Fühlen, was ist - Sandra Konrad - E-Book

Fühlen, was ist E-Book

Sandra Konrad

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Beschreibung

Ob es uns gefällt oder nicht: Wir Menschen sind verletzlich, vor allem in unseren Gefühlen. Sie zu verstehen und anzuerkennen fällt niemandem leicht. Doch nur, wer sich selbst nah ist, kann auch anderen nah sein und ein erfülltes Leben führen. Zugewandt und mutmachend erzählt Sandra Konrad von der Kunst des Verzeihens, der Kraft des Loslassens und den Missverständnissen der Liebe. Sie erklärt, wie wir bewältigen können, was uns überfordert, Angst macht oder erschöpft, und wie wir unsere kostbare Lebenszeit mit Momenten füllen, in denen wir uns als stark, selbstwirksam und glücklich erleben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Einige der hier versammelten Texte sind zwischen 2016 – 2022 als Kolumne in Psychologie bringt dich weiter erschienen. Für dieses Buch wurden diese Beiträge noch einmal überarbeitet und um zahlreiche neue Texte ergänzt.

© Piper Verlag GmbH, München 2025

Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Covermotiv: Shutterstock.com

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Kapitel 1

Alles ganz normal hier

Erbsen zählen

Alte Schätze

Kapitel 2

Duolingo für Paare

Mut

Einfach nur Liebe

Kapitel 3

Gut und böse

So long, bye-bye oder royal loyal

Erziehung ohne Schrank und Pfanne

Kapitel 4

Das Ticken der Zeit

Geschwisterkämpfe

1 : 0 für Pelle oder auf die richtige innere Stimme hören

Kapitel 5

Kleiner Antikollisionskurs

Zehn Minuten

Das schönste Gefühl der Welt

Kapitel 6

Was wirklich wichtig ist

Total verrückt

Freund oder Feind?

Kapitel 7

Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung

Freiheit

Blick-Wort-Wut

Kapitel 8

Sternchen, Pünktchen, Unterstrich

Die richtigen Fragen stellen

Die Glücksformel

Kapitel 9

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Fühlen, was ist

Streiten verbindet

Kapitel 10

Weise wählen

Das Märchen der bedingungslosen Liebe

Von Abschieden und Neuanfängen

Kapitel 11

Gewissheit ist der Feind von Veränderung

Die falsche Adresse

Genau so, aber anders

Kapitel 12

Deine Wunde, meine Wunde

Goldene Botschaft

Den passenden Rahmen finden

Kapitel 13

Vom Loslassen und Festhalten

Wir sind jetzt komplett

Kontaktabbruch

Kapitel 14

Nur eine Person

Der Preis der Gleichberechtigung

Die Widerhaken der Kindheit

Kapitel 15

Carpe diem

Breaking Point

Die Kunst der Entschuldigung

Kapitel 16

I am Hunger oder zu große Gefühle

Frieden finden

Keep paddling oder alles wird gut

Dank

Literatur

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Widmung

Für Mama – statt all der nie geschriebenen Postkarten

Kapitel 1

Der Mangel an Gefühl ist das gefährlichste Gefühl von allen.

Elif Shafak

Wir heilen niemanden. Wir stehen nur daneben und feuern sie an, während sie sich selbst heilen.

Erich Fromm

 

Die einzigen normalen Leute sind diejenigen, die man nicht sehr gut kennt.

Alfred Adler

 

Alles ganz normal hier

Warum man auf gar keinen Fall eine Therapie machen sollte, erklärt mir mein Schwiegervater von Zeit zu Zeit. »Da erfahre ich doch nur Sachen, die ich gar nicht wissen will«, lautet eines seiner Argumente. Seit ich in sein Leben getreten bin, ist er aber viel reflektierter geworden. Früher hieß es: »Psychologen haben alle einen an der Waffel.« Heute heißt es: »Psychologen haben alle einen an der Waffel, außer dir.« Einmal räumte er sogar ein: »Na ja, vielleicht spinnen ja auch gar nicht die Therapeuten, sondern ich. Aber das will ich gar nicht wissen. Also geh ich auch nicht hin.«

Mein Schwiegervater ist seit fast fünfzig Jahren verheiratet. Mit einer Frau, wie er betont. Die beiden führen eine stabile Ehe, und das soll auch so bleiben: »Ich weiß doch, welche Baustellen wir miteinander haben. Wozu soll ich einem Therapeuten Geld dafür zahlen, dass der das noch mal mit Psychologenkauderwelsch formuliert? Am Ende findet der noch ein Problem, das wir bisher gar nicht kannten! Ne, ne, lass mal. Uns geht’s doch gut miteinander.«

Mein Schwiegervater hat recht. Leidensdruck ist der einzige Grund, warum Menschen eine Therapie beginnen. Eine Trennung. Die Nachricht, krank zu sein. Ständige Streitereien in der Beziehung oder mit den Kindern. Der Tod eines geliebten Menschen. Ängste, die uns überfallen. Unglücklichsein, obwohl eigentlich alles gut ist. Sich in einer wichtigen Sache nicht entscheiden können. Es gibt unzählige Gründe, warum Menschen sich an Therapeut:innen wenden. Man muss nicht verrückt sein, wie es früher hieß. Ganz im Gegenteil: Sich frühzeitig therapeutische Unterstützung zu holen, ist das Gesündeste, was wir tun können, damit aus einem Konflikt keine Krise wird. Mir gegenüber sitzen also immer ganz normale Menschen. Menschen wie Sie und ich. Paare, Einzelpersonen, ganze Familien. Bei der Mehrzahl geht es um Beziehungsprobleme. Und um das Gefühl, es allein nicht mehr zu schaffen. Dieses Eingeständnis ist kein Versagen, sondern der erste Schritt zur Lösung. Denn in dem Moment, in dem wir Hilfe suchen, übernehmen wir Verantwortung – für unsere Gefühle, für unser Verhalten, für unsere Beziehungen, für unser Leben. Statt die Schuld bei anderen zu verorten, beginnen wir, unsere eigenen Anteile zu reflektieren. Wir verstehen, was unsere Vergangenheit mit der Gegenwart zu tun hat. Wir spüren Gefühlen nach, anstatt wie im Alltag über sie hinwegzugehen. Wir entwickeln Visionen, wie die Zukunft sein sollte, und bewegen uns Schritt für Schritt auf sie zu.

Wer die Entscheidung trifft, sich seinen Problemen zu stellen, wer bewusst nach neuen Lösungsstrategien sucht, der wird etwas sehr Wertvolles erleben: Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit ist die Erfahrung, dem Schicksal nicht vollends ausgeliefert zu sein, sondern eigenhändig etwas Positives bewirken zu können. Das kann bedeuten, dass wir unser Potenzial erkennen und besser nutzen, aber auch, uns selbst und das Leben in seinen Begrenzungen besser anzunehmen. Dass wir nicht Opfer der Umstände bleiben, sondern die Chance ergreifen und dieses einzigartige Leben ausfüllen. So bewusst wie nur eben möglich.

Sich Hilfe zu holen, ist keine Bankrotterklärung, sondern mutig und lebensbejahend. Findet übrigens seit Kurzem auch mein Schwiegervater. Ein Freund, der gerade verlassen wurde, mache nun eine Psychotherapie, erzählt er: »Und weißt du was? Es geht ihm tatsächlich besser!«

Erbsen zählen

»Es ist schrecklich, nie bekomme ich das, was ich mir wünsche«, klagt Nicki, die mir gerade das unmögliche Verhalten ihrer Partnerin geschildert hat. »Jana geht nie auf mich ein. Sie ist unfassbar egoistisch.«

»Sagen Sie Jana, was Sie sich wünschen? Was Sie brauchen, damit Sie sich wohlfühlen?«, frage ich nach.

»Nein, sie kennt mich seit vier Jahren, das sollte sie nun wirklich wissen!«, antwortet Nicki.

So wie Nicki denken nicht wenige. Während wir es völlig normal finden, im Taxi das Ziel zu nennen oder im Restaurant das Gericht unserer Wahl zu bestellen, fühlt es sich bei unseren Partner:innen fast wie eine Zumutung an, erläutern zu müssen, was wir uns wünschen oder brauchen, damit wir uns wohlfühlen. Außerdem konzentrieren wir uns wie Nicki ziemlich oft auf deren negative Seiten, was wir gern durch Vorwürfe ausdrücken, die mit »immer!« oder »nie!« beginnen.

Also erzähle ich Nicki folgende Geschichte: Als junge Studentin arbeitete ich im Krankenhaus auf einer neurologischen Station mit Schlaganfallpatient:innen. Einige von ihnen litten unter Gesichtsfeldausfällen, was dazu führt, dass man die Welt vor sich nur zur Hälfte sieht. Eine Patientin beschwerte sich beim Essen darüber, dass ihr kein Gemüse aufgetan wurde, obwohl sie ein Steak mit Gemüse bestellt hatte. Verblüfft starrte ich auf ihren Teller, auf dem links ein Stück Fleisch und rechts ein Haufen Erbsen lag. Meine Aufgabe war es, sie daran zu erinnern, sich regelmäßig mit ihrem ganzen Körper ein wenig mehr nach rechts zu drehen, damit sie auch das, was außerhalb ihres Sichtfelds lag, besser wahrnehmen konnte.

Nicki lächelt etwas gequält. »Ich soll also mehr darauf achten, was Jana mir so alles auf den Beziehungsteller legt?« Sie überlegt eine Weile. »Jana ist eigentlich ziemlich verbindlich. Wenn sie etwas verspricht, hält sie es auch. Und wenn sie verstanden hat, was mir wichtig ist, bemüht sie sich meist auch, mir entgegenzukommen.« Nickis Gesichtszüge entspannen sich. »Ich sollte also klarer kommunizieren«, stellt sie fest und wird durch diese Reflexion wieder handlungsfähiger.

Auch ohne Schlaganfall haben wir ab und zu Wahrnehmungsausfälle und sehen nicht das ganze Bild. Wir spalten andere Menschen in Gut und Böse auf, und wenn wir uns über jemanden so richtig ärgern, nehmen wir nur noch die irritierenden Anteile wahr. Wenn wir niedergeschlagen sind, erscheint uns die Welt viel trüber, als sie tatsächlich ist. Wenn wir verletzt sind, konzentrieren wir uns unweigerlich auf die Schmerzen und nicht auf die Körperstellen, die gerade schmerzfrei sind.

Und gerade dann kann es so heilsam sein, den Blick bewusst neu auszurichten: auf das, was gerade okay oder sogar gut ist. Auf die Seiten unserer Mitmenschen, die angenehm für uns sind. Wie Nicki erkannt hat, hilft es, klar zu formulieren, was wir uns wünschen. Und dann erst mal all die Erbsen zu zählen, die bereits auf dem Teller sind.

Alte Schätze

Vor Kurzem habe ich beim Ausmisten einen kleinen Stoffhund gefunden, den mein Ex-Freund Andreas mir vor vielen Jahren geschenkt hat. In Zagreb gibt es für solche Fälle einen ganz besonderen Ort: das Museum of Broken Relationships. Es ist so etwas wie eine Schatzkammer vergangener Lieben, mit Hunderten Trennungsstücken wie beispielsweise einem ramponierten Gartenzwerg, der aus enttäuschter Liebe eins auf die Porzellannase bekam, einer Auswahl von Flugzeug-Kotztüten, die im Rahmen einer Fernbeziehung gesammelt wurden, oder einer Axt, mit der ein Verlassener die Möbel seiner Ex durchtrennt hatte. Wer seine Beziehungsrelikte nicht in Zagreb ausstellen möchte, kann einschlägige Webseiten wie beispielsweise Neverlikeditanyway.com besuchen, wo etwa ungetragene Brautkleider und Eheringe meistbietend verkauft werden können. Oder man macht es wie ich: Man steckt schöne alte Liebesbriefe in Bücher und schreckliche alte Liebesbriefe in Kartons auf dem Dachboden. Oder umgekehrt. Wir müssen alle unsere eigene Form des Abschieds finden.