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Alle Jahre wieder .... Gebt's doch bitte endlich alle einen Frieden!" Unter diesem wunderschönen, altösterreichischen Weihnachtsmotto steht das Werk der beiden renommierten Psycho-Austrologen Erwin Steinhauer und Fritz Schindlecker. In einfühlsamen Gedichten, humorigen Kurzgeschichten und heiteren Mikro-Dramen wird jener Seelentrost gespendet, den wir alle nach der Zeit der Advent-Einkehr am Punschstandl so dringend benötigen.
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Seitenzahl: 191
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Über dieses Buch
Gebt’s doch bitte endlich alle einen Frieden!“ Unter diesem wunderschönen, altösterreichischen Weihnachtsmotto steht das Werk der beiden renommierten Psycho-Austrologen Erwin Steinhauer und Fritz Schindlecker. In einfühlsamen Gedichten, humorigen Kurzgeschichten und heiteren Mikro-Dramen wird jener Seelentrost gespendet, den wir alle nach der Zeit der Advent-Einkehr am Punschstandl so dringend benötigen.
Vorwort
ERSTER TEIL
Unser Adventkalender
ZWEITER TEIL
Zeit der Erwartung
Advent – wer wartet worauf?
Zeit des Fastens oder der Völlerei?
Ein Weihnachtsgeschenk für Alice
Der Krampus – ein armer Teufel?
Die unbefleckte Empfängnis – ein Dogma
Wie das Adventsingen den alten Nazi katholisch gemacht hat
Charity am Punsch- und Glühweinstand
SONDERTEIL
„Stille Nacht“ – ein Welthit feiert seinen 200. Geburtstag
DRITTER TEIL
Fest der Freude
Was feiern wir zu Weihnachten?
Weihnachtsessen – einst und heute
Niemand kränken – Freude schenken
Christkind oder Weihnachtsmann?
Weihnachten im Weißen Haus
Eine Weihnachtspredigt
Statt eines Nachworts: LeserInnen sagen uns die Meinung
Liebe geistreiche Leserin, lieber bezaubernder Leser, wir wissen nicht, wie das bei Ihnen ist, aber bei uns ist das so:
Jedes Jahr, wenn wir am 11. November das letzte Knöchelchen des Martinigansels blitzsauber abgenagt haben, überkommt uns die erste Weihnachtssehnsucht. Plötzlich fühlen wir uns wieder wie Siebeneinhalbjährige und damit zurückversetzt in eine völlig andere Zeit. In eine Zeit, in der es nur ein Fernsehprogramm gab, das aber unfassbar gut war. Denn es wurde in ehrlichem Schwarzweiß ausgestrahlt. Keine schreiende Farbe störte den Vortrag des Dichterfürsten Karl Heinrich Waggerl, wenn er uns unter dem Herrgottswinkel sitzend davon erzählte, wie das Jesuskind lächelte, während die gute Mutter Vanillekipferln buk.
Bald schon merkten wir, dass die Tage immer kürzer wurden. Und dass sich vom Donaustrom ausgehend immer dichter werdende Nebelschwaden über das Land legten, wodurch selbst bei Tageslicht alles dämmrig erschien. Da wussten wir: Die besinnliche Zeit des Advents ist da.
Auch heute noch ziehen die Nebel in den Wochen vor Weihnachten gerne durch die Flusstäler. Doch sie lassen nichts mehr dämmrig erscheinen. Im Gegenteil: Die Nebelschwaden reflektieren die bunten Lichter der privaten weihnachtlichen Gartenbeleuchtungen. Diese amerikanische Sitte, durch exzessive Lichtspiele im und um das Eigenheim einen ökologischen Fußabdruck in der Größe einer Yeti-Sohle zu hinterlassen, ist in den letzten fünfundzwanzig Jahren auch bei uns populär geworden. Selbst in großstädtischen Garçonnièren werden Küchenfenster und Minibalkone mit Glitzersternchen und Lichtschlangen geschmückt. Die Dächer der Einfamilienhäuser in den Speckgürteln um die Städte zieren ganze Kometengeschwader, die allesamt den Stern von Bethlehem symbolisieren sollen. In den Vorgärten tummeln sich strahlenumflorte Englein, aber oft auch ganze Rudel eigenwillig beleuchteter Rehe. Um die Villen wohlhabender Ärzte-, Anwalts- und Architektenfamilien kann man oft sogar mit Leuchtdioden bestückte Rentiere sehen, die neben dem winterlich zugedeckten Outdoor-Pool zu äsen scheinen.
Der schlimmste Auswuchs dieses Vorweihnachts- und Weihnachtsdekorationswahns sind aber die Weihnachtsmänner. Diese riesigen und oftmals von innen beleuchteten Monster haben das blödsinnige Grinsen vorchristlicher Trolle aufgesetzt und krallen sich im Regelfall hoch auf dem Dach an einem Rauchfang fest.
Kein Wunder, dass manche sensible Seele beim Anblick dieser Kitschorgien augenblicklich in tiefe Depression verfällt.
Und da, liebe geistreiche Leserin, lieber bezaubernder Leser, da kommen wir ins Spiel: mit diesem unserem Advent- und Weihnachtsbuch. Uns war es ein Anliegen, ein vernünftiges Mittel gegen die Weihnachtsdepression zu kreieren.
Ein Buch, das Sie angstfrei auf die schönste Zeit des Jahres einstimmen wird. Ein Buch, das voll unbeschwerter Heiterkeit ist. Ein Buch, das darüber hinaus all das beantworten wird, was Sie immer schon wissen wollten, aber nie zu fragen wagten:
Wie viele Kerzen hatte der erste Adventkranz?
Was ist ein Paradeisl?
Warum glauben manche, dass es nicht drei, sondern vier Weise aus dem Morgenland sind?
Was feiern Katholiken wirklich am 8. Dezember?
Was essen Vorarlberger, Wiener oder Veganer am Heiligen Abend?
Sind der Weihnachtsmann und das Christkind eher evangelisch als katholisch?
Sind Perchtenläufer Satanisten?
Ist Kriegsspielzeug für Mädchen gendermäßig gesehen politisch korrekt?
Glauben Sie uns: Viele Antworten werden Sie verblüffen!
Und vergessen Sie bitte eines nicht: Klar macht es am meisten Spaß, die „Fröhlichen Weihnachterln“ für sich selbst zu kaufen. Aber, was soll man machen – Weihnachten ist nun einmal das Fest der Geschenke. Und mit dem Kauf dieses Buches können Sie auf einen Schlag gleich drei Menschen glücklich machen:
Ihren Lieben oder Ihre Liebe, dem oder der Sie das Werk auf den Gabentisch legen. Und natürlich uns zwei, die Ihnen dafür auf diesem Weg ein herzliches Dankeschön sagen und ein Frohes Fest wünschen!
Als Kinder war für uns das Öffnen des ersten Adventkalenderfensters eine kleine Flucht aus der Realität. Wir wussten natürlich, dass der Alltag auch im Advent keine Pause machen würde – Hausaufgaben mussten gemacht, Klavierstunden mussten besucht und Schulprüfungen mussten bestanden werden. Aber wir wussten auch: Wenn das letzte Fenster des Kalenders offen ist, dann gibt es ein Fest! Ein Fest, bei dem wir Kinder im Mittelpunkt stehen werden.
Das Nikolausfest war nett. Das folgende Weihnachtsfest war dann von den Geschenken her gesehen immer absolut großartig – wir bekamen fast immer das, was wir uns gewünscht hatten.
Kaum erwachsen geworden war es nun an uns, das zu schenken, was sich unsere Lieben wünschen. Aber werden wir genau das auch finden? Versagensangst setzt ein.
„Ganz ruhig!“, flüstern wir uns dann selbst ins Ohr. Wir werden nicht versagen. Wir wissen Bescheid. Wir haben alle Wünsche unserer Lieben ganz genau recherchiert. Cool bleiben. Weihnachten ist das Fest des Friedens.
Peace on Earth! Rampapapam!
Wenn uns aber dann im Toys“R“Us ein Rowdy das letzte pinkfarbene Barbie-Wohnmobil wegschnappt, das sich unsere Tochter, Enkelin oder Nichte sehnlichst bereits vom Osterhasen gewünscht und nicht bekommen hat, dann sagen wir immer noch:
Peace on Earth! Rampapapam!
Wenn dieser Rowdy aber dann auf Burgenländisch heiter hinzufügt: „Mei Vota is a Räuber, mei Muata stühlt a, mei Schwesta is in G’fängnis und mi suachen’s a!“
Dann ist es mit dem Rampapapam vorbei.
Dann gräbt unser innerer Sitting Bull das Kriegsbeil aus. Und er würde es liebend gerne und mit Wucht diesem elenden General Custer aus dem Burgenland ins Genick schleudern, der triumphierend mit seiner pinkfarbenen Beute zur Kasse eilt.
Wenn wir uns dann wieder beruhigt haben, weil wir einem blöd schauenden Idioten die letzte Carrera-Digital-Autorennbahn weggeschnappt haben, die sich unser Sohn, Enkel oder Neffe schon zum Geburtstag gewünscht, aber nicht bekommen hat, lächeln wir. Dann atmen wir durch und denken uns:
„Ach Gott – Peace on Earth! Rampapapam!“
Und dann freuen wir uns auf den nächsten Tag.
Auf das Öffnen des zweiten Fensters unseres Adventkalenders.
Wir laden Sie ein, unserem Beispiel zu folgen.
Im Advent gibt’s Leckereien,
bekannt als Weihnachtsbäckereien:
Rumkugeln, Vanillekipferln,
süße Mürbteig-Polsterzipferln
gefüllt mit Erdbeermarmelade;
in Glasur aus Schokolade
eingetunkte Weihnachtssterne,
darauf gestreute Walnusskerne –
das Süße mag jetzt jeder gerne:
Weihnachtsstollen, Kletzenbrot
im Superkombiangebot.
Wäschermädel, Schlosserbuben,
die bäckt man in allen Stuben.
Mit Zucker, Nougat, Marzipan
kämpft man gegen Schlankheitswahn.
Das tat unsre Oma schon.
Es lebe hoch die Tradition!
Doch auch viele junge Leute
woll’n ganz ungezwungen heute
aufs Kalorienzähl’n vergessen
und Donuts, Muffins, Cupcakes essen.
Bravo, Kids, macht euch bereit
für die süße Weihnachtszeit!
Zu Wirkung und möglicher unerwünschter Wirkungen fragen Sie Ihren Arzt, Zuckerbäcker oder Apotheker.
Diverse Unverträglichkeiten
nehmen zu in diesen Zeiten.
Bei Gluten- oder Laktoseintoleranz
ist rigorose
Abstinenz von Butterteigen
bei jenen, die dazu sehr neigen,
angesagt. Statt Brandteigkrapferl
isst man ein gebrat’nes Apferl.
Die an Diabetes leiden,
haben Zucker streng zu meiden.
Doch auch Süßstoff – sei’n wir ehrlich! –
gilt als nicht ganz ungefährlich.
Auch für angeblich Gesunde,
Pausbäckige und Kugelrunde
kann das exzessive Naschen
gefährlicher noch sein als Haschen.
Wenn Cholesterin im Blut erstarkt,
freut kichernd sich der Herzinfarkt.
Willst von der Welt du dich befreien,
iss weiter Weihnachtsbäckereien.
Bald öffnet Petrus dir das Tor –
und du singst in der Englein Chor!
„Also, liebe Kinder: Aus welchem Grund musste die Heilige Familie denn von Bethlehem nach Ägypten fliehen? Bald, nachdem das Jesuskind zur Welt gekommen war?“
Religionslehrer Pater Ägidius Nesvadba stellt diese Frage. Die Schülerinnen und Schüler der zweiten Klasse der Neuen Mittelschule in St. Vitis am Hermannskogel schweigen. Nach einigen Sekunden zeigt dann aber Jennifer Hasenöhrl auf und meint:
„Weil Jesus, Maria und Josef im Besitz von illegalen Drogen waren!“
Allgemeine Heiterkeit bricht aus, während der Pädagoge die Schülerin bestürzt ansieht.
„Aber Jennifer, um Gottes Willen. Wie kommst du denn auf diese verrückte Idee?“
„Durch meinen Papa!“ Jennifers Vater ist der lokale Polizeipostenkommandant. „Mein Papa sagt immer, bei den Flüchtlingen gibt es zwei Gruppen: Die einen sind Drogendealer, die anderen sind Drogenkonsumenten!“
„Aber doch nicht die Heilige Familie!“ Pater Ägidius hebt nun seine Stimme. „Die Heilige Familie besaß niemals irgendwelche illegalen Drogen!“
Da meldet sich Seppi zu Wort, Sohn des Großbauern und Bürgermeisters Schmalzer. „Und was ist mit den Geschenken, bitte?“
„Mit welchen Geschenken?“ Pater Ägidius wirkt ratlos.
„Na, mit den Geschenken, die was die drei Weißen aus dem Morgenland dem Kindlein mitgebracht haben. Drei Weiße, von denen einer noch dazu ein Neger war. Verdächtig!“
„Man sagt doch nicht Neger!“, schrillt es aus Selina, der Tochter der einzigen grünen Gemeinderätin. „Man sagt Afroamerikaner oder Schwarzafrikaner! Je nachdem, wo die Neger herkommen!“
„Sehr richtig!“ Der Religionslehrer nickt Selina dankbar zu. „Und außerdem, Seppi, heißt das nicht die Weißen aus dem Morgenland, sondern die Weisen!“
„Und was, bitte, ist mit Weihrauch und Myrrhe?“ Der Schmalzer Seppi lässt nicht locker. „Mit dem Weihrauch tun sie sich einrauchen, die Süchtler. Gut. Aber was sie mit der Myrrhe machen, das weiß ich leider nicht.“
„Mir ist es jetzt wieder eingefallen!“, meint darauf Jennifer im Brustton der Überzeugung. „Mein Papa sagt, die Myrrhe spritzen sie sich in die Venen.“
„Das ist Unsinn!“ Pater Ägidius ist sichtlich empört. „Den Weihrauch verwenden wir in der Kirche und die Myrrhe …“ Er zögert.
„Na, was ist mit der Myrrhe, Herr Pater?“, sagt Jennifer in lauerndem Tonfall.
„Das … kann … ich euch nicht … sagen … das ist erst Stoff in der Oberstufe.“
Es ist unschwer zu erkennen, dass Pater Ägidius deshalb so herumstammelt, weil er nicht weiß, was Myrrhe ist.
Da bekommt er Beistand von unerwarteter Seite. Marlon Brandl, der aufsässige Sohn eines Bluesbassisten und einer ortsansässigen Keramikerin, beendet zur freudigen Überraschung des Paters die unangenehme Situation.
„Herr Pfarrer“, beginnt der Elfjährige, dessen Tonfall aus unerfindlichen Gründen stark an Falco erinnert. „Ich hab unter der Bank die Mathe-Hausaufgab’ fertig g’schrieben, jetzt kann ich die Frage ganz easy beantworten. Warum hat sie fliehen müssen, die Holy Family? Die Weisen aus dem Morgenland haben den König von Judäa gefragt, wie sie nach Bethlehem kommen. Weil dort vor Kurzem der zukünftige König der Juden geboren wurde. Okay, wenn mir so ein Gschrapp den Thron wegnehmen will, hat daraufhin der König Odes g’sagt, dann lass ich sicherheitshalber alle Buben bis zum Alter von zwei Jahren von meinen Soldaten heimdreh’n! Und deswegen hat die Holy Family fliehen müssen!“
„Sehr gut, Marlon!“, erwidert darauf Ägidius erleichtert. „Du hast nur einen kleinen Fehler gemacht: Der König von Judäa hieß nicht Odes, sondern Herodes!“
„Für Sie vielleicht, Herr Pfarrer!“, meint Marlon und fügt mit Würde hinzu: „Aber ich sag zu einem Kinderkiller nicht Herr, auch wenn er ein König ist. Für mich ist das Arschloch der Odes! Und nicht der Herr Odes!“
Heute ist der Festtag der heiligen Barbara. Sie soll, so will es die für Jugendliche unter sechzehn Jahren nicht geeignete christliche Legende, nach fürchterlichen Folterqualen, auf deren Schilderung wir hier in Hinblick auf die Gemütslage unserer sensiblen Leserschaft verzichten, für ihren christlichen Glauben den Märtyrertod erlitten haben. Und zwar durch die Hand des eigenen Vaters. Der alte cholerische Heide entging aber der gerechten Strafe nicht: Es war noch kein Jahr nach seiner grausamen Mordtat verstrichen, als ihn auch schon der Blitz traf, um ihn schnurstracks in das Reich des Satans zu befördern.
Barbara aber wird als Heilige verehrt und zählt nicht nur zu den vierzehn Nothelfern, sie ist auch die Schutzpatronin unter anderem folgender Berufsgruppen: der Feuerwehrmänner, Artilleristen, Goldschmiede, Bürstenbinder, Hutmacher, Buchhändler, Fleischhauer, Köche, Totengräber, Bergleute, Sprengmeister, Salpetersieder, Hüttenarbeiter, Geologen und Steinhauer sowie natürlich deren weiblicher Pendants.
Auch wenn Sie zu keiner dieser Berufsgruppen gehören, sollten Sie sich dem uralten Adventbrauch des Barbara-Zweigerl-Einwässerns nicht verschließen. Sagen Sie jetzt nicht „Ohne Brauch geht’s auch!“, sondern machen Sie lieber Folgendes: Gehen Sie zu Ihrem Kirschbaum – es kann auch zur Not ein Zwetschken- oder Apfelbaum sein oder, wenn es unbedingt sein muss, eine Forsythie – und brechen Sie ein Zweiglein ab. Dieses Zweiglein stellen Sie dann bitte in eine mit Wasser gefüllte Vase. Dann setzen Sie sich davor und warten gespannt. Nach knapp drei Wochen – am Heiligen Abend – wird der vom Stamm getrennte Zweig mitten im Winter wie durch ein Wunder die prächtigsten Blüten tragen.
Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Wenn er es tut, ist dies ein sehr gutes Zeichen. Man weiß nicht genau wofür, aber es ist auf jeden Fall positiv zu werten. In früheren Zeiten soll das Zweiglein heiratsfähigen Jungfern als Orakel gedient haben: Im Falle seines Erblühens nahm man dies als Offenbarung, dass im nächsten Jahr eine Hochzeit ins Haus stehen werde.
In unseren angeblich aufgeklärten Zeiten, in denen man das Glück durch Rationalität erzwingen will, finden sich in Internet-Blogs Hinweise, wie man das Barbara-Zweigerl auf „jeden Fall und hundertprozentig“ zum Erblühen bringen kann.
„Hallo, Leute!“, heißt es da etwa. „Legt doch einfach in der Nacht vor Heiligabend den Zweig in den Tiefkühlschrank. Dann erschrickt er durch den Frost. Und wenn ihr den Zweig tags darauf ins warme Zimmer stellt, ist er so erleichtert, dass er wie verrückt zu blühen beginnt.“
Wir können nicht garantieren, dass das funktioniert. Wir haben es nicht ausprobiert.
Immer wieder soll es verunsicherte Schitouristen geben, die via Android- oder iPhone aus der österreichischen Bergwelt Schreckensbotschaften in ihre Buxtehudesche oder Wanne-Eickelsche Heimat senden:
„Wibke, Frauke, Jens und Kai-Uwe, stellt euch vor: Diese Alpin-Ösis sind alles Satanisten!!“
Wie können irregeleitete bundesdeutsche Lutheraner überhaupt auf den Gedanken kommen, dass wir österreichischen Hardcore-Katholen uns mit Luzifer auf ein Packel hauen und zu Teufelsbündlern werden könnten?
Die Antwort ist klar: Der heutige Tag, der 5. Dezember, wird in vielen Gegenden Österreichs als „Krampustag“ bezeichnet. Das heißt aber nicht, dass heute der „heilige Krampus“ gefeiert wird. Namenstag haben vielmehr all jene Geralds, die nach dem heiligen Gerald von Braga benannt sind, einem kreuzbraven Benediktinermönch und verdienten Erzbischof.
Allerdings muss man zugeben, dass in diesen Tagen in etlichen Alpinregionen die Krampusse deutlich präsenter sind als die Benediktinermönche. Angetan mit grässlichen Masken und scheußlichen Kostümen jagen in langen Prozessionen rutenschwingend, kettenrasselnd und heulend ganze Teufelsschwärme etwa durch St. Johann im Pongau oder durch Klagenfurt – beide Orte werden im Internet wegen des guten Besuches bei ihren „Krampusläufen“ besonders hervorgehoben.
Aber keine Angst: Bei diesen harmlosen Bräuchen passiert niemandem etwas Schlimmes. Außer natürlich den unartigen Kindern. Die kriegen gelegentlich mit der Krampusrute eine über den Hintern gesalzen. Dazu vielleicht auch noch, nachdem man sie ein bisserl in die Butte gesteckt hat, ein kleines Ohrenreiberl. Das wird den Rotzpippen und Lausmentschern eine Lehre sein. Und dank dieser wertkonservativen Erziehungsmethode werden im nächsten Jahr alle viel, viel braver und artiger sein.
„Tut’s doch nicht so einen Riesenblödsinn daherreden, ihr Dokker!“, weist uns jetzt Horstl Sagerschnigg zurecht, unser pädagogischer Berater aus dem Sonnenland Kärnten. „Alle Kinder werden heute völlig gewaltfrei erzogen – sogar bei uns im schönen Kärnten. Über den Hintern oder Rücken gesalzen wird bei uns nur mehr beim Eishockey-Lokalderby Villacher SV gegen den Klagenfurter AC. Die Teufelsläufe sind nix als wie nur die reinste Gaudi! Und a Gaudi muss sein!“
Genau! Und damit ist Schluss für heute.
Aber morgen geht es weiter. Denn morgen ist Nikolaustag.
Und ein Nikolaus kommt selten allein!
In unserer Kinderzeit gab es ein Nikolaus-Gedicht, das schlimme Volksschulkinder alljährlich vor dem 6. Dezember immer wieder gerne rezitierten. Es lautete:
„Hallo, Hallo? Wer sitzt am Klo?
Der Kramperl und der Nikolo!
Sie warten schon seit viertel vier
auf eine Rolle Klopapier!“
Dieses aufmüpfige Gedicht soll in den frühen 1960er-Jahren eine scharfzüngige Entgegnung durch einen als Nikolaus verkleideten katholischen Pädagogen erfahren haben, die in etwa folgendermaßen lautete:
„Wer dies Gedicht
öffentlich spricht,
hat kein Benehmen!
Er soll sich schämen!
Wer mich, den Nikolaus, so kränkt,
der kriegt ganz sicher nichts geschenkt!
Auf ihn wartet kein süßer Schmaus.
Natürlich auch kein Nikolaus
aus bester Bensdorp-Schokolade,
kein Linzeraug’ mit Marmelade,
kein Gebäck aus süßen Teigen,
keine Datteln, keine Feigen
nichts davon kriegt dieser Schurke,
denn wir geben ihm die Gurke!“
Nach diesen Worten wendet sich der verkleidete Nikolo seinem beelzebübischen Begleiter zu und sagt:
„Krampus, wilder Höllenwicht,
ich bin heilig und du nicht.
Darum, Kramperl,
trink ein Stamperl,
zück die Rute!
Ich bin der Gute!
Ich belohne gern die Braven –
Und du? Du musst die Schlimmen strafen!
Ich segne alle bei der Feier
und du trittst sie in die … ah … auf die Zehen!
So hat jeder seine Rolle.
Ich die katholisch-wundervolle –
du aber, Kramperl, spielst den Teufel
sehr gut! Da hab ich keinen Zweifel.“
„Nein!“, sagt da der Krampus laut,
„von mir wird keiner mehr verhaut!
Denn ich bin als wahrer Christ
ein totaler Pazifist.
Ja – ich tu viel lieber beten,
als andern auf die Zehen treten!
Ich bin nicht mehr dein Mann fürs Grobe,
weil ich so gern den Herrgott lobe!
Willst du die nicht ganz Super-Braven
weiter mit Pflichtwatschen bestrafen,
musst du diese schlimmen Sachen
in Hinkunft leider selber machen!“
„Sehr gern!“, ruft drauf der Nikolo.
„Das Watschengeben macht mich froh!“
Und haut sogleich ganz frisch und munter
dem Kramperl kräftig eine runter.
Und – wie sieht’s aus? Brennt bei Ihnen schon seit Tagen die erste Kerze auf dem Adventkranz? Oder heißt es Adventskranz? Adventkranz oder Adventskranz? Ein Blitz-Check im Online-Duden schafft Klarheit: Adventkranz ist österreichisch, Adventskranz ist deutsch. Das ist wieder typisch, oder? Da kopieren die Piefke unseren jahrhundertealten Brauch des Adventkranzbindens und Kerzendaraufsteckens, um den Kranz dann gleich darauf umzubenennen!
Adventskranz – wie deppert klingt denn das, bitte?! Man sagt ja auch nicht Lorbeerskranz statt Lorbeerkranz, und man sagt Walzertanz und nicht Walzerstanz. Aber die Piefke müssen ja alles umbenennen, was wir erfunden und sie später kopiert haben: Zu unseren Palatschinken sagen sie Pfannkuchen, zu unserem Steyr-Baby VW-Käfer und zu unserem Wolferl Ambros Udo Lindenberg.
Aber irgendwann muss Schluss sein, denken wir uns. Ergo werden wir gegen diesen albernen Adventskranz-Humbug eine scharfzüngige Glosse schreiben. Wir recherchieren monatelang in Archiven und Bibliotheken, wagen uns sogar in die geheimnisvollen Tiefen der Cyberwelten und – erstarren am Schluss vor Schreck. Eine bittere Erkenntnis, gegen die wir uns monatelang erfolgreich gewehrt haben, fällt über uns her wie ein schlecht erzogener deutscher Schäferhund:
WIR aufrechten, weil erfolgreich katholisch gemachten Österreicher haben gar nicht vor hunderten von Jahren den Adventkranz erfunden. Das hat im Jahre 1839 ein gewisser Herr Johann Hinrich Wichern getan. Der war evangelischer Theologe und Begründer der Sozialeinrichtung „Diakonie“. Und er war Hamburger und somit Deutscher. Gut, okay, liebe Leserinnen und Leser aus Deutschland: Wir geben es zu. Wir Ösis haben nicht den Adventkranz erfunden. Dafür aber die Schiffsschraube. Und die war und ist für euch Hamburger auch nicht ganz unwichtig, gell?
Nach Österreich kam der Adventkranz angeblich erst hundert Jahre später. Also in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts, zur Dollfuß-Zeit. Da wurde dann der Ketzerkranz offensichtlich katholisiert: Statt der vierundzwanzig Kerzen – zwanzig kleine weiße und vier große rote – des Wichernen Originals hatte er nur mehr vier Kerzen. Allerdings in den Symbolfarben der katholischen Adventsliturgie – drei waren violett und eine rosafarben. Letztere steht für den dritten Adventsonntag, der den Namen Gaudete!, also Freuet Euch!, trägt.
Heutzutage nimmt man es mit den Farben nicht mehr so genau. Den violetten Kerzen sind nur mehr eingeschworene Fans der Wiener Austria treu geblieben. Die Rapid-Ultras bevorzugen selbstverständlich grün-weiße Kerzen bei ihren stimmungsvollen Adventfeiern. Und bei allen anderen sind rote Adventkranzkerzen am beliebtesten.
Ach ja – ein kleiner Nachtrag für unsere deutschen Freunde muss noch sein: Der größte Adventkranz mit zwölf Metern Durchmesser hängt bei uns. Im Gnadenort Mariazell! Aber damit ihr euch darüber nicht allzu sehr ärgern müsst, haben wir ihn mit vierundzwanzig Kerzen ausgestattet. Als Hommage an euren Johann Hinrich Wichern. Ja, so sind wir Ösis nun einmal: enorm leistungsfähig, aber doch auch von unvergleichlicher Herzensbildung!
Schon in unserer Ministrantenzeit, also vor mehr als fünfzig Jahren, waren wir völlig ratlos bei dem katholischen Festtag, den wir heute begehen: Maria Empfängnis.
So heißt dieser staatliche Feiertag auch heute landläufig, unter Vermeidung des Genetivs „Mariae“. Als höchst rudimentär sexualaufgeklärte Zehnjährige erschien uns die von uns aus dem Festtagsnamen abgeleitete Schwangerschaft Mariens von knapp über zwei Wochen zwischen Empfängnis und Christi Geburt denn doch ein wenig kurz. Andererseits – über das Jahr hinausdenkend – wären wiederum zwölf Monate und sechzehn Tage Gravidität selbst für eine Gottesmutter wohl eine übergroße Belastung gewesen.
In unserer agnostischen Adoleszenz verflogen solche Gedanken. Sie stellten sich dann im reifen Mannesalter wieder ein. Inzwischen war Wikipedia erfunden worden und man musste keinen Haupttreffer im Lotto mehr machen, um sich einen Brockhaus kaufen zu können. Dank Internet eröffnete sich lexikalisches Wissen nunmehr auch chronisch unterbezahlten Schauspielern und übergewichtig am Hungertuch nagenden Autoren.
Das Rechercheergebnis war erstaunlich.
Rot in Gesinnung und schamrot im Gesicht mussten wir feststellen, dass wir die Lösung des Rätsels auch selbst hätten finden können. Dann nämlich, wenn wir uns ernsthaft mit einem uralten Kinderreim auseinandergesetzt hätten, der da lautet:
„Maria Geburt fliagn de Schwolben furt.
Maria Verkündigung kumman s’ daunn wiedarum!“
Nun ja. Der zweite Reim ist von erbärmlicher Unreinheit. Und in beiden Fällen – Maria Geburt und Maria Verkündigung – müsste es natürlich auch „Mariae“ und nicht „Maria“ heißen. Bei kirchlichen Feiertagen ist also nicht der Dativ dem Genetiv sein Feind – nein: In diesem Fall nimmt diese Position der Nominativ ein.
Aber das ist uns im Augenblick egal.
Uns geht es hier und jetzt nicht um das Formale, sondern um das Inhaltliche:
Die katholische Kirche feiert Mariä Geburt am 8. September und Mariä Verkündigung am 25. März. Der 25. März liegt exakt neun Monate vor der Christnacht und der 8. September ebenso exakt neun Monate nachMariä Empfängnis.
Alles klar?
Mariä Verkündigung ist eigentlich das, was wir geglaubt hatten, dass Mariä Empfängnis sei: das Datum des Zeugungsvorganges für den Erlöser. Da es sich im konkreten Fall bekanntlich um eine Jungfrauengeburt handelt, ist der Beginn der Schwangerschaft natürlich kein Beischlaf, sondern eben eine Verkündigung:
Erzengel Gabriel flog schnell hernieder und eröffnete der doch recht überraschten Verlobten eines ortsansässigen Zimmermannes, dass sie ausersehen sei, die Mutter des Gottessohnes und Erlösers zu werden – ihr Einverständnis vorausgesetzt. Nachdem sie dieses gegeben hatte, flog Gabriel zügig himmelwärts. Er sollte erst etwa sechshundert Jahre später wieder den Mittleren Osten anfliegen. Diesmal blieb er allerdings länger – schließlich musste er dem Propheten Mohammed den ganzen Koran diktieren. So jedenfalls hat es Mohammed der Nachwelt überliefert. Und bitteschön: den ganzen Koran diktieren! So etwas ist nicht in zwei, drei Tagen erledigt. So etwas dauert Monate, wenn nicht gar Jahre.
Aber zurück zu unserem eigentlichen Thema:
Mariä Empfängnis