Fühl mich! - Nina Jansen - E-Book

Fühl mich! E-Book

Nina Jansen

4,4

Beschreibung

Ryan Lucas ist charmant, sieht umwerfend gut aus und weiß genau, was er will. Die junge Psychologin Summer Johnson verfällt dem Luxusimmobilienmakler schon bei der ersten Begegnung. Doch Ryans sexuelle Vorlieben sind so verstörend wie sie erregend sind. Zudem trägt er ein Problem mit sich herum, über das er nicht reden will. Je mehr Summer ihm nahezukommen versucht, desto entschlossener zieht er sich zurück. Hat sie ein Chance, sein wahres Ich kennenzulernen? Und wird er dann noch ihr Traummann sein? Ein romantischer BDSM-Roman der Autorin des Bestsellers "Bestrafe mich!". Hinweis: Inhaltlich vollständig überarbeitete Neufassung des Romans "Ein Hauch von Schmerz".

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Inhaltlich vollständig überarbeitete Fassung des Romans „Ein Hauch von Schmerz“, erschienen im Heyne Verlag, München

Nina Jansen

Fühl mich!

Erotischer Roman

© 2016 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamourbooks.com

[email protected]

Covergestaltung: © Mia Horn

© Coverfoto: Shutterstock.com

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-231-9

ISBN eBook: 978-3-86495-232-6

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Autorin

Kapitel 1

Summer Johnson war todmüde, als sie am Freitagabend nach sieben Stunden Arbeit und anschließenden gefühlten tausend Wohnungsbesichtigungen aus dem Bus stieg. Ihre Füße schmerzten, ihr Nacken war verspannt und der Frust, wieder nichts Passendes gefunden zu haben, drückte auf ihre Stimmung.

Sie ging ein kurzes Stück am Hyde Park entlang und bog dann in die Gegend ein, in der sie sich auch nach zwei Jahren noch ein wenig fehl am Platz vorkam. Hier erwartete sie ein Penthouse in einem aufwendig sanierten Altbau, dessen vollendeten Luxus sie sich selbst nie hätte leisten können. Sie betrat das Haus und bestieg den geräumigen Lift mit dem dicken Teppichboden, der für sie das erste Highlight des Tages war. Während die Kabine nach oben glitt, bereute Summer einen Moment lang, dass sie die Beziehung mit Logan beendet hatte.

Aber es war der richtige Schritt gewesen, einen Schlussstrich zu ziehen, denn sie hätte nicht aus reiner Bequemlichkeit seine Lustsklavin bleiben können. Sie ärgerte sich allerdings darüber, dass sie ihr eigenes Apartment aufgegeben hatte, als sie bei Logan eingezogen war. Nur deswegen war sie jetzt im kalten, nebligen März auf der Suche nach einer günstigen Wohnung.

Aber bin ich nicht längst viel zu verwöhnt von dem Leben, das Logan mir geboten hat? Würde ich jetzt wirklich ohne Weiteres in mein altes, zugiges Apartment zurückkehren, wenn es mir möglich wäre?

Sie verließ den Lift, überquerte den Flur und schloss die breite, schwere Tür auf. Was für ein erhebendes Gefühl es war, Logans gediegenes Penthouse zu betreten und die Schuhe endlich abstreifen zu können. Und welche Ruhe hier herrschte im Gegensatz zum Verkehrslärm der Stadt! Seit sie wusste, dass ihre Tage hier gezählt waren, genoss sie jeden Augenblick mit größter Achtsamkeit.

Hinzu kam noch, dass sie seit der Trennung von ihm viel entspannter heimkommen konnte, denn ihr waren Dinge erlaubt, die vorher undenkbar gewesen wären. Sie konnte es sich zum Beispiel im Wohnzimmer auf der Ledercouch mit hochgelegten Füßen und einem Glas Weißwein aus Logans schier unerschöpflichem Vorrat gemütlich machen. Als sie noch seine Sklavin gewesen war, hatte nach einem anstrengenden Arbeitstag heimzukommen für sie bedeutet zu duschen, ihre honigblonden Haare zu bürsten, bis sie glänzten, eine Korsage anzuziehen, in High Heels zu schlüpfen und die Haltung einzunehmen, in der Logan sie vorzufinden erwartete: reglos auf der Couch kniend, den Bauch an die Lehne geschmiegt.

So wartete sie oft erregt und voll süßer Vorfreude, bis er von der Arbeit kam. Wenn sie ihn kommen hörte, musste sie die Hände hinter dem Nacken verschränken, zum Zeichen dafür, dass sie für alles bereit war, was er von ihr verlangen würde. Da sie sein Gesicht in diesem Moment nicht sehen konnte, hatte sie ein feines Gehör entwickelt, um das leiseste Räuspern zu hören und die Festigkeit seiner Schritte zu ermessen, um daraus seine Stimmung abzuleiten. Jedes Innehalten von ihm ließ ihre Anspannung wachsen.

Welche Erleichterung, wenn er dann hinter sie trat, sie berührte, ihr gestattete, sich umzudrehen und auf seine Befehle zu warten.

Summer fand ihren ehemaligen Gebieter nach wie vor begehrenswert. Sie hatte sich durch ihn als Frau erst richtig kennengelernt, aber er war nicht ihre ganz große Liebe gewesen. Darum hatte sie ihn gebeten, sie freizugeben. Er hatte sie daraufhin angewiesen, die Master-Slave-Vereinbarung zu verbrennen, ein Ritual, das ihr geholfen hatte, sich der Endgültigkeit ihres Entschlusses bewusst zu werden.

Sie nahm einen Schluck Wein und empfand ihre Freiheit als angenehm und wohlig, und trotzdem auch ein wenig traurig. Nach zwei Wochen ohne Sex und lustvolle Hingabe fühlte sie eine schmerzliche Leere. Gefesselt werden, stillhalten, aushalten, den Atem anhalten. Es fehlte ihr. Summer drückte seufzend das kühle Weinglas an ihre Stirn. Es würde keine unverbindlichen Sessions nach der Trennung geben, nur weil es vielleicht praktisch wäre, da sie bis zu ihrem Auszug im Gästezimmer schlief und somit weiterhin jederzeit für ihn verfügbar war. Das hatte Logan ihr unmissverständlich klargemacht.

Summer streckte sich und versuchte, ihr Leben als freie Frau positiv zu sehen. Sie konnte jetzt ein Bad nehmen, ohne Logan um Erlaubnis bitten zu müssen.

Sie ging ins Badezimmer, das ihr mit dem anthrazitfarbenen Granitboden und den strahlend weißen Becken nach all den moosgrünen und beigefarbenen Nasszellen, die sie heute auf ihrer Besichtigungstour gesehen hatte, wie ein Tempel erschien. Die frei stehende Wanne mit den Massagedüsen wirkte so einladend, dass Summer zärtlich über ihren Rand strich. „Heute bist du noch mein“, säuselte sie und grinste über sich selbst.

Sie drehte das Wasser auf und ließ ein nach Rosenblüten duftendes Schaumbad in den Strahl laufen. Als sie sich gerade ausgezogen hatte, klingelte ihr Handy. Sie sah auf dem Display, dass es Logan war. Zwar meldete sie sich nicht mehr mit: „Ja, Master“, sondern mit einem entspannten: „Hallo, Logan“, doch sie senkte dabei immer noch automatisch den Blick, so wie sie es lange Zeit getan hatte.

„Fündig geworden?“, fragte er.

„Leider nicht. Ich bin anscheinend zu wählerisch.“

„Das ist kein Fehler“, sagte er. „Ich bin damit immer gut gefahren. Ich rufe an, um dir Bescheid zu sagen, dass ich heute etwas später nach Hause komme, als ich geplant hatte. Dummerweise erwarte ich Besuch, den ich wegen meiner Verspätung nicht selbst empfangen kann. Darum wollte ich dich bitten, dich um ihn zu kümmern. Es ist jemand, den ich im Club kennengelernt habe.“

Summer stutzte. Handelte es sich um eine neue Frau in Logans Leben? „Wann kommt denn dieser – äh – Besuch?“

„In einer Stunde.“

Summer empfand Logans Ansinnen als unverschämt und wusste nicht, wie sie reagieren sollte.

„Oder hast du für heute Abend bereits andere Pläne?“, erkundigte sich Logan, als sie nichts sagte.

„Nein, aber ich würde gern wissen, wen ich zu erwarten habe.“

Schweigen. Schließlich sagte er: „Lass dich einfach überraschen“, und beendete danach sofort das Gespräch.

Wenn es jemand war, den er im Club kennengelernt hatte, könnte es sich um ihre potenzielle Nachfolgerin handeln. Summer empfand einen Hauch von Eifersucht, vor allem aber ärgerte sie sich, dass Logan so wenig Rücksicht auf ihre Gefühle nahm. Oder wollte er sie absichtlich demütigen, indem er ihr zeigte, wie schnell er sie ersetzen konnte?

Nein, keine Grübeleien. Sie hatte noch eine Stunde für sich allein, und die wollte sie nutzen, indem sie sich sinnlichen Erinnerungen hingab und sich dabei selbst befriedigte. Der einzige Vibrator, den sie je besessen hatte, war zusammen mit ihren Möbeln, die Logan als „besseres Sperrholz“ bezeichnet hatte, bei ihrem Umzug ausgemistet worden. Sie trauerte dem fleischfarbenen Plastikteil nicht nach, zumal Logan sehr viel schönere Dildos besaß. Dumm nur, dass sie die nicht benutzen durfte. Er war der Herr über sein Equipment. Summer durfte den roten Lackschrank im Flur, in dem er seine Sexspielzeuge aufbewahrte, eigentlich nicht einmal öffnen.

Der Schrank hatte unten einen breiten Auszug, oben zwei Türen und dazwischen eine flache Schublade, die sie nun an dem runden Knauf langsam aufzog. Beim Anblick der Kunstwerke, die auf schwarzem Samt in der Schublade aufgereiht lagen, vergaß sie alles, was ihr eben noch durch den Kopf gegangen war, und während sie die wundervoll glänzenden Teile nur mit ihrem Blick berührte, meinte sie doch, sie auf ihrer Haut zu fühlen.

Ein Dildo aus hellblauem Glas mit Wellenmuster, ein Stab aus roten Kugeln, geschwungene Holzdildos, ein Analplug, ein Vibrator mit großem Durchmesser, mit dem Logan sie nur dann gefickt hatte, wenn sie von all den Dingen, die er davor mit ihr gemacht hatte, übererregt gewesen war. Der Anblick beschwor dieses einzigartige Gefühl in ihr herauf, die untrennbare Mischung aus Schmerz und grenzenloser Geilheit, die Logan als erster Mann in ihr ausgelöst hatte.

Summer nahm den schlichtesten Dildo heraus. Er war aus durchsichtigem, farblosem Glas und hatte an der Spitze eine knospenartige Vergrößerung. Etwas Simples kam ihr gerade recht. Ihr Liebesleben war lange genug von komplizierten Dingen, aufwendigen Ritualen und intensiven Stimulationen geprägt gewesen.

Sie schob die Schublade wieder zu, kehrte ins Bad zurück und löschte alle Lichter bis auf einen Deckenstrahler. Dann glitt sie in die Wanne, drehte das Wasser ab und türmte den zarten Schaum auf ihre Brüste. Ihre Muskeln entspannten sich. Langsam streichelte sie die Innenseiten ihrer Schenkel und ließ ihre angewinkelten Knie zur Seite fallen.

Da die Wanne breit genug für zwei Personen war, konnte sie die Beine weit spreizen. Sie umschmeichelte mit der Rundung der Knospe an der Spitze des Dildos ihre Klitoris, bevor sie damit zwischen ihre Schamlippen fuhr und sanft reibend ihre Spalte bearbeitete. Sie führte den Glasdildo in ihre erwartungsvoll pochende Pussy und schloss die Augen.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Abend, an dem sie Logan im Club kennengelernt hatte. Sie war damals bereits seit einem Monat Mitglied gewesen, ohne sich je an einer Session beteiligt zu haben. Der Club ließ Neulingen genug Zeit, sich einzuleben. Solange sie Kleidung trug, würde niemand sie berühren.

Wie bei ihren vorangegangenen Besuchen setzte sie sich in einen roten Ledersessel am Rand des verwinkelten Raums, trank Ginger Ale und beobachtete das Geschehen. Inzwischen hatte sie das Gefühl, den anderen Mitgliedern vertrauen zu können, aber konnte sie in Gegenwart so vieler Menschen sexuell aktiv werden? Sie beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, und ging sich in einer der Kabinen entkleiden. Gespannt, was nun geschehen würde, kehrte sie in den Salon zurück, fühlte sich sogleich angestarrt und reagierte verunsichert. Nach etwas Vertrautem suchend, wollte sie zu ihrem Sessel zurückkehren, doch darin saß nun ein Mann, der einen schwarzen Businessanzug und eine eng gebundene Krawatte zu einem blütenweißen Hemd trug.

Sie wandte sich hastig ab, fand einen anderen freien Platz und setzte sich, um diesen attraktiven Mann aus der Ferne zu studieren. Ihr wurde schnell klar, dass er kein neues Mitglied sein konnte, so selbstbewusst und entspannt, wie er in dieser Umgebung wirkte. Bald bestätigte sich ihre Einschätzung, denn jemand begrüßte ihn wie einen alten Bekannten. Die devoten Clubbesucher tuschelten, einige Subs gingen sogar so weit, sich ihm anzubieten.

Hin und wieder wanderte sein Blick zu ihr. Ohne den Schutz ihrer Kleidung fühlte sie sich verletzlich und bloßgestellt. Zudem verunsicherte es sie, dass niemand Interesse an ihr zeigte. Wieso wurde sie zu keiner Session eingeladen? War etwas an ihrer Körperhaltung falsch? Gab sie nicht die richtigen Signale?

Plötzlich stand der Mann vor ihr. Sie war so mit ihren Zweifeln beschäftigt gewesen, dass sie ihn erst bemerkte, als sein Schatten auf sie fiel.

„Steh auf“, sagte er.

Sie gehorchte, spürte ihre Knie weich werden und sah ihn mit einem schüchternen Lächeln an.

„Du hast wenig Erfahrung.“ Seine Stimme war ruhig und tief.

Sie nickte. „Nur ein paar SM-Spiele mit meinem ersten Freund. Alles sehr soft.“ Sie senkte den Blick.

Er ließ sie auf seine Reaktion warten, und sie hatte sich seinem Rhythmus, seinem Zeitempfinden anzupassen. „Ich möchte, dass du gehst“, sagte er schließlich. „Sofort.“

Sie zuckte zusammen. Was hatte sie falsch gemacht? „Ich …“

„Ich erwarte dich übermorgen um Punkt sieben Uhr abends bei dieser Adresse.“ Er ergriff ihre linke Hand und schob ihr eine Visitenkarte zwischen Zeige- und Mittelfinger. „Bis dahin darf dich niemand sexuell stimulieren, du selbst eingeschlossen.“

Jetzt fragte sie sich, ob Logan seine neue Bekanntschaft heute Abend auf die gleiche Weise herzitiert hatte.

Summer gönnte sich noch ein paar feste Stöße mit dem Dildo, dann gab sie auf. Dieses harmlose Ding würde ihr keinen Orgasmus bescheren. Sie stellte den Dildo auf dem Wannenrand ab und berührte dabei das Bedienfeld der Whirlfunktion.

Natürlich, das ist viel besser!

Die Wanne besaß außer den Whirlpool-Sprudeldüsen eine Jetstream-Düse, die nicht mit Luftblasen, sondern mit Wasserdruck arbeitete. Eine Hydromassage der besonderen Art, denn wenn sie die Beine spreizte, traf der Strahl genau ihre Pussy. Er war in vier Stufen einstellbar, und bisher hatte sie nur die Stufen eins bis drei kennengelernt. Stufe vier hätte sie sich erst verdienen müssen.

Summer brachte den Drehschalter des Jetstrahls auf Stufe eins. Es gluckerte, als etwas Luft aus der Düse entwich, dann streichelte ein sanfter Wasserstrom die Innenseiten ihrer Schenkel. Sie drehte weiter auf Stufe zwei. Nun spürte sie bereits die leichte Schärfe eines gebündelten Strahls, dessen Zentrum sie knapp oberhalb ihrer Klitoris traf, wo ihre Empfindsamkeit am größten war. Sie hob den Po an, um den Strahl auch tiefer zu spüren, und schwenkte ihr Becken in immer schnelleren Bewegungen von Seite zu Seite.

Stufe drei. Sie schloss die Augen, während sie mit den Fingern ihre Schamlippen spreizte, um sich ganz der Wucht des Wasserstrahls hinzugeben. Durch Logans strenge Unterweisungen hatte sie gelernt, ihren Orgasmus so lange zurückzuhalten, wie er es ihr befahl. Das machte sie sich nun zunutze, um ihre heftige Erregung aufrechtzuerhalten und dieses Gefühl so lange wie möglich auszukosten. Immer wieder zuckten ihre Schamlippen, und die Muskeln in ihrem Inneren zogen sich erwartungsvoll zusammen, doch Summer entspannte sich jedes Mal sofort wieder. Süße Lust durchflutete sie und ließ alle Gedanken dahinschmelzen.

Sie merkte, dass sie jeden Augenblick die Kontrolle verlieren würde, und zwang sich zu einer Pause, indem sie den Strahl ausschaltete. Ihr Schoß pochte ungeduldig, als sie die Beine über den Wannenrand legte. Es war so weit, sie würde aufs Ganze gehen.

Mit einer schnellen Drehung schaltete sie auf Stufe vier. Ein scharfer, pulsierender Strahl setzte ein. Summer umklammerte ihre Knie, um sich daran zu hindern, die Beine zu schließen. Ihr ganzes Becken bebte. Sie stellte sich vor, dass starke Männerhände ihre Fußgelenke packten und sie in der gespreizten Stellung festhielten. Sie dachte an Logans Hände, eine in ihrem Nacken, eine an ihrer Kehle. Oft hatte er sie so umfangen, während sie gekommen war. Eine Geste, die sie als bedrohlich und beschützend zugleich empfand.

Sie kam unter dem heißen Ansturm des Wassers und schrie verzückt und selbstvergessen. Allmählich mischte sich ein anderes Geräusch in ihre kehligen Laute.

Das ist der Besuch … nein … Augenblick … nicht jetzt.

Mit zitternden Fingern tastete sie nach dem Drehschalter, um den Jet abzustellen. Dabei stieß sie mit dem Handgelenk an den Dildo, der daraufhin ins Wasser rutschte, bevor es ihr endlich gelang, den Schalter auf Null zu drehen.

Summer keuchte, zog die Beine ins Wasser zurück und drückte sich am Wannenrand hoch. Triefend nass lief sie zur Wohnungstür, rief in die Gegensprechanlage: „Fünfter Stock“ und betätigte den Knopf, der die Haustür öffnete. Sie öffnete auch die Wohnungstür einen Spalt, dann hastete sie ins Bad zurück. Bevor sie sich abtrocknete und sich etwas anzog, musste sie den Dildo aus der Wanne fischen, reinigen und in die Schublade zurücklegen. Logan sollte auf keinen Fall von ihrer kleinen Heimlichkeit erfahren.

Sie bückte sich über den Wannenrand und tauchte ihren Arm ins abfließende Wasser. Es wäre viel schlauer gewesen, einen von den bunten Dildos zu nehmen anstelle des glasklaren. Nach viel Herumangeln in der Wanne erwischte sie das Ding endlich. Als sie sich aufrichtete und umdrehte, wäre es ihr fast wieder aus der Hand gefallen, denn der Besuch war bereits hier und wartete im Flur.

Und es war keine Frau.

Einen Moment lang stand Summer stocksteif da, den Dildo wie einen Kerzenhalter in der Hand, und starrte den Mann im dunkelblauen Anzug an, der mit einem Aktenkoffer in der Hand im Flur wartete. Sie sah nur seinen Rücken, denn er hatte sich von ihr abgewandt. Er musste sie nackt über die Badewanne gebeugt gesehen haben, sonst hätte es keinen Grund für ihn gegeben, sich abzuwenden.

Es hatte keinen Zweck, jetzt zu spekulieren, was er von ihr gesehen und was er dabei gedacht hatte. Sie legte den Dildo auf den Waschbeckenrand, hüllte sich in Logans dicken Bademantel, der neben der Tür hing, und sagte zu dem Herrn im Flur: „Gehen Sie bitte ins Wohnzimmer – das liegt direkt geradeaus – und machen Sie es sich gemütlich. Ich ziehe mich inzwischen an.“

Der Kopf mit den braunen Haaren nickte, und der Mann setzte sich dankenswerterweise in Bewegung, ohne sich umzudrehen.

Summer schloss die Badezimmertür und lehnte sich von innen dagegen. Hoffentlich handelte es sich nicht um einen wichtigen Geschäftspartner von Logan. Aber was hätte diese dumme Bemerkung dann gesollt? „Lass dich überraschen.“ Wäre es nicht sinnvoller gewesen zu sagen: „Mach dem Herrn bitte einen Kaffee und bleib am besten angezogen.“

Zehn Minuten später ging sie so würdevoll, wie es nach dem kleinen Intermezzo möglich war, ins Wohnzimmer. Sie trug eine hellblaue Seidenbluse zu einer schwarzen Hose und fühlte sich der Situation gewachsen, jedenfalls bis zu dem Augenblick, als der Besucher sich von der Couch erhob und sie ansah.

Er war unfassbar attraktiv und sein Lächeln erzeugte ein heißes Prickeln in ihrem Nacken. Oder war das vielleicht nur eine Nachwirkung ihres Spiels mit dem Jetstrahl?

Sie trat einen Schritt näher und der Duft eines teuren Rasierwassers hüllte sie ein.

„Ryan F. Lucas“, sagte er und reichte ihr die Hand.

„Summer Johnson“, sagte sie und registrierte, dass sein Anzug perfekt an seinem schlanken Körper saß. „Maßgeschneidert“, meinte sie anerkennend.

Als sie seine Hand losließ und ihm wieder ins Gesicht sah, blickte er sie mit seinen schönen braunen Augen so durchdringend an, dass sie erst gar nicht wusste, was er meinte, als er fragte: „Woran erkennen Sie das?“

Woran erkannte sie was? Ach so, den Maßanzug. „Es gehört zu meinem Beruf, Menschen nicht nur anhand ihrer Verhaltensweisen zu beurteilen, sondern auch aufgrund ihres Auftretens und ihrer Kleidung.“

Wieder lächelte er, und diesmal hatte sie genug Geistesgegenwart, um zu analysieren, was sein Lächeln so bezaubernd machte. Es zeigte nicht nur seine ebenmäßigen oberen Schneidezähne, sondern entblößte auch ein wenig von dem darüber liegenden rosigen Zahnfleisch. Das hatte etwas Vertrauenerweckendes und zugleich Sinnliches.

Was ist heute nur mit mir los, dass ich auf einen wildfremden Mann so heftig reagiere?

Sie besann sich auf ihre Rolle als Gastgeberin. „Mr. Forsythe ist noch nicht da. Was kann ich Ihnen zu trinken anbieten?“

„Tee wäre wunderbar“, sagte Ryan F. Lucas. „Aber wir brauchen nicht auf Logan zu warten. Schließlich bin ich in erster Linie wegen Ihnen hier, Summer. Ich darf Sie doch Summer nennen?“

Sie hatte sich schon der Küche zugewandt und drehte sich nun wieder um. „Ja, gern, Mr. Lucas.“

„Nennen Sie mich Ryan.“ Er folgte ihr in die Küche und blieb neben der Kochinsel stehen, während sie Teewasser aufsetzte. „Assam oder Darjeeling?“, fragte sie.

„Haben Sie Assam Mokalbari?“

„Ja, das ist meine bevorzugte Sorte“, sagte sie.

„Großartig.“

Was Tee anbetraf, waren sie schon mal auf einer Wellenlänge. Aber wieso war dieser Ryan wegen ihr hier? Sie wollte ihn nicht fragen, weil sie damit preisgegeben hätte, dass Logan sie darüber im Unklaren gelassen hatte. Was für eine verzwickte Situation.

„Schöne Krawatte“, sagte sie im Plauderton. „Handgenäht. Sloane Street?“

„Ja, richtig. Wenn man sich erst an einen gewissen Luxus gewöhnt hat, möchte man ihn nicht mehr missen, nicht wahr? Das ist auch der Grund, warum ich hier bin. Logan hat mich doch angekündigt, oder?“

Summer nickte zwar, aber noch war alles ein Rätsel für sie. Sie nahm ein Tablett und stellte Teegeschirr, eine Zuckerdose und ein Sahnekännchen darauf. Daneben platzierte sie einen Teller mit Gebäck und brachte alles zum Esstisch im Wohnzimmer. Sie wartete, bis Ryan sich gesetzt hatte, schenkte ihm Tee ein und nahm ihm gegenüber Platz. Erwartungsvoll und gespannt sah sie ihn an.

Er lobte den Tee, dann sagte er: „Logan hat mir Ihre Situation ausführlich geschildert. Es ist ihm wichtig, dass Sie nach der Trennung von ihm ein gleichwertiges Leben wie bisher führen können.“ Es erschien Summer, dass er vielsagend lächelte, als er hinzufügte: „Und das kann ich Ihnen bieten.“

Summers Gedanken flatterten aufgeregt in ihrem Kopf umher. Logan hatte erwähnt, dass der Besucher jemand war, den er aus dem Club kannte. Dort lernte man Subs und Doms kennen. Also konnte das nur eines bedeuten: Ryan sollte ihr neuer Master werden. Ach du liebe Zeit. Das war ungeheuerlich! Wie konnte Logan sie nur in so eine Situation bringen?

Andererseits fand sie diesen Ryan F. Lucas äußerst charmant und attraktiv. Wieso nicht ein bisschen mitspielen und schauen, was passierte? Hochkant rauswerfen konnte sie ihn immer noch, falls es ihr nicht gefiel.

Mit einem Lächeln, das hoffentlich nicht unterwürfig, sondern amüsiert wirkte, sagte sie in lockerem Tonfall: „Er kann mich wohl nicht schnell genug loswerden.“

„Nun, ich könnte mir denken, dass es Ihnen ebenfalls recht wäre, wenn es schnell ginge.“

Unterstellte Ryan ihr etwa, dass sie ohne einen Gebieter verloren war? Völliger Unsinn. Sie war allenfalls sexuell etwas unausgelastet. Doch Ryans Lächeln war so entwaffnend, dass sie ihm die Bemerkung nicht übelnahm. Lieber malte sie sich aus, wie er wohl wirkte, wenn er streng wurde. Wenn seine sanften Hände fest zugriffen. Wenn seine weiche Stimme plötzlich schneidend wurde. Alles in allem eine mehr als aufregende Vorstellung. Ein Mann, der nicht wie Logan vordergründig dominant war, sondern eher auf subtile Weise, konnte eine wunderbare Erfahrung sein. „Ein Hauch von Schmerz“, murmelte sie.

„Was für eine poetische Beschreibung einer Trennung“, erwiderte er.

„Ich meinte nicht die Trennung, sondern den Neuanfang.“ Sie merkte, dass sie errötete, und senkte den Blick.

„Umso poetischer. Aber kommen wir zu den Fragen, die es im Vorfeld zu klären gilt.“ Er faltete die Hände auf der Tischplatte. „Erzählen Sie mir von Ihren Vorlieben.“

Ihre Kehle wurde eng. Sie konnte nicht unterscheiden, ob das eine Folge ihrer zunehmenden Erregung war oder ob sie sich bei der Vorstellung gehemmt fühlte, Ryan ihre sexuellen Wünsche zu offenbaren. „Was hat Logan Ihnen denn erzählt?“, fragte sie ausweichend.

„Er hat mir nur einen groben Überblick gegeben. Keine Details. Und gerade auf die kommt es an, nicht wahr?“

Wie schaffte er es nur, anzügliche Dinge zu sagen und dabei so sachlich zu bleiben, als ginge es nur darum, eine Krawatte auszuwählen? Und nein, in Summers Augen kam es keineswegs auf die Details an, sondern auf den Gesamteindruck. Entweder die Chemie zwischen zwei Menschen stimmte, oder sie stimmte nicht. „Der berühmte Funke muss überspringen“, sagte sie. „Auf den ersten Blick.“

„Das stimmt, aber ich brauche eine Vorstellung davon, worauf es Ihnen besonders ankommt. Sonst verschwenden wir beide nur unsere Zeit.“

„Okay, meine Vorlieben …“, begann sie, wusste aber schon im nächsten Moment nicht mehr, was sie sagen sollte.

Ryan nahm einen Schluck Tee. Summer beobachtete seinen Mund und stellte sich vor, wie ihre Lippen seine berührten.

Ich küsse gern. Zählt das als Vorliebe?

Als sie dem Club beigetreten war, hatte sie ein Formular ausgefüllt, auf dem sie ankreuzen konnte, was sie wollte und was nicht. Küssen war kein Thema gewesen, dafür verschiedene orale, anale und sonstige Spielarten. „Manchmal wäre ein Fragebogen praktisch, nicht wahr?“ Sie griff ebenfalls nach ihrer Teetasse.

„Keine Sorge“, sagte er, „ich werde mir auch so alles merken können. Fangen wir mit der Größe an. Logan hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten.“

Summer verschluckte sich fast und stellte die Tasse wieder ab. Männer taten es also wirklich – sie verglichen ihre Penisse. „Ja, Logan ist sehr gut ausgestattet. Aber das ist mir nicht wichtig. Weniger kann manchmal mehr sein.“ Wieso verhielt sich Ryan wie bei einem Vorstellungsgespräch? Wenn er sie begehrenswert fand, warum wahrte er dann so eine Distanz? Sie wurde immer befangener. „Ich meine, ich bin ja eine eher, hm, zierliche Person.“

Er hob eine Augenbraue.

„Aber sehr anpassungsfähig“, ergänzte sie. „Vor allem wenn ich in Fahrt bin.“

„In Fahrt?“

„Nun, Sie wissen schon … es gibt Momente, da kann es mir gar nicht groß genug sein.“

„Schön“, sagte er, wirkte aber nicht besonders zufrieden. Wenn er es genauer wissen wollte, musste er präziser fragen. Er sollte nicht das Gefühl bekommen, dass sie sich ihm anbot. Ihr Blick wanderte zu dem schwarzen Aktenkoffer, den er auf den Couchtisch gelegt hatte.

„Oh“, sagte er, als er ihren Blick bemerkte, „Sie sind natürlich neugierig. Ich habe ein paar sehr gute Objekte dabei. Die Auswahl wird Ihnen sicher nicht leichtfallen.“

Auswahl? Würde das so ablaufen, dass er ihr eine Reihe von Floggern und Fesseln zeigte und sie sich entscheiden durfte, womit er sie quälen sollte? Ihr wurde heiß und ihre Pobacken prickelten erwartungsvoll.

„Was machen Sie beruflich?“, wollte er als Nächstes wissen, und sie war froh, zur Abwechslung über etwas Unverfängliches sprechen zu können.

„Ich arbeite mit zwei anderen Psychologen in einer Gemeinschaftspraxis.“

„Verdienen Sie gut dabei?“

Wollte er sichergehen, nicht ausgenutzt zu werden? Natürlich gab es Frauen, die sich reiche Männer suchten, um auf deren Kosten zu leben. Wenn es ihr darum gehen würde, hätte sie einfach bei Logan bleiben können.

Trotz all der aufgeregten Gedanken, die ihr durch den Kopf flatterten, blieb sie sachlich. Es war, als würden sie zwei Unterhaltungen führen – eine mit ausgesprochenen und eine mit unausgesprochenen Bemerkungen. „Ich habe mich auf die Behandlung von Depressionen und Burn-out spezialisiert und habe ein geregeltes Einkommen.“

„Wo befindet sich Ihre Praxis?“

Sie nannte ihm die Adresse.

„Eine sehr schöne Gegend mit ausgezeichneter Bausubstanz, auch wenn einige Fassaden etwas heruntergekommen sind.“ Ryan aß einen Keks und redete weiter, als er die Krümel heruntergespült hatte. „Welche Stilrichtung bevorzugen sie?“

Stilrichtung? Damit war sie gänzlich überfragt. Sie wusste, dass es Varianten, Untervarianten, Spezialfetische und Was-nicht-alles im BDSM gab, aber damit hatte sie sich noch nicht befasst. Um was für Details ging es ihm dabei? Ob sie lieber mit Ketten, Seilen oder Ledermanschetten gefesselt wurde? Zur Not half immer eine Gegenfrage. „Was haben Sie denn im Angebot?“

„Alles. Von altmodisch bis ultramodern.“

Summer hätte fast gegrinst, beherrschte sich aber. Bei „altmodisch“ dachte sie an Rollenspiele, bei denen sie ein Zofenkostüm trug und er den Gutsherrn spielte, in Samtweste und mit Reitgerte bewaffnet. „Eher modern. Sonst wird es mir zu verspielt.“

„Klassisch oder außergewöhnlich?“

Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Was, wenn er fand, dass ihre Vorlieben sich nicht mit seinen deckten?

„Ich mag beides“, sagte sie. „Am wichtigsten ist mir, dass ich mich geborgen fühle.“

Vor allem nach einer Session. Dann wollte sie in den Arm genommen und getröstet werden. Wollte eine kühlende Lotion auf die geschundenen Stellen getupft bekommen. Wollte hören, dass sie eine wunderbare Sub war und dass sie ihren Gebieter glücklich gemacht hatte.

Ryan nickte. „Das versteht sich von selbst. Geborgenheit suchen wir alle. Und in unserem ganz privaten Bereich am meisten.“

Wie kam es nur, dass Ryan so viel in ihr auslöste? Eine simple Bemerkung und sie bekam Herzklopfen. Es war ein rein verbales Vorspiel, dem sie sich immer weniger gewachsen fühlte. Sie war nahe daran, sich vor ihn hinzuknien und ihn anzuflehen, sie zu seiner Sklavin zu machen. Sie hatte das Gefühl, dass er der perfekte Mann für sie sein könnte.

Um Selbstbeherrschung bemüht, gab sie eine seiner Fragen an ihn zurück. „Und was machen Sie beruflich?“

Er zog die Augenbrauen zusammen, als verwirrte ihn ihre Frage. „Was ich …? Oh.“ Sein Blick verweilte lange und durchdringend auf ihr. Dann schüttelte er andeutungsweise den Kopf und lächelte. Schließlich sah er zu dem Flügel hinüber, der zwischen dem Wohnzimmer und dem Essbereich stand. „Ist der gestimmt?“

Er ist Musiker. Wie wunderbar. Das passt zu seinen schlanken, sensiblen Fingern.

„Der Flügel ist ein Erbstück“, sagte Summer. „Logan spielt zwar nicht, aber er lässt ihn regelmäßig stimmen.“

„Darf ich?“

„Gern.“

Ryan zog sein Jackett aus, lockerte die Seidenkrawatte und ging zum Flügel.

Summer folgte ihm, dankbar für die Gelegenheit aufzustehen, denn ihre innere Unruhe wuchs. Sie wünschte, Ryan würde Klartext reden und ihr erklären, wie es dazu gekommen war, dass Logan ihn hergeschickt hatte, um sie zu … begutachten? Jeden anderen Mann hätte sie vor die Tür gesetzt, nicht ohne ihm vorher jedoch zu erklären, dass er ein Idiot sei und dass sie ihre Sexualpartner selbst auszusuchen pflege, herzlichen Dank auch.

Aber Ryan machte sie schwach mit seinem entwaffnenden Lächeln und seiner lockeren Art. Und jetzt stellte sich auch noch heraus, dass er Klavier spielen konnte. Sie liebte Klaviermusik.

Sie lehnte sich an den Flügel und sah zu, wie Ryan den Deckel aufklappte und sanft über die Tasten strich. Er spielte ein paar Läufe. „Der Klang ist wunderbar voll und warm“, befand er. „Großartige Anschlagdynamik.“

Wunderbar warm war es Summer auch und sie öffnete beiläufig den obersten Knopf ihrer Bluse.

Ryan begann zu spielen. Nach zwei Takten erkannte sie Beethovens Mondscheinsonate. Geschmeidig glitten seine Hände über die Tasten. Während des ruhig dahinplätschernden ersten Satzes hatte Summer Gelegenheit, Ryans Profil zu studieren. Er wirkte selbstvergessen, seine Augen waren halb geschlossen. Fast kam es ihr so vor, als wäre er in Gedanken woanders. Seine dunkelbraunen Haare zeigten eine leichte Tendenz, sich zu locken. Der Schnitt war nicht mehr ganz akkurat, und so gab es ein paar herausstehende Strähnen im Nacken, die Summer gern berührt hätte, denn sie sahen so weich aus.

Ein falscher Ton. Summer hörte ihn sofort. Ryan hielt im Spielen inne und schaute zu ihr auf, als sähe er sie zum ersten Mal. Dann grinste er, runzelte kurz darauf die Stirn und legte den Kopf schief. Seine Mundwinkel zuckten. Was hätte sie darum gegeben zu erfahren, welches Durcheinander gerade in seinem Kopf herrschte und wodurch es ausgelöst worden war.

Ihr Besucher, der ihr immer rätselhafter wurde, spielte ein neues Musikstück. Es begann mit tiefen Akkorden, die sich mit Griffen in den höheren Lagen abwechselten. Bald wurde das Stück virtuoser und klang, als ob mehrere Menschen sich am Flügel austobten. Ryans Oberkörper geriet in Bewegung, seine Hände flogen nur so über die Tasten. Ein zarter Schweißfilm erschien auf seiner Stirn. Sein Gesichtsausdruck zeigte höchste Konzentration.

Summer öffnete zwei weitere Knöpfe ihrer Bluse und fächelte sich mit der Hand Luft zu.

Nach dem Schlussakkord atmete Ryan hörbar aus und sah ihr in die Augen. „Das war Rachmaninow“, sagte er, als hätte sie danach gefragt. „Das Prélude Opus drei, Nummer zwei in cis-Moll.“

Bildete sie es sich ein oder klang seine Stimme ein wenig rau, so als wäre er erregt? Mehr Aufforderung brauchte sie nicht. Sie öffnete die letzten Knöpfe, streifte die Bluse über ihre Schultern und ließ sie achtlos fallen. Hoffentlich nahm sie sich damit nicht zu viele Freiheiten heraus, denn Logan hatte immer Wert darauf gelegt, dass sie keinerlei Initiative zeigte, sondern auf seine Befehle wartete. Aber im Moment konnte sie nicht warten.

Ryans Blick wanderte nicht zu ihren Brüsten, die sie ihm in einem weißen Spitzen-BH präsentierte, sondern verweilte auf ihrem Gesicht.

Das verunsicherte sie. „Darf ich weitermachen?“, fragte sie zögernd.

Er nickte und erst jetzt glitt sein Blick tiefer.

Der BH war vorn zu öffnen. Sie griff nach dem Verschluss und hakte ihn auf. Sie liebte das Gefühl, ihre Brüste aus der Enge zu befreien, ließ den BH auf die Bluse fallen, legte die Hände hinter dem Rücken zusammen und wartete darauf, dass Ryan etwas sagte.

Nein, wenn ich ehrlich bin, warte ich vor allem darauf, dass er mich berührt.

Doch er tat es nicht. Ob er, ähnlich wie Logan, durch Abwarten seine Dominanz demonstrierte? Es konnte auch sein, dass er testen wollte, ob sie die nötige Ruhe und Geduld aufbrachte, die eine Sub auszeichneten.

Aber da sie nichts zu verlieren hatte, würde sie ihn ordentlich provozieren und damit aus der Reserve locken. Auch wenn sie vor Bestrafungen Angst hatte, so wäre es ihr im Moment lieber gewesen, wenn Ryan sie züchtigen würde, anstatt weiterhin so passiv zu bleiben.

Sie nahm ihre vor Erregung steifen Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte sie so fest, dass es wehtat.

Ryan rührte sich zwar immer noch nicht, aber er quittierte ihre Initiative mit einem leichten Heben der Augenbrauen. Sehr schönen Augenbrauen, wie sie dabei feststellte. Sie setzte sich rittlings auf Ryans Schoß, drückte ihre Brüste an sein Hemd, fuhr mit den Händen durch seine Haare und leckte ihm über die linke Augenbraue. Als er sie gewähren ließ, wurde sie mutiger, küsste seine Stirn, den Nasenrücken, zog seinen Kopf an den Haaren nach hinten und wollte gerade ihre Lippen auf seinen Mund drücken, als er sie um die Taille fasste und von sich wegschob.

Gewohnt, auf jede Geste gehorsam zu reagieren, stand Summer auf und senkte den Kopf, damit er nicht sah, dass sich Tränen der Frustration und Demütigung in ihren Augenwinkeln sammelten. Er hatte sie zurückgewiesen!

Doch dann sagte er: „Zieh deine Hose aus“, und alles war wieder gut. Sekunden später stand sie nur noch mit einem weißen Tanga bekleidet vor ihm und wartete brav auf weitere Befehle.

Er sah zu ihr auf, und an seinen Augen erkannte sie, dass die Situation sich verändert hatte. Da war nichts Nett-Entspannt-Unverbindliches mehr. Sein Blick war ernst, interessiert, wach. Er öffnete den Knoten seiner Krawatte und zog sie unter dem Kragen seines Hemdes hervor.

„Dreh dich um.“ Seine Stimme enthielt keine Spur der Strenge, die Logans Markenzeichen war. Erstaunt stellte Summer fest, dass es sie noch viel mehr erregte, einem Mann zu gehorchen, der so sanft mit ihr sprach.

Sie drehte sich mit dem Rücken zu ihm. Er führte ihre Handgelenke zusammen, schlang die Krawatte mehrmals darum und verknotete die Enden miteinander. Hatte er denn nichts in seinem Aktenkoffer, womit er sie fesseln konnte?

Er nahm sie an den Hüften und drehte sie wieder um. Summer drückte den Rücken durch und schob ihren Oberkörper etwas vor. Ryan sah zu ihr auf. „Wie wäre es mit ein bisschen mehr Selbstkontrolle, hm?“

Summer stellte sich sofort wieder aufrecht hin. Die Sehnsucht nach seinen Lippen erzeugte ein tiefes Ziehen in ihrem Innern. Ryan hakte die Daumen seitlich in ihren Tanga und zog ihn ein Stück herunter. Summer hielt still, nur ihr Brustkorb hob und senkte sich unter ihren immer schneller werdenden Atemzügen. Als er ihre epilierte Scham entblößt hatte, streichelte er ihren Venushügel – nur mit den Fingerspitzen und so leicht, dass sie es kaum fühlte. Dennoch widerstand sie dem Drang, sich ihm entgegenzubewegen, und war stolz darauf, ihm so zeigen zu können, dass sie sehr wohl über Selbstkontrolle verfügte. Weit mehr, als er ahnen konnte, denn oft hatte sie beim Sex mit Logan in Körperhaltungen ausharren müssen, die eine Menge Balance erforderten.

Ryans Finger glitten tiefer und liebkosten ihre Schamlippen. Was für eine süße Stimulation, verglichen mit dem kräftigen Jetstrahl, der sie vorhin zum Kommen gebracht hatte. Die Innenseiten ihrer Schenkel waren angespannt, eine Gänsehaut wanderte ihren Rücken hinunter und sie stand vor einem erneuten Orgasmus. Als Ryan mit den Daumen ihre Schamlippen auseinanderzog, hätte sie gerne die Beine gespreizt, aber der Saum ihres Tangas hielt ihre Schenkel fest umschlossen. Ryans sensible Finger widmeten sich nun ihrer Knospe.

Sie legte den Kopf in den Nacken und stöhnte. Ob sie wie bei Logan warten musste, bis er ihr gestattete zu kommen?

Summer sah auf ihn hinab und ihm direkt in die Augen. Durfte sie das überhaupt? Logan hätte sie dafür sofort gemaßregelt. Und was tat Ryan? Er lächelte, fasste an ihren Nacken und zog ihren Kopf zu sich herunter, bis ihre Lippen sich fast berührten. Ihr wurde schwindelig vor Entzücken, als sie seinen Atem warm auf ihrem Mund fühlte.

„Ich will, dass du mich ansiehst, wenn du kommst“, sagte er.

Summer wusste nicht, ob sie das konnte, nach all den Jahren, in denen sie Lust stets mit gesenktem Blick, oft auch mit verbundenen Augen erlebt hatte. Sie richtete sich wieder auf.

Ryan legte seine Handflächen auf ihre Pobacken, drückte sie leicht, streichelte sie dann zärtlich, bevor er erneut zupackte. Wenn Summer in der Lage gewesen wäre, etwas zu sagen, dann hätte sie ihn angefleht, ihr das zu geben, wonach sie sich bei Logan vergebens gesehnt hatte: Hiebe mit den Händen. Logan hatte stets eins seiner vielen Schlaginstrumente benutzt. Sosehr es Summer auch erregte, wenn Leder auf ihre Haut klatschte, so schien ihr doch immer etwas zu fehlen. Die Hitze der Haut, die direkte Berührung – danach verzehrte sie sich. Wenn Ryan ihr jetzt befehlen würde, sie solle sich über seine Oberschenkel legen, damit er ihr den Hintern versohlen konnte, wäre sie im Paradies.

Er machte jedoch keine Anstalten, ihr etwas zu befehlen oder ihr gar wehzutun. Immer noch lächelnd ließ er die linke Hand höher gleiten, bis sie auf ihrem Kreuzbein lag, so als wollte er sie stützen. Die andere Hand fuhr um ihre Hüften herum nach vorn und widmete sich ihrer Pussy. Summer biss sich auf die Unterlippe, als Ryan drei Finger in sie hineingleiten ließ.

Sein Daumen massierte ihre Klitoris, während seine Finger sich rhythmisch rein und raus bewegten und sie von innen streichelten. Sie rang mit dem Impuls, die Augen zu schließen, und konnte ihn nur mühsam unterdrücken. Sein Blick war forschend, als wollte er direkt in ihre Seele sehen. Zugleich waren seine Finger so tief in ihr, dass sie jede kleine Zuckung spüren mussten. Noch nie zuvor hatte sie sich einem Mann dermaßen ausgeliefert gefühlt, und das nach all den Dingen, die Logan mit ihr gemacht und von denen sie geglaubt hatte, dass sie sich nicht steigern ließen. Es gab ein Mehr, und das bestand nicht aus stärkeren Fesseln oder festeren Hieben, sondern aus der tiefen Intimität eines Blickwechsels.

Summers Knie gaben nach, als Ryan ihren G-Punkt fand. Seine Finger auf ihrem G-Punkt und sein Daumen auf ihrer Knospe ließen die süßesten Gefühle in ihr explodieren. Sie schluchzte auf, als sie kam, und schloss die Augen. Nein, sie konnte ihn jetzt nicht ansehen.

Er zog ihren Tanga wieder hoch, setzte sie auf seinen Schoß und zog sie an sich. Seine Arme lagen warm auf ihren Schulterblättern. Sie schmiegte den Kopf in seine Halsbeuge. Nach einer Weile spürte sie, wie er die Seidenkrawatte aufband, die noch immer ihre Handgelenke umschloss. Er brachte Summer in eine stehende Position, hob ihre Bluse auf und reichte sie ihr. Widerstrebend zog sie sich an und wich dabei seinem Blick aus.

Ryan stand auf, strich seine Krawatte glatt und band sie sich wieder um. Auf dem Weg zu dem Tisch, auf dem sein Aktenkoffer lag, sagte er: „Wir sollten nun zum geschäftlichen Teil kommen.“

Sie verstand nicht, was er meinte, denn sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.

Ryan ließ die Schlösser des Aktenkoffers hochschnappen, und im selben Augenblick hörte Summer, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Sie straffte die Schultern und ging Logan ein paar Schritte entgegen, als er bereits ins Wohnzimmer trat. Er sah müde aus und wirkte gedanklich abwesend.

„Hallo, Ryan“, sagte er mit einem leichten Heben der Hand und dann mit einem halben Lächeln zu Summer: „Na, hast du dich schon verliebt?“

Was sollte diese Frage, dazu noch so beiläufig gestellt? „Hör mal, ich …“

„Ja, ich weiß“, unterbrach er sie. „Ich hätte das vorher mit dir absprechen sollen, aber als ich sah, was Ryan zu bieten hat, habe ich ihn spontan herbestellt.“

Du meine Güte, was redete er denn da für lächerliches Zeug! Meinte er wirklich, er könnte entscheiden, was ein Mann ihr zu bieten haben sollte?

„Wie auch immer.“ Mit fahrigen Bewegungen schenkte Logan sich an der Bar einen Cognac ein. „Sei völlig hemmungslos.“

Summer sah zu Ryan hinüber, der schmunzelte, als wüsste er etwas, das sie nicht wusste. Ja, er sah so aus, als würde er mühsam das Lachen unterdrücken. Er biss sich von innen auf die Wangen und seine Bauchmuskeln zuckten verräterisch.

Logan schwenkte den Cognac im Glas und nahm einen genussvollen Schluck. „Mach dir vor allem keine Gedanken wegen des Geldes.“

Ähm – verkauft er mich etwa an Ryan?

„Für mich ist das eine Kapitalanlage.“

Oder bezahlt er am Ende Ryan etwas dafür, dass er mich als Sklavin nimmt? Das ergibt doch alles keinen Sinn. Summer fand, dass es Zeit wurde, ein paar Fragen zu stellen.

Ryan kämpfte sichtlich dagegen an, in lautes Lachen auszubrechen. Er nahm etwas aus seiner Aktentasche, legte es auf den Couchtisch und sah sie mit einem schiefen Grinsen an.

Als Summer auf den Tisch schaute, war sie völlig perplex. Dann setzte eine Reihe von kleinen Schocks ein und sie ließ sich auf die Couch sinken.

Sie hatte die ganze Situation gründlich missverstanden. Sie atmete tief durch, um einen klaren Kopf zu bekommen, und nahm die oberste Klarsichthülle von dem Stapel, den Ryan auf dem Tisch abgelegt hatte. Es handelte sich dabei um ein Exposé für eine Eigentumswohnung, die für eine gehobene Klientel gedacht war. Ryan F. Lucas war Makler für Luxusimmobilien. Jetzt ergab alles einen Sinn.

Logan hatte wissen wollen, ob sie sich in eine Wohnung verliebt hatte. Und ja, er hätte mit ihr absprechen sollen, dass er einen Makler einlud, der einiges zu bieten hatte, das weit außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten lag. Darum die Bemerkung, sie solle hemmungslos sein. Er meinte, sie könne hemmungslos aussuchen, was ihr gefiel, denn Logan würde es bezahlen. Das war die Kapitalanlage, von der er gesprochen hatte.

Das bedeutete aber auch, dass ihr Verhalten Ryan gegenüber die ganze Zeit höchst unpassend gewesen war.

Summer warf die Klarsichthülle auf den Tisch zurück. „Logan, das ist sehr nobel, aber ich lasse mir von dir keine Wohnung schenken.“

„Wer redet denn von schenken? Ich werde sie an dich vermieten.“

„Die Miete für so ein Objekt werde ich mir nicht leisten können.“

„Der Mietpreis wird an deine Verhältnisse angepasst.“

„Als Geschäftsmann solltest du wissen, dass eine Kapitalanlage nur so gut ist wie die Rendite, die sie bringt“, gab Summer zurück. „Wenn du die Wohnung an mich unter Preis vermietest, ist es immer noch ein Geschenk. Ich möchte das nicht. Ich will genau den Lebensstandard haben, den ich mir leisten kann.“ Sie verschränkte die Arme.

Logan lächelte nachsichtig. „Wie du meinst. Ich werde so oder so eine Wohnung kaufen, weil mir das steuerliche Vorteile einbringt.“ Er nahm das Exposé, das sie in der Hand gehabt hatte, blätterte darin herum und begann, Ryan Fragen zur Lage und über die Ausstattung zu stellen.

Summer hörte nicht zu. Sie versuchte zu verstehen, wie sie sich so hatte irren können, und zu ergründen, wie peinlich es ihr war. Und vor allem: Was Ryan dazu gebracht hatte, sich so zu verhalten, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass eine Kundin sich ihm so unverblümt anbot.

Da es zu ihrem Beruf gehörte, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, fiel es ihr nicht schwer, sich vorzustellen, wie der Abend aus seiner Sicht verlaufen sein musste. Ryan kannte Logan aus dem Club und wusste über dessen Sexualleben Bescheid. Im Verlaufe eines Gesprächs war Logan wohl auf seine Ex-Sklavin und deren Probleme bei der Wohnungssuche zu sprechen gekommen.

Und so stand Ryan also mit einem Koffer voller Immobilienexposés im Flur von Logans Penthouse und erlebte als Erstes gleich eine Überraschung. Er wurde vom Anblick eines nackten Hinterteils empfangen, das reizvoll in die Höhe gereckt wurde, während die Besitzerin dieser Kehrseite in der Badewanne nach etwas fischte. Er schaffte es trotzdem, professionell zu bleiben, plauderte mit ihr und spulte dann seine Fragen ab, die er wohl immer stellte, um herauszufinden, welche Wohnungen aus seinem Portfolio zu einem Kunden passten. Vielleicht hatte er sich über ihre kryptischen Antworten gewundert, es sich aber nicht anmerken lassen. Als es um das Thema Größe ging, erwartete er Quadratmeterangaben, nicht die Auskunft, dass „weniger manchmal mehr“ sein könne.

Sie redeten eine Weile munter aneinander vorbei, bis sie ihn nach seinem Beruf fragte. Da wurde ihm klar, dass ein Missverständnis vorlag, denn wenn man einen Termin mit einem Immobilienmakler hat, kennt man seinen Beruf bereits.

An dieser Stelle hätte er einfach fragen können, was Logan ihr gesagt hatte. Aber er hatte es vorgezogen, das Missverständnis noch eine Weile bestehen zu lassen, und hatte, um Zeit zu gewinnen, auf dem Flügel gespielt. Vielleicht konnte er dabei gut nachdenken und die Dinge, die sie gesagt hatte, rekapitulieren.

Summer erinnerte sich, wie er sich plötzlich verspielt und dann wissend gelächelt hatte. Da war bei ihm der Groschen gefallen, und er hatte ihre Antworten verstanden, so wie sie jetzt seine Fragen verstand. Spätestens da hätte er die Sache aufklären müssen. Vielleicht hätte er es auch getan, doch genau in diesem Moment hatte Summer ihre Bluse ausgezogen. Ob er nun als Makler hier war oder als potenzieller Dom – das machte aus seiner Sicht nun keinen Unterschied mehr. Oder? Man könnte es auch so interpretieren, dass er den Irrtum, dem sie immer noch unterlag, schamlos ausgenutzt hatte. Sie sollte ihm böse sein.

Summer sah zu Ryan hinüber, der Logan die Vorzüge dreifachverglaster Fenster schilderte, und musste sich eingestehen, wie froh sie war, dass er sie nicht zurückgewiesen hatte. Beim Gedanken an das, was er mit ihr gemacht hatte, wurde sie schon wieder feucht. Um sich abzulenken, nahm sie eins der Exposés und vertiefte sich in die ansprechenden Fotos. Was für ein Unterschied zu den schäbigen Behausungen, die sie heute abgeklappert hatte! Wollte sie sich wirklich zieren, wenn Logan ihr anbot, ihr weiterhin einen gehobenen Lebensstandard zu ermöglichen?

Das Hauptargument, das Angebot anzunehmen, saß ihr gegenüber und trug eine zerknitterte Seidenkrawatte. Wenn sie sich von Ryan keine Wohnungen zeigen ließ, würde sie ihn womöglich nicht wiedersehen. Und sie musste mit ihm unbedingt da weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Je eher, desto besser.

„Hübsch“, sagte sie und meinte damit das möblierte Loft mit Wintergarten, das für schlappe fünfhunderttausend Pfund zu haben war.

„Gut, du kommst langsam zur Vernunft“, sagte Logan. Er wedelte mit einem Exposé. „Ich habe ein interessantes Objekt entdeckt und schlage vor, dass Ryan es dir in den nächsten Tagen zeigt. Ich habe wenig Zeit für Besichtigungen und verlasse mich auf deinen Geschmack.“

Ryan zückte ein iPad. „Ich schau gleich mal in meinen Terminkalender“, sagte er und sah dabei Summer an. Als sein Blick ihren traf, spürte sie, dass sie errötete.

Logan deutete dieses Erröten falsch. „Du brauchst dich nicht zu schämen, wenn du mein Angebot annimmst, Summer.“

„Okay“, sagte sie unverbindlich.

Nachdem der erste Besichtigungstermin für Montagabend vereinbart worden war, verabschiedete sich Ryan freundlich und ohne auch nur eine Andeutung in seinem Verhalten, dass zwischen ihnen etwas gewesen war. Summer war ihm sehr dankbar dafür.

Logan brachte ihn zur Tür und ging danach in die Küche, wo er sich ein Sandwich zubereitete.

„Danke für dein Angebot“, sagte Summer. „Ich weiß es zu schätzen, aber …“

Er winkte müde ab. „Es ist mir nur wichtig, dass es dir gut geht, denn ich hatte eine schöne Zeit mit dir.“

Sie hörte einen Anflug von Wehmut in seiner Stimme, und das ermutigte sie, zu ihm zu gehen und ihn an der Wange zu berühren. „Ja, es war schön.“

Er deutete ein Lächeln an. „Wirst du dir jetzt einen netten Mann suchen, mit dem du eine Familie gründest? Oder werde ich dich auf der Suche nach deinem nächsten Gebieter im Club wiedersehen?“

„Ich werde eine Weile ein glücklicher Single sein und mich dann überraschen lassen.“ Und verführen lassen … von Ryan. Wieder fühlte sie ihr Gesicht heiß werden.

„Aber pass auf dich auf, okay? Es gibt Männer, von denen sollte man lieber die Finger lassen. Ryan ist zum Beispiel so einer.“

Summer zuckte zusammen und kaschierte es, indem sie eine Tomatenscheibe vom Schneidebrett nahm. „Wieso?“

„Er ist sehr anspruchsvoll und würde dich überfordern. Vielleicht sollte ich dich doch zu den Besichtigungsterminen begleiten, damit er sich nicht an dich ranmachen kann.“

„Keine Sorge, ich weiß mich schon zu wehren“, sagte sie hastig und schob sich die Tomatenscheibe in den Mund.

„Das will ich hoffen, sonst hätte ich ein schlechtes Gewissen, da ich dich mit ihm bekannt gemacht habe.“

„Was kann er schon Großartiges mit Frauen anstellen, was ich im Club nicht längst gesehen und später mit dir erlebt habe, hm?“ Sie bemühte sich um einen neckischen, beiläufigen Tonfall, doch der misslang, weil sie unbedingt wissen wollte, wovor genau sie sich bei Ryan in Acht zu nehmen hatte.

„Es ist weniger, was er tut, sondern wo er es tut.“

„Du hast ihn also in Aktion erlebt“, mutmaßte Summer.

„Nein, wir haben im Club nur geredet. Er war dort, um sich umzusehen, aber es hat ihm nicht gefallen.“ Logan klappte das Sandwich zusammen. „Der Club ist ihm zu spießig.“

„Zu spießig?“ Die Tomatenscheibe rutschte halb aus Summers Mund und sie schob sie hastig zurück. „Das soll ein Witz sein, oder?“

„Du kennst mich“, sagte Logan. „Ich mache keine Witze. Ich hoffe nur, du bist Psychologin genug, um jetzt nicht auf Ryan neugierig geworden zu sein. Warnungen bewirken ja leider oft genau das Gegenteil.“

„Keine Sorge. Was ihn betrifft, werde ich mich auf meine geschulten Instinkte verlassen“, sagte sie, behielt aber für sich, was ihre Instinkte ihr zuflüsterten: „Du musst diesen Mann haben.“

Kapitel 2

Nach einem verregneten Sonntagvormittag klarte der Himmel am Nachmittag wieder auf. Vor dem Café in Camden, in dem sich Summer mit ihrer besten Freundin traf, wischte ein Kellner das Regenwasser von den Sitzflächen. Vom Sonnenschein beschwingt, lächelte Summer dem jungen Mann zu und war sich mit einem Mal sicher, dass ihr der aufregendste Frühling ihres Lebens bevorstand.

Der Kellner, auf dessen Polohemd ein Anstecker mit dem Namen „Jacob“ prangte, erwiderte ihr Lächeln und fragte nach ihren Wünschen.

„Ich möchte die Welt umarmen“, sagte Summer.

Jacob grinste. „Dazu empfehle ich unseren Vanilletee und einen Schokomuffin.“

„Klingt großartig.“

Summer genoss die Sonne auf ihrem Gesicht, den frischen Geruch, den der Regen hinterlassen hatte, und die an- und abschwellenden Geräusche der Stadt. Sie brannte darauf, Holly alles zu erzählen. Bestimmt würde sie sämtliche Details über das Missverständnis hören wollen und es wunderbar finden. Ein Gefühl für Peinlichkeit besaß Holly nicht, denn sie trat ungehemmt in alle möglichen Fettnäpfchen und lachte mit den anderen mit, die sich über sie amüsierten.