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Wenn die Magie versagt, zähl auf dein Herz – das spannende Finale von Asuka Lionera
Um diejenigen zu beschützen, die ihr wichtig sind, muss Davina ihre eigenen Gefühle tief in sich einsperren und sich dem Willen anderer beugen. Ihr Herz gehört jedoch nach wie vor Leander, dem ersten Ritter des Feuerreichs.
Doch die Aufdeckung ihrer heimlichen Liebe ist nicht ihr größtes Problem: Ein Krieg, in dem Davinas Eismagie von entscheidendem Vorteil ist, schwelt an allen Fronten. Erneut wird sie zum Spielball der Herrscher, ungeachtet dessen, dass sie dabei ihr Leben verlieren könnte.
Um seine Liebste zu retten, braucht Leander Verbündete. Doch diese zu finden, erweist sich als äußerst schwierig …
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Das Buch
Wenn die Magie versagt, zähl auf dein Herz – das spannende Finale von Frozen Crowns
Um diejenigen zu beschützen, die ihr wichtig sind, muss Davina ihre eigenen Gefühle tief in sich einsperren und sich dem Willen anderer beugen. Ihr Herz gehört jedoch nach wie vor Leander, dem ersten Ritter des Feuerreichs. Doch die Aufdeckung ihrer heimlichen Liebe ist nicht ihr größtes Problem: Ein Krieg, in dem Davinas Eismagie von entscheidendem Vorteil ist, schwelt an allen Fronten. Erneut wird sie zum Spielball der Herrscher, ungeachtet dessen, dass sie dabei ihr Leben verlieren könnte. Um seine Liebste zu retten, braucht Leander Verbündete. Doch diese zu finden, erweist sich als äußerst schwierig …
Die Autorin
© privat
Hinter dem Pseudonym Asuka Lionera verbirgt sich eine im Jahr 1987 geborene Träumerin, die schon als Kind fasziniert von Geschichten und Comics war. Bereits als Jugendliche begann sie, Fan-Fictions zu ihren Lieblingsserien zu schreiben und kleine RPG-Spiele für den PC zu entwickeln, wodurch sie ihre Fantasie ausleben konnte. Ihre Leidenschaft machte sie nach einigen Umwegen und Einbahnstraßen zu ihrem Beruf und ist heute eine erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Mann und ihren vierbeinigen Kindern in einem kleinen Dorf in Hessen wohnt, das mehr Kühe als Einwohner hat.
Mehr über Asuka Lionera: https://asuka-lionera.de/
Der Verlag
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Viel Spaß beim Lesen!
Asuka Lionera
Frozen CrownsEine Krone aus Erde und Feuer
Die Trauung von König Esmond und mir findet im großen Saal statt, der mit weißen und roten Teppichen und gleichfarbigen Girlanden verziert ist. Die Gäste drängen sich bereits im Saal und verrenken sich die Hälse, um einen Blick auf mich zu erhaschen. Ich kenne nicht einmal eine Handvoll der Leute, die sich eingefunden haben. Die meisten werden Adlige oder sonstige Würdenträger der Feuerlande sein, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Und die sich nicht für mich interessieren.
Grete und die anderen Bewohner aus Brasania mussten mit einem Platz ziemlich weit hinten vorliebnehmen, weil sie bis zuletzt bei mir waren. Nur Anja wurde es gestattet, in der ersten Reihe zu stehen, weil sie auf die kleine Ulara aufpassen muss, nachdem das Mädchen die Blüten verstreut hat.
Meine Kammerzofe Clarice läuft hinter mir. Ich bin nicht überrascht davon, dass sie von der Beziehung zwischen Leander und mir ahnte. Es überraschte mich eher, dass sie es vor allen ansprach. Doch ihre Worten sind die Wahrheit und alle Anwesenden wussten es, also sah ich keinen Sinn darin, sie als Lügnerin hinzustellen.
Auch ohne mich umzudrehen, weiß ich, dass Fulk und Leander ebenfalls hinter mir den Gang entlangschreiten.
Vorn erwartet mich bereits Esmond. Er trägt ein weißes Hemd und weiße Hosen, dazu ein blutrotes Jackett. Die goldene Krone auf seinem Haupt geht in seinem farblich fast identischen Haar nahezu unter. Hinter ihm steht ein Priester.
Als ich den Geistlichen erblicke, fällt die Fassade, die ich bisher mühsam aufrechterhalten habe, in sich zusammen. Die letzten Wochen konnte ich mir einreden, dass die Hochzeit noch in weiter Ferne liege. Selbst heute Morgen habe ich mir noch gesagt, dass alles gut und es nicht so schlimm werden wird, wie ich es befürchte.
Nun weiß ich, dass es nichts als Lügen waren. Meine eisige Magie rumort in mir und ich kralle mit aller Kraft die Hände in die Falten meines Kleides, damit sie mir nicht durch die Finger rinnt. Meine Atmung gerät außer Kontrolle, während ich den Blick starr auf den Geistlichen gerichtet halte.
Als Gemurmel um mich herum laut wird, bemerke ich, dass ich stehen geblieben bin.
»Prinzessin«, wispert Clarice. »Ihr müsst weitergehen.«
»Ich …« Einatmen. Ausatmen. »… kann nicht.«
Eis breitet sich unter meinen Füßen aus und kriecht langsam unter den ausladenden Röcken hervor. Noch fällt es niemandem auf, aber …
»Vi«, murmelt Leander, der zu mir getreten ist. »Es ist alles gut.«
Ich schaue zu ihm auf. »Nichts ist gut«, hauche ich beinahe tonlos.
Er schenkt mir ein trauriges Lächeln, bei dem mir das Herz noch schwerer wird. »Ich weiß. Aber es wird schlimmer, wenn du jetzt umkehrst. Wir sind so weit gekommen. Den Rest des Weges schaffst du auch noch. Ich bin bei dir, und Fulk und Clarice sind es ebenfalls.«
Als ich mich immer noch nicht rege, nickt er meinem jüngeren Ritari zu, der sich galant vor mir verbeugt und mir den Arm reicht. Er zuckt nur kurz zusammen, als ich meine eiskalte Hand auf seinen Arm lege, doch er sagt nichts dazu.
»Zieh einen Schuh aus«, flüstert Leander.
Ich frage nicht nach, warum ich das tun soll, sondern mache es einfach. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, meine Magie im Zaum zu halten, dass ich an nichts anderes denken kann. Leander kniet sich hin und zieht vorsichtig den Schuh zwischen den Stofflagen meines potthässlichen Hochzeitskleides hervor. Ehe er ihn hochhebt, bricht er den Absatz ab. Der tuschelnden Menge präsentiert er den Grund für mein Zögern: den kaputten Schuh. Sofort beruhigen sich die Anwesenden.
»Und jetzt lass dich von Fulk nach vorn führen«, wispert er mir zu.
Ich schlüpfe auch aus dem zweiten Schuh. Nun breitet sich noch mehr Eis unter meinen blanken Füßen aus, doch ich mache tapfer einen Schritt nach dem anderen, bis ich bei Esmond angekommen bin. Ich schaffe es nicht, ihm ins Gesicht zu sehen, aber ich spüre sein Schaudern, als ich meine Hand in seine lege. Nicht nur einmal hat er mir vorgeworfen, ich sei kalt wie ein Leichnam.
Fulk verschwindet und ich fühle mich so allein wie schon seit Wochen nicht mehr.
»Wir haben uns heute hier versammelt …«
Die Stimme des Priesters scheint von ganz weit weg zu kommen. Hektisch schnappe ich nach Luft, habe aber dennoch das Gefühl, als müsse ich qualvoll ersticken. Als ich sehe, dass sich an den hohen bunten Glasfenstern langsam Eisblumen bilden, wird es schlimmer.
Konzentrier dich!
Aber worauf? Auf Esmond ganz sicher nicht, ebenso wenig wie auf das Geschwafel des Geistlichen über Liebe und Treue und die glorreiche Zukunft zweier Völker.
Esmond umfasst mein Handgelenk, damit er nicht mehr direkt meine Hand berühren muss.
»Tut mir leid«, hauche ich, ernte aber nur ein dumpfes Grummeln.
Das Licht der Kerzen auf dem Altar hinter dem Priester flackert. Mit aller Kraft versuche ich, meine Magie in mir einzuschließen, doch ich schaffe es nicht. Wie in den Wochen, als Leander in Brasania war, habe ich das Bedürfnis, mir die Haut vom Leib zu kratzen, damit sie irgendwie einen Weg hinaus findet.
Doch wenn ich hier meine Magie freilasse … Nicht auszudenken, was dann geschehen würde. Ich kann sie nicht steuern, habe nichts unter Kontrolle und keinen direkten Feind, auf den ich meine Kraft loslassen könnte, wie während des Überfalls auf Brasania. Unzählige Menschen würden durch mich verletzt werden. Auch Menschen, die mir wichtig sind. Und es würde rein gar nichts an meiner Situation ändern.
Der Geistliche räuspert sich neben mir. Blinzelnd komme ich wieder in der Realität an. »Ihr müsst mir nachsprechen, Hoheit«, mahnt er leise.
Ich habe nichts von dem wahrgenommen, was er von sich gegeben hat. Die Panik in mir wächst weiter, bis meine Hände zittern und ich sie zu Fäusten balle. Esmond verzieht das Gesicht, als er es bemerkt.
Aus den Augenwinkeln nehme ich Bewegung wahr und drehe den Kopf. Leander, der eigentlich mit Fulk hinter mir stehen müsste, erkämpft sich eine Position in der vorderen Reihe schräg hinter Esmond, sodass ich ihn sehen kann. In seinem Gesicht erkenne ich die gleiche Verzweiflung, die auch in mir wütet, dennoch nickt er mir aufmunternd zu.
Den Blick fest auf Leander gerichtet, spreche ich die Worte des Priesters nach, die er für mich erneut aufsagt und die ich eigentlich zu Esmond sagen sollte. »Im Angesicht Eurer Götter und meiner Göttin schwöre ich, Euch zu ehren und zu lieben. Meine Magie ist der Beweis für unsere tiefe Verbundenheit. Bis ans Ende aller Tage bin ich die Eure, in Gesundheit und Krankheit, in Frieden und Krieg. Ich nehme Euch zu meinem Mann, auf dass uns keine Macht auf dieser Welt je trennen soll.«
Leanders liebevolles Lächeln, das für einen Moment sogar die Melancholie aus seinem Blick vertreibt, beruhigt meine Magie und meinen wilden Herzschlag.
Als Nächstes folgt eine Passage über Treue und Gehorsam, die ich nicht einmal über die Lippen brächte, wenn mein Leben davon abhinge.
»Guter Priester«, sage ich, »bitte, ich bin … so aufgeregt, dass ich … Können wir zum Ende kommen?«
»Nun, eigentlich …«
»Macht schneller«, grummelt Esmond leise. »Bevor ich hier festfriere.«
Der Geistliche rattert den restlichen Text herunter, bis wir schließlich zum Kuss kommen, den ich bis eben erfolgreich aus meinem gedanklichen Ablauf verdrängt habe. Bis eben konnte Leanders Lächeln meine Magie besänftigen, doch nun ist sie mit einem Schlag wieder da und rumort in mir. Esmond entzieht mir den Arm und weicht mit einem Aufkeuchen zurück, als meine Haut kälter wird als zuvor.
»Majestät«, mahnt der Priester. »Ihr müsst sie küssen. Die Ehe könnte sonst für ungültig erklärt werden.«
»Ich habe sie schon einmal geküsst und ihre Magie erweckt«, entgegnet Esmond. »Das reicht ja wohl! Diese verdammte Kälte wird mich erstarren lassen! Spürt Ihr das nicht?«
»Reißt Euch zusammen«, wispert der Priester eindringlich. »Ihr könnt nicht uralte Traditionen …«
Esmond hebt die Hand und der Geistliche verstummt. »Die Ehe ist gültig, ob mit oder ohne Kuss.«
Der Priester zieht die Augenbrauen zusammen. »Eigentlich ist sie erst nach dem Vollzug gültig.«
Mein Herz setzt für einen Schlag aus und hat anschließend Mühe, in den ohnehin zu schnellen Trott zurückzufinden. Dachte ich bis eben noch, dass der Kuss das Schlimmste ist, was mir heute bevorsteht, habe ich diesen Teil völlig vergessen.
Ich muss die Nacht mit Esmond verbringen.
Die Fensterscheiben, die mir am nächsten sind, klirren vor Kälte. Allein bei der Vorstellung, dass er mich anfasst … Die Kerzen auf dem Altar erlöschen mit einem Zischen.
Ich stehe kurz davor, vollends in Panik auszubrechen, als mein Blick auf die kleine Ulara in der ersten Reihe der Gäste fällt. Stolz hält sie das nun leere Blumenkörbchen mit beiden Händen am Griff umklammert und schaut zu mir auf, als sei ich eine fleischgewordene Göttin. Mit einem ähnlichen Blick bedenkt mich Fulk stets. Sie sehen so viel mehr in mir, als es tatsächlich zu sehen gibt. Sie verlassen sich auf mich, setzen ihre Hoffnungen in mich. Hoffnungen auf Frieden und eine Zukunft ohne ständige Überfälle der Erdländer.
Ich darf sie nicht enttäuschen.
Ein Satz, den meine Mutter zu mir sagte, kommt mir wieder in den Sinn: »Du bist zuerst eine Prinzessin und erst dann eine Frau.« In meinem Leben gibt es keinen Platz für eigene Gefühle.
»Mein König«, zwinge ich mich zu sagen und hebe meine Mundwinkel zu einem Lächeln. »Wir müssen die Traditionen achten. Es tut mir leid, dass meine Magie vor lauter Aufregung verrücktspielt. Ich verspreche, dass Euch nichts geschehen wird.«
Esmond zögert, dann lehnt er sich vor. Nur für einen kurzen Moment streift er mit den Lippen über meine, ehe er sich wieder zurückzieht. Kurz, aber viel zu lang. Ich unterdrücke das Bedürfnis, mir mit dem Handrücken über den Mund zu wischen. Wenigstens hat er diesmal nicht versucht, mir seine Zunge in den Hals zu schieben.
Die Anwesenden applaudieren und ich zwinge mich weiterhin zu einem Lächeln, während ich mich am liebsten irgendwo verkriechen und mich übergeben würde.
Der Priester weist mich an, mich hinzuknien. Die Krone, die er mir, begleitet von Segenswünschen, aufsetzt, ist ungewohnt schwer.
»Lang lebe König Esmond!«, ruft die Menge wie aus einem Mund. »Lang lebe Königin Eira!«
Ich lächele und winke, wie es von mir erwartet wird. Esmond hält mir den Arm hin, besinnt sich dann jedoch und stolziert ohne mich durch den Gang, während er sich von den Menschen hochleben lässt.
Sein Verhalten stößt mich dermaßen vor den Kopf, dass ich wie versteinert stehen bleibe. Kein Mann verlässt ohne seine Frau den Altar. Das ist die schlimmste Kränkung, die er mir am heutigen Tag zugefügt hat, doch das werde ich mir nicht anmerken lassen! Wenn er glaubt, dass ich mit gesenktem Haupt hinter ihm herhusche wie eine brave Ehefrau, dann hat er sich gewaltig geschnitten.
Ich raffe die ausladenden Röcke und straffe die Schultern, während ich ohne Hilfe die drei Stufen hinabsteige. Als ich unten ankomme, steht Leander neben mir und verneigt sich.
»Meine Königin«, murmelt er mit rauer Stimme, die mir auf der Haut prickelt.
»Was meinst du?«, wispere ich und hebe die Hand, woraufhin sich ein kaum merkliches Schneegestöber erhebt, aber sogleich wieder abebbt. Dennoch tut es gut, meine Magie nicht mehr zu unterdrücken, sondern sie kontrolliert freilassen zu können. Nun, da vorerst das Schlimmste überstanden und Leander direkt neben mir ist, gelingt mir das. »Soll ich den Feuerländern zeigen, wozu ihre Königin fähig ist?«
Leander grinst, sodass sein Grübchen neben dem linken Mundwinkel sichtbar wird. Bei der Göttin, wie gern würde ich jetzt darüberstreichen!
Ich winke Fulk zu uns. Mit einer knappen Handbewegung beschwöre ich einige Schneeflocken, die sich in den Haaren und auf der Kleidung meiner Ritari festsetzen. Kichernd kommt Ulara angehopst, für die ich ebenfalls Schnee herbeirufe. Anschließend gehe ich in die Hocke, berühre den Boden und lasse ihn zu Eis werden. Blitzschnell breitet sich das Eis bis nach vorn zum Ausgang aus.
Die Jubelrufe für den jungen König verstummen. Alle Anwesenden drehen sich zu mir um. Ich konzentriere mich auf die Magie, die durch meine Adern pulsiert, und schicke sie durch die gesamte Halle. Sämtliche Feuer und Kerzen erlöschen. Nur die Sonne, die durch die teilweise gefrorenen Fenster dringt, spendet Licht. Glitzernder Schnee rieselt von der Decke herab, während ich den Gang entlangschreite wie die Königin, die ich nun bin, gefolgt von meinen engsten Vertrauten, die sich auf meinem Eis so trittsicher bewegen wie ich.
Esmond steht mir im Weg und starrt mich nur mit offenem Mund an. Wut und Unglauben vermischen sich in seiner Miene, doch davon lasse ich mich nicht einschüchtern.
»Wenn Ihr gestattet, mein König«, säusele ich. »Ich brauche dringend frische Luft.«
Eilig macht er mir Platz. Als ich den Saal verlasse, hebe ich die Hand und schnippe mit den Fingern. Das Eis hinter mir zerspringt in winzige Splitter und löst sich anschließend auf, als wäre es nie da gewesen.
Ich weiß nicht, wie ich den Rest des Tages überstehe. Irgendwie reiht sich eine Stunde an die nächste, ohne dass ich sie aufhalten kann. Hilflos muss ich dabei zusehen, wie die Frau, die ich liebe, einen anderen heiratet. Ihn küssen muss.
Und ich muss dabei zusehen, wie er sie kränkt. Das ist für mich das Schlimmste und ich hatte nicht wenig Lust, Esmond deswegen niederzuschlagen. Wahrscheinlich hätte ich es getan, wenn Davina nicht genug Stolz für uns beide in sich trüge. Erhobenen Hauptes und umgeben von Eis und Schnee schritt sie die Halle entlang. Noch nie habe ich eine Frau gesehen, die so viel Stolz und Anmut ausstrahlte wie sie, trotz der Demütigung, die ihr gerade widerfahren war.
Viel zu viele Gefühle kämpften in dem Moment in mir um die Vorherrschaft. Stolz darüber, dass ich derjenige bin, dem ihr Herz gehört und der ihr engster Vertrauter ist. Liebe für die Frau, die ich wollte, bevor ich wusste, wer sie tatsächlich ist. Wut und Eifersucht auf Esmond, dem vom Schicksal die einzige Frau gegeben wurde, für die ich je etwas empfand.
Gerade die Eifersucht nimmt mit jeder Stunde zu und raubt mir fast den Verstand.
Die Hochzeit ist ein rauschendes Fest, an dem Adlige und einfache Bürger gleichermaßen teilnehmen. Abends gibt es ein Festmahl, das von Darbietungen von Gauklern und Sängern begleitet wird. Davina sitzt auf dem Platz neben Esmond und lächelt anmutig, rührt jedoch keinen Bissen auf ihrem Teller an. Fulk und ich stehen hinter ihrem Thron. Wahrscheinlich bin ich der Einzige, dem die Eisschicht in den Gläsern der Gäste auffällt, die Davina am nächsten sitzen. Zum Glück sind die meisten von ihnen schon so betrunken, dass sie es nicht bemerken.
Nach dem Essen werden die Tische ein Stück zur Seite geschoben und die Gäste zum Tanz gebeten. Es ist allgemeiner Brauch, dass das Brautpaar den Tanz eröffnet.
Als sich Esmond erhebt, hält er jedoch einer seiner Mätressen die Hand hin, die gemeinsam mit den anderen Frauen nur ein Stück von ihm entfernt sitzt. Ich schlucke angestrengt. Esmond ist klug genug, nicht zu Davina zu schauen, denn ihr mörderischer Blick würde ausreichen, ihn sofort zu Eis gefrieren zu lassen – so wie es gerade den armen Fensterscheiben und sämtlichen Getränken im Umkreis ergeht.
Selbst Fulk wirft mir einen völlig verwirrten Blick zu, während Esmond seine Mätresse zur Tanzfläche führt, und auch andere Adlige runzeln die Stirn über dieses Verhalten. Nur die restlichen Mätressen kichern hinter vorgehaltener Hand und deuten abschätzig auf die Königin, die allein auf ihrem Platz zurückbleibt.
Mit zwei Schritten stehe ich neben Davinas Thron und halte ihr die Hand hin. »Wollen wir den beiden zeigen, wie man richtig tanzt?«, wispere ich ihr zu.
Das eiskalte Funkeln verschwindet aus ihrem Blick, als sie zögernd meine Hand ergreift. Ich sehe ihr genau an, was ihr gerade durch den Kopf geht.
»Ich bin dein Ritari«, erinnere ich sie leise. »Es ist meine Pflicht und mein Privileg, mit dir zu tanzen, wenn dich sonst niemand auffordert. Und es ist mir herzlich egal, was die anderen darüber denken.«
Sie schenkt mir ein kleines Lächeln, das meinen Herzschlag aus dem Takt geraten lässt, und erhebt sich.
»Ich befürchte nur, dass ich die Schritte nicht kenne und mich in diesem scheußlichen Kleid nicht ordentlichen bewegen kann.«
Ich führe ihren Arm unter meinem durch und geleite sie zur Tanzfläche, auf der Esmond seine Mätresse eher schlecht als recht herumwirbelt.
»Wir machen es wie in Brasania«, murmele ich. »Erinnerst du dich?«
Sie nickt. »Wie könnte ich es vergessen? Es war der Abend, an dem ich dir gesagt habe, dass ich bleibe.«
Und an dem du mich zum glücklichsten Mann der Welt gemacht hast. »Du musst mir nur vertrauen. Das tust du doch, oder?«
Wieder liegt ein Lächeln auf ihren Lippen. »Wenn nicht dir, wem dann?«
Ich ziehe sie ein Stück näher zu mir, bis sich unsere Hüften trotz ihrer bauschenden Röcke berühren. Am Rand der Tanzfläche warten wir darauf, dass ein neues Lied angestimmt wird. Esmond wirft uns hin und wieder einen Blick zu, den ich nicht deuten kann, der aber an mir abperlt. Sollte er es wagen, mir einen Vorwurf zu machen, weil ich seine Braut auf die Tanzfläche führe, werde ich ihn mit einigen unschönen Wahrheiten konfrontieren.
Als das jetzige Lied endet, scheint der König nicht einmal auf die Idee zu kommen, seine Angetraute nun aufzufordern, und verweilt stattdessen mit der Mätresse auf der Tanzfläche. Ich kann über dieses Verhalten nur den Kopf schütteln.
»Wenn wir nur halb so gut tanzen wie in Brasania«, flüstert Davina, während sie Esmond und die Frau neben ihm mit Blicken durchbohrt, »werden wir eine viel bessere Figur abgeben als die beiden.«
»Davon gehe ich aus.«
Ich verkneife mir den Zusatz, dass die beiden sich höchstens zwischen den Laken halbwegs aufeinander eingestimmt bewegen können.
Als die Musiker das neue Lied anstimmen, führe ich Davina auf die Tanzfläche. Ihr Blick huscht gehetzt von links nach rechts, bis ich ihr einen Finger unters Kinn lege und sie mich ansehen muss.
»Kümmere dich nicht um die anderen«, murmele ich. »Es ist egal, dass sie hier sind. Konzentriere dich auf mich.«
Die Hast verschwindet aus ihrem Blick und sie lächelt. Eine Hand mit ihrer verschränkt, die andere an ihren unteren Rücken gelehnt, ziehe ich sie näher, bis sich ihr weicher Körper an meinen schmiegt.
Auch ich kenne die korrekte Schrittfolge nicht, aber als die Musik einsetzt, weiß ich genau, was ich tun muss. Mit leichtem Druck signalisiere ich ihr, wohin sie sich bewegen muss, und schon nach wenigen Takten haben wir unseren Rhythmus gefunden. Als hätten wir nie etwas anderes gemacht, schweben wir förmlich über die Tanzfläche, ohne den Blick vom jeweils anderen abzuwenden. Davina spiegelt meine Schritte mit Leichtigkeit.
Eine Weise reiht sich an die nächste, ohne dass wir eine Pause einlegen. Mittlerweile haben sich weitere Tanzpartner eingefunden, doch wir beachten sie nicht. Ich habe nur Augen für die junge Frau, die sich voller Vertrauen von mir führen lässt und die den Mittelpunkt meiner Welt bildet.
Ich will keine Sekunde verpassen, in der ich Davina nah sein kann, ohne mich dafür schuldig fühlen zu müssen. Und auch sie bittet nicht um eine Pause. Also tanzen wir weiter und weiter und tauchen in unsere eigene Welt ab, in der es keinen Ehemann oder Verpflichtungen gibt.
Erst als jemand gegen meine Schulter tippt, erwache ich aus dem Glücksgefühl und schlage mit voller Wucht in der Realität auf. Esmond steht mit verkniffenem Gesichtsausdruck neben mir. Obwohl er noch nicht den Mund geöffnet hat, rieche ich den Geruch nach Wein, der von ihm ausgeht. Der Blick aus seinen glasigen Augen huscht zu seiner Frau.
»Ich denke, es ist an der Zeit«, verkündet er mit leichtem Lallen.
»Zeit wofür?«, fragt Davina.
»Dass wir uns zurückziehen.«
Ich kann nichts dagegen tun, dass ich den Griff um sie bei seinen Worten verstärke. Davina versteift sich in meinen Armen, und als sie ausatmet, bildet sich eine eisige Wolke vor ihrem Mund.
Mein Herz rast, während ich fieberhaft nach einer Lösung suche. Ich will sie nicht freigeben, denn ich weiß, was dann geschieht. Allein daran zu denken, lässt wieder die alles verzehrende Eifersucht in mir aufflammen. Nur das Wissen, dass ich uns beiden schade, wenn ich jetzt die Faust in Esmonds Gesicht ramme, lässt mich zögern.
Der König streckt Davina auffordernd die Hand entgegen. Die Musiker haben aufgehört zu spielen, und im Saal ist es so still, dass man eine Maus husten hören könnte.
Alles in mir schreit danach, sie nicht loszulassen. Sie bei mir zu behalten.
Als sich Davina von mir löst, will ich sie wieder zu mir ziehen, doch ich weiß, dass ich dazu kein Recht habe. Der Schmerz, der sich in meiner Brust ausbreitet, als sie die Hand in Esmonds legt, raubt mir die Luft zum Atmen. Schnell zieht Esmond seine Hand zurück und steckt sie fröstelnd unter die Achseln, ehe er Davina mit einem Kopfnicken zu verstehen gibt, ihm zu folgen.
Ihre Bewegungen wirken steif, als sie sich zu mir umdreht. »Danke für den Tanz, Ritari.«
Ich zwinge mich dazu, den Kopf vor ihr zu neigen. »Jederzeit wieder, meine Königin.«
Sie senkt den Blick und wendet sich um. Wo sie eben noch gestanden hat, bleibt nur eine kleine Eisfläche zurück.
Begleitet von den Glückwünschen der meisten Gäste und einigen gut gemeinten Ratschlägen zieht sich das Königspaar in seine Gemächer zurück, während ich wie versteinert inmitten der Tanzfläche stehen bleibe.
Die besorgten Blicke von Grete, Waldur und den anderen Bewohnern aus Brasania gebe ich vor, nicht zu bemerken. Doch ich spüre sie; überdeutlich brennen sie sich mir unter die Haut, während ich mich verzweifelt bemühe, die Kontrolle zu behalten und mir nichts anmerken zu lassen.
Erst als sich die Tür hinter Davina schließt und die Musiker die nächste vergnügte Weise anstimmen, wirbele ich auf dem Absatz herum und stürme zu den Tischen. Im Laufen greife ich mir zwei Karaffen voll Wein und einen Becher.
»Nimm so viele Karaffen mit, wie du tragen kannst«, weise ich Fulk an, der sogleich neben mir auftaucht.
Zweifelnd huscht sein Blick vom Wein zu meinem Gesicht und wieder zurück. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Sollten wir nicht vor ihrer Tür Wache halten und …«
»Oh nein!«, falle ich ihm knurrend ins Wort. »Das kann irgendein anderer Soldat machen, aber mit Sicherheit nicht ich.«
»Aber wir sind ihre Ritari. Sollten wir …?«
Ich trete so nah an ihn heran, dass er mir ausweichen muss, und funkele ihn an. »Kein Titel und keine Pflicht dieser Welt wird mich dazu bringen, die Nacht vor der verdammten Tür zu Esmonds Schlafgemach zu verbringen.«
Ich will nicht hören müssen, was sich dahinter abspielt … Ich will mir nicht vorstellen müssen, wie ein anderer sie berührt, ihren wundervollen Körper ansieht und ihr vielleicht Laute entlockt, die ich nur ganz kurz gehört habe.
Ich schüttele den Kopf, um die Bilder, die sich wie von selbst in mir festsetzen, zu vertreiben, scheitere jedoch. »Tu, was ich dir gesagt habe, und bring die Karaffen in unser Zimmer.«
Ohne ein weiteres Wort lasse ich den Jungen stehen. Ich bin schon fast aus dem Saal, als mir Grete und Waldur den Weg versperren.
»Was hast du vor?«, fragt er.
»Ist das nicht offensichtlich?«, entgegne ich und hebe eine Karaffe an. Das Innere schwappt hin und her. »Und nun geht mir aus dem Weg.«
»Hältst du das für eine gute Idee?«, will Grete wissen. »Dich zu betrinken.«
Ich funkele sie wütend an. »Wenn du eine andere Idee hast, wie ich die verdammte Nacht überstehen soll, bin ich ganz Ohr.«
Sie seufzt. »Leider nicht. Du hast dich bis jetzt wacker gehalten.« Sie legt mir eine Hand auf die Schulter und die Anspannung fällt von mir ab. Stattdessen breitet sich eine bodenlose Traurigkeit in mir aus. »Es tut mir leid, mein Junge. Heute Nacht darfst du trinken, aber lass es nicht zur Gewohnheit werden. Davina zählt auf dich – in nüchternem Zustand.«
Ich sinke förmlich in mich zusammen, als wäre jedwede Spannung aus mir gewichen. »Ich weiß«, hauche ich.
* * *
In meinem Zimmer angekommen, würde ich am liebsten die Tür hinter mir verriegeln und alles und jeden aussperren – am besten auch meine Gedanken.
Aber Fulk ist noch nicht mit den Karaffen zurück. Die beiden, die ich mitgenommen habe, werden mir nicht lange reichen. Ich bin zwar das Trinken nicht mehr gewöhnt, seit ich die Ausbildung zum Knappen hinter mir gelassen habe, aber ich sorge lieber mit zu viel Alkohol dafür, dass ich bis morgen früh nichts mehr spüren muss.
Wie ich die nächsten Tage, Wochen und Monate überstehen soll, weiß ich nicht, doch darüber mache ich mir heute Nacht keine Gedanken.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt Fulk, beladen mit drei weiteren Karaffen, ins Zimmer.
»Wo warst du so lange?«, knurre ich den Jungen an.
Er zuckt zusammen. »Ich … habe noch nach Elora und Hembrant gesehen. Die Ställe sind voll von den fremden Pferden der Gäste. Ich wollte sichergehen, dass sie in ihren gewohnten Boxen stehen und versorgt sind und dass …«
Ich nehme ihm die Karaffen ab und stelle sie neben die anderen auf den Tisch. Fünf Stück. Dürfte reichen, um meinen Geist zu benebeln. Ich greife nach der einen und schenke mir ein. Der Wein glänzt tiefrot im Kerzenschein.
»Du kannst für heute gehen«, murmele ich. »Amüsier dich im Saal oder … keine Ahnung. Ich bin heute Abend keine erbauliche Gesellschaft mehr.«
»Wegen der Prinzessin?«
Der Becher zittert in meiner Hand. Genau wie sie in meinen Armen gezittert hat, als Esmond zu uns kam und den Tanz unterbrach. Sie hatte wieder diesen verlorenen Ausdruck im Gesicht, der mir schon in der ersten Nacht aufgefallen ist, die wir unter freiem Himmel auf der Suche nach der falschen Prinzessin verbracht haben.
»Ich habe gesehen, wie Ihr mit ihr getanzt habt«, sagt Fulk. »Nun ja, jeder hat es gesehen. Ich habe zwar keine Ahnung von Frauen, aber … da war etwas zwischen euch beiden. Ihr habt sie anders angesehen als gewöhnlich. Noch ehrerbietiger. Noch … liebevoller. Auf diese Weise habt Ihr noch nie …«
Ich knalle den Becher auf den Tisch, sodass der Wein herausschwappt. Verdammte Verschwendung. »Bist du endlich fertig? Ich habe gesagt, dass du verschwinden sollst!«
Fulk weicht einen winzigen Schritt zurück. »Ich denke nicht, dass Ihr heute allein bleiben solltet. Was, wenn …?«
»Raus jetzt! Ich will heute niemanden mehr sehen!«
Sein Blick huscht zu den Weinkaraffen und er strafft die Schultern. »Ihr solltet nicht allein sein.«
»Wenn du nicht augenblicklich verschwindest …«, knurre ich, werde aber von einem leisen Klopfen an der Tür unterbrochen.
Ich möchte den Kopf gegen die Tischplatte schlagen. Ich will doch nur meine Ruhe, um mein Selbstmitleid in Wein zu ersäufen. Ist das zu viel verlangt?
Fulk huscht zur Tür und öffnet sie einen Spaltbreit. Er redet mit jemandem, aber das ist mir völlig egal. Schnell fülle ich den Becher wieder bis zum Rand.
Gerade als ich ihn zum Mund führen und den ersten Schluck nehmen will, höre ich den Jungen hinter mir: »Ähm … Minher. Ich weiß, Ihr wolltet nicht gestört werden, aber …«
Ich bin drauf und dran, den Becher gegen die nächste Wand zu schleudern und Fulk gewaltsam vor die Tür zu setzen – nur damit ich endlich mit niemandem mehr etwas zu tun haben muss.
»Schick ihn weg, wer immer es auch ist«, knurre ich. »Ich bin für den Rest des Tages nicht mehr im Dienst. Und den nächsten wahrscheinlich auch nicht.«
»Aber, Minher, es ist … wichtig.«
Ich stelle den Becher ab, vorsichtiger diesmal, und balle die Hände zu Fäusten, um dem Jungen nicht an die Gurgel zu gehen. Dann erhebe ich mich abrupt, eile zur Tür und reiße sie auf.
»Bei allen Göttern, kann ich nicht für einen beschissenen Abend …«
Ich habe die Stimme erhoben, verstumme jedoch und schnappe nach Luft, während ich den Ankömmling anstarre. Unter einer Kapuze blitzen mir tiefblaue Augen entgegen.
»Vi«, wispere ich. »Was … machst du hier?«
Statt einer Antwort taucht sie unter meinem Arm hindurch, mit dem ich die Tür aufgerissen habe, und betritt das Zimmer. Beinahe verloren steht sie in der Mitte des Raumes, betrachtet die aufgereihten Weinkaraffen und den bis zum Rand gefüllten Becher.
Ich schlucke angestrengt. Mein Hals fühlt sich an wie zugeschnürt, während ich sie anstarre. Ich rechne damit, dass sie sich jede Sekunde auflösen wird wie ein Hirngespinst, sobald ich woanders hinsehe. Sie kann unmöglich hier sein! Sie müsste doch …! Habe ich etwa doch zu sehr dem Wein zugesprochen, ohne dass ich es bemerkt habe?
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Fulk nervös von einem Fuß auf den anderen tritt. »Ich … schaue noch mal nach, ob es Elora und Hembrant gut geht und … bleibe in der Nähe des Stalls, um … ähm … Jedenfalls … sollte ich gehen.«
Wieselflink eilt er an mir vorbei, löst meine Hand von der Tür und schließt sie leise hinter sich. Das Geräusch hallt trotzdem in mir wider.
Hilflos bleibe ich stehen, immer noch sicher, dass Davina verschwindet, sobald ich auch nur blinzele. Stattdessen schlägt sie die Kapuze zurück, schlendert hinüber zum Tisch und nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Becher.
»Was …?« Ich räuspere mich, weil meine Stimme so kratzig klingt, dass ich kaum ein gescheites Wort herausbekomme. »Was machst du hier? Solltest du nicht …?«
»… in Esmonds Bett liegen und meine Hochzeitsnacht genießen?«, entgegnet sie spöttisch.
Ihre Erwiderung gleicht einem Hieb in die Magengrube. Sofort sind die abscheulichen Bilder wieder da. Davina nackt auf einem weißen Laken, während sich Esmond über sie beugt. Mit aller Macht dränge ich dieses und andere Bilder zurück.
»Ja, ich meine, nein … Ich …« Ich reibe mir mit der Hand über die Stirn. »Ich dachte nicht, dass … Wieso …?«
»Willst du mir nicht die Frage stellen, die dir tatsächlich auf der Seele brennt, anstatt zu stottern?«
Sie wendet sich zu mir um und ich zucke beinahe unter ihrem berechnenden Blick zusammen. Verzweifelt suche ich in ihrem Gesicht Anzeichen dafür, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Warum sollte sie sonst hier sein? Doch ich finde nichts – nur die kühle Maske, die sie oft tragen muss und ich zum Glück nur selten zu sehen bekomme.
Ich hole tief Luft und sammele mich, um nicht wieder zu stammeln. »Hast du mit ihm geschlafen?«
Sie stößt ein Schnauben aus, während sie mit dem Zeigefinger über den Rand des Weinbechers fährt. »Ich? Nein. Mein Gatte jedoch … ist eingeschlafen, bevor er sich vollständig ausziehen konnte. Er scheint ein paar Gläser zu viel gekippt zu haben, um sich Mut anzutrinken.«
»Mut wozu?«
Die kalte Berechnung ist aus ihrem Blick verschwunden, als sie sich wieder mir zuwendet, ebenso wie die Maske der stolzen Prinzessin. »Um mich anzufassen. Er befürchtete wohl, ich würde ihn in eine Eissäule verwandeln.« Sie zuckt mit den Schultern. »Wahrscheinlich hätte ich das auch. Und die halbe Burg gleich mit. Aber zum Glück hat er geschnarcht, bevor Clarice mir aus diesem potthässlichen Hochzeitskleid geholfen hat.« Sie macht einen vorsichtigen Schritt auf mich zu. »Du hättest mich nie gezwungen, so etwas Scheußliches zu tragen, oder?«
Ich schüttele den Kopf. »Niemals.«
Sie nickt, sichtlich zufrieden mit meiner Antwort. »Stellst du jetzt deine zweite Frage?«
»Woher weißt du, dass ich eine zweite Frage habe?«
Davina schmunzelt. »Weil ich es dir ansehe. Und ich hätte eine zweite Frage, wenn unsere Rollen vertauscht wären. Ich hätte wahrscheinlich auch eine dritte.«
Ich spüre, wie auch an meinen Mundwinkeln ein Lächeln zupft. »Du kennst mich offenbar zu gut. Ich weiß nur nicht, wie ich die nächsten Fragen stellen soll.«
»Versuch es einfach.«
Ich stoße geräuschvoll die Luft aus. »Warum bist du hier?«
Sie neigt den Kopf. »Was denkst du wohl?«
Mein Herzschlag gerät aus dem Takt. »Ich … weiß es nicht.«
Davina macht einen Schritt auf mich zu. Dann noch einen und noch einen, bis sie direkt vor mir steht. Ihr vertrauter Duft nach frisch gefallenem Schnee hüllt mich ein und vernebelt mir die Sinne. »Wo sollte ich sonst sein, wenn nicht hier? Ich musste heute einen Mann heiraten, für den ich nichts empfinde. Ich habe es getan, weil es meine Pflicht war. Nach den Kränkungen, die ich den ganzen Tag über ertragen musste, dachte ich, dass ich … zumindest die Hochzeitsnacht mit dem Mann verbringen sollte, den ich eigentlich heiraten wollte.«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch atme.
Als ich nichts weiter tue, als sie anzustarren, wendet Davina stirnrunzelnd den Blick ab. »Könntest … du bitte etwas sagen? Oder mir zu verstehen geben, dass ich verschwinden soll? Irgendwas …«
Ich umschließe ihr Gesicht mit beiden Händen, lehne mich zu ihr hinunter und küsse sie zum ersten Mal seit vielen Wochen. Seit wir vom Besuch bei ihren Eltern aus Fryske zurückkamen, haben wir stets einen züchtigen Abstand gewahrt. Ich habe sie – wenn überhaupt – nur flüchtig berührt, aber nicht geküsst.
Nicht ein einziges Mal in endlosen Wochen, in denen ich mich nach nichts anderem als dieser Frau verzehrt habe.
Als unsere Münder zueinanderfinden, stöhnen wir gleichzeitig auf. Sie schmeckt nach Wein, aber darunter entdecke ich ihren Geschmack, der noch genauso süß ist, wie ich ihn in Erinnerung habe.
»Bist du sicher?«, wispere ich nur einen Hauch von ihren Lippen entfernt. »Allein, dass du hier bist, ist Hochverrat. Wenn du …«
Sie verschließt meinen Mund mit einem weiteren Kuss, knabbert an meiner Unterlippe, bis ich vergesse, was ich sagen wollte.
»Ich bin mir sicher«, flüstert sie. »Seit dem Abend in Brasania, als ich dir gesagt habe, dass ich bleiben will, war ich mir noch nie wieder über irgendwas so sicher.«
Ohne hinzusehen und ohne die Lippen von meinen zu lösen, tastet Leander nach dem Riegel der Tür und schiebt ihn vor. Ich lege meine Hand ebenfalls darauf, bis sich eine dicke Eisschicht darüber ausbreitet.
Niemand wird heute Nacht durch diese Tür kommen.
Ich bin so nervös, dass mir die Finger zittern, als ich am Verschluss meines Umhangs knapp unter dem Hals nestele. Nach mehreren Anläufen gelingt es mir, ihn zu öffnen und er sinkt zu Boden. Nur im Unterkleid stehe ich im Zimmer, ohne zu wissen, was ich nun tun soll.
Federleicht streichelt Leander über meine Arme und arbeitet sich langsam von den Handgelenken nach oben vor.
»Ganz ruhig«, raunt er mir ins Ohr. »Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest. Oder weshalb du dich schämen müsstest.«
Ich atme geräuschvoll aus. Ich habe keine Angst vor ihm. »Ich weiß nur nicht, was …«
Er beißt mir sanft ins Ohr, woraufhin sich ein heiserer Laut aus meinem Mund stiehlt. »Es gibt kein Richtig oder Falsch. Du wirst mir sagen, wenn dir etwas nicht gefällt, was ich tue, und ich sage es dir ebenfalls. Du musst mir nur vertrauen.«
»Das tue ich«, wispere ich.
Leander küsst mich auf die Stirn und die Nasenspitze, ehe er mich hinüber zu seinem Bett führt. Dort angekommen, lässt er sich auf der Kante nieder und schaut zu mir auf. In seinem Blick erkenne ich nichts als Liebe und die tiefe Verbundenheit, die ich ebenfalls in mir spüre. Der letzte Rest Nervosität verschwindet aus meinem Kopf.
Ich raffe das Unterkleid und klettere auf Leanders Schoß, sodass ich rittlings auf ihm sitze. Seine Finger fühlen sich herrlich warm auf meiner Haut an, als er mit ihnen über meine Knie und die Oberschenkel hinaufgleitet. Eine Wärme, die mein Blut erhitzt und meine Magie in helle Aufregung versetzt, bis sie vor Freude in meinen Adern summt. Die ganze Zeit über sieht Leander mich dabei an, um keine meiner Regungen zu verpassen. Ich liebe es, von ihm auf diese Weise angesehen zu werden.
Bevor er mir das Unterkleid jedoch über die Hüfte schieben kann, hält er inne. Ich keuche auf, als seine Finger wieder zurück zu meinen Knien gleiten. Leander schenkt mir ein wissendes Grinsen, ehe er sich vorlehnt und an meinem Hals knabbert. Ich wusste bisher nicht, dass sich zarte Küsse und sanfte Bisse so gut an dieser Stelle anfühlen können.
Stöhnend lege ich den Kopf in den Nacken, um ihm besseren Zugang zu gewähren. Eine Hand legt er mir an die Hüfte, um mir Halt zu geben, mit der anderen öffnet er meinen Zopf, bis sich mein fast weißes Haar offen und ungebändigt über meinen Rücken ergießt.
Mit leuchtenden Augen betrachtet er mich. »Wenn du wüsstest, wie schwer es mir fällt, es langsam angehen zu lassen«, flüstert er. »Oder wie oft wir in meinen Träumen bereits an diesem Punkt waren.«
Sein Geständnis entlockt mir ein Stöhnen. »Wie sind deine Träume ausgegangen?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin jedes Mal aufgewacht. Und immer, wenn ich dich den Tag über ansah, wollte ich wissen, wie der Traum weitergehen könnte. Wie du dich anfühlen würdest.« Leander leckt über die Stelle an meinem Hals, unter der mein Puls fest und schnell pocht.
Ich muss mich erst wieder daran erinnern, wie man spricht. »Du kannst es jetzt herausfinden.«
Er stöhnt an meinem Hals. Dieser Laut reicht aus, um ein heißes Ziehen in meinem Unterleib auszulösen. Instinktiv wiege ich die Hüften vor und zurück, um das Ziehen zu lindern, doch es verschlimmert sich nur noch weiter.
»Verdammt, Vi, ich …«
Mit beiden Händen umschließe ich sein Gesicht. Wie immer versuche ich herauszufinden, welche Farbe in seinen Augen vorherrscht – Grün oder Goldbraun –, aber wieder scheitere ich. Seine Pupillen sind derart geweitet, dass sie fast seine Iriden verschlucken.
»Vergiss ›langsam‹ und ›Zurückhaltung‹«, murmele ich. »Diese Worte existieren heute Nacht in diesem Zimmer nicht mehr. Ich bin hier und ich vertraue dir. Und ich will, dass … du mich berührst.«
Zögernd, als könne er noch immer nicht begreifen, dass ich tatsächlich bei ihm bin, schiebt Leander die Hand von meiner Hüfte nach oben, streicht mir über die Taille und umfasst schließlich meine Brust – so sanft, dass ich die Berührung für eine Einbildung halte.
Mein Körper reagiert jedoch sofort darauf: Beinahe schmerzhaft drückt sich die aufgerichtete Brustwarze gegen den Stoff des Unterkleids und schließlich seine Handfläche, begierig wartend, endlich im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit zu stehen.
Ich gebe es auf, mein Handeln kontrollieren zu wollen, und drücke den Rücken durch. »Bitte«, hauche ich.
Ich kann förmlich sehen, wie dieses eine Wort ausreicht, um Leanders Zurückhaltung niederzureißen. Wo er sich zuvor noch behutsam vorgetastet und lieber zweimal meine Mimik nach dem kleinsten Anzeichen von Missfallen überprüft hat, liebkost er meine Brust nun mit einer Hingabe, die mich vor Wonne Sterne sehen lässt.
Keuchend wiege ich mich auf ihm. Das warme Ziehen von vorhin steigert sich mit jeder Berührung in ein heißes Brennen, das sich zwischen meinen Beinen sammelt. Als er fester mit dem Daumen über die Brustwarze reibt, werfe ich stöhnend den Kopf in den Nacken.
»Schläft Clarice im Zimmer nebenan?«, will Leander mit heiserer Stimme wissen.
Es dauert einen Moment, bis ich mich durch den Nebel aus Lust und Verlangen gekämpft habe und mich wieder daran erinnern kann, wie man spricht. »Nein. Wir haben die gesamte Etage für uns.«
Seine Augen leuchten heller als je zuvor. »Ich weiß nicht, wie ich den Göttern dafür danken soll.«
Ehe ich fragen kann, was er meint, schiebt er mir das Unterkleid über die Hüften nach oben und zieht es mir über den Kopf. Zunächst verweilt sein Blick auf meinem Gesicht und wandert langsam tiefer. Ihm kommt ein kehliges Stöhnen über die Lippen, als er meine bloßen Brüste betrachtet. Allein das genügt, um eine bisher unbekannte Sehnsucht zwischen meinen Beinen pulsieren zu lassen.
Doch nicht nur dort entwickelt mein Körper ein Eigenleben. Vorhin dachte ich noch, dass ich nicht wüsste, was ich tun soll; nun wölbe ich den Rücken, ohne darüber nachzudenken, verschränke die Hände in Leanders Nacken und ziehe ihn zu mir. Ich spüre seinen warmen Atem auf meiner erhitzten Haut und das stachelt mich nur noch weiter an. Meine Brustwarzen ziepen bereits vor Verlangen, und als Leander endlich die Lippen um die rechte schließt und vorsichtig daran saugt, rauscht ein solches Feuerwerk an Empfindungen durch mich hindurch, dass ich jedwede Zurückhaltung aufgebe. Mein Blut und meine Magie prickeln und summen gleichermaßen und tragen die Empfindungen bis in die Finger- und Zehenspitzen.
Ungeschickt zerre ich an seinem Hemd, bis ich kurz davor bin, ihm den verdammten Stoff vom Leib zu reißen. Nur kurz löst er sich von mir, um das Hemd auszuziehen, doch selbst dieser flüchtige Moment genügt, um mich frustriert aufstöhnen zu lassen. Nach dieser kleinen Kostprobe verlangt mein Körper nach mehr, und jede Sekunde, in der er es nicht bekommt, steigert sich mein Verlangen nur noch weiter.
Bedächtig lasse ich die Hände über seinen freien Oberkörper gleiten, genieße das leichte Zittern seiner durch unzählige Trainingsstunden und echte Kämpfe gestärkten Muskeln.
Wie es sich wohl anfühlen wird, wenn sich diese Muskeln nur für mich bewegen?
Nachdem sein Hemd endlich neben meinem Unterkleid auf dem Boden gelandet ist, rutscht Leander auf dem Bett weiter nach hinten, bis er mich auf die Matratze legen kann. Mein Atem geht abgehackt, während ich mit beiden Händen über seine nackte Brust und die Schultern streichele. Sein dunkler Blick verschlingt mich beinahe, als er über mir aufragt – und ich genieße jede einzelne Sekunde davon.
»Ich liebe dich, Vi«, raunt er, ehe er kleine Küsse auf meinem Hals und dem Schlüsselbein verteilt.
»Und ich liebe dich«, hauche ich.
Als sich sein Mund wieder um meine Brustwarze schließt, kralle ich die Hand in sein Haar, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Doch stattdessen wandert er tiefer, streift nur flüchtig mit den Lippen über meinen Bauch und haucht mir einen Kuss unter den Bauchnabel. Mit angehaltenem Atem sehe ich ihm dabei zu, wie er zwei Finger in meine Unterhose hakt. Er schaut zu mir auf und bittet mich stumm um Erlaubnis. Ich hebe die Hüften an, woraufhin auch mein letztes Kleidungsstück auf dem Boden landet.
Ich bin überrascht, als Leander wieder zu mir nach oben rutscht und sich neben mir hinlegt. Mit einem Arm zieht er mich an sich. Ich schmiege mich nur allzu gern an seinen festen Körper und genieße die kleinen Streicheleinheiten, obwohl bestimmte Stellen meines Körpers lautstark nach mehr brüllen.
Sanft streicht er über meine Brüste und den Bauch, bis er schließlich wieder bei meinem Schoß ankommt. Kurz verharren seine Finger knapp unter meinem Bauchnabel, ehe er sie tiefer schiebt. Dabei ruht sein Blick auf meinem Gesicht.
Ich schnappe nach Luft, als er mit nur einem Finger über einen Punkt zwischen meinen Beinen streicht, der das brodelnde Verlangen in mir beinahe explodieren lässt.
»Gut?«, raunt mir Leander ins Ohr.
Ich habe nun endgültig die Fähigkeit zu sprechen verloren. Als ich den Mund öffne, kommt nur ein Wimmern heraus, also beschränke ich mich aufs Nicken.
Mit den Lippen fährt er die spitze Kontur meines Ohrs nach. »Soll ich weitermachen?«
Ich nicke wieder, diesmal mehrmals hintereinander.
Erneut umkreist er mit nur einem Finger exakt die Stelle, die mich Sterne sehen lässt. Meine Magie prickelt in meinen Adern und schießt hervor, ohne dass ich sie aufhalten kann. Ich reiße die Augen auf und rutsche ein Stück zurück, während ein kleiner Schneesturm durchs Zimmer wütet.
»Entschuldige, ich … Ich habe mich nicht genug konzentriert und …«
Leander beobachtet die Schneeflocken, die lautlos zu Boden rieseln, und greift dann nach meiner Hand. Nacheinander küsst er die Fingerspitzen, aus denen eben unkontrolliert meine Magie hervorgeschossen ist.
»Ich fürchte mich nicht vor deiner Kraft«, murmelt er. »Selbst wenn sie mich verletzen könnte, würde ich keine Angst vor ihr haben. Dafür ist sie viel zu schön anzusehen. Wenn wir allein sind, musst du sie nicht in dir einschließen.« Er verschränkt die Finger mit meinen. »Zeig sie mir! Zeig mir das Eis und den Schnee, die deinem Willen gehorchen und die ich erweckt habe.«
Seine Worte erreichen eine Wunde tief in mir, die trotz allem bis jetzt davor Angst hatte, dass auch Leander abweisend auf meine Kraft reagieren könnte. Diese Wunde war immer da und meldete sich jedes Mal, wenn ich meine Magie nicht unter Kontrolle hatte, doch nun schließt sie sich, als hätte ich endlich das Wundermittel gegen die nicht heilen wollende Verletzung gefunden.
Ich lege die freie Hand an seinen Hinterkopf und ziehe ihn zu mir herunter, um ihn zu küssen. Als er wieder die Finger zwischen meine Beine schiebt und sie dort bewegt, stöhne ich in seinen Mund. Diesmal verschwende ich keine Energie darauf, meine Magie im Zaum zu halten, sondern konzentriere mich nur auf das kribbelnde und immer weiter anschwellende Gefühl zwischen meinen Beinen. Ich winde mich auf dem Laken, während sich jeder Muskel meines Körpers beim prickelnden Brennen in meinem Unterleib zusammenzieht.
Leander drückt sich gegen mich. Ich spüre seine Härte deutlich an der Hüfte. Ich will ihn berühren … Meine Hand gleitet tiefer über die festen Erhebungen seiner Muskeln an Brust und Bauch, über die verblassten Narben vergangener Schlachten, bis ich über die Vorderseite seiner Hose streichele. Sein tiefes Stöhnen und das Wissen, dass ich diese Lust bei ihm ausgelöst habe, befeuern mein eigenes Verlangen nur noch weiter, bis meine Muskeln unkontrolliert zu zucken beginnen.
Leanders Finger konzentrieren sich nun stärker auf den Punkt, der mich nichts anderes als seine Berührung mehr empfinden lässt. Ich vergesse, wo ich bin. Warum ich hier bin. Ich vergesse sogar meinen eigenen Namen.
»Komm für mich«, wispert er mir ins Ohr.
In diesem Moment explodiert das Gefühl des Verlangens mit einem lauten Knall, den jedoch nur ich zu hören scheine. Wellenartig breitet sich Hitze von meinem Unterleib ausgehend im restlichen Körper aus, bis ich vollends in Brand stehe. Ich meine zu schweben – höher und höher –, bis ich schließlich den höchsten Punkt erreiche und nur noch Sterne sehe.
Nur einen Augenblick später fällt sämtliche Spannung von mir ab und ich lande wieder im Hier und Jetzt. Das Erste, was ich wahrnehme, ist Leanders sanftes Lächeln und die grenzenlose Liebe in seinem Blick, als er mich betrachtet. Dann verbreitert sich sein Lächeln zu einem schelmischen Grinsen und er sieht sich im Zimmer um.
Ich folge seinem Blick. Um uns herum flirren dicke, im Kerzenschein glitzernde Schneeflocken auf der Stelle, als würden sie durch eine unsichtbare Kraft in der Luft gehalten werden. Erst als ich mich vollends durch den wundervoll warmen Schleier der Befriedigung gekämpft habe, rieseln sie langsam zu Boden.
»Passiert das jedes Mal?«, fragt Leander.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, aber … wir könnten es herausfinden.«
Er lehnt sich vor und stupst mit der Nasenspitze gegen meine. »Nichts lieber als das.«
Ich erwache, weil jemand gegen die Wand hämmert. Vi … Nein, das ist nicht unser Klopfzeichen. Außerdem …
Ich schlage die Augen auf, als sich jemand in meinen Armen regt. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass ich tatsächlich wach bin und Davina neben mir liegt. Ihr offenes Haar, das fast die gleiche Farbe wie das Laken hat, ist über das Kissen ausgebreitet. Sie rutscht näher im Versuch, dem nervigen Klopfen zu entkommen, und gibt dabei ein niedliches Grummeln von sich.
Vorsichtig, als könnte sie sich bei einer zu schnellen Bewegung doch noch in Luft auflösen, ziehe ich sie fester an mich, bis sie mit einem Seufzen das Gesicht gegen meine Brust schmiegt. Ihr nackter Körper ist warm und weich und sie riecht fast genau wie der Schnee in Fryske.
Erst als ich ihr über den Rücken streichele, ihre Haut unter den Fingern spüre, weiß ich, dass sie tatsächlich hier und nicht wieder die Ausgeburt meiner endlosen Träume ist, wie schon so oft zuvor.
Nach und nach kommen mir die Ereignisse der letzten Nacht in den Sinn. Ihr Stöhnen und die wunderbaren anderen Laute, die sie von sich gab. Die tanzenden Schneeflocken, die jedes Mal um uns schwirrten, wenn sie kam. Das übermütige Funkeln in ihren Augen, als sie mich berührte und ich mich vollständig in ihre Hände begab. Ihre Wärme, als ich in sie eindrang.
Noch nie hat sich etwas so richtig und perfekt angefühlt.
»Königin Eira«, kommt es von jenseits der Wand. Es ist Clarices Stimme. »Ihr müsst aufwachen!«
Ich hebe die Hand und klopfe gegen die Wand. »Zehn Minuten.«
»Fünf«, widerspricht Clarice. »Sie muss zurück in Esmonds Gemach.«
Es fühlt sich an, als hätte sie mir mit ihren Worten einen Kinnhaken verpasst. Bis eben konnte ich verdrängen, dass wir uns die letzte Nacht nur gestohlen haben. Dass sie höchstwahrscheinlich eine einmalige Sache war, die sich nicht wiederholen wird. Nicht wiederholen darf. Ich schlinge beide Arme um Davina, als könnte ich sie so bei mir behalten.
»Fünf Minuten«, murmele ich. Keine Ahnung, ob Clarice mich hören konnte, aber sie verstummt.
Ich streiche Vi eine wirre Haarsträhne hinters Ohr. »Guten Morgen.«
Nach einem Moment schlägt sie die Augen auf und schaut mich an. »Guten Morgen.«
In ihrer Miene suche ich nach Anzeichen dafür, dass sie sich unwohl fühlt oder – noch schlimmer – sie die letzte Nacht nicht so gut empfunden hat wie ich. Doch die Sorgen verschwinden, als sie mir lächelnd eine Hand an die Wange legt.
»Wonach suchst du?«, will sie wissen.
Ich zucke mit den Schultern. »Das weiß ich selbst nicht.«
Sie schmunzelt. »So oft, wie gestern Nacht Schneeflocken durch dieses Zimmer geflirrt sind, dachte ich nicht, dass ich am nächsten Morgen noch weiter dein Ego streicheln muss.«
»Jeder Mann hört gern, dass er seiner Liebsten eine gute Zeit bereiten konnte.«
Davina reckt sich und haucht mir einen Kuss auf die Lippen. »Das hast du allerdings geschafft.« Sogleich sinken ihre Mundwinkel nach unten. »Aber jetzt muss ich gehen.«
»Ist es selbstsüchtig von mir, wenn ich nicht will, dass du dieses Bett je wieder verlässt?«
»Wenn ich nicht Angst hätte, dass Clarice durchs Fenster hereinklettert, wenn ich die Tür nicht in drei Minuten öffne, würde ich keinen Fuß aus deinem Bett setzen.«
Ich stehle mir noch einen Kuss, ehe ich sie schweren Herzens aus meinen Armen entlasse und dabei zusehe, wie sie den Boden nach ihrer Kleidung absucht. Ich sollte mich auch anziehen, aber ich kann mich nicht dazu aufraffen. Es ist viel zu früh; die Sonne ist noch nicht vollständig aufgegangen, und im Zimmer herrscht ein diesiges Licht. Umso schöner glänzen Davinas helle Haare, die ihr offen über den Rücken fallen. Das ist ein Anblick, den ich ab jetzt noch seltener als zuvor zu sehen bekommen werde: Als verheiratete Frau hat sie ihr Haar hochzustecken.
Ich steige gerade in meine Hose, als es leise an der Tür klopft. Vi und ich erstarren.
»Ich bin es, Majestät«, wispert es vom Flur aus. »Clarice.«
Davina schluckt angestrengt. »Wie lange wird es dauern, bis mich hier jemand findet, abgesehen von Clarice?«
Ich greife nach ihrer Hand. »Leider nicht lange genug. Und jetzt ist der beste Zeitpunkt, um zu verschwinden. Nach dem Fest gestern werden die meisten Bediensteten noch schlafen und du wirst dich unbemerkt … zu Esmond schleichen können. Wenn wir länger warten, besteht die Gefahr, dass du trotz Umhang und Kapuze jemandem auffällst.«
Sie seufzt, während sie den Verschluss des unauffällig beigen Umhangs knapp unter ihrem Kinn schließt. »Ich weiß.«
Mit einem sanften Ruck ziehe ich sie zu mir und küsse sie auf die Stirn. »Ich will auch nicht, dass du gehst. Aber noch weniger will ich, dass wir die Konsequenzen zu spüren bekommen.«
Mit einem Fingerschnippen lässt sie das Eis um die Tür zerspringen. Ich angele auf dem Boden nach meinem Hemd, streife es über und schiebe den Riegel zurück. Clarice huscht herein, kaum dass ich die Tür einen Spaltbreit geöffnet habe. Ihr erster Blick gilt Davina, als wolle sie sichergehen, dass mit ihr alles in Ordnung ist.
»Wir müssen los«, verkündet sie.
Davina nickt und schlägt die Kapuze hoch, während Clarice zu meinem Bett eilt und das Laken abzieht, es zusammenknäuelt und sich unter den Arm klemmt.
»Ich bringe dir nachher ein neues«, verspricht sie. »Aber das brauchen wir, um …« Sie zuckt mit den Schultern. »Du weißt, warum.«
Ich runzele die Stirn. »Glaubst du, Esmond war dermaßen sturzbetrunken, dass er es nicht bemerkt?«
Zu meiner Überraschung nickt Clarice. »Das glaube ich durchaus. Du hast ihn gestern Abend nicht mehr beachtet. Nachdem du mit der Königin auf der Tanzfläche aufgetaucht bist, hat er einen Becher Wein nach dem anderen gekippt, weil der Priester auf ihn einredete.«
»Esmond weiß, dass die Truppen aus Fryske nur kommen, wenn die Hochzeit gültig ist«, murmelt Davina. Schneeflocken tanzen über ihrem ausgetreckten Zeigefinger. »Aber er wäre nie nah genug an mich herangekommen, um die Ehe vollziehen zu können. Jedenfalls nicht, ohne dass ihm wichtige Körperteile abgefallen wären.«
Clarice seufzt. »Genau deshalb hat er getrunken wie ein Loch. Hoffen wir, dass das für unseren Plan ausreicht. Und jetzt müssen wir gehen.«
Ich öffne die Tür, spähe hinaus und gebe den beiden Frauen ein Zeichen, dass die Luft rein ist. Als Davina an mir vorbeieilen will, um Clarice zu folgen, packe ich sie am Arm und presse meinen Mund fordernd auf ihren. Sie erwidert den Kuss mit mindestens genauso viel Hingabe. Erst dann lasse ich sie gehen.
Ich sehe ihr nach, bis sie mit Clarice um die nächste Ecke verschwunden ist.
* * *
Nachdem ich mich gewaschen und vollständig angezogen habe, suche ich Grete und die anderen Bewohner von Brasania auf, denn sie wollen nach dem Frühstück abreisen. In der Burg herrscht weniger Treiben als normalerweise. Selbst die Diener scheinen Esmonds teurem Wein mehr zugesprochen zu haben, als gut für sie ist.
Grete und Waldur sind bereits auf den Beinen und begrüßen mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass du vor dem Mittag aus deinem Zimmer gekrochen kommst«, brummt Grete, ehe sie zu mir tritt und an mir schnüffelt. »Entweder verträgst du weit weniger, als ich dir zugetraut habe, und hast deshalb frühzeitig aufgehört, oder …«
»Hör auf, den armen Kerl zu piesacken«, sagt Waldur und reibt sich über die Augen. Im Gegensatz zu mir, sieht er müde und abgekämpft aus. »Hast du schon mit Davina gesprochen?«
»Wir sehen sie sicher nachher zum Frühstück«, sage ich ausweichend. »Wo sind die anderen?«
Grete zuckt mit den Schultern. »Schlafen noch, aber ich werde sie jetzt wecken. Je eher wir nach Brasania zurückkehren, desto besser.«
»Gibt es einen Grund dafür?«, frage ich.
Grete gibt ein Grummeln von sich. »Nur ein ungutes Gefühl, das ist alles. Ich glaube, ich war noch nie länger als eine Nacht aus Brasania fort. Und die Betten hier sind zu weich für meine alten Knochen.«
* * *
Eine halbe Stunde später sind alle Bewohner aus Brasania angezogen und sitzen teilweise mehr schlafend als wach im großen Saal, wo das Frühstück aufgetragen wird. Fulk gesellt sich zu uns. Ihm stecken noch ein paar Strohhalme im Haar, die ich ihm herausziehe. Sieht aus, als hätte er tatsächlich im Stall übernachtet. Ich werde mir eine Wiedergutmachung überlegen. Über ein neues Schwert würde er sich bestimmt freuen.
Alle Anwesenden erheben sich, als Esmond und Davina den Saal betreten und an der Stirnseite des Tisches Platz nehmen. Mir entgeht nicht, wie viel Abstand sie halten, jedoch kann ich in Esmonds Miene keinen Zorn oder Ähnliches entdecken – nur sehr dunkle Schatten unter seinen geröteten Augen, die er kaum offen halten kann. Und an Davina fällt mir sofort die strenge Hochsteckfrisur auf, die nicht im Entferntesten zu ihr passt.
Clarice geht hinter ihnen, ein weißes Laken in Händen, das sie auseinanderfaltet und den Anwesenden präsentiert. Drei Blutflecken prangen auf dem hellen Stoff. Der Priester murmelt ein Gebet, segnet erneut die Frischvermählten und erklärt die Ehe offiziell für gültig.
Davina erträgt das Prozedere mit eisigem Gleichmut, während Esmond kaum etwas davon wahrzunehmen scheint.
Waldur stößt mich mit dem Ellenbogen an. »Angesichts dieser Zurschaustellung bleibst du verdammt gelassen. Ich hätte meine gesamten Ersparnisse darauf verwettet, dass du wie gestern Abend aus dem Saal stürmst, sobald du siehst, dass Esmond und Davina …«
»Manchmal glaube ich wirklich, du hast dir als Kind einmal zu oft den Kopf angeschlagen«, brummt Grete.
Waldur beugt sich vor und mustert die weise Frau neben sich. »Warum?«
»Kommt dir Esmond so vor, als wäre er gestern Abend dazu fähig gewesen, die Ehe zu vollziehen? Ich fand es schon bemerkenswert, dass er ohne Hilfe aus dem Saal laufen konnte. Da wird sich weiter unten nichts mehr geregt haben.«
Ich greife nach meinem Becher, um mein Schmunzeln zu verbergen.
»Und«, fährt Grete fort, »ich bezweifele, dass es heute hier im Schloss noch eine Flüssigkeit gäbe, die wir trinken könnten. Davina hat schon wegen eines flüchtigen Kusses mit ihrem Angetrauten den Saal einfrieren lassen. Was glaubst du wohl, wie verrückt ihre Kraft gespielt hätte, wenn sie mit ihm hätte schlafen müssen?«
»Aber …« Verwirrt kratzt sich Waldur am Kopf, während sein Blick wieder zu dem Laken huscht. »Ist es dann … ein Trick?«
Grete zuckt mit den Schultern. »Möglich, aber ich denke nicht.«
»Was dann?«
Sie hebt eine Augenbraue und lehnt sich vor. »Muss ich das wirklich aussprechen?« Als Waldur nickt, seufzt sie und flüstert: »Kommt dir Davina – im Gegensatz zu gestern – nicht auch viel entspannter vor? Keine vereisten Scheiben, kein Frost unter ihren Füßen, kein gefrorener Saft in unseren Bechern.«
»Ja, du hast recht. Aber was hat das damit …?«
Grete verdreht die Augen. »Jemand anderes hat dafür gesorgt, dass sie … eine angenehme Zeit hatte. Und dieser Jemand scheint seine Sache gut gemacht zu haben.«
Ich bin heilfroh, dass wir an einem Tisch abseits der anderen Gäste sitzen und jeder hier von Davina und mir weiß. Dennoch ist es mir peinlich, dass Grete alles haarklein ausbreiten muss.
»Jemand anderes?«, wiederholt Waldur. »Wer …?«
»Was glaubst du wohl?«, fällt sie ihm ins Wort.
Waldur schaut zu mir. Seine Augen weiten sich ungläubig. »Nein, das kann nicht sein!«
»Willst du noch mehr Beweise?«, fragt Grete. »Unser Minher war noch vor uns allen wach, obwohl er doch gestern Abend den festen Entschluss gefasst hat, genug für sein restliches Leben zu saufen. Auch er wird die Nacht anderweitig verbracht haben und sieht heute Morgen entspannter aus als die letzten Wochen, die er allein in Brasania verbracht hat, findest du nicht?«
»Ich werde das nicht mit euch diskutieren«, murmele ich in meinen Becher.
»Aber du streitest auch nicht ab.«
Ich werfe Grete einen giftigen Blick zu, den sie jedoch nur mit einem seltenen, wissenden Grinsen erwidert. »Das hätte wohl wenig Sinn, nachdem ich nach allen Regeln der Kunst überführt wurde.«
Waldur stößt einen leisen Pfiff aus. »Damit … hätte ich nicht gerechnet. Ich dachte schon, wir fänden dich sturzbetrunken und halb tot in deinem Zimmer.« Er lehnt sich näher zu mir. »Wie hast du es geschafft, in Esmonds Gemach zu schleichen? Habt ihr dort …?«
»Kein Kommentar«, knurre ich in meinen Becher.