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Das Buch mit packendem Stoff ruft das unvergesslich schwere Schicksal des Kulturvolkes der Mexikaner zur Zeit des Einbruchs der Abendländer in die Erinnerung Das vorliegende Pizarro-Buch war von vornherein als Gegenstück zum Cortes-Buche geplant. Es stützt sich im ersten Drittel vor allem auf den zuerst 1534 in Sevilla gedruckten Bericht: 'Verdadera relacion de la conquista del Peru' von Francisco de Xerez, dem Geheimschreiber Francisco Pizarros in den Jahren 1530 bis 1534. Ergänzungen und Fortsetzungen dieses Berichtes bilden die erhaltenen Aufzeichnungen einiger andern Augenzeugen, so insbesondre der Bericht des Miguel Estate, – ein amtliches Schreiben von Hernando Pizarro, – die 'Relacion del Descubrimiento y Conquista de los Reynos del Perú' von Pedro Pizarro (vollendet 1574), – die 'Historia del Descubrimiento y Conquista de la Provincia del Perú' von Augustin de Zarate, – die 'Cronica del Perú' von Cieza de Leon und weniges andre. Die späteren, Chronisten sind im Laufe der Erzählung gelegentlich genannt. Benutzt ist auch die ehedem vielgelesene deutsche Übersetzung: 'Geschichte der Eroberung von Perú' des gleichnamigen englischen Werkes von William H. Prescott. Zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehört dieses Meisterwerk eines Ausnahmekünstlers mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend sind die E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".
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Seitenzahl: 696
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Arthur Schurig
Mit den eigenhändigen Berichten des Feldherrn an Kaiser Karl V. von 1520 und 1522
Nach der so glücklichen Vereinigung von Kastilien und Aragon war Spanien zu Beginn des 16. Jahrhunderts das Land Europas, dem man die größte Zukunft voraussagen durfte. Unter der Herrschaft Karls des Fünften (1516-1556) schien es sich in der Tat zum ersten Reiche der Welt entwickeln zu wollen. Das Land, das noch im Mittelalter voller Unruhe und Wirrwarr gewesen war, begann sich innerlich zu ordnen und zu festigen. Es hatte den Anschein, als ob das Volk im Einzelnen wie in der Gesamtheit zur Erkenntnis gekommen sei, daß der Stolz, einem zur Weltmacht emporwachsenden Staate anzugehören, die Pflicht der Selbstbeschränkung in sich schließt. Es erstand aus der bisher ungezähmten, ziellosen und selbstsüchtigen Masse, aus dem Adel, aus der Geistlichkeit, aus den Bürgern eine kleine Schar von kraftvollen, klugen und zähen Männern, die in der Erweiterung ihres Vaterlandes eine Erweiterung ihres eigenen engen Daseins, ihres Lebenszieles, ihres Glückes sahen und fanden. Wenn sich jene vielversprechende Voraussagung, wie wir wissen, auf die Dauer nicht erfüllt hat, trotz des großen Glanzes, dessen sich Spanien eine Zeitlang erfreute, so hat dies im wesentlichen daran gelegen, daß den wenigen großgeistigen Führern die Masse des Volkes nicht zu folgen vermochte.
Es ist schwer, sich eine anschauliche und wahrhaftige Vorstellung Spaniens und seiner inneren Zustände in jenem Zeitalter zu machen. Die späteren Geschichtschrelber und Erzähler haben uns ein zu märchenhaftes Bild insbesondere von seinen Reichtümern vor Augen gestellt. Stark davon abweichen die zeitgenössischen Berichte, wie der des Guicciardini aus dem Jahre 1513, geschrieben allerdings von der hohen Warte der Kultur der Renaissance. Über Karl V. und die Verhältnisse seines Reiches unterrichtet uns das etwas schwerfällige Werk: H. Baumgarten, Geschichte Karls V. (Stuttgart 1885-1892, 3 Bände).
Der kriegerische Geist, den der Florentiner hervorhebt, hat in Spanien im 15. und 16. Jahrhundert vorgewaltet. Wir erkennen ihn am besten in der Literatur von damals, die so reich an Ritter- und Abenteuerromanen ist. Sie spiegelt ihre Zeit,in der das Maß aller Dinge der Degen ist. Die jungen Leute jedweden Standes drängen sich tatenlustig zu den Waffen, die Frauen schenken ihre Huld nur um Heldentum, und die Altgewordenen hören nicht auf, sich der erlebten Kämpfe und Gefahren zu erinnern. Allenthalben herrscht Mars. Stolzer fast als auf seinen Don Quijote ist Cervantes darauf, unter Don Juan d'Austria bei Lepanto gefochten und Wunden davongetragen zu haben.
Nach der Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus (1492) gesellte sich zur Vorliebe am Waffenhandwerk und zum Hang am Abenteuerlichen der Drang nach den noch sagenhaften Fernen, eng verknüpft zumeist mit der Gier nach Gold. Verführt durch die Schilderungen und Fabeleien von den Reichtümern Amerikas trachteten Tausende nach nichts eifriger, als sich mit ihrem Leben und ihrem Vermögen an einer Fahrt nach dem Wunderlande beteiligen zu können. Der Eroberer eines bisher nie betretenen Reiches zu werden, war der Traum jedes, der es zuwege brachte, ritterlich gerüstet in eines der nach Westen segelnden Schiffe steigen zu dürfen.
Der Staat hütete sich, derlei Unternehmungen selber auszustatten und abzusenden. Mit sehr wenigen Ausnahmen sind alle Entdeckungsfahrten das Werk ihrer Unternehmer. Erst nachträglich, wenn sich Erfolg und Gewinn einstellten, schloß das Mutterland mit dem Entdecker Verträge ab, um sich gegen Titel, Würden und Bestätigungen einen Anteil an der Beute zu sichern.
Auf diese dem Staate bequeme Weise gewann Spanien unter Kaiser Karl dem Fünften jenseits des Weltmeeres beträchtliche Macht. Die Antillen, Florida, Yukatan, Mexiko, Honduras, Guatemala, Panama, Nikaragua, Venezuela, Kalifornien, Peru und Chile waren ein großartiger Zuwachs an zukunftsreichem Land. Und doch ist der so glücklich scheinende neue Besitz für Spanien in höchstem Grade verderbnisvoll geworden. Ein Land, das teilweise selber noch brach liegt, das nur schwach bevölkert und arm und das vor allem schlecht verwaltet und voller Mißstände ist, kann noch nicht daran gehen, überseeische Kolonien zu gründen. Dazu kommt beim Spanier jener Zeit, daß ihn schon die Grundzüge und Eigenschaften seiner Natur wenig geeignet zum Kolonisator machten. Seine kirchliche Unduldsamkeit, seine hochmütige Verachtung anderer Völker und ihrer Bildung, die eigene Kulturarmut, vor allem aber seine maßlose Herrschsucht, Grausamkeit und Raubgier trugen die Schuld daran, daß ihm seine glänzenden Eroberungen keinen rechten Segen gebracht haben. Das beste Vorbild hätte er sich an den alten Römern nehmen können. Auch die römischen Feldherren, Offiziere und Soldaten haben sich in den von ihnen eroberten Ländern in nicht geringer Weise bereichert, aber Rom war doch immer sehr bald um das Wohl seiner neuen Untertanen ernstlich bedacht, und dank einer meisterlichen Verwaltungskunst sind fast alle Kolonien der Römer zu hoher Blüte und wirklicher Gesittung gelangt. Wie anders war es bei den Spaniern, die in Westindien und im übrigen Amerika niemals etwas anderes im Sinne gehabt haben als Raub und persönlichen Vorteil. Ihr Mangel an Selbstzucht, ihre geistige Unreife und ihre staatsmännische Kurzsichtigkeit haben in der Folge nicht nur jene wunderbaren Kolonien zugrunde gerichtet, sondern auch das Mutterland, das so viel versprochen hatte.
Wie verheerend die Eroberer unter den Eingeborenen gehaust haben, geht beispielsweise aus folgenden Zahlen hervor. Die Insel Haiti (Hispaniola) hatte bei der Ankunft der Spanler 1100000 Einwohner; im Jahre 1510 waren davon noch 46000 übrig; 1514 noch 16000; 1517 (nicht nur infolge der Blattern) nur noch 1000. Nicht viel menschlicher ist es auf den anderen Inseln hergegangen. Las Casas, der ebenso unermüdliche wie erfolglose Kämpfer für eine bessere Behandlung der armen Indianer, faßt 1560 sein Endurteil über die Mißerfolge seiner Landsleute in den Worten zusammen:
»Gott hat es zugelassen, daß die Räte unserer Könige eine große und reiche Welt zu ungeheuerlicher Schmach des christlichen Glaubens ausgeraubt und verödet haben. Für diese Verwüstung und diese unerhörte Verminderung des Menschengeschlechts steht ihnen keinerlei Entschuldigung zur Seite. Denn sie geschah nicht an einem Tage oder in einem Jahre, auch nicht in zehn oder zwanzig Jahren, sondern sechzig und mehr Jahre lang. Während dieser Zeitläufte gingen tagtäglich die Berichte vieler Mönche und glaubwürdiger Männer über jene Zustände ein, aber nie erfolgte etwas dagegen. Gott hat sich dann abgewandt, und statt daß Hispaniens Könige nun die reichsten und glücklichsten Fürsten wären, sind sie die allerärmsten. Obgleich sie mehr als 200 Millionen Dukaten an Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen aus Westindien gewonnen haben, so ist doch alles das verschwunden, als wäre es Rauch gewesen. Alle diese Summen haben ihnen nicht herausgeholfen aus ihren großen und endlosen Kriegen und Nöten«
An späteren Stellen dieses Buches wird ersichtlich, daß einzelne Persönlichkeiten der kaiserlichen Kanzlei – die nie aussterbenden Besserwisser in der Heimat! – alles andere denn Förderer der Kolonien waren, aber im allgemeinen liegt die Schuld nicht bloß an den Räten, wie Las Casas meint, sondern am dunklen Geist des Ganzen. Das Volk der Spanier war im wahren Sinne nicht frei und überlegen genug, die Welt zu beherrschen.
Die bereits erwähnte, uns fast unglaubliche Vernichtung der Bevölkerung in den amerikanischen Ansiedelungen der Spanier hat zwei Ursachen: die grausame Ausnutzung der sogenannten Repartimientos – darunter versteht man die Zuteilung von Indianern zur Arbeit – und die unselige Verrücktheit, das Christentum mit Gewalt zu verbreiten. Die Eingeborenen der eroberten Länder wurden erbarmungslos zu Sklaven gemacht und mußten sich in der vollen Bedeutung des Wortes zu Tode schinden. Und die Bekehrung von ein paar tausend Indianern zum Glauben Christi erfolgte, indem man Millionen anderer unter den Augen von Geistlichen und Mönchen mißhandelte, schändete, folterte, niederstach, hängte und verbrannte. Einander gegenübergestellt waren die christlichen Spanier zweifellos größere Barbaren als die heidnischen Indianer, wenngleich unter ihnen damals noch Menschenopfer stattfanden. Die Verdienste der Spanier um Gesittung und Menschlichkeit auf Erden sind gering.
Alles in allem sind diese Zeiten in Spanien finster und der Nachwelt unerfreulich, und Jakob Burckhardt behält recht, wenn er voller Abscheu von »jenen Spaniern« spricht, »in denen vielleicht ein nicht-abendländischer Zusatz des Geblüts, vielleicht die Gewöhnung an die Schauspiele der Inquisition die teuflische Seite der Natur entfesselt hatte. Wer sie bei ihren Greueltaten kennen lernt, hat es schwer, sich für Ferdinand den Katholischen oder Karl den Fünften im höheren Sinne zu interessieren. Diese haben ihre Horden gekannt und sie dennoch losgelassen«
Es waren in der Hauptsache zügellose und goldgierige Abenteurer, die aus reiner Selbstsucht, ohne jedes edlere Ziel, die Neue Welt entdeckten und eroberten. Aber aus welch niedrigen und begehrlichen Trieben diese Scharen so tapfer und draufgängerisch auch bloß gewesen sein mögen, sie sind zu Helden geworden als gehorsame Werkzeuge ihrer nach Höherem trachtenden beharrlichen Führer. Diese Kondottieri durchleuchten ihre blutige und düstere Zeit, mildern die Schwächen und Verbrechen ihres Jahrhunderts und verleihen den gemeinen Geschehnissen durch die Wucht ihrer Tatkraft das Gepräge der Großartigkeit.
In unseren Tagen, inmitten des die Alte Welt umstürzenden gewaltigen Krieges, haben wir mehr denn je das rechte Verständnis für die großen Feldherren der Vergangenheit. Alexander der Große, Hannibal, Cäsar, Turenne, Friedrich der Große und Bonaparte, die wir vor dem Trugbilde des ewigen Friedens halb vergessen hatten, stehen in ihrem unverblichenen Glanze von neuem vor uns, um in die Mitte ihrer kleinen Schar den Turenne unserer Zeit aufzunehmen. Ferdinand Cortes, der Eroberer von Mexiko, dessen Leben und Taten wir im folgenden gedenken, gehört dem hohen Siebengestirn des Mars nicht an, weil sein Degen nicht das Glück gehabt hat, an der Spitze großer Heere europäische Kämpfe zu entscheiden. Doch auch er ist ein genialer Feldherr, von seinen Zeltgenossen in den Himmel gehoben und wohl wert der Bewunderung noch in unserem Jahrhundert.
Ferdinand Cortes, geboren 1485 in Medellin in der Landschaft Estremadura, entstammt einer spanischen Ritterfamilie. Sein Vater, Martin Cortes von Monroy, war Hauptmann der Infanterie, ein Kavalier in bescheidenen Vermögensverhältnissen. Wir wissen nichts Besonderes von ihm. Die Mutter, die eine vortreffliche Frau gewesen sein soll, trug die klangvollen Namen Katalina Pizarro Altamirano.
Als Kind war Cortes auffällig schwächlich. Erst allmählich kräftigte sich sein Körper. Vierzehn Jahre alt, ward er nach Salamanca geschickt, auf die berühmte Hochschule, wo er sich der Rechtsgelahrtheit widmen sollte. Offenbar war es seinen sorglichen Eltern darum zu tun, ihrem Sohne einen erwerbsreichen Beruf zu sichern. Daß diese stubenhockerige Wissenschaft einem künftigen großen Feldherrn nicht behagen konnte, ist kaum verwunderlich. Es dünkt uns schon viel, daß der lebhafte Junge zwei Jahre im Dunstkreise der Pandekten verblieb. Allerdings kümmerte er sich so wenig um seine Sache, daß der betrübte Vater ihn schließlich wieder heimrief. Gleichwohl scheint die kurze Studienzeit nicht gänzlich ohne Ergebnisse geblieben zu sein. Es wird uns versichert, daß der junge Cortes gar wohl Latein verstanden, sich einen vortrefflichen Stil angeeignet und sogar leidliche Verse hergestellt habe. Der alte Geschichtschreiber, der uns dies überliefert, fügt spöttisch hinzu, diese Verse seien nicht ohne Wert, dieweil sie von Cortes wären. Die Universität von Salamanca hat ihm – später, als aus dem Versemacher der Eroberer geworden war – den Doktorhut verehrt. Aus glaubwürdiger Quelle wissen wir ferner, daß der gescheiterte Studiosus in den folgenden Jahren nichts Ernsthaftes betrieben hat, vielmehr allerhand dumme Streiche verübte und seine braven Eltern durch seinen Trotz unglücklich und ratlos machte.
Siebzehn Jahre alt, gestand er seinem Vater, er wolle Soldat werden. Vermutlich waren es die Ritterromane, die den Drang nach romantischem Heldentum in ihm erweckt hatten, jene Amadisbücher, in denen tollkühne Rittertaten, die Reichtümer des Morgenlandes, abenteuerliche Pilgerfahrten ins Heilige Land und seltsame Gelübde um die Minne hoher Damen einander abwechseln. Aber neben diesen schwülen, finsteren und bluttriefenden Büchern altspanischer Erzähler, die hundert Jahre vor dem Don Quijote in der Mode waren, haben auch unvergängliche Schöpfungen des edelsten menschlichen Geistes ihren Einfluß auf den jungen Cortes ausgeübt: Werke der Antike, vor allem Plutarch, der 1470 in einer lateinischen Übersetzung in Italien gedruckt worden war. Die großen Feldherren Alexander und Cäsar sind nicht ohne bleibende Wirkung vor die Einbildungskraft des künftigen Eroberers getreten. Sein Kriegskamerad, der Hauptmann Bernal Diaz von Castillo um Entschädigungen durchzusetzen. Er selbst gibt ersteres als Grund an. 1551 ist er wieder ln Guatemala, wo er bis zu seinem Tode (um 1580) verblieben ist. Er soll über achtzig Jahre alt geworden sein. Verheiratet war er vermutlich mit einer Indianerin. Er hat Kinder und Enkel gehabt, über deren Schicksal wir nichts wissen.
In seinen Gewohnheiten ist er zeitlebens Landsknecht geblieben. So erzählt er von sich: »Ohne Prahlerei kann ich sagen, daß ich an das Leben im Felde derartig gewöhnt war, daß es mir nach der Eroberung des Landes nie möglich gewesen ist, mich ausgekleidet niederzulegen, insbesondere in ein Bett. Dennoch schlafe ich so fest, als läge ich auf den weichsten Daunen. Selbst wenn ich meine Encomienda bereise, nehme ich nie ein Bett mit, es sei denn, ich ginge in Gesellschaft von anderen Kavalieren, die gar glauben könnten, ich hätte keins. Aber auch dann lege ich mich angekleidet darauf. Übrigens kann ich in der Nacht nicht lange schlafen, ohne hin und wieder aufzustehn, um nach dem Himmel und den Sternen zu schauen und eine Welle an der freien Luft zu bleiben, und dies ohne Kopfbedeckung. Gott sei Dank, es hat mir das noch nicht geschadet. Ich erwähne solcherlei, damit die Welt erkennt, aus welchem Schrot und Korn wir waren, wir, die echten Eroberer, und wie wir an Waffen und Wachen gewohnt waren.«
Zur Kennzeichnung seiner und wohl der Art fast aller seiner Waffenbrüder, sich und seine Kriegstaten herauszustreichen, sind ein paar Seiten (S. 341-343 dieses Buches) aus einem Schlußkapitel seiner Feldzugserinnerungen den anderen Auszügen daraus vorangesetzt.
Diese Denkwürdigkeiten hat der Feldhauptmann wahrscheinlich nach der Rückkehr von seiner zweiten Reise nach Spanien niederzuschreiben begonnen. Sie find also in der Zeit von 1551 bis 1568 entstanden. Die ihm recht ungewohnte schriftstellerische Arbelt hatte den Zweck, seine und seiner Freunde Verdienste um die Eroberung von Mexiko der Mit- und Nachwelt bekanntzugeben. Er und so mancher andere fühlten sich vom Vaterlande, für das sie so oft ihr Leben eingesetzt hatten, nicht nach Wunsch belohnt. Auch genügte die 1553 erschienene Darstellung des Gomara in dessen Cronica de la Nueva Espana seiner Eitelkeit allzuwenig.
Außer Gomaras Werk hat Diaz noch andere Bücher über die Eroberung von Mexiko gekannt, so die beiden des Gonzalo Ferdinandez von Oviedo, (Historia de las Indiasa), die 1525 und 1526 erschienen sind, selbstverständlich auch die Drucke des zweiten und dritten Berichts des Cortes. Die Denkwürdigkeiten des Bernal Diaz sind erst lange nach seinem Tode, 1632 zu Madrid, gedruckt worden.
, erzählt, Cortes habe den vielseitigen Gegner des Pompeius in seinem Wettstreite mit Velasquez und Narvaez vor Augen gehabt, und auf seinem mühevollen Marsche nach Honduras habe er sich gefühlt wie der große Makedonier auf seinem Zuge nach Indien. Auch hat uns Diaz einen merkwürdigen Zwischenfall überliefert. Als am 13. August 1521 Mexikos Hauptstadt erstürmt wurde, gelang es dem Könige Guatemozin, auf einer Barke durch die Rennschiffe der Belagerer zu kommen. Bald aber holte ihn der Schiffshauptmann Garcia von Holguin ein und nahm ihn samt dem Fürsten von Tezkuko und etlichen Edelleuten gefangen. Da Holguin unter dem Befehle des Obersten Gonzalo von Sandoval stand, erhob dieser alsbald Anspruch auf die Person des gefangenen Königs und gebot seinem Unterführer, ihn ihm auszuliefern. Er sei der Oberbefehlshaber aller spanischen Schiffe. Der Streit, der sich nun entspann, weil Holguin sich weigerte, ward erst durch den herbeigerufenen Generalkapitän geschlichtet, und zwar dadurch, daß Cortes an einen ähnlichen Streit aus der Geschichte der alten Römer erinnerte. In der Rede, die er bei dieser Gelegenheit gehalten hat, sagte er: »Als Sulla seinen Siegeseinzug in Rom hielt, führte er den Jugurtha an einem eisernen Halsband unter den Schaustücken seiner Beute dem Volke vor. Marius fand dies ungebührlich und meinte, niemand als er habe das Recht, dem Gefangenen Ketten anzulegen. Sulla hätte seine Erlaubnis dazu einholen und die erhaltene Genehmigung kundtun müssen, denn er (Marius) habe den Oberbefehl gehabt, und Sulla habe den Jugurtha auf seinen ausdrücklichen Befehl gefangengenommen. Aus diesem Streite sind langwierige Bürgerkriege zwischen Marius und Sulla entstanden. Die Frage aber, wem die Ehre von Jugurthas Gefangennahme gebührt, ist bis auf den heutigen Tag unentschieden geblieben.«
Nicht nur aus dieser Begebenheit, sondern auch aus mancher anderen sind an Ferdinand Cortes Züge erkennbar, die an berühmte klassische Vorbilder erinnern. Die Vernichtung der Flotte bei Beginn des Vormarsches gemahnt an die gleiche – von Aurelius Viktor überlieferte – Tat des Kaisers Julian während seines Feldzuges gegen Persien im Jahre 363. Auch bei Thukydides steht ein ähnlicher Vorgang aus dem Beginne des Peloponnesischen Krieges.
Daß Cortes lateinische Sprüche liebte, beweisen mehrere Stellen in den Denkwürdigkeiten des Bernal Diaz. Auch im Berichte des Eroberers aus dem Jahre 1520 (S. 103) kommt ein lateinisches Sprichwort vor. Auf seiner Standarte stand der berühmte Fahnenspruch des Kaisers Konstantin: Hoc signo vinces!
Der junge Cortes erhielt die erbetene väterliche Erlaubnis, und vermutlich hat er die folgenden Jahre irgendwie im Wirkungskreise des Soldatenlebens verbracht. Seine Fertigkeit im Reiten, Fechten und Schießen, vor allem aber seine spätere Meisterschaft in taktischen und strategischen Künsten als Feldherr in Neu-Spanien weist ganz entschieden auf eine regelrechte militärische Erziehung zurück.
Um jene Zeit rüstete sich Kolumbus zu seiner vierten und letzten Fahrt nach der Neuen Welt (1502-1504). Verlockt vom geheimnisvollen Ruhme des großen Entdeckers, änderte der Siebzehnjährige seinen bis dahin heißen Wunsch, in das Heer des Gonzalo von Cordova einzutreten und dem Gran Capitano nachzueifern. Er ließ sich für ein Geschwader anwerben, das Nikolaus von Ovando ausrüstete, der damalige Statthalter auf Hispaniola (Haiti). Indessen verhinderten die Folgen eines galanten Abends, daß Cortes an Bord ging. Beim Überklettern einer Gartenmauer war er abgestürzt, und als die Flotte auslief, lag er noch krank danieder.
Erst zwei Jahre später (1504) gelangte er in die Neue Welt, nach Haiti, wahrscheinlich als Geheimschreiber des Don Diego von Velasquez. Nach stürmischer und gefahrvoller Überfahrt, während der, wie üblich, für einige Tage an den Kanarischen Inseln gelandet worden war, betrat er den amerikanischen Boden.
Ovando wies dem jungen Manne Land und Eingeborene an, wobei er ihm den guten Rat gab, den sicheren Ertrag dieses Besitzes dem unsicheren Gewinn bei abenteuerlichen Fahrten vorzuziehen. Es scheint, daß Cortes schlecht und recht bemüht war, dieser Weisung zu folgen. Daneben aber widmete er sich dem Handwerke des Soldaten. Er nahm an den verschiedenen Zügen gegen die Indianer teil, die Velasquez für Ovanda unternahm. Dabei lernte er die Gefechtsweise der Eingeborenen kennen, ihre Sitten und Gebräuche, zugleich auch die Grausamkeit und Habgier der spanischen Ansiedler.
Diego von Velasquez war einer der ersten Spanier, die ihr Glück in der Neuen Welt gesucht und gefunden haben. Er war Teilnehmer an der zweiten Reise des Christoph Kolumbus (1493-1496) gewesen. Später auf Haiti erwarb er sich ein beträchtliches Vermögen und war bald einer der angesehensten Ansiedler auf der Insel. Als Diego Colon, der Sohn des Kolumbus, daran ging, Kuba zu erobern, wurde Velasquez der Führer des Feldzuges. Es gelang ihm im Jahre 1511 die Insel zu unterwerfen, ohne dabei von seinen 300 Mann auch nur einen einzigen zu verlieren. Auch an diesem Zuge hat der tatenlustige junge Cortes teilgenommen.
Sein Verhältnis zu Velasquez in damaliger Zeit liegt in unerforschtem Dunkel. Herrera berichtet in seiner berühmten Geschichte von Indien (1601) wenig Erfreuliches darüber occidentale desde 1492-1545. 1.-4. Dekade, Madrid 1601; 5-8. Dekade, Madrid 1615, 5 Bände, Folio. Neudruck: Madrid 1730. Ist in viele Sprachen übersetzt.. Nach seiner im allgemeinen zuverlässigen Darstellung soll sich Cortes mit Gegnern des Velasquez eingelassen und an ihren schlimmen Machenschaften gegen ihn teilgenommen haben. So sehr aufgebracht Velasquez zuerst gewesen sein soll, er verzieh seinem Schützling doch. Ein Zeitgenosse sagt von dem damals sechsundzwanzigjährigen Cortes: Er zeigte noch wenig von den großen Eigenschaften, die er später bewiesen hat.
Seit 1511 hatte Velasquez von Diego Colon die Verwaltung Kubas anvertraut bekommen und es rasch verstanden, sich völlig selbständig zu machen. Es bleibt ungewiß, ob letzteres aus zielbewußter Undankbarkeit und Rücksichtslosigkeit geschehen ist oder vor allem durch den Einfluß des Juan Rodriguez von Fonseca, des Bischofs von Burgos und schon langjährigen Vorsitzers des Königlichen Rates von Indien. Dieser Fonseca, ein verbissener Kanzleimensch, war ein erbitterter Gegner schon des Kolumbus. Ebenso feindselig hatte er den klugen Plänen des Balboa entgegengearbeitet. Sehr bald wurde er auch der niederträchtigste Widersacher des Eroberers von Neu-Spanien. Kühne, kraftvolle, soldatische Naturen waren ihm ein Greuel.
Cortes war noch immer ein Sohn des göttlichen Leichtsinnes. Bernal Diaz erzählt, er sei öfters in Liebesabenteuer und sich daran knüpfende böse Händel verstrickt gewesen. Eine der von ihm verführten Damen war die schöne Doña Katalina Suarez, eine der vier Töchter des Diego Suarez aus Granada. In der Leidenschaft des Begehrens hatte er ihr die Ehe versprochen, war aber hinterher sehr saumselig, ihr seine schöne Freiheit auf die Dauer zu opfern. Die darüber erbitterte Familie wandte sich an den Statthalter, und Velasquez ließ den Angeschuldigten kurzerhand einsperren. Cortes soll aber gewaltsam aus seinem Gefängnis entronnen und in eine nahegelegene Kirche geflohen sein. Ein Spanier namens Escudero lockte ihn aus der Freistatt und brachte ihn von neuem in die Gewalt der Obrigkeit. Abermals entkam Cortes unter Lebensgefahr. Dann aber war er weltklug, gab jeden Widerstand auf und ließ sich brav verheiraten. Damit hatte er die Gunst seines Gönners von neuem errungen. Geheimschreiber ward Cortes zwar nicht wieder, aber Velasquez gab ihm ansehnliches Land sowie das dazu nötige Repartimiento an Eingeborenen und setzte ihn in den Gemeinderat der Stadt Barakoa, wo er fortan wohnte. Jenen Escudero ließ Cortes übrigens bei der ersten besten Gelegenheit an den Galgen hängen.
Ein nachträglicher und kleinlicher Mensch war Velasquez offenbar nicht. Herrera ist der Meinung, er sei von edlem Sinn gewesen, durchaus ohne Rachsucht. Wenn wir ihn später als grimmigen und hartnäckigen Feind des Cortes sehen, und zwar im Bunde mit dem Bischof von Burgos, so müssen dabei Umstände und Geschehnisse von Gewicht nachwirken, die der Nachwelt unbekannt sind.
Sehr bald galt Cortes als wohlhabender Mann. Es wird berichtet, er habe nach wenigen Jahren ein Vermögen von 2500 Pesos (gleich 100000 Mark, nach dem damaligen Geldwerte) gehabt. »Gott allein weiß – sagt Las Casas – auf Kosten von wieviel Indianerleben!« Allem Anschein nach führte Cortes in jenen Jahren das beschauliche Dasein eines Großgrundbesitzers.
Das im Westen und Nordwesten von Kuba vermutete Land war damals noch wenig bekannt. Erst 1517 rüstete Francisco Hernandez von Cordova, ein reicher Spanier auf der Insel, eine Unternehmung dahin aus und entdeckte die Halbinsel Yukatan sowie die Küste von Kampeche. Die ganze Sache war aber ohne militärisches Geschick geleitet. Man geriet in unnütze Gefechte mit den Eingeborenen, wobei Cordova und manch anderer verwundet wurden. Noch im Jahre 1517 war man wieder in Havana. Cordova starb kurz nach der Heimkehr an seinen Wunden.
Nunmehr rüstete Diego von Velasquez, der Statthalter von Kuba, selbst eine Unternehmung aus. Was dieser eifrige Mann angriff, mußte flott vonstatten gehen. Bereits am 1. Mai 1518 gingen vier Schiffe unter dem Oberbefehl des Juan von Grijalva, eines Vetters des Statthalters, in Santiago unter Segel. Unter den Mitfahrern waren Pedro von Alvarado, Francisco von Montejo, Alonso von Avila, Bernal Diaz und andere, die später auch am Feldzuge des Cortes teilgenommen haben.
Grijalva, eine unselbständige Natur, hielt sich ängstlich an den Wortlaut der ihm von Velasquez mitgegebenen Weisungen. Er erkundete die Küste von Yukatan, wagte es aber nicht, eine Ansiedelung zu gründen, so sehr ihm seine Gefährten dazu rieten. Nach einigen Tauschgeschäften mit den Eingeborenen kehrte er nach Kuba zurück. Alvarado war schon vom Tabasko aus mit Beutestücken zurückgesandt worden.
Diego Velasquez war mit dem geringen Erfolge der Unternehmung nicht zufrieden, erkannte aber den Zukunftswert dessen, was Grijalva festgestellt hatte, und bereitete sofort eine neue Unternehmung ebendahin vor. Den Oberbefehl erhielt Ferdinand Cortes.
Fünf Monate nach der Abfahrt von Kuba erreichte das Geschwader des Cortes die – von Grijalva 1518 so benannte – Insel San Juan de Ulloa, das Ziel seiner Fahrt. Es war am Grünen Donnerstag des Jahres 1519. Bis dahin hatten sich verschiedene Zwischenfälle zugetragen, die uns Bernal Diaz in seinen Denkwürdigkeiten getreulich berichtet. Von Bedeutung ist die Landung an der Mündung des Grijalva-Stromes, den Cortes meist den Tabasko nennt. Hier fand das erste Gefecht auf dem Boden Neu-Hispaniens statt, die sogenannte Schlacht am Tabasko, am 25. März 1519. Cortes focht mit 500 Mann zu Fuß, 12 Reitern und 6 Geschützen. Die Ritter, von ihm persönlich geführt, entschieden den Kampf. Auf der Seite der Gegner sollten fünf große Haufen zu je 8000 Mann, also insgesamt 40000 Mann, gestanden haben. Dies ist zweifellos stark übertrieben, wie man schon an den angeblich geringen Verlusten der Spanier erkennt, selbst wenn diese, wie man annehmen darf, in Wahrheit größer waren. Nicht nur Bernal Diaz, sondern beinahe alle alten spanischen Erzähler pflegen die zahlenmäßige Überlegenheit und die Verluste der Feinde ins Unglaubliche zu steigern, die eigene Einbuße hingegen zu verringern, um die Tapferkeit ihrer Landsleute um so mehr strahlen zu lassen.
Am Karfreitag, am 22. April 1519, betraten die Spanier das Festland, und zwar an der Stelle, wo seit dem Ende des 16. Jahrhunderts das jetzige Verakruz steht, der Haupthafenort des heutigen Freistaates mit 25000 Einwohnern. Bereits in den ersten Tagen erhielt Cortes durch indianische Häuptlinge zunächst noch unklare Kunde vom damaligen großen Reiche Mexiko und seinem gefürchteten Könige Montezuma. Der Auftrag, den Diego von Velasquez dem Generalkapitän erteilt hatte, erheischte zwar nichts als die Erkundung der Küste, verbunden mit dem Erwerb von etwas Gold durch Tauschhandel, und vielleicht noch die Auffindung eines Hafens. Aber es unterliegt keinem Zweifel, daß Ferdinand Cortes an jenem Grünen Donnerstag den Entschluß gefaßt hat, eine stattliche Kolonie am Meere zu gründen und das Hinterland bis weit in das Innere zu erobern. Und als ihm der Name Montezuma als der eines mächtigen und reichen Fürsten zum erstenmal entgegenklang, erkannte er sofort das erste Ziel seines Feldzuges: die 80 mexikanische Meilen (450 Kilometer) entfernte Hauptstadt dieses Herrschers, an dessen Stelle zu treten, von Stund an sein Traum und Wille war.
Acht Tage nach der Landung trafen bereits die erste Gesandtschaft Montezumas an Cortes ein und mit ihr die Gastgeschenke, die einen fabelhaften Reichtum des Landes verrieten. Dieses Gold und Silber, diese Perlen und Smaragde, Federstickereien, Stoffe und Schmiedearbeiten in einem Gesamtwerte von mehreren Millionen Mark sollten die ihm gefährlich und verdächtig erscheinenden Fremdlinge bewegen, das Land wieder zu verlassen, aber gerade der Anblick aller dieser Schätze und Kostbarkeiten war es, was die beutegierigen Abenteurer verführte, den ihnen zuerst allzukühnen Eroberungsgedanken ihres Führers schließlich gutzuheißen. Daß ein Zug in das unbekannte Innere des Landes mit großen Gefahren und vielen Mühsalen verknüpft sein mußte, war wohl jedem von vornherein unzweifelhaft, aber der Golddurst verscheuchte alle Bedenken. Die unternehmungslustige Schar der Ritter und Kriegsknechte ging also auf den Vorschlag des Cortes ein und erwählte den Generalkapitän des Diego Velasquez zu ihrem General, der nun seinerseits gelobte, niemandem mehr Untertan und gehorsam sein zu wollen als dem Kaiser. Damit war die Unabhängigkeit der neuen Kolonie von den Inseln, insbesondere von Kuba, von Anfang an erklärt. Als Cortes erkannte, daß Einzelne dazu neigten, nach Kuba zurückzukehren, zum mindesten in Verbindung mit dem Statthalter zu bleiben, vernichtete er kurzentschlossen seine Schiffe bis auf ein einziges kleineres. Damit hatte er den Rubikon überschritten, wie er in seiner Vorliebe für altrömische Erinnerungen und Vorbilder in zäsarischem Stolze selber zu sagen pflegte.
Ehe aber der Zug in das Innere des Landes beginnen konnte, war es nötig, eine Operationsbasis zu gründen. So entstand zunächst die Villa Rica de la Vera Cruz, die alsbald in einer anliegenden kleinen Festung ihren Schutz erhielt. Diese erste Ansiedelung ist etwa 75 Kilometer nördlich vom heutigen Verakruz (Nueva Veracruz) zu suchen. Die Lage erwies sich im Laufe der Zeit als ungünstig, und man verlegte deshalb die Stadt an die Mündung des Antigua-Flusses, 45 Kilometer weiter nach Süden. Das ursprüngliche Vera Cruz geriet in Vergessenheit. Diese zweite Stadt war aber auch nicht das endgültige Verakruz und heißt nach Gründung der dritten Stadt (Nueva Veracruz) zum Unterschiede von dieser: Vera Cruz Vieja. Die drei Orte Verakruz, Alt-Verakruz und Neu-Verakruz werden in den geschichtlichen Darstellungen häufig nicht klar auseinandergehalten.
Cortes war vom ersten Tage ab eifrigst bemüht, Nachrichten über das Land und seine Bewohner sowie über die politischen und militärischen Zustände einzuziehen, um eine richtige Vorstellung vom Ziele seiner Pläne zu gewinnen. Er erfuhr hierbei, daß König Montezuma das Küstenland erst unlängst in seine Gewalt gebracht hatte und daß die neuerdings unterworfenen Gebiete insgeheim danach trachteten, wieder unabhängig zu werden. Diese Erkenntnis veranlaßte den Feldherrn, sich mit dem Volke der Cempoallaner zu verbünden. Nachdem er dies erreicht hatte, verlegte er sein Hauptquartier nach deren Hauptstadt Cempoalla. Dieser heutzutage nicht mehr vorhandene Ort, in dem die altmexikanische Kultur den Spaniern zum erstenmal entgegentrat, hatte damals etwa 30000 Einwohner. Die Zahl der kriegsfähigen Männer im Machtbereich der Stadt schätzt Cortes auf 50000. Cortes begnügt sich für seine Zwecke mit 400 Mann, die er mit den Grundbegriffen der spanischen Kriegskunst vertraut machte. Diese Hilfstruppe ist ihm allmählich zu einem nützlichen Teile seines kleinen Heeres geworden.
Vier Monate nach der Landung, am 16. August 1519, begann, von Cempoalla (Stadt der zwanzig Wasser) aus, der Vormarsch gegen Temixlitan, wie Cortes die heutige Stadt Mexiko nennt. Sein Heer hatte folgende Stärke:
500 Mann zu Fuß, darunter 40 Armbruster und 16 Schützen mit Hakenbüchsen, 15 Pferde, 400 Mann Hilfstruppen aus Cempoalla, darunter 40 Edelleute (als Geiseln), 10 schwere Geschütze, 4 leichte Geschütze (sogenannte Feldschlangen), etwa 200 indianische Träger, fünf bis sechs indianische Diener aus Kuba, 20 bis 30 Indianerinnen.
In Verakruz blieben zurück: 150 Mann zu Fuß und zwei Reiter unter dem Befehl des Feldhauptmanns Juan von Escalante, eines dem Oberfeldherrn treuergebenen und tüchtigen Offiziers. Vermutlich war unter diesen 150 Mann eine beträchtliche Anzahl Kranker und Nichtfelddienstfähiger. Die Sümpfe bei Verakruz mit ihren giftigen Insekten hatten Opfer gefordert. Von den Soldaten und Seeleuten waren etliche bereits gestorben.
Das spanische Fußvolk war mit Schwert und Schild ausgerüstet. Später, auf dem zweiten Vormarsch, führte Cortes eine besonders lange Pike ein. Armbruster und Büchsenschützen waren nur wenige da. Die Hauptwaffe der Reiter war die Lanze.
Von da an hat er mit ihnen auch gegen die Indianer gefochten.
Bewundernswert sind die Erfolge der spanischen Ritter in der Reiterschlacht. Sie gebrauchten vor allem die lange Lanze; das Schwert nur ausnahmsweise. Der Harnisch tat vorzügliche Dienste. Gleichwohl war die persönliche Tapferkeit im Verein mit Umsicht und Kaltblütigkeit das Entscheidende. Auch die Pferde trugen Kopf- und Brustpanzer. Man ritt im Schritt an. Die Gefechtstaktik der späteren oder heutigen Reiterei ist also keinesfalls in Vergleich zu ziehen.
Anschauliche Nachbildungen alter Stiche, aus denen man die Bewaffnung und Tracht der Landsknechte des 16. Jahrhunderts ersieht, findet man in der Monographie »Der Soldat in der deutschen Vergangenheit« von Georg Liebe, Jena 1899.
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Vor dem Abmarsche hielt Cortes eine Ansprache an seine Soldaten »in honigsüßer Beredsamkeit«, wie Bernal Diaz erzählt, »die unsagbaren Eindruck machte«. Der Weg des spanischen Heeres ging durch die Tierra caliente, über Xalapa, durch den Paso del Obispo, am Nordhange des Cofre de Perote hin und durch die Sierra del Agua. Damit war das Tafelland (über 2400 m hoch) erreicht. Die Städte Teziutlan und Tlatlauquitepek wurden berührt.
An letztgenanntem Ort, den Cortes Kaltamni nennt, will Bernal Diaz auf einem Platz neben der Hauptmoschee mehr denn hunderttausend Menschenschädel wohlaufgeschichtet gesehen haben. Mit der Hauptstadt war Kaltamni durch eine Poststraße verbunden, auf der Schnelläufer den Nachrichtendienst verrichteten.
Hier verweilten die Spanier vier Tage. Nunmehr gab es zwei Wege nach Mexiko, einen über Cholula und einen durch den von Montezuma unabhängigen kleinen Staat Tlaskala. Cortes wählte auf den Rat der Cempoallaner den zweiten.
Die Grenze zwischen Tlaskala und Mexiko war stark befestigt. Cortes, dessen Augenmerk sich auf die Dinge von strategischer Bedeutung mit Vorliebe richtete, beschreibt den Grenzwall ziemlich genau.
Im Lande Tlaskala stieß Cortes zum ersten Male auf starken Widerstand. Die Tlaskalaner waren ein Binnenvölkchen von ähnlichem Freiheitssinn wie in Europa die Schweizer. Empört darüber, daß ein Häuflein fremder Truppen, obendrein auf dem Wege zu ihren Todfeinden, den Mexikanern, ohne weiteres durch ihr Gebiet marschieren wollte, trafen sie kriegerische Maßnahmen. Den Grenzwall am Cerro de Atotonilko zu besetzen, war ihnen nicht mehr möglich. So kam es am 2. September 1519 innerhalb ihres Landes – bei dem Dorfe Teoazingo, wie Clavigero.
Aus dem Italienischen durch den Ritter Carl Cullen ins Englische und aus diesem ins Deutsche übersetzt, Leipzig 1789, 2 Bände. Es gibt auch eine spanische Übersetzung.
berichtet – zur Entscheidung. Es war ein harter und heißer Kampf, ehe es den Spaniern gelang – insbesondere durch ihre Ritter und das dem Feinde ungewohnte Geschütz – die an Zahl beträchtliche Übermacht der Indianer zu brechen. Gegen Abend endlich befahl der junge indianische General Atkotenkatl den Rückzug.
Ein zweites Gefecht fand am 5. September statt. Die Spanier blieben auch hier die Sieger, offenbar hauptsächlich infolge der Uneinigkeit der gegnerischen Führer. Wiederum hatten die Spanier angeblich nur wenige Tote, allerdings 60 Verwundete. Dazu waren alle Pferde beschädigt. Die Spanier wollen an diesem Tage gegen 50000 Indianer gefochten haben. Man darf auch an dieser Angabe zweifeln. Sicherlich aber hatte wenig gefehlt, daß die Spanier mit ihren Hilfstruppen überrannt und völlig vernichtet worden wären.
Bernal Diaz schildert die Stimmung nach der Schlacht: »Wir kehrten in unser Lager zurück, froh über unseren Sieg und Gott inbrünstig dafür dankend. Unsere Toten begruben wir in einer Höhle, damit die Indianer nicht merken sollten, daß auch wir sterbliche Menschen waren wie sie, und damit sie bei ihrem Glauben blieben, wir seien Götter. Die Verwundeten verbanden wir wiederum mit dem Fett, das wir aus der Leiche eines gefallenen Feindes gewonnen hatten. Wir befanden uns in großer Not, hatten wir doch weder Öl für unsere Wunden noch Salz zu unserem Essen. Dazu kam noch, daß wir ohne jeden Schutz gegen den schrecklichen, kalten Wind waren, der von der Sierra Nevada herüberwehte. Wir klapperten vor Frost. Dennoch blieben wir guten Muts, stellten unsere Machen und Streiftrupps aus und schliefen besser als in der Nacht zuvor. Erst am anderen Morgen übersahen wir so recht unsere Lage. Es war auch nicht einer unter uns, der bisher nicht eine, zwei oder drei Wunden davongetragen hatte. Und alle waren wir müde und matt von den überstandenen Anstrengungen und Mühsalen. Der Feind beunruhigte uns von neuem ohne Unterlaß. Wir hatten (seit unserem Abmarsch von Cempoalla) bereits 55 Mann auf dem Schlachtfeld, durch Krankheit und durch den Frost verloren; zwölf Mann waren marode, und unser Feldobrist Cortes litt am Fieber. Ebenso Pater Olmedo. Ins Land Mexiko eindringen zu wollen, dünkte uns angesichts der großen Macht dieses Reiches für eine wahre Lächerlichkeit. Selbst wenn es uns noch gelang, mit dem Volke von Tlaskala auf den nämlichen guten Fuß zu kommen wie mit dem von Cempoalla, so stand uns dann immer noch der Kampf mit dem Heere des Montezuma bevor. Wie sollten wir dieses überwinden? Schließlich hatten wir nicht die geringste Verbindung mit unserer rückwärtigen Besatzung in Verakruz. Was konnte sich inzwischen dort nicht alles ereignet haben!«
Nachdem den Tlaskalanern noch ein Nachtangriff auf das spanische Lager mißglückt war, hielten ihre Fürsten und Obristen einen Kriegsrat ab. Allgemein war man geneigt, den von Cortes wiederholt angebotenen Frieden anzunehmen. Dagegen war nur der General Xikotenkatl, ein kluger, in die Zukunft schauender, mutiger Mann. Er war nach wie vor überzeugt, daß die kleine, von jedweder Zufuhr abgeschnittene Schar der Fremdlinge bei nur einiger Ausdauer der Tlaskalaner dem sicheren Untergange geweiht war. Erst als 50 von ihm entsandte Kundschafter mit abgehauenen Händen und einer höhnischen Botschaft zurückkamen, da gab auch er nach, und der Friede zwischen Cortes und dem Lande Tlaskala kam zustande. Die Spanier atmeten auf. Der Tempelturm ihres Lagers erhielt den Namen Siegesturm. Noch heute erinnern seine Trümmer an jene Zeit.
Am 23. September, einem Tage, den die Bürger noch immer festlich begehen, hielt Cortes seinen Einzug in der volkreichen und prächtigen Hauptstadt Tlaskala (Brodhausen). Drei Wochen blieb er hier, um die neue Freundschaft zu festigen. Sodann ging der Marsch weiter nach Cholula, der Hauptstadt eines Landes, das seine ursprüngliche völlige Freiheit eingebüßt hatte und in eine Art Abhängigkeit vom Reiche Mexiko geraten war. Die Cholulaner standen im Rufe, verweichlicht zu sein. Dafür blühte bei ihnen allerhand Kunsthandwerk. Ihre Stadt besaß den weithin berühmtesten Tempel, das Ziel zahlreicher Pilger von nah und fern. Cholula (d. h. Ort der Heimatlosen) war die heilige Stadt von Anahuak (d. h. Wassergau). Der dort verehrte Gott war Quezalkoatl, der Gott der Lüfte. Auf der Zinne des obersten Tempels brannte ein ewiges, weithin leuchtendes Feuer. Im Grundriß nimmt die Tempelpyramide doppelt soviel Raum ein wie die Pyramide des Cheops. Seit 1604 steht eine Barockkirche auf dem Hügel, der einen köstlichen Fernblick auf das umliegende Land bis zu den Schneegipfeln des Popokatepetl, des Iztaccihuatl und des Orizaba gewährt.
Die Cholulaner leisteten zunächst keinen kriegerischen Widerstand, und so zog der Eroberer mit seinem kleinen Heere samt den 400 Mann Hilfstruppen aus Cempoalla unbehindert in die volkreiche Stadt ein, die damals mindestens 150000 Einwohner hatte. Auf den Wunsch der Häuptlinge von Cholula nahm Cortes die 6000 Tlaskalaner, die er auf dem Marsche bei sich gehabt, nicht mit in die Stadt. Aber nach wenigen Tagen schlug das Verhalten des erst freundlichen und schaulustigen Volkes in sichtliche Feindseligkeit um, veranlaßt durch geheime Weisungen der Behörden und Priester, offenbar auf Befehl des mexikanischen Hofes. Verschiedene Anzeichen verrieten den Spaniern die drohende Gefahr.
Cortes vergegenwärtigte sich seine Lage. Die Stadt sofort wieder zu verlassen, dünkte ihm nicht ratsam, da dies Furcht und Zaghaftigkeit verraten hätte. Vermutlich war im Augenblick des Abmarsches ein Überfall in den Straßen der Stadt zu erwarten. Das aber wäre der Untergang seines Heeres gewesen. Die Spanier mußten also in der Stadt verbleiben, und zwar als ihre Gewaltherren. Dies schien dem Feldherrn nur auf einem einzigen Wege möglich, und schnell entschlossen wählte er ihn.
Er berief die Häuptlinge der Stadt zu sich, tat vor ihnen, als sei er willens, am kommenden Morgen den Vormarsch fortzusetzen, und bat sie um 2000 Mann zur Weiterschaffung seiner Geschütze und des Gepäcks. Die Häuptlinge willigten gern ein, denn damit erhofften sie, die ihnen gefährlichsten Waffen der Fremdlinge mühelos in ihre Hände zu bekommen. Daß Cortes ihren geheimen Man, ihn und seine Truppen zu überfallen, durchschaute, ahnten sie nicht.
Die Hispanier verbrachten die Nacht in Gefechtsbereitschaft, und am frühen Morgen, noch ehe die angeforderten cholulanischen Truppen vor dem Quartier erschienen, stellte Cortes seine eigenen Truppen und die Geschütze so auf, daß sie die unvorbereiteten 2000 Cholulaner auf ein verabredetes Zeichen unter Feuer nehmen und vernichten konnten. Die 6000 vor der Stadt lagernden Tlaskalaner erhielten Befehl, zu zwei Dritteln ebenfalls auf ein bestimmtes Zeichen in die Stadt einzudringen.
Die 2000 Cholulaner rückten sodann pünktlich in den Hof des Quartiers und stellten sich daselbst in der üblichen gedrängten Form auf. Auch die Häuptlinge der Stadt fanden sich nach dem Wunsche des spanischen Befehlshabers im Hofe ein. Cortes bat sie in einen der Säle und eröffnete ihnen dort in eiserner Kälte, daß er ihre Pläne wisse und sie in ihrem eigenen Blute ertränken werde. Ohne sie weiter anzuhören, ließ er als verabredetes Zeichen einen Kanonenschuß abgeben, worauf die im Hofe stehenden Truppen der Cholulaner niedergeschossen und niedergehauen wurden. Zugleich drangen die tlaskalantschen Hilfstruppen in die Stadt, stirnumkränzt, um sich von ihren Feinden zu unterscheiden. Es begann eine allgemeine Plünderung und Brandschatzung. Scheußlichkeiten aller Art wurden verübt.
Nach der Erzählung des Bischofs Las Casas hat sich Cortes nicht persönlich an dem Gemetzel beteiligt, aber er schaute von der Höhe einer Tempelpyramide hinab auf das Morden und Sengen in der Stadt und hörte den Waffenlärm und das Angstgeschrei zu seinen Füßen. Dabei soll er Verse aus einer alten Romanze vom Brande Roms vor sich hingesprochen haben.
Erst spät gebot der Eroberer Einhalt. Etwa 6000 Menschen hatten einen grausamen Tod gefunden. Cortes vermeldet dem Kaiser aus klugen Gründen nur die Hälfte davon.
Das Blutbad von Cholula – mag es geschehen sein, weil die militärische Notlage der Spanier es erforderte oder weil der Feldherr dem Könige Montezuma Achtung und Furcht vor den Europäern durch eine nackte Probe ihrer Rücksichtslosigkeit im Kriege betbringen wollte – hatte die erhoffte Wirkung. Montezuma verzichtete feig und abergläubisch auf jedweden Widerstand mit den Waffen.
So kam es, daß Cortes mit seinen 450 Abenteurern am 8. November 1519 in das amerikanische Venedig, das damals etwa 300000 Einwohner und eine Besatzung von 10000 Mann Garde hatte, ungehindert und wohlempfangen einziehen konnte. Aber bei allem Landsknechtsstolz und aller Beutegier mag es doch manchem unter den einmarschierenden Rittern und Kriegsknechten angesichts der wimmelnden Volksmassen etwas bang im Gemüte gewesen sein. Cortes selbst deutet diesen Unterton der allgemeinen Stimmung seiner Truppen in den Worten an, die seine bei den beweglichen Brücken in der feindlichen Hauptstadt angestellte Betrachtung wiedergeben. Dieser Einzug der Spanier in Mexiko ist und bleibt eine der tollkühnsten Taten der Weltgeschichte.
Die den Spaniern zur Unterkunft angewiesenen Häuser lagen in unmittelbarer Nähe der Hauptmoschee, deren hohe Pyramide die ganze Umgebung beherrschte, und zwar gegenüber dem Westtore des Tempelhofes. Cortes selbst erhielt seine Wohnung in einem Palaste, den Montezumas Vater Axayakatl im Jahr 1470 erbaut hatte. In den Nebengebäuden hatten seine 450 Spanier und 400 Cempoallaner genügend Raum. Ein ummauerter Hof umgab das Ganze. Um unabhängig von den Dammstraßen zu sein, die allein die Verbindung der Wasserstadt mit dem Festlande bildeten, ordnete Cortes den Bau von zwei Rennschiffen an, den er seinem Schiffbauer Martin Lopez übertrug.
Cortes setzte das Hauptquartier ohne Säumen in einen verteidigungsfähigen Zustand, stellte seine 14 Geschütze an geeigneten Stellen auf und beschaffte Vorrat an Lebensmitteln. Wohl von vornherein hegte er die Absicht, sich der Person des Königs zu bemächtigen. Auf eine Gelegenheit hierzu lauerte er vom ersten Tage ab. Sie bot sich ihm alsbald. Vor der Welt blieb Montezuma zwar weiterhin der Herrscher in seinem Reiche; indessen war er in der Tat nichts mehr als ein ohnmächtiges Merkzeug in der Hand des Eroberers. Die Behandlung, die ihm in der Gefangenschaft zuteil ward, mußte er bei aller Komödie nach außen als eine Kette schmachvoller Demütigungen empfinden.
An die Stelle des inzwischen gefallenen Escalante in Verakruz trat Gonzalo von Sandoval, der tüchtigste und getreueste Offizier des Cortes. Diese Wahl beweist die Wichtigkeit, die der Feldherr der rückwärtigen Verbindung beimaß. Vermutlich hat er auch unter Benutzung der von alters her vorhandenen Post- Höfe eine regelrechte Etappenstraße von der Hauptstadt zum Meere eingerichtet und aufrechterhalten. Mit spanischen Truppen konnte er sie in Anbetracht seiner so geringen Streitmacht allerdings nicht besetzen.
Jetzt ging Cortes auch an die Verteilung der bisherigen Beute. An Gold waren zusammengekommen 162000 Pesos, dazu Edelsteine, Geschmeide und andere Dinge, insgesamt im Werte von 500000 Dukaten, schließlich 500 Pfund Silber. Prescott schätzt dies in seiner Geschichte der Eroberung von Mexiko (I, 542) gleich einem Werte von 30 Millionen Mark (d. h. nach dem Goldwerte von 1850!). Davon gingen ab: das Kaiserliche Fünftel, das Fünftel des Cortes, die Entschädigung für die zerstörten Schiffe des Diego Velasquez sowie für dessen Anteil an den Ausrüstungskosten, die Kosten für die Absendung der beiden Boten an den Kaiser, die Entschädigungen für gefallene Pferde und schließlich die sonstigen Unkosten. Vom Reste erhielt jeder Fußknecht 100 Goldpesos, (etwa 4000 Mark); die Retter, die Armbruster und Büchsenschützen das Doppelte. Die Offiziere bekamen höhere Anteile.
Die Unzufriedenheit unter der Mannschaft war groß. Bernal Diaz, der damals noch nicht Offizier war, schildert diese Mißstimmung noch nach Jahren mit sichtlicher Bitternis, fügt aber hinzu, im Grunde wäre die üble Laune der meisten seiner Kriegskameraden unnötig gewesen, denn sie hätten doch alles dem Spielteufel geopfert. Wer sich sein Gold wahrte oder durch das Karten- oder Würfelspiel mehrte, trug dicke goldene Ketten und anderen protzigen Schmuck.
Eine noch weit größere Unzufriedenheit entbrannte unter dem Volke und besonders unter dem Adel der Mexikaner. Zur vollen Entfaltung kam sie durch die rücksichtslos und unklug betriebene Vernichtung des alten Glaubens im Lande. Von vornehmer und weiser Schonung des Herkömmlichen waren die Spanier, wie schon gesagt, weit entfernt.
Inzwischen hatten die Hauptleute Puerto-Carrero und Montejo, die bereits im Oktober 1519 in Spanien gelandet waren, den ersten Bericht des Cortes dem Kaiser überreicht, vermutlich in Tordesillas im März 1520. Aber wohl zugleich traf eine Beschwerdeschrift des Diego von Velasquez ein, die sich der Befürwortung durch Fonseco erfreute. So sehr das Gold und die anderen von Cortes gesandten Kostbarkeiten den Kaiser in Verwunderung setzten und seine Gedanken im Augenblick auf die Neue Welt lenkten, so waren es doch alsbald tausend andere ihm näherliegende Dinge, die ihn hinderten, sich den Angelegenheiten in Neu-Spanien wirklich zu widmen. Weder Cortes noch Velasquez erhielten irgendwelchen Bescheid auf ihre Berichte.
Diego von Velasquez, durch den Bischof von Burgos über die Gleichgültigkeit des Kaisers wohlunterrichtet, entschloß sich als echter Mann seines Jahrhunderts zu dem einfachen Mittel der Selbsthilfe. Er rüstete ein Geschwader von 20 Schiffen verschiedener Größe nebst einem ansehnlichen Heer aus, das unter dem Oberbefehl des Hauptmanns Panfilo von Narvaez im März 1520 in Kuba auslief. Mit 18 Schiffen – zwei waren an der Küste von Yukatan gescheitert – landete Narvaez am 23. April in Neu-Spanien unweit der Insel San Juan de Ulloa, also an der nämlichen Stelle, wo Cortes genau ein Jahr zuvor angekommen war. Seine Streitmacht belief sich auf: 600 Mann zu Fuß, 80 Reiter, 90 Armbruster, 70 Büchsenschützen, 200 Seeleute, 120 Personen indianisches Gesinde, dazu 18 Geschütze nebst reichlichem Schießvorrat.
Obgleich die Besatzung von Verakruz damals nur noch 70 Mann stark war und obendrein großenteils aus Kranken, Schonungsbedürftigen und nicht mehr Felddienstfähigen bestand, hielt es Narvaez – offenbar keine starke zielbewußte Persönlichkeit – für ratsam, zunächst keine Waffengewalt anzuwenden. Er begann von seinem Standorte Cempoalla aus mit Sandoval, dem Befehlshaber in Verakruz, zu verhandeln.
Sobald Cortes die Ankunft des Narvaez erfuhr, war ihm sofort klar, daß er diesen Abgesandten des Velasquez mit allen Mitteln wieder aus seinem Machtbereich vertreiben mußte. Schnell entschlossen zog er ihm entgegen. In der Hauptstadt ließ er unter dem bewährten Peter von Alvarado eine kleine Schar von 140 Spaniern (einschließlich der Offiziere), darunter 7 Reiter, 10 Armbruster und 14 Büchsenschützen sowie sämtliche Geschütze, dazu die 400 Mann Hilfstruppen aus Cempoalla, die im spanischen Heere waren, und etwa 1200 Mann Tlaskalaner. Mit dem Rest seiner Offiziere und Mannschaften, insgesamt 70 Köpfen, darunter 5 Reiter, ohne Artillerie, brach er Mitte Mai 1520 in Eilmärschen gegen Narvaez auf. Juan Velasquez von Leon, der sich auf dem Marsche nach Koazakualko befand, erhielt durch einen Eilboten den Befehl, auf der Stelle umzukehren und mit seinem Trupp nach Cholula zu marschieren, wo er ihn erwarten wolle. Leon kam dem unverzüglich nach. Ferner forderte Cortes 2000 Mann Hilfstruppen, bewaffnet mit langen Piken, in Chinantla an. Sie sollten von dort nach dem Orte Tapanakuetla in Marsch gesetzt werden.
In Tlaskala nahm er sich 600 Mann mit; aber auf dem Weitermarsche entliefen ihm diese Indianer zum größten Teile, – wohl ein Zeichen, wie stark das Ansehen der Spanier bereits gelitten hatte. Als Cortes die Flucht dieser Leute gemeldet bekam, meinte er gelassen: Besser jetzt als in der Stunde der Entscheidung!
In Tapanakuetla kam ihm Sandoval mit 60 Mann entgegen, darunter einige wenige Armbruster und Büchsenschützen. Das war der marschfähige Teil der ehemaligen Besatzung von Verakruz, verstärkt durch einige Überläufer. Den Rest – kranke und unbrauchbare Leute – hatte der Oberst in irgendeinem sicheren Dorfe untergebracht.
Hier trafen auch 300 in Chinantla bestellte, besonders lange Piken mit kupfernen Spitzen ein. Cortes, der den 80 Rittern des Narvaez nur fünf Reiter, ganz wenige Schützen und ein bis dahin mit Schwert und Schild ausgerüstetes Fußvolk entgegenzustellen hatte, gedachte durch diese Umbewaffnung der überlegenen Reiterei des Gegners einigermaßen gewachsen zusein. Die Herstellung dieser Piken hatte ein gewisser Tobillos überwacht, ein spanischer Landsknecht, der in der Schlacht bei Ravenna (1512) unter Peter von Navarra als Pikenier gefochten hatte.
Auf dem Weitermarsche durch die Tierra caliente, etwa 15 Meilen vor Cempoalla, kam eine Gesandtschaft des Narvaez zu Cortes, dabei jener Andreas von Duero, dem der Feldherr es im wesentlichen verdankte, daß ihm Diego von Velasquez den Oberbefehl anvertraut hatte. Offenbar war sein ehemaliger Gönner ihm nicht mehr so gesinnt wie vordem in Kuba, und vermutlich nur gekommen, um dem von Velasquez abtrünnig gewordenen vorstellig zu werden, daß seine Sache angesichts der dreifachen militärischen Überlegenheit des Narvaez rettungslos verloren sei. Cortes verstand den wankelmütigen Geist des Duero von neuem für sich zu gewinnen. Ja, er brachte ihn durch ein reiches Goldgeschenk dahin, daß er als das Haupt einer Verschwörung zu Narvaez zurückkehrte. Bernal Diaz berichtet hierzu: »Cortes, geschmeidig und weitblickend, wie er war, versprach dem Duero nicht nur große Schätze, sondern auch einen hohen Posten und nicht geringe Ländereien. Dafür mußte er sich aber verbindlich machen, den Feldzeugmeister des Narvaez, Augustin Bermudes, zu gewinnen, und andere höhere Offiziere, die ich nicht nennen will. Selbige sollten den Narvaez in allem entgegenarbeiten und ihm somit behilflich sein, jenen um Ehre und Leben zu bringen. Um die Zahl der heimlichen Anhänger zu mehren, nahm Duero zwei Manneslasten Gold gleich mit, dazu eine Menge Kostbarkeiten.«
Narvaez hatte ursprünglich den Plan, die Waffenentscheidung zwischen sich und Cortes am Ufer des Kannoe-Flusses herbeizuführen. Er bezog mit seinem Heere ein Lager daselbst und wartete etliche Tage auf den ihm im Anmarsch gemeldeten Gegner. Dann aber ging er ohne ersichtlichen kriegerischen Grund wieder nach Cempoalla zurück. Wahrscheinlich wirkte hierbei bereits der Verrat des Duero. Aus dem gleichen Grunde stieß der nächtliche Überfall, den wir besonders lebhaft von Bernal Diaz geschildert finden, nur in der unmittelbaren Umgebung von Narvaez auf ernstlichen Widerstand. Ferdinand Cortes war wie alle großen Feldherren der gesunden Meinung: um das Blut seiner Soldaten zu sparen, müsse im Kriege jedwedes Mittel erlaubt sein. Er verachtete den Verräter, aber er liebte den Verrat. Als ihm Narvaez tags darauf vorgeführt wurde und zu ihm sagte: »Sennor Cortes, Ihr habt dem Glücke dankbar zu sein, denn der Sieg war Euch leicht!« – da erwiderte der Sieger: »Gewiß habe ich dem Glück viel zu danken, aber daß ich Euch in meine Gewalt bekommen habe, das schätze ich für die geringste meiner Taten, seit ich dies Land betreten habe!« So berichtet Oviedo. Gleichwohl ist der Zug gegen Narvaez als Ganzes betrachtet, vom Augenblick an, da Cortes die erste Nachricht von der Ankunft des Widersachers erhielt, bis zur Gefangennahme des Narvaez, ein glänzendes Zeugnis von den großen Feldherrnfähigkelten des Eroberers. Die aus Chinantla erwarteten 2000 Mann indianische Hilfstruppen trafen übrigens erst am Tage nach dem Überfall ein. Cortes sandte sie nach einem freundlichen Empfang und mit freigebiger Belohnung in ihre Heimat zurück.
Durch diesen Erfolg der Massen und der Politik gewann Cortes einen starken Zuwachs an Kraft. Alsbald bemühte er sich, die Offiziere und Soldaten des Narvaez an seine Fahnen zu bannen. Wer bei ihm bleiben wollte, bekam alles zurück, was er, als Besiegter, zunächst verloren hatte: Rüstung, Waffen, Pferd, Gepäck, Geld. Daß seine alten Soldaten ihre Beute nur unwillig wieder herausrückten, ist leicht begreiflich. Auch hier mußte das Gold arbeiten, sowohl unter den neuen wie den alten Truppen. Cortes sparte an seiner eigenen Beute nicht. Narvaez hat später, in Spanien, behauptet, er habe in Cempoalla Eigentum im Werte von 5 Millionen Mark verloren.
Um seine Truppen auf andere Gedanken zu bringen und zu beschäftigen, sandte Cortes größere Streifzüge aus, so den Diego von Ordaz mit 200 Mann an den Koazakualko sowie Velasquez von Leon mit 120 Mann nach dem Panuko. Weitere 120 Mann unter Franz von Lujo marschierten nach Verakruz mit dem Auftrage, die Schiffe des Narvaez auszufrachten und vollständig abzutakeln.
Währenddem erhielt Cortes sehr beunruhigende Nachrichten aus der Hauptstadt. Er mußte sich infolgedessen zur sofortigen Rückkehr dahin entschließen. Am 24. Juni 1520 traf er daselbst wieder ein, und zwar mit einer Streitkraft von rund 700 Mann zu Fuß, etwa 40 Offizieren, 96 Reitern, 80 Armbrustern, 80 Hakenschützen, 18 Geschützen und 2000 Mann indianischen Hilfstruppen aus Tlaskala.
In Verakruz waren 500 Mann unter dem Hauptmann Rodrigo Rangre zurückgeblieben, ferner in Cempoalla eine Anzahl Kranker und Verwundeter, schließlich in Tlaskala der Hauptmann Juan Perez mit 80 Mann, wohl auch meist Untauglichen.
Trotz dieser ansehnlichen Macht – zu der noch die 140 Mann des in Mexiko zurückgebliebenen Alvarado zu rechnen sind sowie dessen 400 Cempoallaner und 1200 Tlaskalaner – konnte sich Cortes nicht mehr in der Hauptstadt halten. Von Unmassen Mexikanern umstürmt, mußte er sich zum Abmarsch entschließen. Er erzwang in der Nacht vom 1. zum 2. Juli, in der berüchtigten Noche triste, den Durchbruch. Die dabei erlittenen Verluste waren groß. Verloren gingen: alle 32 Geschütze, 80 Pferde, 450 Spanier, das gesamte Gepäck mit dem größeren Teil des Goldes und aller Beute, alle Urkunden, alles Gesinde und Schreibervolk, alle Weiber außer Dona Marina und wenigen anderen, dazu fast alle indianischen Hilfstruppen. Die Angaben, wieviel von letzteren geblieben sind, schwanken zwischen 2000 und 4000. Der Nest des Heeres zog sich weiter nach einem Tempel zurück, auf den sogenannten Hügel des Montezuma.
Wo die Dammstraße das Festland erreichte, am Dorfe Popotla, hat der zu Tode erschöpfte Cortes eine Weile gerastet. Der Baum, unter dem er weinend gesessen haben soll – die Zeder der Trauernacht –, steht noch heute, wenngleich vom Pöbel halb niedergebrannt.
Inmitten der allgemeinen Betrübnis, Not und Mutlosigkeit bewies Cortes alsbald seine Ruhe, Überlegenheit und Zuversicht. Schon in der folgenden Nacht, um Mitternacht, nahm er den weiteren Rückmarsch auf. Die Lagerfeuer blieben brennen. Auf einem großen Umwege nach Norden (über Quautitlan bis zum Zumpango-See) unter fortwährender Abwehr der Angriffe indianischer Streifscharen, unter Hunger und Durst und allerlei Entbehrungen, schleppte sich der Zug durch das plötzlich ungastlich gewordene Land. Menschen und Pferde blieben liegen, und die letzten Schätze. Ein Soldat, der Gold im Werte von 4000 Dukaten bisher mühselig getragen hatte, warf es schließlich von sich, als ihm der Feldherr zurief: »Der Teufel hole dein Gold, wenn du dir dafür dein Leben erhältst!«
Die darauf folgende berühmte Schlacht bei Otumba am 7. Juli 1521 erwähnt Cortes in seinem Bericht an den Kaiser nur ganz flüchtig. Hier trat den Spaniern die gesamte Streitmacht Mexikos entgegen, in der richtigen Erwägung, daß man ihnen den Rückmarsch zum Meere verlegen müsse, um sie völlig zu vernichten. Wie wenig Wesen auch Cortes gerade von diesem Siege macht, der ihm nichts ermöglichte als einen Rückzug, also für einen Soldaten etwas an und für sich Verächtliches, so war dennoch der Sieg bei Otumba von nachhaltiger Bedeutung.
Wenige Tage später erreichten die Spanier Tlaskala, die Hauptstadt des ihnen treu gebliebenen Vierfürstentums, wo sie mit echter Sorglichkeit aufgenommen wurden. Die Truppen hatten eine gründliche Erholung nötig, die ihnen hier auch zuteil ward. Der Feldherr, der zwei Wunden am Kopf und eine an der linken Hand hatte, verfiel in eine fiebernde Krankheit. Bei seiner guten Natur erholte er sich aber bald.
Cortes war sofort wieder voller großartiger Pläne. Die eben erlittenen beträchtlichen Verluste schreckten ihn durchaus nicht. Abgesehen von der verlorenen Artillerie und überhaupt allen Feuerwaffen war die ihm verbliebene Streitmacht immerhin so stark wie ehedem bei der Landung. Er besaß: 421 Mann zu Fuß, 20 Pferde, 12 Büchsenschützen, 7 Armbruster, dazu die in Verakruz und in Cempoalla zurückgelassenen Besatzungen.
Mexiko wiederzuerobern, sich des ganzen Landes von neuem zu bemächtigen und die Herrschaft gründlich zu festigen, das war Cortes seiner Soldatenehre schuldig. Diese Pflicht gegen sich selbst galt es mit aller Kraft zu erfüllen. Es war indessen nicht leicht, die Mittel und Wege zu finden, dieses große Werk zu vollbringen.
Die ihm verbündeten Cempoallaner und Tlaskalaner hatten sich im großen und ganzen bewährt. Auf den tiefen Haß dieser und anderer Stämme gegen die Azteken baute sich der neue Plan des Feldherrn auf. Er erkannte die Notwendigkeit, noch mehr solcher Bundesgenossen zu erwerben. Der zweite Feldzug gegen die Hauptstadt sollte einen mächtigeren Stützpunkt hinter sich haben als der erste. War aber die Stadt zum zweiten Male in den Händen der Spanier, so gab es ein einziges Mittel, sich in ihr auf jeden Fall zu halten: die Beherrschung des Salzsees durch eine genügende Binnenflotte. Die Unternehmung konnte im übrigen nicht eher beginnen, als bis sein Heer neu bewaffnet, auch mit Geschützen, völlig wieder erstarkt und in sich einig war.
Die ungeheuren Schwierigkeiten dieser Aufgabe begannen in der Tat im eigenen Heere. Ein ziemlicher Teil der Offiziere und der Mannschaft war mißvergnügt. Man hatte keine Lust, eine Sache, die so viel Not und Tod und so wenig klingenden Lohn gebracht hatte, unter erschwerten Umständen noch einmal ganz von vorn anzufangen. Allgemein ersehnte und forderte man den Rückzug nach dem Hafen. Es ging Cortes wie Alexander dem Großen im Fünfstromlande Indiens, aber der spanische Eroberer dachte nicht daran, umzukehren. Selbst als man ihm eine Beschwerdeschrift überreichte, unter deren zahlreichen Unterschriften die des Duero obenan stand, wankte er keinen Augenblick. Nach Verakruz zurückzuweichen, dünkte ihm der Anfang vom Ende zu sein. Und so erwiderte er den Mißvergnügten, er hege die Meinung, es sei dem Heere eines Volkes, das in ganz Europa den Ruf unvergleichlicher Tapferkeit habe, unwürdig, ein einmal begonnenes kriegerisches Unternehmen auf dem halben Wege aufzugeben. Kastilische Ritter und Soldaten hätten bisher die rühmliche Gewohnheit des Durchhaltens gehabt. Nach dem Meere zu fliehen, müsse von Freund wie Feind als Schwäche und Feigheit aufgefaßt werden. Es gäbe nur einen Weg, die vom Mißgeschick bedrohte Waffenehre zu retten: den Vormarsch und den Angriff. Indessen er wolle niemanden mit Zwang unter seiner Fahne halten, der die Bequemlichkeit am heimatlichen Herde dem Ruhme vorziehe, ein großes Werk mitvollbracht zu haben. Wer es mit seiner Ehre zu vereinbaren wisse, der solle in Gottes Namen seinen Feldherrn und seine Kameraden verlassen. Er werde sich an der Spitze einer kleinen Schar tapferer und getreuer Herzen stärker fühlen als umgeben von einem Schwärme kleinmütiger und zaghafter Leute.
Die Alte Garde des Eroberers war durch solche Worte sofort beschwichtigt. Nicht so die ehemaligen Soldaten des Narvaez, aber auch diese schwiegen zunächst. Cortes griff zu seinem erprobten Mittel. Er begann seine Truppen dem verderblichen Müßiggang durch kleinere und größere Streifzüge zu entziehen. So kam die Unternehmung gegen Tepeaka zustande, die Hauptstadt eines nicht unbedeutenden Stammes.
Dieser lag seit alters her mit den Tlaskalanern in Feindschaft. Vor der Noche triste hatte er die Oberherrschaft der Spanier wie so viele andere Stämme anerkannt, um sich Ruhe und Frieden zu wahren. Nach dem Rückzuge der Eroberer jedoch hatte er, wiederum aus Furcht und Vorsicht, von neuem zu den Mexikanern gehalten. Diese an und für sich ganz natürliche Wandlung erklärte Cortes für Verrat und Abfall. Überdies waren in der Zeit der allgemeinen Unruhe zwölf Spanier im Gebiete von Tepeaka umgebracht worden.