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Der spanische Conquistador Francisco Pizarro González eroberte das Reich der Inka. Mit seinen drei Halbbrüdern und Begleitern erkundete er Mittel- und Südamerika und sammelte Gold und Reichtümern. Dies ist die Geschichte dieses Manne, nach alten Quellen erzählt von Arthur Schurig. Zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehört dieses Meisterwerk eines Ausnahmekünstlers mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend sind die E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".
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Seitenzahl: 302
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Arthur Schurig
Nach den alten Quellen erzählt von Arthur Schurig
1922
Carl Reissner Dresden
Mein Ende 1917 im Insel-Verlag zu Leipzig erschienenes Buch »Die Eroberung von Mexiko durch Ferdinand Cortes« wollte das unvergeßbar schwere Schicksal des Kulturvolkes der Mexikaner zur Zeit des Einbruchs der Abendländer in die Erinnerung der Deutschen zurückrufen. Der Nachhall ist nicht ausgeblieben. Gerhart Hauptmanns »Weißer Heiland«, Eduard Stuckens »Weiße Götter« und Klabunds »Montezuma« legen wohl Zeugnis davon ab. Es ist bedeutsam, daß sich alle drei Dichtungen auf die Seite des überfallenen und vergewaltigten Volkes stellen.
Das vorliegende Pizarro-Buch war von vornherein als Gegenstück zum Cortes-Buche geplant. Es stützt sich im ersten Drittel vor allem auf den zuerst 1534 in Sevilla (por Bartolomé Perez, in Folio, 45 unnumerierte Blätter) gedruckten Bericht: »Verdadera relacion de la conquista del Peru« von Francisco de Xerez, dem Geheimschreiber Francisco Pizarros in den Jahren 1530 bis 1534 Ergänzungen und Fortsetzungen dieses Berichtes bilden die erhaltenen Aufzeichnungen einiger andern Augenzeugen, so insbesondre der Bericht des Miguel Estate, – ein amtliches Schreiben von Hernando Pizarro (1533), – die »Relacion del Descubrimiento y Conquista de los Reynos del Perú« von Pedro Pizarro (vollendet 1574), – die »Historia del Descubrimiento y Conquista de la Provincia del Perú« von Augustin de Zarate (Antwerpen 1555, in Quarto), – die »Cronica del Perú« von Cieza de Leon (Sevilla 1553) und weniges andre. Die späteren, Chronisten sind im Laufe der Erzählung gelegentlich genannt. Benutzt ist auch die ehedem vielgelesene deutsche Übersetzung: »Geschichte der Eroberung von Perú« (Leipzig, F. A. Brockhaus, 1848, 2 Bände) des gleichnamigen englischen Werkes von William H. Prescott. Andere deutsche Darstellungen des Lebens und der Taten Francisco Pizarros und seiner Brüder, von denen Hernando und Gonzalo hervorragen, sind mir nicht bekannt. Auch hat sich wohl noch kein Dichter des packenden Stoffes irgendwie angenommen.
Arthur Schurig Dresden, am 18. Januar 1922
Francisco Pizarro (1478–1541), der spätere Generalkapitän, Marques und Ritter des Santiago-Ordens, Kaiserlicher Statthalter von Neu-Kastilien, berühmt als Eroberer von Perú, ist geboren in Truxillo, einer ländlichen Stadt des Gaues Estremadura. Sein Vater war Gonzalo Pizarro, einer der zahlreichen armen Edelleute, die in allen Jahrhunderten die Königlichen und Kaiserlichen Ranglisten zieren. Er hat es bis zum Obristen im Fußvolk gebracht und ist unter den üblichen Auszeichnungen Teilnehmer an verschiedenen Feldzügen, insbesondere in Italien unter Gonzalo von Cordova, dem Gran Capitano, gewesen. Verheiratet war dieser Pizarro mit einer Dame aus altem Geschlecht. Ein Sohn aus dieser Ehe ist Hernando Pizarro, von dem im Laufe dieser Erzählung des öfteren die Rede sein wird. Er ist, hundert Jahre alt, um 1565 in Truxillo gestorben.
Witwer geworden, beglückte der alte Haudegen Gonzalo eine junge Magd namens Francesca Gonzales mit flüchtiger Liebschaft. Ihr hat Francisco Pizarro sein Leben zu verdanken. Später ist sie die Mutter eines gleichfalls unehelichen Sohnes geworden, der als Martino de Alcantára ein abenteuerliches Dasein führte.
Ein dritter und vierter Bruder oder vielmehr Halbbruder unseres Francisco Pizarro, von andern Geliebten des Vaters stammend, sind: Juan Pizarro (gefallen 1536) und Gonzalo Pizarro (1506–1548). Auch auf diese beiden kommen wir zurück.
Eine Verwandte vom Oberst Pizarro war die Mutter des Ferdinand Cortes (1485–1547), des Eroberers von Mexiko: Katilina Pizarro Altamirano.
Francisco Pizarro wuchs auf dem väterlichen Gut auf. Das früheste, was wir von ihm wissen, ist, daß er als kleiner Junge die Schweine hütete. Seine Feinde haben ihn ob dieser homerischen Beschäftigung gelegentlich den »Porquero« (Sauhirt) gescholten. In eine Schule ist er nie gegangen. Lesen und Schreiben blieb ihm fremd. Ja, es wird berichtet, daß er nicht einmal seinen Namenszug malen konnte, sondern zeitlebens nur einen selbstbewußten Schnörkel unter die diversen Dokumente zu setzen pflegte. Gesagt sei allerdings, daß im damaligen Spanien manch hoher Herr mit Tinte und Feder ebensowenig wie dieser glückliche Landsknecht umzugehen verstand.
Was unser Francisco bis zu seinem 32. Lebensjahre trieb, ist der Nachwelt im Einzelnen leider unbekannt. Wahrscheinlich ist er mit sechzehn oder siebzehn Jahren Soldat geworden und hat früh zu befehlen gelernt. Er war von kräftigem Körperbau, gewöhnt an Mühsal und Entbehrung. Mit Passion saß er auf einem guten Pferde, liebte das Ballspiel, schwamm wie eine Fischotter und begab sich leidenschaftlich gern in Gefahr. Vom Hazard, besonders wenn ihm die liebe Frau Fortuna ihre Rückseite zeigte, bekam man ihn nicht so leicht weg, es sei denn, Soldatenpflichten riefen ihn. Den Tafelfreuden hingegen gab er sich maßvoll hin. Auch beim Becher verlor er nie seine Würde. Seine Kleidung war immer schlicht und solid, auch in späteren Jahren, wo er ein berühmter und machtvoller Mann war. Hierin glich er Hannibal und Bonaparte. Dem obersten Führer dürfen nur Roß und Degen kostbar sein.
Am 11. Juni 1496 kehrte Kolumbus von seiner ersten Amerikafahrt zurück. Alsbald war ganz Spanien erfüllt von phantastischen Eroberungsplänen. Vermutlich hat sich Pizarro an der zweiten Reise des großen Entdeckers beteiligt, die am 30. Mai 1498 von Sevilla aus vonstatten ging. Der Zwanzigjährige verblieb in der Neuen Welt; aber erst 1510 hören wir Bestimmtes davon.
In diesem Jahre beteiligte er sich, von Hispaniola (Haiti) aus, an einer Unternehmung des abenteuerlichen Ritters Alonzo de Hojeda, nach Neu-Andalusien, auf der Tierra Firme (Festland) am Golf von Darien. Ursprünglich wollte sich auch Ferdinand Cortes, der damals in San Domingo (auf Haiti) weilte, an diesem Zug beteiligen, aber sein glücklicher Stern hielt ihn im letzten Augenblick ab.
Der Versuch, sich in Uraba festzusetzen, mißlang. Hojeda für seine Person begab sich sehr bald nach Hispaniola zurück, um Hilfskräfte heranzuholen. An seiner Stelle blieb Franzisco Pizarro zurück. Aber die giftigen Pfeile der Karaiben lichteten die kleine Schar der Ansiedler, und schließlich mußte sich der winzige Rest auf einem kleinen Fahrzeuge einschiffen.
Auf der Fahrt nach Veragua (auf dem Isthmus) traf man ein Schiff des Enciso, von dem nochmals die Rede sein wird, bei dem sich auch der alsbald berühmt gewordene Vasco Nunez de Balboa befand. Mit diesem schloß Pizarro Freundschaft. Balboa machte sich eigenmächtig zum Führer der neuen Niederlassung Santa Maria, und von diesem Ort aus unternahm er mit dreihundert Mann – darunter Pizarro – am 1. September 1513 einen denkwürdigen Zug. Es gelang ihm am 25. September desselben Jahres als erster Europäer die bis dahin legendäre Südsee zu erblicken. Unter feierlicher Entfaltung der Fahne Kastiliens nahm er Besitz von dem neuen Lande am San Miguel-Golf, wie er ihn taufte. Am 19. Januar 1514 traf die Expedition, reich an Gold und Perlen, wieder in Santa Maria ein.
Nach Balboas Tode (1517), der den Intrigen von Rivalen zum Opfer fiel, oder wohl schon vordem, schloß sich Pizarro dem grausamen und berüchtigten Avila, genannt Pedrarias, an, dem Statthalter der Castilla aurifia. In dessen Dienst nahm er an verschiednen gefahrvollen Entdeckungs- und Raubzügen in das Innere der Landenge teil.
So wurde Francisco Pizarro i. J. 1515 zusammen mit einem adern Ritter namens Morales nach dem Gestade der Südsee ausgesandt. Es galt, die Perleninsel im Golf von San Miguel zu brandschatzen. Beide Führer haben hier aus Habgier manch üble Tat begangen.
1519 ward die Stadt Panama gegründet, in so ungesunder Gegend, daß man die ursprüngliche Ansiedlung bald wieder aufgeben und in einiger Entfernung neu erbauen mußte. Wiederum war der Hauptmann Pizarro dabei, noch immer kein reicher Mann. Bereits über vierzig Jahre alt und längst kein Neuling auf amerikanischer Erde mehr, besaß er damals nichts als eine kleine Farm in schlechter Gegend.
Da brachte im Jahre 1522 der Ritter Pascual Andagoya, auf der Heimkehr von einem Zuge, der bis Puerto de Pinas vorgedrungen war, die ersten allerdings märchenhaften Nachrichten von einem mächtigen, goldstrotzenden Kulturreiche noch weiter im Süden. Es war das nachmalige Peru. Diesen Namen hatte das Land damals noch nicht. Seine Herkunft ist ungewiß. Die älteste Schreibweise lautet: Pirú. Vielleicht rührt der Name von dem Flusse Birú her, dessen Mündung die Bezeichnung Puerto de Pinas trägt, und Birú war in der Sprache der dortigen Eingeborenen nicht der Name des Flusses, sondern bedeutete nur »der Fluß«. Nach andern hieß der Kazike (Häuptling), dem Pizarro später (1526) genauere Nachrichten über das Land seiner Hoffnung verdankte, Pirú. Nach einer dritten Überlieferung soll es in einem der Täler des Landes einen Stamm Pirú gegeben haben. In der Inkasprache hieß das Reich: Tahuantinsuyu, d. h: Vier-Sonnen-Land. Zur Zeit der Entdeckungen war Peru alles Gebiet zwischen den heutigen Staaten Colombia und Chile. Viel später haben sich die Staaten Ecuador und Bolivia gebildet. Heute stößt Peru an Ecuador, Brasilien, Bolivia und Chile, ohne daß allenthalben seine Grenzen feststünden. Sein jetziger Umfang (mit seiner Hauptstadt Lima) umschließt etwa 1 300 000 Quadratkilometer Bodenfläche.
Durch dieses ganze Land, vom 4. bis zum 18. Grad südlicher Breite, zieht sich die Sierra von Perú hin, in einer Länge von 1550 km, etwa gleich der Entfernung von Christiania bis Mailand. Diese Sierra ist ein Teil der Cordilleren oder Anden (d. h. Kupferberge); die höchste Erhebung im Gebiet von Perú ist der dreiköpfige Coropuna, 6600 m hoch.
Zur Zeit, da Pizarro sein Augenmerk auf Perú richtete, erstreckte es sich als das Reich der Inkas, längs des Stillen Ozeans ungefähr vom 2. bis zum 37. Grade südlicher Breite, also in einer Länge von mehr denn 3000 km. In das Innere des Kontinents reichte es mehrfach weit über die Cordilleren.
Die Inkas, ein kleines Herrenvolk, ursprünglich wohl keine Amerikaner, sondern fremdländische Seefahrer, Mongolen oder vielleicht Wickinger, um das Jahr 900 nach Südamerika verschlagen, seit etwa 1150 in Kuzko und am Titikaka-See ansässig, hatten um 1325 alle ändern bildungsärmeren Stämme an der langen Küste unterjocht. Überall hatten sie Heeresstraßen und Burgen angelegt und den Unterlegenen ihre Religion aufgezwungen, den Sonnenkult.
Noch der Großvater des Herrschers, der zu Pizarros Zeit auf dem Throne saß, der in der Landesgeschichte berühmte Topak Yupanki der Große, hatte gegen andre Stämme blutige Feldzüge unternommen. Er hatte sein Heer durch die gefurchtete Wüste Akatama geführt und war bis in den Süden des heutigen Chile gedrungen. Topak Yupankis Sohn, Huayna Kapak, nicht minder kriegerisch, hatte seine Eroberungen entlang der Sierra nach Norden ausgedehnt, über den Äquator hinaus, und hatte seinem Reiche die Provinz Quito hinzugefügt.
Königstadt war Kuzko, »die heilige Stadt«, im Tale des Huatanay, eines Nebenflusses vom Urubamba, 3800 m hoch in den Bergen. Es ist heute noch (mit 30000 Einwohnern) die berühmteste, wenn auch nicht reichste Stadt Perus. «Hoch über ihr ragte stark befestigt die Königsburg. Auf dem Hauptplatze der Stadt prangte das berühmteste Gotteshaus des Reiches, die »Korikancha« (der goldene Hof)- Neben dem Sonnentempel stand das hochangesehene prächtige Kloster der Sonnenjungfern.
Wahrscheinlich hatte der König Huayna Kapak Kunde von den Eroberungs- und Raubzügen. der Europäer, die sich im Norden, auf dem Isthmus, festgesetzt hatten. Als er sein Ende herannahen fühlte, versammelte er seine Generale, Minister und Oberpriester um sich und verkündete ihnen schlimme Zeiten. Er war der dreizehnte Herrscher in der Reihe seiner Familie. Er starb gegen das Jahr 1525.
Rechtmäßiger Thronerbe war der Prinz Huaskar, der Sohn seiner Frau und Schwester. Nun aber hatte Huayna Kapak nach Eroberung des Landes Quito Gefallen daran gefunden, im Schlosse des besiegten Königs zu residieren und dessen hinterlassene Tochter in seinem Harem aufzunehmen. Sehr bald besaß die junge Schöne sein Herz, und, obgleich nach des Landes Sitte nur Inka-Töchter das Recht dazu hatten, erhob er sie zu seiner rechtmäßigen Gemahlin, zur »Koya«.
Der Sproß dieser letzten Liebe des Königs war Prinz Atahuallpa, ein lebhaftes, kluges, rassiges Kind. Sein Vater zog ihn allen seinen älteren Söhnen vor. Schon als noch kleinen Jungen nahm er ihn mit ins Feld, teilte sein Zelt mit ihm und aß mit ihm aus einer Schüssel.
In seinem Letzten Willen verfügte er, daß »Inka Huaskar sein Nachfolger auf dem Throne Perus werden, Inka Atahuallpa aber die Krone von Quito tragen solle« auf die er den natürlichsten Anspruch habe. Beiden Brüdern gebot er Frieden und Freundschaft unter sich zu halten.
Damit glaubte er gut und recht entschieden zu haben, aber er zerstörte sein eigenes Werk und untergrub die Einheit im Reiche. Er war bei seinem Volk beliebt gewesen. Sein Tod wurde im ganzen Lande betrauert. Sein einbalsamierter Leichnam ward feierlichst nach Kuzko gebracht und im Sonnentempel beigesetzt. Sein Herz verblieb im Tempel seiner geliebten Stadt Quito. Viele seiner Haremsdamen und Höflinge begingen, uralter Sitte gemäß, Selbstmord, um den dahingegangenen verehrten König auf dem Gang in die Sonnenheimat begleiten zu dürfen.
In den Jahren 1525 bis 1527 herrschte Atahuallpa im Lande Quito, während im Reiche Peru zunächst noch die Kaiserin-Witwe Kiui Tschimpu Rahua, unterstützt vom Vormund und Oheim des Kronprinzen, dem General Tschalkutschima, die Regierung ausübte.
Am 13. August 1521 hatte Ferdinand Cortes durch die Erstürmung der ihm entrissenen Hauptstadt Temixtitan die Eroberung von Mexiko besiegelt. Die Kunde seines genialen Feldzuges hatte die Gemüter aller Spanier diesseits wie jenseits des Atlantischen Meeres von neuem erhitzt. Ein Conquistador wie der Markgraf vom Tale Oaxaka zu werden, war aller abenteuerlichen Seelen höchster Traum. Auch Francisco Pizarro berauschte sich an der Kunde von diesen kühnen Taten, und gewiß hat er die Erstdrucke der berühmten beiden Briefe des Cortes an Kaiser Karl V. aus den Jahren 1520 und 1522 gelesen. Sie sind in Sevilla 1522 und 1523 von einem deutschen Drucker Jakob Kronberger prächtig in Folio gedruckt.
Der Lorbeer seines Landmannes und die Sage vom Goldlande hinter den Cordilleren ließen Pizarro nicht mehr schlafen. Mit noch zwei andern, mehr gold- als ehrsüchtigen Männern beriet er seinen Plan wieder und wieder. Diesen beiden Abenteurern gebühren hier einige Worte.
Der eigenartigere und markantere ist Diego de Almagro, ein Offizier, der von der Pike auf gedient und damals schon manchen Sturm erlebt hatte. Man nimmt an, daß er in der Stadt Almagro in Neu-Kastilien geboren ist. Er war ein Findelkind. Heißblütig, störrisch, ungeschlacht, offenherzig, derbgutmütig, tatenlustig und beutegierig: das waren im großen und ganzen seine Eigenschaften; Wein, Weib und Spiel sein Vergnügen. Lesen und Schreiben verstand er nicht.
Der Dritte im Bunde: war der Padre Hernando de Luque, ein verbummelter spanischer Geistlicher, ehedem Schulmeister, dann Vikar an der Stiftskirche in Panama, ein Mann, der es unter den Kolonisten zu einigem Ansehen gebracht hatte, wahrscheinlich als trefflicher Berater in schwierigen Angelegenheiten, ein gerissener Patron, wie man zu sagen pflegt. Im Laufe seiner problematischen Existenz hatte er sich ein kleines Vermögen zusammengescharrt. Er gilt als der Geldgeber in diesem Triumvirat; in Wirklichkeit standen hinter ihm andre Leute, in Amt und Würden, die sich nur heimlich zu beteiligen wagten. Wir kommen später hierauf zurück. Unter anderen war zunächst der Statthalter Pedrarias pekuniär am Unternehmen beteiligt.
Die beiden Capitanos stellten je ein Schiff samt Ausrüstung aus eigenen Mitteln. Pizarro wurde Befehlshaber, Almagro Intendant. Pizarro hatte die Soldaten und Schiffsleute anzuwerben, einheitlichen Geist in die bunte, nicht leicht zu behandelnde Landsknechtshorde zu bringen, ihre Pferde und Waffen zu prüfen usw. Almagro sollte die Lebensmittel und Tauschwaren besorgen, den Sold der Leute auszahlen und anderes mehr. Luque beabsichtigte in Panama zurückzubleiben, um den Nachschub zu regeln.
Sowie die amtliche Erlaubnis vom Statthalter erteilt war – Versprechen aller Art halfen da notgedrungen nach –, ging es an den Kauf der Schiffe und ihre Ausrüstung. Die größere der beiden Karavellen hatte sich Balboa bauen lassen, in der nämlichen Absicht, Peru zu entdecken. In den sieben Jahren seit seiner Hinrichtung hatte es abgetakelt im Hafen von Panama gelegen.
Schwieriger war die Anwerbung der Mannschaft. Franzisco de Xerez, Pizarros späterer Geheimschreiber, von dem die Nachwelt den anschaulichsten Bericht über die Eroberung von Peru besitzt (zuerst gedruckt in Sevilla 1534), erzählt, es seien damals 112 Mann einschließlich einer Anzahl von Indianern (als Diener und Träger) zusammengekommen. Wirklich Kampffähige wären es keine 80 Mann. Wahrscheinlich wurde jeder angeworben, der leidlich gesund and bewaffnet antrat. Auch ohne daß wir das Vorleben aller dieser mehr oder minder dunklen Ehrenmänner kennen, dürfen wir annehmen, daß es eine wahre Teufelsbande gewesen sein mag. Das Gold war das heilige Zeichen, unter dem sie siegen wollten, und auf das Kreuz des Heilands wurden sie feierlich vereidigt, denn es waren dem Namen nach Christen, die da auszogen, Ungläubige mit dem Evangelium der Menschlichkeit zu beglücken – durch Feuer und Schwert.
Montag, den 14, November 1524, lichtete Pizarros Karavelle die Anker. Almagro sollte mit dem zweiten kleineren Schiffe, das noch nicht fertig ausgerüstet war, baldmöglichst nachkommen. Die gewählte Zeit der Abreise war ungünstig. In der Regenzeit herrschen an der Küste von Panamá bis Lima widrige Winde. Damals hatte man freilich noch keine Erfahrungen hierin.
An der Perleninsel vorüber ging die Fahrt durch die große Bucht von San Miguel zunächst in Richtung auf das Vorgebirge von Puerto de Pinas, bis wohin, wie gesagt, bereits Andagoya gekommen war. Pizarro hatte sich alle Nachrichten über Peru und die Fahrt dahin verschafft, die nur aufzütreibea waren. Viel war das nicht. Er fuhr buchstäblich in unbekannte Lande.
An diesem ersten Ziele angelangt, im heutigen Colombia, ließ er sein Schiff in die breite Mündung des Birú steuern. Einige Leguas stromauf warf man die Anker aus. Die Streitmacht ging ans Land, etwa 60 Mann und 12 Träger. Die Schiffsleute blieben an Bord. Es begann ein Zug ins Innere, von Pizarro in Person geführt. Der flache Streifen Küstenland, der sich vor den Cordilleren hinzieht, war in der Flußnähe Sumpf und Morast, bewachsen mit Gehölz, dessen wirrer Unterwuchs schwer gangbar war. Weiter weg vom Wasser war der Boden steinig und hügelig. Die Spanier in ihren Stahlhelmen, Panzerhemden und Baumwollenkollern, belastet mit ihren Büchsen, Armbrüsten, Piken und Schwertern, kamen kaum vorwärts. Die Hitze war groß, die Luft heiß und feucht. Als der Capitano sah, daß der Marsch zu nichts führte und daß seine Leute solchen Mühsalen nicht gewachsen waren, brach er die Expedition ab und kehrte nach dem Schiffe zurück.
Man gewann das Meer wieder und landete ein paar Tage später abermals, mehr südlich, begnügte sich jedoch, Holz und Wasser einzunehmen. Auf der Weiterfahrt kam Regen, Gewitter, Sturm. Die See tobte. Das kleine Schiff hielt kaum stand. Das Trinkwasser wurde knapp. Endlich nach zehn Tagen konnte man landen.
Wieder ward weitergesegelt. Man stellte fest, daß Almagro viel zu wenig Vorräte mitgegeben hatte. Fleisch gab es bald nicht mehr. Das Mehl wurde in sparsamsten Portionen verteilt. Natürlich sank damit die Stimmung an Bord von Tag zu Tag, und so verwegen Pizarros Herz auch war, er mußte wohl oder übel den Befehl zur Umkehr erteilen.
In jener Bucht, wo man vor dem großen Sturm Holz und Wasser geholt hatte, ging die Karavelle zum zweitenmal vor Anker. Der Ort trägt noch heute den Namen Puerto de la Hambre (Hungerhafen), zum Gedächtnis der Leiden, die Pizarro und seine Genossen hier zu erdulden hatten. Es war um den 22. Januar 1525.
Das Land war hier genau wie an der Mündung des Birú, flach und sumpfig. Soweit der Blick reichte, starrte undurchdringliches Gehölz, zu beiden Seiten der endlosen Küste. Dahinter strahlte die hohe Sierra, stumm und majestätisch. Nirgends sah man Menschen. In der unheimlichen Einöde flatterten vereinzelte Seevögel, grau wie das Gestade; hier und da am Himmel ein Geier oder Kondor aus den Bergen.
Und doch begrüßten die halbverhungerten Seefahrer dies Land als alten Bekannten inmitten ihrer Verlassenheit. Man landete ein Stück stromauf und baute ein Hüttenlager. Unaufhörlich prasselte der Regen auf das lederharte Laub des Urwaldes. Das eingesalzene Schweinefleisch war längst verzehrt; Mehl gab es nur noch für die Kranken. Als Nahrung dienten zunächst Schaltiere, Beeren und Krauter. Fast alle klagten, jammerten, machten ihrem Führer heimlich und offen Vorwürfe. Pizarro blieb fest: unmöglich konnte er vor Ablauf der ihm bewilligten Dauer des Zuges nach Panama zurückkehren, ohne Gold, ohne die einwandfreie Entdeckung des gesuchten indianischen Kulturlandes. Er wäre für allezeit erledigt und obendrein wirtschaftlich ruiniert gewesen. Und ganz abgesehen von alledem: als Mann, als Soldat, als Held, der fest an sich selber glaubte, durfte er seinen Plan nicht aufgeben.
Er versammelte die Offiziere und die Mannschaft und legte ihnen seinen Standpunkt in knapper, anschaulicher, ehrlicher Rede dar. Er erinnerte an die Ergebnisse und Berichte der früheren Fahrten nach dieser Gegend. An dem Vorhandensein des Goldlandes sei nicht zu zweifeln. Er erinnerte an Cortes und an das Wunderbare, das er mit seiner kleinen unverzagten Schar erlitten und erkämpft hätte. Ohne Mut und Ausdauer sei der gleiche Erfolg unmöglich. Er habe sich entschlossen, die Karavelle nach der Perleninsel zu schicken, um frische Vorräte zu holen und die nicht mehr Felddienstfähigen heimzugeleiten. Die Entfernung sei nicht groß; in zehn, zwölf Tagen könne das Schiff zurück sein – und der neue Versuch, nach Peru vorzudringen, sei ermöglicht.
Pizarros gelassene zuversichtliche Beurteilung der zweifelhaften Lage stimmte die Verzagten um. Als Narr wollte keiner nach Panama zurück. Eitel und stolz ist jeder Spanier. Und das Gold lockte von neuem. So ward einer der Offiziere namens Montenegro mit dem Schiff abgesandt. Pizarro mit etwa 50 Genossen und einigen Indianern verblieb im Lager.
Nach der Abfahrt der Karavelle unternahm er kleine Entdeckungszüge mit Trupps, die er zumeist persönlich leitete. Es galt Nahrungsmittel beizutreiben und womöglich Ansiedlungen von Eingeborenen festzustellen. Aber alle Versuche blieben ergebnislos. Krankheit und Tod lichtete die Schar. Das sehnsüchtig erwartete Schiff ließ sich nicht wieder blicken. Man litt »Hunger und Herzeleid«, wie Xerez in seiner naiven Art berichtet.
Da brachte eine der Patrouillen, die Pizarro klugerweise nach wie vor Tag um Tag aussandte, die Meldung zurück, man habe in der Ferne einen Lichtschein im Walde erblickt. Sofort brach der Capitano mit einer kleinen Schar Freiwilliger auf, um in der bezeichneten Richtung Näheres zu erkunden. In der Tat fanden sie ein indianisches Dorf, dessen Bewohner beim Anblick der seltsamen weißen Männer entsetzt flohen. Pizarro marschierte in das verlassene Dorf und ließ die Lebensmittel aus den Hütten zusammentragen: Mais, Kakao, einige Hühner. Es war wenig, aber den Ausgehungerten köstlich.
Etliche der fortgelaufenen Einwohner kamen aus Neugier wieder in Sicht. Pizarro ließ ihnen seine freundschaftliche Gesinnung bedeuten. Da kehrten sie zurück in ihr Dorf, verwundert, daß Fremde, denen sie nie ein Leid angetan, aus der Ferne gekommen seien, um zu rauben, statt sich in ihrer eigenen Heimat zu erbauen, was sie brauchten.
Die Wilden trugen die Antwort auf ihre Frage um Hals und Handgelenk: das verruchte Gold, den Satan des Abendlandes!
Pizarro hatte eine andre Frage auf dem Herzen: »Was wißt ihr von Perú?«
Man bestätigte ihm die Legende. Zwölf Tagreisen hinter den Bergen habe ein mächtiger König geherrscht, dessen Gebiet von einem noch mächtigeren, weiter im Süden herrschenden Herrn, einem Sohne der Sonne, erobert worden sei. Man meinte den Inka Huayna Kapak, der das Land Quito seinem Reiche einverleibt hatte, schon vor einem Menschenalter. Durch den Tauschhandel, der sich entspann, ward die Lage der Spanier gebessert. Endlich, Mitte März 1525, traf Montenegro mit der Karavelle samt guten Vorräten wieder ein. Seine Verzögerung erklärte sich durch allerlei mißliche Zwischenfälle, insbesondere den Sturm, der das Schiff auf dem Wege nach der Perleninsel verschlagen hatte.
Nach ein paar schlemmerhaften Tagen begab sich Pizarro mit dem Rest seiner Leute – es waren über zwanzig gestorben – an Bord. Abermals ging es entlang der Küste gen Süden. Hin und wieder landete man und machte einen kleinen Streifzug in das Küstengebiet. So stieß man eines Tages auf ein Indianerdorf, dessen Bewohner beim Nahen der Weißen das Weite suchten. Man fand Nahrungsmittel und grobgearbeitete Zierate aus Gold; zugleich aber Menschenfleisch am Rost bratend. Vielleicht wohnte hier ein karaibischer Stamm – oder die Spanier sahen Schreckbilder. Entsetzt suchten sie ihr Schiff auf und segelten weiter.
Nach einem starken Sturm ließ man die Anker an einer flachen Landspitze fallen, die den Namen Punto Quemada bekam. An einem Durchhau im Urwalde erkannte Pizarro, daß in der Nähe eine Niederlassung zu finden sein müsse. Sofort trat er mit der größeren Hälfte seiner Leute einen Erkundungszug an. Eine Legua vom Meere, auf einer Anhöhe, zeigte sich ein Dorf, größer als alle bisher entdeckten, von einer Pfahlmauer umschlossen. Wie immer waren die Eingeborenen geflohen. Es fanden sich reichliche Lebensmittel und auch goldene Schmucksachen, die Pizarro, der sonst streng auf Zucht hielt, der Beutegier seiner Genossen preisgab, denn er wußte, daß der Golddurst, wenn er ab und zu ein wenig befriedigt wird, weiter wächst und währt.
Es stellte sich heraus, daß die ohnehin wenig seetüchtige Karavelle einer gründlichen Ausbesserung bedurfte, ehe man die nicht ungefährliche Küstenfahrt mit Sicherheit fortsetzen konnte. Infolgedessen beschloß Pizarro, das Schiff nach Panama zurückzuschicken, damit es daselbst instand gebracht werde. Zuvor aber würde Montenegro mit der Hälfte der Streitmacht auf einen Erkundungszug in das Innere des Landes abgesandt.
Die Indianer hatten ihr Dorf verlassen, um ihre Weiber und Kinder in Sicherheit zu bringen, behielten aber durch Beobachter die Spanier im Auge. Alsbald sammelten sich ihre Krieger, und wie sie sahen, daß sich der Feind geteilt hatte, beschlossen sie, taktisch richtig, die beiden Abteilungen voneinander abzuschneiden und einzeln anzugreifen.
Nachdem der Trupp des Montenegro einige Leguas marschiert und in die Vorberge der Cordilleren gelangt war, sah er sich urplötzlich rückwärts von buntbemalten nackten Indianern unter grausigem Kriegsgeheul angegriffen. Pfeile und Wurfspieße hagelten auf die kleine Schar. Ein paar Augenblicke herrschte Panik. Dann aber schwärmten die Armbruster aus und eröffneten ihr Feuer. Die anderen griffen die wilden Scharen mit Schwert und Lanze an. Bald waren die Angreifer wieder verschwunden. Drei Spanier waren gefallen; mehrere verwundet.
Inzwischen erfolgte auch der Angriff auf Pizarros Trupp. Der Capitano ließ die Indianer gar nicht erst an die Verschanzung heran, sondern unternahm rechtzeitig einen Gegenstoß. Es kam im Vorfeld zu heißem Gefecht. Pizarro, dessen Rüstung und Befehlsgesten den Führer verrieten, konnte sich der Pfeile kaum erwehren. An sieben Stellen durchstießen sie ihm den Panzer. Die Indianer wurden zurückgeworfen, stürmten aber immer von neuem an. Einmal strauchelte Pizarro. Schon umringte ihn ein Haufen heulender Indianer, aber er richtete sich rasch wieder auf und erschlug zwei der Angreifer. Die übrigen wichen zurück.
Nunmehr rückte Montenegro mit den Seinen an. Da verließen die Wilden den Kampfplatz. Abermals waren zwei Spanier gefallen und mehrere verwundet. Im ganzen waren 5 Mann tot und 17 Mann verwundet.
Pizarro berief einen Kriegsrat. In der Mehrheit war man der Ansicht, Pizarros Zug sei nicht ohne Erfolg. Die Kunde von einem gesitteten Reiche sei bestätigt. Gold sei im Lande. Man müsse das Unternehmen auf besserer und größerer Grundlage fortsetzen und zu diesem Zwecke zunächst nach Panama zurückkehren.
Der Capitäno verschloß sich dem nicht. Er willigte ein, nahm sich aber vor, in eigener Person der Stadt Panama und dem Statthalter fernzubleiben. Er schiffte sich mit seiner Truppe ein und ging in Chicamá, einer spanischen Niederlassung auf der Landenge, westlich von Panamá, ans Land. Von dort aus sandte er die Karavelle samt seinem Schatzmeister Nikolas de Ribera mit einem ausführlichen Reisebericht und dem erbeuteten Gold zu Pedrarias. Dies geschah zu Anfang Juni 1525.
Ende Mai war auch Pedro de Almagro mit dem zweiten Schiffe und etwa 70 Mann in See gegangen, in der Absicht, verabredungsgemäß zu Pizarro zu stoßen. Die vereinbarten Zeichen ließen ihn die verschiedenen Landungsorte seines Genossen auffinden. So gelangte er nach Punto Quemada, wo er ganz wie Pizarro, auf einem Streifzuge ins Innere, an das befestigte Dorf kam. Der kampflustige Almagro erstürmte es an der Spitze seines Trupps und setzte es ergrimmt in Brand. Der Angriff hatte ihn nämlich einen Speerschuß in das eine Auge eingetragen, und trotz aller Pflege verlor er es unter großen Schmerzen.
Die Fahrt ward fortgesetzt, und zwar nach mehreren goldbringenden Zwischenlandungen bis zu einer Bucht von wunderbarer landschaftlicher Schönheit. Es war am 24. Juni, am Johannistage. Deshalb taufte Almagro den dort (ungefähr 4 Grad nördlich des Äquators) mündenden Fluß: Rio de San Juan. Der Fluß ist später insbesondere dadurch wichtig geworden, als er zur Nordgrenze von Pizarros Machtbereich erklärt ward. Die am Ufer gelegenen Dörfer verrieten höhere Kultur als alle bisher gesehenen. Almagro war sich klar, daß Pizarro keinesfalls so weit wie er gekommen war, vielmehr wahrscheinlich bereits wieder nach Panamá zurückgekehrt oder gar spurlos umgekommen sein mochte. Richtigerweise hielt er es für angebracht umzukehren. Er tat es und erfuhr nun an der Perleninsel Pizarros Aufenthalt. Etwa Ende Juli oder Anfang August 1525 trafen sich die beiden Genossen in Chicama. Almagro hatte beträchtlich mehr Gold zusammengeraubt als Pizarro. Dies bestärkte sie in ihrem Glauben an den alten Plan, und so gaben sie sich von neuem das feierliche Versprechen, das Unternehmen unbedingt fortzusetzen.
Almagro begab sieh nach Panama, um des Statthalters Genehmigung zu einer zweiten Ausfahrt zu erwirken und vom Padre de Luque neue Mittel zu bekommen. Pedrarias hatte gerade den Kopf voll. Sein Unterbefehlshaber in Nikaragua war ihm widersetzlich, und so sah er sich genötigt, eine Strafexpedition dahin anzutreten. Als Almagro dem Übelgelaunten seine Sache vortrug, ward er glatt abgewiesen. Am liebsten hätte der ungläubige und eigennützige Pedrarias Pizarros gesamte Mannschaft unter sein eigenes Kommando genommen. In ablehnender Haltung verlangte er Rechenschaft über den Verlust an Leuten während der ihm ergebnislos dünkenden Fahrt nach Peru.
Nunmehr setzte der schlaue Padre alle seine Überredungskunst ein. Auf ihn hatten Pizarros Bericht und Almagros mündliche Erzählung den allerstärksten Eindruck gemacht. Gleich seinen beiden Genossen zweifelte er jetzt weniger denn je am Erfolge des gemeinsamen Planes, sobald man seiner Ausführung ernstlich und zäh alle Kräfte und Mittel widme. Das Unternehmen hatte zwar bereits 15000 Goldpesos gekostet. Was tat das? Eine große Sache erfordert große Mittel. Nun war Pedrarias mit einer kleinen Summe beteiligt. Luque erbot sich, sie ihm sofort bar zurückzuzahlen, und stellte ihm obendrein für den Fall des Gelingens 1000 Goldpesos ihn Aussicht, wenn er die erbetene Genehmigung zu einem zweiten Versuche erteile. Der habsüchtige und geizige Pedrarias widerstand diesem Angebot nicht und erteilte endlich die Genehmigung.
Offenbar standen sich Pizarro und Pedrarias schlecht. Um den immer noch in Chicama Lauernden zu ärgern, verlieh der Statthalter dem Almagro den nämlichen Rang wie jenem. Vermutlich wollte er, daß der eine den anderen im Zaume halte. Pizarro war empört. Man berichtet, er habe geargwöhnt, Almagro hätte den Pedrarias dazu angeregt. Erwiesen ist dies nicht; aber fortan mißtrauten sie einander, ohne es sich merken zu lassen; und Pizarro, der wie alle Kraftnaturen nur zu lieben oder zu hassen verstand, vergaß seinen Verdacht nie wieder.
Um dies vorwegzunehmen; Pedrarias verblieb nicht mehr lange auf seinem Posten. Bereits im Jahre 1526 ward er durch Pedro de los Rios ersetzt. Das war ein Ritter aus Cordova. Die spanische Regierung ließ ihre Vertreter in den Kolonien nicht allzu lange an wichtigen Stellen, damit sie sich nicht zu Alleinherrschern entfalteten. Pedrarias lebte noch etliche Jahre als Privatmann, verstrickt in allerlei unrühmliche Prozesse, teils persönlicher, teils amtlicher Art. Eine großzügige Natur ist er wohl nicht gewesen, wenngleich ihm gewisse Verdienste um den jungen Pflanzstaat kaum abzusprechen sind. Man darf auch nicht vergessen, daß Mustermenschen nach dem Maße heimatlicher Konvenienz in keinem Jahrhundert in einer sich erst entwickelnden Kolonie am Platze sind.
Nunmehr erneuerten die drei Genossen ihren Vertrag, dessen Wortlaut – der Geburtsschein sozusagen des heutigen Perú –, unterzeichnet am 10. März 1526, uns in den noch ungedruckten, um 1620 niedergeschriebenen »Annales« des Lizentiaten Fernando Montesinos erhalten ist. Dieser denkwürdige Pakt, »im Namen des Friedensfürsten« zum grausamen Untergang einer friedsamen Nation ausgefertigt, beschworen auf ein Meßbuch und das Symbol des christlichen Glaubens, verabredete die Eroberung, Vernichtung und Verteilung eines mächtigen Reiches, von dem die drei Vertragsschließenden kaum mehr wußten als vom Land auf dem Mond. Im Gegensatz zur damaligen öffentlichen Meinung, die das Unternehmen der drei Männer geringschätzig belächelte, spricht diese Urkunde von der Größe und den Grenzen, von den Schätzen und Erträgnissen Perús mit einer geschäftlichen Bestimmtheit, wie sie wohl niemals einer Vision zuteil geworden ist.
Pädre de Luque zerbrach nach der Unterzeichnung des Vertrags im Beisein von drei ehrbaren Zeugen – Almagro sowohl wie der nunmehr auch in Panamá weilende Pizarro setzten nur ihre Schnörkel unter das Dokument – eine geweihte Hostie in drei Teile und reichte sie seinen beiden Genossen. Unter Tränen der Ekstase aßen die drei den Leib des Herrn und Heilands. Übrigens stand hinter Luque, der diese Tragikomödie inszenierte, jetzt ein andrer Geldmann, der Lizentiat Gaspar de Espinosa, mit 20000 Goldpesos, wie aus einer späteren Urkunde vom 6. August 1531 hervorgeht. Dieser Espinosa war ein angesehener und einflußreicher hoher Verwaltungsbeamter in Panamá.
Pizarro erwarb zwei größere Segelschiffe, die sich in weit tüchtigerem Zustande befanden als die beiden früheren. Auch Vorräte wurden in reichlicherem Maße eingekauft. Schwieriger war die Anwerbung von wirklich brauchbaren Teilnehmern an der »Expedition nach Peru« (wie es an den öffentlichen Anschlägen hieß). Von den 190 Mann, die am ersten Zuge teilgenommen hatten, waren etwa 125 übrig. Mancher davon war nicht mehr felddienstfähig, und mancher spürte wenig Lust, neuen Mühsalen entgegenzugehen, vielleicht abermals ohne goldenen Lohn. So kamen nur 160 Mann zusammen; diesmal einige mit Pferden. Im Waffendienst brauchbare Gäule waren geschätzt und teuer. Zur Zeit (1520), als Ferdinand Cortes gegen Mexiko zog, kostete ein gutes Pferd durchschnittlich 500 Goldpesos. Südlich der Landenge standen sie beträchtlich höher im Werte: unter 1000 Goldpesos war keins zu haben. Später, als der Goldstrom aus Peru floß, zahlte man dafür 2500 Pesos und noch mehr. Die Berichte über den ersten Zug erwähnen den Gebrauch von Hakenbüchsen und Geschützen nicht. Jetzt wurde eine kleine Anzahl von Büchsenschützen angeworben. Artillerie fehlte wiederum. In dieser wie in manch anderer Hinsicht war Cortes besser ausgerüstet gewesen. Kuba war mit der Heimat unmittelbar durch das Meer verbunden, während Panamá, eine noch junge Kolonie und durch rauhes Gebirge vom Nordmeere getrennt, eine ungünstige Basis zu einem Feldzuge bot. Alles in allem muß man sagen: die Streitmacht, mit der Pizarro ein starkes Reich zu bekämpfen sich erkühnte, war mehr denn ungenügend. Zieht man dazu die weite Entfernung der armseligen Operationsbasis und die schlechte Verbindung mit ihr in Betracht, so bestaunt oder bewundert man Pizarros Wagemut.
Die Ausreise der beiden Karavellen erfolgte im Sommer 1526. Der Tag ist nicht genau bekannt. Pizarro befehligte auf dem einen, Almagro auf dem andern Schiffe. Als Lotse diente Bartolomäo Ruiz, ein kluger, tatkräftiger, erfahrener Seemann, der die Südsee einigermaßen kannte. Er war aus Moguer in Andalusien gebürtig, einem Orte, der schon dem Kolumbus tüchtige Seeleute gestellt hatte.
Ruiz verschmähte das ängstliche Hinfahren an der Küste. Er ging in die hohe See und steuerte geradenwegs nach der Mündung des Rio de Juan, dem südlichsten bisher erreichten Punkt. Die Luftlinie zwischen beiden Orten beträgt 550 km. Ohne Unfall und in wenigen Tagen fuhr man in den Strom ein. Pizarro und Almagro landeten, überfielen mehrere Dörfer, trieben Gold und Silber in nicht unbeträchtlicher Menge bei und nahmen auch einige Eingeborene zwangsweise mit an Bord.
Pizarro, der sich dauernd Gedanken machte über die unzulängliche Gefechtskraft seines kleinen Heeres, setzte es durch, daß man diese erste Beute als Werbemittel nach Panama zurücksandte. Eins der Schiffe ging also unter Almagro ab, um weitere Mannschaften anzulocken. Das andre kleinere, unter dem Kommando von Ruiz, erhielt den Auftrag, eine Erkundungsfahrt nach Süden auszuführen. Vor allem kam es Pizarro darauf an, bestimmte Nachrichten über das Reich Peru zu erhalten. Er selber blieb mit etwa 60 Mann am Rio de San Juan, in der Absicht, an geeigneter Stelle ein festes Lager zu errichten und von da aus Streif- und Beutezüge ins Innere des Landes zu unternehmen.
Ruiz fuhr ab. Bei günstigem Wind und Wetter nahm er seinen Kurs entlang der Küste gen Süden. An der Insel Gallo (ungefähr 2 Grad nördlicher Breite) ging er vor Anker. Die Kunde von der erneuten Ankunft der weißen Männer hatte bereits das ganze Küstenland durcheilt. Dem Seemann entging dies nicht, und da er keine Eroberung, sondern nur Erkundung vorhatte, unterließ er den ursprünglich geplanten Landungsversuch, fuhr weiter und erreichte am 21. September 1526 die Bucht von Sankt Matthäus, wie er sie benannte.
Die Ufer wimmelten von Neugierigen, die das Schiff der Fremden angafften. Die Dörfer, die man von Bord aus erblickte, machten den Eindruck von gesitteten Stätten. Offenbar hatte man weder Furcht noch Feindseligkeit im Sinne. Gleichwohl verzichtete der vorsichtige Ruiz auch hier auf die Landung und ging wieder in die hohe See. Wie glücklich sein Einfall war, sollte sich alsbald zeigen.
Zur Überraschung aller kam ein Schiff mit einem großen viereckigen Segel an zwei Masten in Sicht. Es war eine sogenannte »Balsa«, ein flaches Fahrzeug aus Holz mit einem Verdeck aus Rohr. Es hatte ein Steuer und keine Ruder. Die Spanier waren um so mehr erstaunt, als man bisher weder im Nordmeere noch in der Südsee auf oiffener See fahrende Indianer angetroffen hatte.