Freuds Ödipus im androgynen Rosenkavalier - Ruth Klüger - E-Book

Freuds Ödipus im androgynen Rosenkavalier E-Book

Ruth Klüger

2,2

Beschreibung

Hugo von Hofmannsthals "Rosenkavalier" wurde 1911 in Dresden uraufgeführt. Freuds Hauptwerk, "Die Traumdeutung", erschien 1900 in Wien. Hofmannsthal gibt vor, eine Tradition fortzusetzen, die er in Wirklichkeit auf den Kopf gestellt hat und hinter sich lässt. Es ist die Tradition eines hochzivilisierten Europa, die zwar dekadent geworden war, aber in Hofmannsthals Kreisen war auch die Dekadenz modisch und willkommen. Das 18. Jahrhundert, das er sich erträumte, war eine Übergangszeit. Doch war sich Hofmannsthal wohl bewusst, dass historische Fiktionen keine Rekonstruktionen, sondern Interpretationen sind und sein müssen. In seinem "Ungeschriebenen Nachwort zum ›Rosenkavalier‹" heißt es: "Es könnte scheinen, als wäre hier mit Fleiß und Mühe das Bild einer vergangenen Zeit gemalt, doch ist dies nur Täuschung und hält nicht länger dran als auf den ersten flüchtigen Blick. Die Sprache ist in keinem Buch zu finden, sie liegt aber noch in der Luft, denn es ist mehr von der Vergangenheit in der Gegenwart, als man ahnt …" Dieser letzte Nebensatz könnte auch ein Leitsatz der zu seiner Zeit neuen Wiener Wissenschaft, der Psychoanalyse, sein …

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Seitenzahl: 45

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Ruth Klüger Freuds Ödipus im androgynen Rosenkavalier

Wiener Vorlesungen im Rathaus

Band 163 Herausgegeben für die Kulturabteilung der Stadt Wien von Hubert Christian Ehalt

Vortrag im Wiener Rathaus am 28. Oktober 2011

Ruth Klüger

Freuds Ödipus im androgynen Rosenkavalier

Mit einem Kommentar von Daniela Strigl

Picus Verlag Wien

Copyright © 2012 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien Alle Rechte vorbehalten Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien ISBN 978-3-7117-5100-3 Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt

Informationen über das aktuelle Programm des Picus Verlags und Veranstaltungen unterwww.picus.at

Inhalt

Freuds Ödipus im androgynen Rosenkavalier

Eine Ehrenrettung Ruth Klügers »Rosenkavalier«-Lektüre

Die Autorinnen

Die Wiener Vorlesungen im Rathaus

Die große Resonanz, die der Vortrag des berühmten deutschen Soziologen Prof. Dr. René König am 2. April 1987 im Wiener Rathaus bei einem sehr großen Publikum hatte, inspirierte die Idee einer Vorlesungsreihe im Rathaus zu den großen Problemen und Überlebensfragen der Menschen am Ausgang des 20. Jahrhunderts.

Das Konzept der Wiener Vorlesungen ist klar und prägnant: Prominente Denkerinnen und Denker stellen ihre Analysen und Einschätzungen zur Entstehung und zur Bewältigung der brisanten Probleme der Gegenwart zur Diskussion. Die Wiener Vorlesungen skizzieren nun seit Anfang 1987 vor einem immer noch wachsenden Publikum in dichter Folge ein facettenreiches Bild der gesellschaftlichen und geistigen Situation der Zeit. Das Faszinierende an diesem Projekt ist, dass es immer wieder gelingt, für Vorlesungen, die anspruchsvolle Analysen liefern, ein sehr großes Publikum zu gewinnen, das nicht nur zuhört, sondern auch mitdiskutiert. Das Wiener Rathaus, Ort der kommunalpolitischen Willensbildung und der Stadtverwaltung, verwandelt bei den Wiener Vorlesungen seine Identität von einem Haus der Politik und Verwaltung zu einer Stadtuniversität. Das Publikum kommt aus allen Segmenten der Stadtbevölkerung; fast durchwegs kommen sehr viele Zuhörer aus dem Bereich der Universitäten und Hochschulen; das Wichtige an diesem Projekt ist jedoch, dass auch sehr viele Wienerinnen und Wiener zu den Vorträgen kommen, die sonst an wissenschaftlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen. Sie kommen, weil sie sich mit dem Rathaus als dem Ort ihrer Angelegenheiten identifizieren, und sie verstärken durch ihre Anwesenheit den demokratischen Charakter des Hauses.

Es ist immer wieder gelungen, Referentinnen und Referenten von Nobelpreisrang zu gewinnen, die ihre Wissenschaft und ihr Metier durch die Fähigkeit bereichert haben, Klischees zu zerschlagen und weit über die Grenzen ihres Faches hinauszusehen. Das Besondere an den Wiener Vorlesungen liegt vor allem aber auch in dem dichten Netz freundschaftlicher Bande, das die Stadt zu einem wachsenden Kreis von bedeutenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Forschung in aller Welt knüpft. Die Vortragenden kamen und kommen aus allen Kontinenten, Ländern und Regionen der Welt, und die Stadt Wien schafft mit der Einladung prominenter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine kontinuierliche Einbindung der Stadt in die weltweite »scientific community«. Für die Planung und Koordination der Wiener Vorlesungen war es stets ein besonderes Anliegen, diese freundschaftlichen Kontakte zu knüpfen, zu entwickeln und zu pflegen.

Das Anliegen der Wiener Vorlesungen ist eine Schärfung des Blickes auf die Differenziertheit und Widersprüchlichkeit der Wirklichkeit. Sie vertreten die Auffassung, dass Kritik ein integraler Bestandteil der Aufgabe der Wissenschaft ist. Eine genaue Sicht auf Probleme im Medium fundierter und innovativer wissenschaftlicher Analysen dämpft die Emotionen, zeigt neue Wege auf und bildet somit eine wichtige Grundlage für eine humane Welt heute und morgen. Das Publikum macht das Wiener Rathaus durch seine Teilnahme an den Wiener Vorlesungen und den anschließenden Diskussionen zum Ort einer kompetenten Auseinandersetzung mit den brennenden Fragen der Gegenwart, und es trägt zur Verbreitung jenes Virus bei, das für ein gutes politisches Klima verantwortlich ist.

Fernand Braudel hat mit dem Blick auf die unterschiedlichen Zeitdimensionen von Geschichte drei durch Dauer und Dynamik voneinander verschiedene Ebenen beschrieben: »L’histoire naturelle«, das ist jener Bereich der Ereignisse, der den Rhythmen und Veränderungen der Natur folgt und sehr lange dauernde und in der Regel flache Entwicklungskurven aufweist. »L’histoire sociale«, das ist der Bereich der sozialen Strukturen und Entwicklungen, der Mentalitäten, Symbole und Gesten. Die Entwicklungen in diesem Bereich dauern im Vergleich zu einem Menschenleben viel länger; sie haben im Hinblick auf unseren Zeitbegriff eine »longue durée«. Und schließlich sieht er in der »histoire événementielle« den Bereich der sich rasch wandelnden Ereignisoberfläche des politischen Lebens.

Die Wiener Vorlesungen analysieren mit dem Wissen um diese unterschiedlichen zeitlichen Bedingungshorizonte der Gegenwart die wichtigen Probleme, die wir heute für morgen bewältigen müssen. Wir sind uns bewusst, dass die Wirklichkeit der Menschen aus materiellen und diskursiven Elementen besteht, die durch Wechselwirkungsverhältnisse miteinander verbunden sind. Die Wiener Vorlesungen thematisieren die gegenwärtigen Verhältnisse als Fakten und als Diskurse. Sie analysieren, bewerten und bilanzieren, befähigen zur Stellungnahme und geben Impulse für weiterführende Diskussionen.

Im Jahr 1994, kurz nach dem Erscheinen ihres Buches »weiter leben. Eine Jugend« war Ruth Klüger das erste Mal Referentin bei den Wiener Vorlesungen. Sie sprach damals über »Missbrauch der Erinnerung: zum heutigen Umgang mit den NS-Verbrechen«. Seither war sie bis dato zu zehn Vorträgen bei den Wiener Vorlesungen, die alle sprach- und kulturwissenschaftliche Analysen zum Genius Loci anstellten. Ruth Klüger gehört zum kleinen Kreis der »permanent fellows« des Dialogforums der Stadt Wien.