. Die Musik ging mir unter die Haut, ich fühlte sie mit jeder Faser meines Körpers, gab mich ihr hin, als hätte ich nie etwas anderes getan. So vergingen einige Songs, bis wir schwer atmend zu unseren Wasserflaschen griffen.

»Das haben wir schon viel zu lange nicht mehr gemacht.« Nolan grinste mich an wie ein Schuljunge, kleine Lachfältchen umrahmten seine blauen Augen. Er war so niedlich und neben Phil zu einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden. Ich liebte ihn abgöttisch.

Ich stimmte zu und stürzte eine weitere Ladung Wasser meine ausgedörrte Kehle hinunter. Mein Blick fiel auf die Uhr. Ich hatte noch eine Viertelstunde Zeit. Jetzt oder nie. »No, würdest du mir einen Gefallen tun?«

»Klar, Sugar. Jeden. Was hast du auf dem Herzen?« Er ließ sich zu mir auf den Boden fallen und legte seinen Arm um meine Schultern.

»Ich brauche einen Crashkurs an der Stange.«

Er sah mich erschrocken an, aber seine Mundwinkel zuckten. »Schätzchen, ich weiß zwar, dass du schon ’ne ganze Weile Single bist, aber dass du so verzweifelt bist, hätte ich wirklich nicht gedacht. Süße, meine Stange ist wirklich nicht die Lösung …«

Er konnte ein Grinsen nicht mehr unterdrücken, und ich boxte ihn spielerisch gegen die Schulter. »Ich meine Poledance, du Spinner.«

»Warum? Das ist doch gar nicht dein Stil. Eher meiner.« Seine Hände fuhren lasziv an seinem Körper entlang.

Ich schüttelte grinsend den Kopf und biss mir auf die Lippen, um nicht wieder in Gelächter auszubrechen. »Phil braucht Hilfe im Club«, sagte ich und hoffte, dass diese Erklärung ihm genügte.

Nolan runzelte die Stirn und warf mir einen kritischen Blick zu. Doch er hakte nicht weiter nach, wofür ich wirklich dankbar war. »Ich hab heute Abend noch etwas Zeit. Wie sieht es bei dir aus?«

»Gleich heute? Aber du hast Geburtstag!«, widersprach ich.

»Na und? Ich bin erst später mit Darren verabredet.« Dankend nahm ich sein Angebot an. »Gut, dann um sieben, nach dem letzten Kurs«, sagte er. »Und zieh dir hohe Schuhe an. Du sollst gleich das richtige Gefühl bekommen. Poledance ist etwas anderes als Hip-Hop oder Ballett. Etwas ganz anderes.«

Carrie

»Und eins, zwei, drei und vier! Fünf, sechs, sieben, acht …« Mit kritischem Auge ging ich wenig später durch die Reihen und beobachtete die fünfzehn Kids aus meinem Kurs. Sie waren alle um die zehn, elf Jahre alt und hatten erst vor Kurzem mit dem Tanzen angefangen. Auch wenn nicht immer alles auf Anhieb klappte, hatten sie dennoch ihren Spaß. Und das war das Wichtigste. David hatte die Zunge zwischen die Lippen geklemmt und lachte, als er aus dem Schritt kam. Toby hinkte wie immer dem Takt hinterher, und Jenna bewegte ihre Hüften geschmeidiger als alle anderen – aus ihr würde etwas werden.

Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie schwer es anfangs war, die Koordination der Bewegungen hinzukriegen, die richtige Reihenfolge der Schritte, gleichzeitig Körperspannung zu bewahren und dabei locker zu wirken. Ich übte nun schon seit ich laufen konnte, und hatte noch immer so viel zu lernen. Als ich nach San Francisco kam, hatte ich noch nie ein Tanzstudio von innen gesehen. Sam, ein Junge aus dem Heim, in dem ich aufgewachsen war, hatte so viel Rhythmus im Blut gehabt und mich damit angesteckt. Wir hatten auf den Straßen zwischen Müll und Autowracks getanzt, wollten mit den Großen mithalten, die wirklich gut waren. Ich hatte abends im Licht der Straßenlaterne vor den großen Schaufenstern geübt, um die Bewegungen zu beobachten, die ich mir beim Street Dance abgeguckt hatte. Aufgeschürfte Handflächen, zerschrammte Knie oder Verstauchungen der Knöchel waren an der Tagesordnung. Das Leben auf der Straße war rau, aber ich war fest entschlossen gewesen, mich nicht unterkriegen zu lassen. Die Musik und das Tanzen halfen mir dabei. Umso glücklicher war ich, dass diese Kinder die Möglichkeit bekamen, hier zu trainieren, und ich gab mein Bestes, um ihnen alles mit möglichst viel Spaß zu vermitteln.

»So, und jetzt geben wir noch mal richtig Gas!« Wild Things von Alessia Cara erklang, unser Abschlusssong. Ich stellte mich vor die Gruppe und zählte den Einsatz an. Ich hatte aus einfachen Schritten eine kleine Choreo gebastelt, die leicht zu tanzen war und den Kids das Gefühl gab, etwas zu beherrschen. Nach einigen Wochen des Übens lief die Abfolge schon ganz gut. Ich war zufrieden.

Ich klatschte in die Hände, als die Musik verstummte, und beendete die Stunde. »Danke, ihr wart klasse!« Sie stimmten ein und bejubelten sich gegenseitig für ihre Performance. Ich grinste und schlug bei jedem einzeln ein, bevor er den Saal verließ.

Im Anschluss riss ich die Fenster auf und entließ den Mief nach draußen. Der Tag war lang gewesen. Der Battle mit Nolan steckte mir noch in den Knochen. Er hatte mich ordentlich gefordert, aber es hatte wahnsinnig Spaß gemacht. Nun fürchtete ich die Einheit, die an der Stange auf mich wartete. So wie ich Nolan als Trainer kannte, würde er nicht zimperlich sein.

Nachdem ich mir wie befohlen hohe Schuhe angezogen hatte, die ich zwischen zwei Kursen von zu Hause geholt hatte, gab Nolan auch gleich Vollgas. »Füße an die Stange, eng zusammen.« Nolan warf nur so mit Kommandos um sich, und ich versuchte, ihm zu folgen. »Rechten Arm nach oben … Hüfte nach außen … gerade bleiben! Bein strecken … Kinn hoch … Komm schon, Süße, etwas lockerer. Du bist doch sonst nicht so verkrampft. Du musst sexy sein. Als wolltest du den Gaffer im Sessel wie ein Eis am Stiel im Hochsommer ablecken.« So ging es tatsächlich eine Stunde lang, bis er endlich ein Einsehen hatte und die erste Übungseinheit für beendet erklärte.

Meine Füße schmerzten von den Stilettos, meine Handgelenke zitterten vor Anstrengung, meine Kniekehlen waren aufgeschürft, und ich spürte bereits mehrere blaue Flecke an Beinen und Hüfte. Nolan hatte nicht zu viel versprochen, als er sagte, ich solle mich auf etwas gefasst machen. Hip-Hop war konditionell schon schweißtreibend, aber Poledance forderte Muskelgruppen, die scheinbar die letzten vierundzwanzig Jahre nicht von mir beansprucht worden waren. Oder die ich schlicht und ergreifend nicht besaß. Ich schaffte es kaum die Stufen runter zum Ausgang, ohne Nolan bei jedem Schritt zu verfluchen.

Trotzdem hatte die Stunde erstaunlich viel Spaß gemacht. Jetzt sehnte ich mich nur noch nach Entspannung und einem eiskalten Drink.

Nolan wartete frisch geduscht mit einem breiten Grinsen an der Ausgangstür auf mich. »Na, Sexy, Lust auf einen kleinen Absacker? Oder bist du zu fertig?«

»Du meinst, weil du mich kaputtgekriegt hast? Keine Chance. Mir geht’s gut. Was hast du vor?«

»Darren arbeitet heute im Beach Rocks, und wir wollten danach noch –«

»Keine Details, bitte!«, schnitt ich ihm das Wort ab.

Er zwinkerte mir zu und verlor sich in einem schmachtenden Blick. Ich schüttelte lachend den Kopf, dass mir die nassen Haarsträhnen ins Gesicht klatschten.

»Du bist unverbesserlich.«

***

Der Abend war schwül, die Hitze des Tages hatte sich wie eine Decke über die Stadt gelegt. Ich konnte die frische Brise am Meer kaum erwarten. Wir drehten die Musik auf und fuhren in Nolans Cabrio laut singend die kurze Strecke zum Strand.

Der Parkplatz des Beachclubs war zur Hälfte belegt. Es war Montag, ein ruhiger Abend, wenngleich der ein oder andere Touri sich mit einer Kamera bewaffnet an den Strand gestellt hatte und auf den ultimativen Schnappschuss beim Sonnenuntergang wartete.

»Hey, ihr zwei!« Phoebe begrüßte uns mit einem Lächeln und blieb für einen kleinen Plausch an der Tür zur großen Sonnenterrasse stehen. Nolan und ich waren seit der Eröffnung vor zwei Jahren regelmäßig hier und hatten uns mittlerweile mit der kleinen, aber toughen Blondine angefreundet. Ich bewunderte Phoebe, denn sie hatte sich mit dieser Bar ihren ganz großen Traum erfüllt. Mit wenig Geld war sie aus Sacramento nach San Francisco gekommen und hatte aus einer leerstehenden Surfschule eine angesagte Strandbar gemacht, die sich bereits im ersten Jahr zum absoluten Renner entwickelt hatte – das Beach Rocks. Im Innenbereich war mit Sand und gemütlichen Holzmöbeln, gigantischen Sitzsäcken und vielen exotischen Pflanzen ein karibisches Strandfeeling geschaffen worden, in dem man sich auch bei dem für die Stadt so typischen Nebel wohlfühlen konnte. Die weitläufige Terrasse mit Blick aufs Meer bot mit ihren Sesseln und Sofas, den großen Palmen und bunten Sonnenschirmen viel Platz für die beliebten After-Work-Partys. Auch hier war der Boden mit Sand bedeckt. Phoebe öffnete mittags, bot Snacks und Softdrinks hauptsächlich für die Touristen an, und abends, wenn das Schauspiel des Sonnenuntergangs vorbei war, kehrten diese in die Bar ein, um noch einen Absacker zu trinken.

Wir bestellten zwei alkoholfreie Cocktails, und sie zwinkerte Nolan verschwörerisch zu. »Ich schicke euch Darren, er wird sich um euch kümmern.«

Ich grinste, als Nolan tatsächlich rot wurde, und ließ meinen Blick über die Terrasse schweifen. Nur wenige Gäste hatten sich an diesem Abend in der Bar eingefunden, und wir ergatterten einen der begehrten Plätze auf der großen Sonnenterrasse. Die meisten von ihnen trugen noch ihr Business-Outfit, kamen vermutlich gerade aus ihren Büros, um hier am Meer nach einem harten Tag zu entspannen. Ich war froh, dass ich mich nie in solch steife Klamotten zwängen musste, und grinste, als ich unter den Tischen ihre nackten Füße im Sand entdeckte.

Ich ließ mich in einen der gemütlichen Loungesessel fallen, streifte meine Sneakers ab und bohrte meine Zehen ebenfalls in den kühlen Sand. Hmm, das tat gut. Das Salz der Meeresluft legte sich bereits nach kurzer Zeit auf meine Lippen, der Geschmack von Freiheit und Urlaub. Ich war jeden Tag froh, das Meer nicht allzu weit von meinem Zuhause zu wissen.

»Hi, Carrie, hey, Schatz.« Darren stand mit einem Tablett beladen an unserem Tisch und stellte die Cocktails vor uns ab. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören, so versunken war ich in meine Gedanken gewesen. Nolan stand auf, und sie umarmten sich. Ein kurzer, aber inniger Kuss war alles, was ich zu sehen bekam.

Darren bedauerte, dass er noch zu tun hatte, und verschwand schon wieder zu den nächsten Gästen. Somit lehnten wir uns mit unseren Gläsern in den Händen zurück und ließen unsere Blicke schweifen. Ich über die anderen Gäste, Nolan über Darrens Hintern.

»Ist dir bewusst, dass du ihn gerade mit deinen Blicken ausziehst?«, fragte ich ihn leise, damit Darren es nicht hörte.

Nolan nickte und schnurrte. »Ja … Er ist aber auch ein Augenschmaus.«

Ich konnte ihm nur recht geben. Darren überragte Nolan um einen halben Kopf, seine Brust war noch einen Tick breiter und sein Hintern – soweit ich das in den engen Jeans, die er trug, beurteilen konnte – ebenso knackig. Seinen dunklen Teint hatte er dem Segeln zu verdanken. Laut Nolan verbrachte er jede freie Minute auf seiner kleinen Yacht und hatte ihn bereits auf einen Törn eingeladen. Er hätte ebenso wie Nolan einem Modemagazin entsprungen sein können. Als Model für Unterwäsche oder Sportmode wohlgemerkt. Die beiden waren erst seit wenigen Wochen ein Paar, und alles war noch neu und frisch. Ich wünschte ihnen von Herzen, dass sie glücklich miteinander würden. Nolan hatte es mehr als verdient.

»Ein Verlust für uns Frauen. Ihr alle beide«, beteuerte ich und blickte Darren ebenso schmachtend hinterher wie Nolan. Als er mich ertappte, lachte er laut auf.

»Vielleicht solltest du dich auch mal wieder verabreden.«

»Mit wem denn, bitte schön?« Ich strich mir meine langen, windzerzausten Haare aus dem Gesicht und verfluchte, dass ich mein Haargummi im Waschraum hatte liegenlassen. Kurzerhand zwirbelte ich sie mir zum Zopf und steckte das Ende unter einen Träger meines Tops. Wie oft hatte ich mir schon vorgenommen, mal wieder zum Friseur zu gehen, um meinen glatten, langweilig braunen Haaren einen neuen Schnitt verpassen zu lassen. Vielleicht einen Bob wie meine Freundin Olivia ihn trug. Aber irgendwie war ich doch zu bequem und band sie lieber zu einem Zopf, damit sie mir nicht im Weg waren. Beim Tanzen störte mich ohnehin jedes einzelne Haar, das lose umherflatterte. Und wenn ich ehrlich war – ich verbrachte ungern länger vor dem Spiegel als unbedingt nötig.

»Keine Ahnung. Geh mal wieder aus, flirte und lerne jemanden kennen. Das ist doch nicht so schwer.« Er sah mich mitfühlend an, ich rollte mit den Augen. Ich war schon so lange mit keinem Mann mehr zusammen gewesen, dass ich gar nicht mehr wusste, wie das ging: flirten. »Ich hab’s doch auch geschafft. Ich meine – wäre ich nicht auf Darren zugegangen …«

Diese Leier hörte ich nicht zum ersten Mal. Die beiden passten wie Topf und Deckel zusammen, und ich war die Erste, die sich mit ihnen freute, aber das bedeutete nicht, dass ich mir auf einmal auch einen Partner suchen musste. Seit Kurzem lag er mir sogar mit möglichen Viererdates in den Ohren.

Ich seufzte. »Ja, ich weiß. Aber ich bin nun mal nicht du. Nach Jordan hab ich erst mal die Nase voll. Ich brauche keinen Mann, um glücklich zu sein. Das krieg ich auch ganz gut alleine hin.« Bevor ich eine Pleite nach der anderen erlebte, blieb ich lieber allein. »Mein Liebesleben steht hier auch gar nicht zur Debatte.«

»Welches Liebesleben?«, konterte er. »Du bist hübsch und du bist jung. Hab doch einfach mal Spaß!« Ich wollte zu einer schnippischen Erwiderung ansetzen, da gesellte sich Darren zu uns.

»Wenn ich den Tresen fertig habe, mache ich Feierabend. Dann komme ich zu euch, okay?«

»Ich freu mich, Süßer«, raunte Nolan ihm zu, allerdings so laut, dass ich es auch hören konnte. Ich verdrehte die Augen. Mir war klar, dass ich – sobald Darren sich zu uns setzte – abgeschrieben sein würde. Nach einem letzten Blick auf Darrens Knackarsch wandte Nolan sich wieder mir zu.

»Hey, hör mal, Sugar. Ich möchte am Samstag eine Party schmeißen. Man wird ja schließlich nicht alle Tage dreißig. Kommst du auch?«

»Ich dachte, Geburtstage werden mit dem Alter nicht mehr so wichtig?«, foppte ich ihn. Hab ich’s doch gewusst!

»Na ja … Die dreißig kann ich ja nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen. Auch, wenn ich das gerne würde.«

»Nun tu nicht so, als wäre das Leben mit dreißg schon vorbei.« Nolan hatte ein Problem mit dem Älterwerden. Was für ein Quatsch. Dank seines täglichen Trainings war er top in Form und würde jedem Zwanzigjährigen den Rang ablaufen. Aber er machte das Alter an einer Zahl fest, statt daran, wie er sich fühlte.

»Lässt sich ja eh nicht ändern. Also, was ist? Bist du dabei?«

»Was für eine Frage! Na logo. Das lasse ich mir auf gar keinen Fall entgehen.« Nolans Partys waren legendär. Es gab Cocktails in rauen Mengen, ein befreundeter DJ legte auf, und es wurde getanzt bis zum Sonnenaufgang. Da ließ er sich nicht lumpen, genoss er es doch, an solchen Tagen im Mittelpunkt zu stehen.

»Klasse. Wir feiern im Studio, da ist am meisten Platz. Hilfst du mir bei den Vorbereitungen?«

»Jederzeit.«

»Bring Phil mit. Und Liv, wenn sie Zeit hat. Ich hab ihr schon auf die Mailbox gequatscht. Ich hab einige alte Freunde aus New York eingeladen, da sind einige Schnittchen für euch dabei«, spielte er sogleich wieder auf mein Single-Dasein an und ließ seine Augenbrauen auf und ab zucken. Ich prustete los.

»Wenn du willst, dass ich weiterhin für dich arbeite, hörst du jetzt besser damit auf, mich verkuppeln zu wollen«, warnte ich ihn lachend, aber mit erhobenem Zeigefinger.

»Ja, ja, wer nicht will, der hat schon. Aber beschwere dich später nicht, wenn Liv dir die coolen Typen vor der Nase wegschnappt.«