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Schnelle Autos und schöne Frauen - das sind die beiden Dinge, die Colin Riley im Leben am wichtigsten sind. Und von beidem hat er reichlich. Von festen Beziehungen hält der schwerreiche Extremsportler gar nichts. Und noch weniger von dieser Nervensäge, die sein Management ihm neuerdings zur Seite gestellt hat. Summer Kennedy soll seine Biografie verfassen und folgt ihm nun auf Schritt und Tritt. Doch ... es wäre gelacht, wenn Colin sich dieser ständig gut gelaunten Person mit einigen geschickt platzierten Schikanen nicht entledigen könnte. Summer Kennedy glaubt, den Deal ihres Lebens an Land gezogen zu haben, als sie dazu verpflichtet wird, die Biografie des Extremsportlers und Millionärs Colin Riley zu verfassen. Dass der Job alles andere als einfach wird, wird ihr bewusst, als Colin sie bei jeder Gelegenheit auflaufen lässt und ihr das Leben zur Hölle macht. Doch Summer ist hart im Nehmen - und fest dazu entschlossen, ihren Job gut zu machen. Ein Colin Riley kann sie davon nicht abhalten. Es prallen Welten aufeinander, als der Milliardär und die Autorin aufeinander losgelassen werden und sich einen Schlagabtausch nach dem anderen liefern. Bis ... etwas Unvorhergesehenes geschieht ...
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog
Copyright © 2019 Daniela Felbermayr
2. Auflage, 2018
1. Auflage erschienen 2014 unter dem Titel „Love Extreme – Mit Vollgas ins Glück“
Text & Titel: Daniela Felbermayr
Cover: Marie Wölk / Wolkenart
All rights reserved.
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen aus diesem Roman sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit oder Bezüge zu real existieren Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch vorkommen, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.
Es könnte alles so schön sein", murmelte Summer Kennedy, als sie an diesem Frühlingsmorgen im März durch die Küche ihres Hauses fegte und die Reste des Frühstücks beseitigte, die Dale hinterlassen hatte, bevor er nach Manhattan ins Büro aufgebrochen war. Obwohl es erst Anfang März war, hatte die Sonne schon einiges an Kraft erlangt. Sie erhellte Summers Küche und warme Strahlen brachen sich am Kühlschrank und der Spüle. Summer zog die Augenbrauen hoch und warf einen Blick auf Dales Chaos. Jeden Tag aufs Neue fragte sie sich, wie ein erwachsener Mann von fünfunddreißig Jahren es schaffte, bei einem Fünfzehnminutenfrühstück einen Schweinestall zu hinterlassen, als befände sich die Küche direkt inmitten des Schlachtfeldes von Watergate. Sie seufzte, spülte seine Müslischüssel ab und stellte sie gemeinsam mit dem Becher, aus dem Dale seinen Orangensaft getrunken, und einen Großteil davon wie ein Zweijähriger auf der Tischplatte verteilt hatte, in die Spüle. Sie wischte den Küchentisch sauber, den Dale mal wieder mit einem Gemisch aus Milch, Kaffee und Orangensaft überschwemmt hatte, und räumte den halben Kühlschrankinhalt wieder ein, den er auf dem Tisch hinterlassen hatte. Ein hyperaktives Kleinkind könnte nicht mehr Schweinestall anrichten, dachte sie bei sich, als sie die in Kaffee-Milch-Orangensaft-Gemisch getränkte Küchenrolle im Mülleimer entsorgte.
Nachdem die Küche wieder in Ordnung gebracht war, holte sie sich eine Dose Red Bull aus dem Kühlschrank, lehnte sich an die Spüle und ließ den hellen Frühlingsmorgen auf sich wirken. Die geräumige Küche strahlte im warmen, hellen Sonnenlicht. Sie sah, wie Mrs. Norris von gegenüber mit ihrem Yorkie Buster die allmorgendliche Runde drehte, während Elaine Fairchild von nebenan verzweifelt versuchte, ihre vier Kinder, allesamt zwischen vier und zehn Jahren alt, in ihren Minivan zu verfrachten, um sie im Kindergarten bzw. in der Schule abzusetzen. Summer leerte ihre Dose, drückte sie, ganz wie ein Kerl, zusammen und entsorgte sie dann in der Müllbox, in der sie die leeren Aludosen sammelte. Dann warf sie noch einmal einen prüfenden Blick auf die Küche und machte sich die Stufen hinauf in ihr Büro.
Summer Kennedy war 34 Jahre alt, hatte schulterlanges, dunkles Haar, welches ihr in sanften Wellen über die Schultern fiel, und strahlend blaue Augen. Ihre Figur war weiblich und zugleich sportlich, was wohl daher rührte, dass sie quirlig, ständig in Bewegung und ein Freigeist war, aber dennoch gutem Essen – und Süßkram jeglicher Art – nicht abgeneigt war. Summer hatte für jeden ein Lächeln parat und war einer dieser Menschen, die aus jeder Situation versuchten, das Beste zu machen. Sie lebte mit ihrem Freund – nicht Ehemann – seit sieben Jahren in dem hübschen Vorstadthaus auf Long Island, das sie mit viel Liebe zum Detail eingerichtet hatte und das ein warmes, liebevolles Zuhause geworden war. Nach ihrem Abschluss hatten sie und Dale erst eine Weile in einem Appartement in Brooklyn gelebt, doch nachdem Summer ihren ersten Roman herausgebracht hatte, der sich verkaufte wie warme Semmeln, hatten sie das Haus in der Warden Lane auf Long Island gekauft. Damals waren Sie und Dale drei Jahre zusammen gewesen. Eine Ehe stand zwar nicht im Raum, dafür aber der Kauf eines Eigenheimes. Warum denn auch nicht? Sie und Dale hatten sich seinerzeit in einer Bar in Midtown kennengelernt und für Summer war es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie war damals auf die Columbia gegangen, wo sie Journalismus studierte, Dale hatte an derselben Uni ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert. Sie erinnerte sich noch, wie viel sie und Dale gemeinsam zu haben schienen, als sie sich kennengelernt hatten. Sie waren eines jener Paare gewesen, das sich blind verstand, das die Sätze des anderen wie selbstverständlich beendete und von dem man ohne Weiteres hätte meinen können, sie würden glücklich bis ans Ende ihrer Tage zusammenleben. Summer dachte daran, wie hibbelig und aufgeregt sie immer gewesen war, wenn sie und Dale sich verabredet hatten. Wenn sie sich am Abend sahen, war sie bereits am Nachmittag völlig aus dem Häuschen, überlegte, was sie wohl anziehen und wie sie sich stylen sollte und zählte die Minuten, bis es endlich an die Tür ihrer Studentenbude klopfte und Dale davor stand.
An Tagen wie diesem, wenn sie versuchte, das allmorgendliche Chaos, das Dale veranstaltet hatte, wieder zu beseitigen, fragte sie sich oft, wann es mit ihrer Beziehung bergab gegangen war. Wann der Zeitpunkt gekommen war, an dem er sie morgens, wenn er zur Arbeit fuhr, nicht mehr in die Arme schloss, sie küsste und ihr sagte, dass er sie vermissen würde, sondern ihr einfach ein kühles „bis später“ hinwarf, seine Schlüssel nahm und zur Tür hinaus verschwand. Es war klar für sie, dass ihre Beziehung längst hinüber war und bei mehreren Streitgesprächen schon hatte sie Dale vorgeschlagen, sich zu trennen. Der jedoch dachte gar nicht daran. Es war gemütlich und bequem für ihn, mit ihr zusammenzuleben. Immerhin schmiss sie allein den gesamten Haushalt und trug durch die Einnahmen ihrer Bücher einen enormen Anteil zum Haushaltseinkommen mit bei. Glücklich war Summer aber schon lange nicht mehr. Und Dale ... bestimmt auch nicht.
Natürlich war es ihr klar, dass Liebe sich veränderte, und man nach neun Jahren Beziehung nicht mehr frisch verliebt und voller Schmetterlinge war so wie ganz am Anfang. Doch, ihre Beziehung zu Dale glich eher einer Wohngemeinschaft, als einer Liebesbeziehung. Sie mochte die Schuld gar nicht ganz allein bei Dale suchen, der als Wirtschaftsprüfer für eine große Kanzlei in Manhattan arbeitete, war sich sicher, dass sie beide sich weiterentwickelt und auseinandergelebt hatten. Die Tatsache jedoch, dass Dale nichts dazu beitrug, diesen Umstand etwas zu ändern, sich wieder mehr auf Summer einließ, gemeinsam mit ihr an der Beziehung arbeitete, konnte sie ihm sehr wohl anlasten. Sie selbst hatte schon so viele Anläufe unternommen, um ihre Beziehung wieder etwas auf Touren zu bringen, doch viele davon hatte Dale bereits im Vorfeld abgelehnt, während er andere, wie zum Beispiel ein gemeinsamer Tanzkurs oder ein Picknick im Centralpark, ja selbst einen schlichten Spaziergang, generell albern fand. Sie hatte schon oft mit Sherry, ihrer besten Freundin darüber gesprochen, wie es weitergehen sollte, bzw., dass es so wie es war, nicht weitergehen konnte. Sie war vierunddreißig Jahre alt und hatte vom Leben andere Vorstellungen als Dale hinterher zu räumen, mit ihm wie ein altes Ehepaar vorm Fernseher zu sitzen oder seine Freunde zu bewirten, wenn er sie wieder einmal einlud. Das alles ... reichte ihr einfach nicht. Und sie war zu jung, um sich zu sagen, dass es ohnehin egal sei und sie den Rest ihres Lebens eben auf diese Art und Weise absaß. Auf der anderen Seite stand, dass sie und Dale neun Jahre zusammen waren. Dass sie ein gemeinsames Haus hatten und ihre beiden Leben so sehr miteinander verwoben waren, dass es vermutlich kaum zu bewältigen war, sie auseinanderzutrennen. Bislang hatte Summer dazu auch noch keinen wirklichen Grund dazu gesehen, auch, wenn es schon immer mühselig gewesen war. Doch in ihr brodelte etwas. Etwas, dass ihr sagte, dass ihr Leben und ihre Beziehung beide nicht in die Richtung verliefen, die sie sich vorgestellt oder erträumt hatte.
Sie öffnete die Tür zu ihrem Büro, einem hellen Raum im Dachgeschoss des Hauses. Warme Lichtstrahlen fielen auch hier vom Balkon in das moderne Zimmer. Die Wände waren mit taupefarbenem Steinzeug bearbeitet, das dem Raum eine persönliche Note verlieh. An der linken Wand befanden sich der Reihe nach gerahmte Bilder mit den Titeln von Summers bisherigen Veröffentlichungen, an der gegenüberliegenden Wand ein unsagbar großes Bücherregal im Vintagestyle. Der Boden war in weiß verfließt und in der Mitte stand Summers großer, weißer Schreibtisch mit ihrem iMac und ihren Schreibutensilien darauf. Sie sank auf den weißen, gemütlichen Schreibtischstuhl davor, fuhr den Mac hoch und lud ihre Emails herunter. Während sie Spammails löschte und sich durch Funmails klickte, die ihr Vater zuhauf verschickte, seit er das Internet für sich entdeckt hatte, öffnete sie die zweite Dose Red Bull und nahm einen Schluck davon. Ganz unten im Postfach befand sich eine Mail von Evenside, ihrer Agentur. Summer öffnete sie und rot blinkend sprang ihr das Wort "Dringend" ins Gesicht. Amy, die Sekretärin ihrer Agentin bat sie, dringend um zwei in der Agentur zu erscheinen, es gäbe etwas Wichtiges zu besprechen und man würde ihr eine großartige Chance einräumen. Summer bestätigte ihr Kommen, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und überlegte. Worum konnte es sich bei diesem Termin wohl handeln? Man würde ihr eine großartige Chance einräumen? Hatte man das nicht bereits getan, indem man es ihr ermöglicht hatte, ihre Bücher zu veröffentlichen und ihr Hobby zum Beruf zu machen? Amy hatte kein Sterbenswörtchen darüber verloren, obwohl sie sonst immer ganz genau deklarierte, warum welcher Termin wo und zu welcher Zeit stattfinden sollte und meist sogar eine Agenda beifügte. Mit Summers aktuellem Buch "Saw you, loved you", konnte es nichts zu tun haben. Sie hatte erst vor drei Tagen mit Claire, ihrer Agentin darüber gesprochen und die hatte sich begeistert vom bisherigen Plot gezeigt. Möglicherweise eine Zweitauflage eines ihrer älteren Werke? Doch hätte Claire das nicht bereits am Freitag angesprochen? Oder beim nächsten Meeting in zwei Wochen? Beziehungsweise - war das tatsächlich so wichtig, dass man Summer mit einem Dringend-Mail nach Manhattan zitierte? Sie schüttelte kurz den Kopf, nahm noch einen Schluck Red Bull und begann dann, an „Saw you, loved you“, weiterzuarbeiten.
Wenige Stunden später ging Summer durch die gläsernen Eingangstüren des Bürogebäudes, in dem sich die Agentur Evenside befand. Sie fuhr mit dem Lift in den 54. Stock, bog nach links ab und trat wenige Augenblicke später in den hellen Empfangsbereich der Agentur. Sie mochte den minimalistischen Stil, der hier gepflogen wurde und hatte sich vom ersten Moment an gut bei Evenside aufgehoben gefühlt.
"Summer, hallo, schön dass sie es geschafft haben!"
Amy kam um ihren Empfangstisch herum und begrüßte Summer überschwänglich. Sie sah aus wie eine Prototypsekretärin, mit ihrem straffen, dunklen Pferdeschwanz, dem dezenten Make-up und der Brille mit schmalem, schwarzen Gestell auf der Nase.
"Claire erwartet sie schon", sagte Amy, während sie Summer den mit grauem Teppichboden ausgelegten, holzvertäfelten Flur entlangschob, "darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?"
"Ein Glas Wasser bitte", antwortete Summer, bevor sie das Büro ihrer Agentin betrat.
"Summer", rief Claire ebenso überschwänglich wie Amy es zuvor getan hatte. Summer kicherte in sich hinein und fragte sich, ob sie bei Evenside möglicherweise einen Workshop in „Überschwänglich-begrüßen“ veranstaltet hatten. Oder ob sie jedem ihrer Klienten einfach das Gefühl geben wollten, der beste Autor der Welt zu sein, der den Tag erhellte, sobald er im Büro aufschlug.
"Claire, wie geht es ihnen?"
Summer nahm auf dem Stuhl gegenüber von Claires Tisch Platz.
"Bestens, mein Mann und ich waren das Wochenende über in San Francisco, unsere Tochter hat geheiratet!"
"Wie schön", antwortete Summer und dachte für den Augenblick einer Sekunde daran, dass sie mit ihren vierunddreißig Jahren immer noch nicht verheiratet war.
„Oh ja, das war es. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Aufwand es für Celia war, diese Hochzeit auf die Beine zu stellen, aber am Ende des Tages hat es sich gelohnt. Es war eine wunderschöne Zeremonie.“
„Freut mich zu hören.“
„Und bei Ihnen? Wie läuft die Arbeit mit dem neuen Buch?“
„Sehr gut. Ich habe den Vormittag über durchgearbeitet und bin bereits im letzten Drittel. Ich denke, in zwei Wochen kann ich den Erstentwurf ins Lektorat schicken.“
„Das sind großartige Neuigkeiten, Summer. Ich habe ihnen ja schon bei unserem letzten Treffen gesagt, dass ich den Plot von „Saw you, loved you“ einfach genial finde.“
"Warum bin ich hier, Claire", fragte Summer schließlich. Es wühlte sie auf, dass Claire sie mit Smalltalk hinhielt, obwohl in dem Mail vom Vormittag von einer „großartigen Chance“ die Rede war, die man ihr einräumte.
Claire verzog das Gesicht zu einem Grinsen.
"Summer, das Geschäft Ihres Lebens wartet auf sie", sagte sie schließlich.
Fragend sah Summer ihre Agentin an, die plötzlich klang, als wäre sie zu Avon übergewechselt, und wolle Summer eine Gesichtscreme anpreisen, die sie für immer aussehen ließ, wie einundzwanzig. "Das Geschäft meines Lebens?" Sie zog eine Augenbraue hoch.
"Wir haben letzte Woche eine Anfrage erhalten. Sie sollen die Biografie für jemanden verfassen!"
Summer sah Claire immer noch fragend an.
"Ich soll eine Biografie für jemanden schreiben? Claire, ich schreibe romantische Frauenromane, sind sie sicher, dass dieser Termin nicht für jemand anderen gedacht war? Möglicherweise jemanden aus Ihrem Biografenpool?"
Summer dachte ernsthaft daran, dass Amy möglicherweise Mailadressen vertauscht hatte. Sie wusste, dass Evenside einige großartige Biografen unter Vertrag hatte, also war es gut möglich, dass Amy sich schlicht und einfach vertan hatte. Aber Claire ... musste doch wissen, dass Summer Romanautorin und keine Biografin war, oder hatte sie das tatsächlich vergessen?
"Nein, der Termin war für sie. Der Kunde hat extra nach ihnen gefragt, Summer, sie wurden sozusagen ausgewählt!"
Das „ausgewählt“ unterstrich Claire noch mit Gänsefüßchen, die sie mit ihren Fingern in der Luft formte.
„Ich wurde ausgewählt? Um eine Biografie zu schreiben? Aber warum?“
„Richtig, Sie wurden ausgewählt. Der Kunde will sie und sonst niemanden.“
"Und wer ist dieser Kunde?"
Summer wurde langsam neugierig. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand explizit von ihr eine Biografie haben wollte, wenn die Agentur Profis dafür anbot.
Anstatt zu antworten, drückte Claire den Knopf ihrer Gegensprechanlage und bat Amy, Mr. Wells hereinzubringen.
Wenige Augenblicke später ging die Tür auf und Amy kam gemeinsam mit einem Mann in seinen Fünfzigern herein. Er hatte bereits leicht ergrautes Haar, war groß gewachsen und trug einen grauen Anzug von Hugo Boss mit einem rosafarbenen Hemd. Er reichte erst Claire und dann Summer die Hand und nahm auf dem Stuhl neben Summer Platz.
"Summer, das Frederic Wells, er ist der Eigentümer von Victory Entertainment und der Manager von Colin Riley", sagte Claire.
Summer überlegte. Sie hatte noch nie bewusst von Victory Entertainment“ gehört, aber Colin Riley – dieser Name sagte ihr etwas. "Dieser Freak, mit all den Basejumps und Fallschirmsprüngen?“, fragte Summer. Ihr Sportwissen reichte über das, was sie gelegentlich beim durchzappen mitbekam nicht hinaus, doch erst vor kurzen hatte sie einen Bericht über diesen Colin Riley im Fernsehen gesehen. Sie erinnerte sich daran, wie er grinsend an der Kante eines Hochhausdaches stand, „wir sehen uns unten“ sagte und sich dann in die Tiefe fallen ließ. Der Sprecher aus dem Off erklärte, dass Colin ein Spiel mit dem Feuer trieb, zum einen, weil der Basejump nicht genehmigt war und zum anderen, weil aufgrund der verhältnismäßig geringen Höhe des Hochhauses die Gefahr eines Absturzes bestand. Aber offensichtlich war Mr. Riley jemand, der gar nicht genug davon bekommen konnte, das Adrenalin durch seine Adern fließen zu spüren. Summer hatte ihn gegoogelt und erfahren, dass er bereits mehrfach schwere Unfälle erlitten hatte, aber dennoch keinen Grund sah, mit dem, was er machte, aufzuhören. Klar. Er verdiente ein Vermögen damit und die Welt gehörte ihm. Summer erinnerte sich, dass in einem Onlineportrait über ihn die Rede davon gewesen war, dass er ein extremer Schürzenjäger sein sollte, und es nie länger als ein paar Wochen mit ein und derselben Frau aushielt.
"Ganz genau", sagte Frederic Wells und klang fast ein bisschen stolz, "der Grund, warum wir auf sie zugekommen sind, Miss Kennedy, ist, dass Colin langsam kürzer treten muss. Er wird nächstes Jahr vierzig und sagt selbst, dass seine Zeit gekommen ist, sich aus dem aktiven Extremsport zurückzuziehen. Außerdem hat er alles gemacht, wovor andere sich gefürchtet haben. Es gibt keine Herausforderung mehr für ihn“, er grinste, „Außer die Ehe“, fügte er an Claire gewandt zu. „Wie dem auch sei, wir möchten ihm und seinen Fans zum Abschluss seiner aktiven Karriere eine Biografie schenken!"
Summer überlegte kurz. Als Claire ihr eröffnet hatte, dass jemand eine Biografie von ihr schreiben lassen wollte, dachte sie zuerst an jemanden, der zu viel Geld hatte und vielleicht ihren Schreibstil toll fand. Vielleicht eine verrückte, zwanzigjährige Millionärstochter, die ihre Bücher reihenweise verschlang, sich wünschte, dass Summer ihr aufregendes Leben niederschrieb und von ihren Parties, ihren Alkoholexzessen und den ständig wechselnden Liebhabern erzählte. So etwas, war Summer sich sicher, hätte sie ohne weitere Probleme auf die Reihe gebracht. Auch, wenn es sich um eine ältliche Hausfrau gehandelt hätte, die ihren Nachkommen ihre Biografie, anstatt Geld, Schmuck und Lebensversicherungen vererbt hätte, einen Geschäftsmann, der seiner Belegschaft zu Weihnachten anstatt des alljährlichen Schecks seinen Lebenslauf unter den Baum legen wollte - das alles wäre für Summer machbar gewesen. Sie hatte schon dreimal eine Biografie geschrieben. Die Erste für ihre Lieblingsprofessorin an der Columbia, die Summer im Kurs "Kreatives Schreiben" ausgewählt hatte, ihr Leben festzuhalten. Die zweite vor acht Jahren für eine Geschäftsfrau, die ihr eigenes Imperium aus dem Nichts geschaffen hatte - und nebenbei noch im Alleingang drei Kinder großgezogen hatte. Summers dritte Biografie hatte sie vor zwei Jahren geschrieben - über den CEO eines Technologiekonzerns. Biografien waren sicherlich eine nette Abwechslung, vor allem im Vergleich zu ihren romantischen Komödien, doch für einen Extremsportler zu schreiben, dafür war sie mit Sicherheit nicht die Richtige. Dazu gehörte viel eher ein Kerl vom selben Schlag wie Colin Riley selbst. Ein sportlicher Mittvierziger vielleicht, der selbst schon den einen oder anderen Basejump hinter sich hatte und wusste, wie es sich anfühlte, wenn man von einem Hubschrauber mit dem Fallschirm absprang oder mit einem Sportflugzeug Kunststücke vollführte.
"Ich fühle mich zwar sehr geehrt, dass sie sich mich für diese Aufgabe auserkoren haben", sagte sie daher, "aber, ich schreibe für gewöhnlich keine Biografien. Ich schreibe romantische Komödien für Frauen, Liebesromane. Leichte Kost für gemütliche Tage am Strand oder auf der Couch. Ich denke nicht, dass ich der Biografie eines Extremsportlers gerecht werde!"
Claire und Frederic wechselten einen vielsagenden Blick. Claire seufzte und Frederic sprach weiter.
"Nun, Miss Kennedy, es ist so, dass wir bereits mehrere Biografen zu Rate gezogen haben. Wir haben Mr. Riley mehrere von ihnen vorgestellt, doch, leider kam es mit keinem von ihnen zu einem Vertragsabschluss!"
"Das verstehe ich nicht. Welcher Biograf möchte denn nicht über einen international bekannten Sportler schreiben?"
"Nun, zum einen hat Mr. Riley gewisse Vorstellungen, wie seine Biografie aussehen soll", meldete sich Frederic Wells wieder zu Wort, "er möchte eine Lebensbiografie, gepaart mit seinen Erfahrungen aus der Gegenwart und den Gedanken, die ihm zu seinem Abschied aus dem Sport durch den Kopf gehen. Er möchte, dass sie sein vergangenes Leben aufgrund seiner Erzählungen niederschreiben und parallel dazu seine Erfahrungen aus der Gegenwart einbringen. Er möchte, dass der Leser quasi neben ihm sitzt, wenn er im Flugzeug darauf wartet, dass die Sprunghöhe erreicht ist. Dass der Leser neben ihm herläuft, wenn er im Park joggt und neben ihm steht, wenn er sich im Supermarkt seinen Joghurt aussucht. Verstehen sie, was ich meine?"
"Das tue ich", antwortete Summer, "aber ich kann immer noch nicht nachvollziehen, warum sich dafür nicht ein richtiger Biograf findet? Ich meine, Colin Riley ist eine international bekannte Persönlichkeit. Seine Biografie zu schreiben, macht sich in jedem Lebenslauf großartig."
Frederic sah gequält erst zu Claire und dann zu Summer.
"Die Biografie über Colin Riley ist zum einen mit einer Menge Zeit und Aufwand verbunden, Miss Kennedy. Colin wünscht, dass sein Biograf ihn zu so vielen Events und Veranstaltungen wie möglich begleitet. Er möchte Zeit mit ihm verbringen, weil er möchte, dass seine Fans ihn durch die Biografie so kennenlernen, wie er wirklich ist. Das bedeutet, sie müssten mit Mr. Riley auf Reisen gehen, an Events teilnehmen ihm praktisch auf Schritt und Tritt folgen. Viele der Biografen, die wir konsultiert haben, hatten es abgelehnt, derartig eingespannt zu sein. Überdies …", er verzog wieder das Gesicht und wirkte wie ein geschlagener Hund, der gerade dabei ertappt worden war, wie er die Wurst vom Tisch klaute, "ist Colin Riley eine … nun sagen wir mal… eine schwierige Person. Er kam mit vielen Biografen schlichtweg nicht klar."
"Und da haben sie gedacht, wenn er Biografen schon nicht leiden kann, wird er mit Autorinnen romantischer Liebesschnulzen auf einer Wellenlänge sein", fragte Summer. Sie konnte sich immer noch keinen Reim darauf machen, warum sie die Biografie für Colin Riley schreiben sollte, wo jemand wie er doch ungefragt zwanzig Angebote, seine Bio betreffend auf dem Tisch haben müsste.
"Nun, um ehrlich zu sein…", Frederic Wells druckste herum wie ein Schuljunge, der beim schummeln erwischt worden war.
"Also, Miss Kennedy, es ist so: Colin Riley ist ein Arschloch und niemand wollte die Biografie für ihn schreiben. Es gab mehrere Interessenten und zwei Biografen, die das Projekt begonnen haben, beide haben nach wenigen Wochen aber das Handtuch geschmissen. Da uns die Zeit davonläuft, haben wir die Fühler ausgestreckt und auch Romanautoren in die engere Auswahl gezogen. Da sie bereits drei Biografien geschrieben haben und ihr Schreibstil recht einnehmend ist, haben wir uns für sie entschieden. Natürlich würden wir ihnen den Aufwand entsprechend vergüten!"
Summer sagte eine Weile nichts. Sie sollte für einen Typen, mit dem noch nicht einmal Profi-Biografen arbeiten wollten, und den sein eigener Manager als Arschloch bezeichnete, eine Biografie schreiben. Sollte viel Zeit mit Recherche verbringen und ihn auf Events und Veranstaltungen begleiten, die sie schlichtweg nicht interessieren würden. Mit Extremsport konnte sie ebenso wenig anfangen, wie der Papst mit Metallica.
"Es gibt viele Romanautoren, die Biografien schreiben. Warum ich?", stochere Summer weiter nach.
"Summer, ich habe sie empfohlen", mischte Claire sich ein.
"Ich war bei einem Vorgespräch zwischen Mr. Riley und Ed Peters anwesend, einem unserer Profi-Biografen. Mr. Riley ist wohl ein spezieller Klient, der eine spezielle Autorin benötigt. Ich denke, sie sind die Richtige für ihn. Sie sind jemand, der sich durchsetzen kann.“
„Ich kann mich durchsetzen? Das macht mich zu der Optimalbesetzung seiner Biografin?“ Summer konnte es nicht glauben.
„Nein. Aber Sie sind eine Frau und wissen, was seine - vielen - weiblichen Fans lesen möchten. Sie sind gut in ihrem Fach, sie können Dinge anders formulieren, als sie vielleicht ein Sportbiograf formuliert. Sie könnten der schmale Grat sein, der Extrempsportbegeisterte und weibliche Fans zusammenbringt. Ihre bisherigen Biografien haben sich verkauft wie warme Semmeln und sie können jemandem wie Colin Riley die Schneid abkaufen. Sie sind perfekt für den Job!"
Summer überlegte. Das Angebot klang wirklich ziemlich verlockend, warum sollte sie es also nicht annehmen. Natürlich lebte sie mehr als gut von den Einnahmen ihrer Liebesromane, arbeitete gerade an einem neuen und mochte ihre Arbeit. Aber, es konnte doch nichts schaden, die Fühler etwas auszustrecken und einmal andere Bereiche des Schreibens kennenzulernen. Obwohl sie mit ihren Büchern besser verdiente als Dale in seinem Bürojob, warf er ihr immer wieder vor, nicht zu verstehen, wie es war, wenn man die Karriereleiter hinaufkletterte, auf Geschäftsreisen ging und einen gestressten Tag hatte, wenn man völlig geschlaucht nach Hause kam und einen der Druck, der Beste zu sein, verfolgte. Sie hatte nicht mit Deadlines und Meetings zu kämpfen und auch nicht mit nervenden Kunden und Vorgesetzten. Würde sie den Job annehmen und Rileys Biografie schreiben, würde sie sich nicht nur in einen anderen Sektor des Schreibens einarbeiten können, sie würde auch Dale beweisen, aus welchem Holz sie geschnitzt war. Außerdem würde sie mit Colin Riley zusammenarbeiten können. Das war weder für ihren Lebenslauf schlecht noch ... naja, Colin Riley war ein unglaublich attraktiver Mann. Überdies würde es nicht schaden, sich auch im Biografie-Bereich etwas zu etablieren. Natürlich hatte sie noch eine Menge Ideen für eine Menge neuer Bücher auf Lager, aber was, wenn die mal versiegten? Eigentlich sprach alles dafür, das Summer das Angebot annahm.
"Bevor ich zusage, würde ich Mr. Riley gerne kennenlernen", sagte sie deshalb.
Dem Kerl von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, der angeblich professionelle Biografen das Fürchten gelehrt hatte, konnte nicht schaden. Sollte er wirklich ein Mistkerl par excellance sein, könnte sie immer noch absagen.
"Darauf besteht auch Mr. Riley", sagte Frederic, jetzt deutlich gelassener, "wir haben uns erlaubt, für heute Abend um sieben einen Tisch im Watergardens zu reservieren. Dort werden sie und Mr. Riley sich kennenlernen. Ob es zu einer Zusammenarbeit kommt, hängt dann von ihnen beiden ab."
Als Summer an diesem Nachmittag nach Hause kam, stand Dales Mercedes schon in der Einfahrt. Aufgeregt lief sie ins Haus, um ihm die Neuigkeiten des Tages zu erzählen. Die ganze Heimfahrt über war sie aufgeregt gewesen. So eine einmalige Chance würde sie so schnell nicht wieder bekommen und es war bestimmt ein gutes Zeichen, dass Claire sie in der Rolle der Biografin von Colin Riley sah. Die Biografie eines Profisportlers zu schreiben, würde ihr nicht nur unglaubliche Erfahrung und einen enormen Bekanntheitsgrad einbringen, nein, das Honorar, welches das Management für die Biografie festgesetzt hatte, lag bei 100 000 Dollar plus 10 Prozent an den Einnahmen der verkauften Bücher. Selbst, wenn Dale Summers Erfolge als Schriftstellerin immer als minderwertig abtat und offen sagte, dass ihn „dieser Scheiß“ nicht interessierte, wenn sie die Biografie eines internationalen Spitzensportlers schreiben würde, musste er das doch zumindest etwas zu würdigen wissen.
Ihre Stimmung senkte sich in dem Augenblick, als sie durch die Eingangstüre kam und Dale in seinen Boxershorts und einem abgewetzten Shirt auf der Couch lag und sich die einmillionste Wiederholung einer „Two and a half Men“-Folge ansah. Mit der Zeit hatte Summer ein Gespür dafür entwickelt, wann Dale gute, und wann er schlechte Tage hatte. Die schlechten überwogen mittlerweile, doch an diesem Tag schien er besonders miese Laune zu haben. Er hatte sich auf die Couch gepflanzt, vor sich eine Flasche Coke und eine Tüte Gummibärchen, und starrte wie gebannt auf die Mattscheibe, ohne sie zu bemerken. Alle Fenster im Haus waren geschlossen und die Jalousien so weit heruntergelassen, dass der Raum in dämmrigem Dunkel dalag.
"Hey", sagte Summer gut gelaunt und versuchte, das flaue Gefühl, das sich in ihrer Magengegend ausgebreitet hatte, zu überspielen. Vielleicht würde Dales Laune sich bessern, wenn sie ihm von der Biografie erzählte, immerhin hatte auch er indirekt Vorteile von einem derartigen Deal.
Kaum merklich raunte er ein genervtes "Hallo", reagierte aber sonst nicht.
Summer setzte sich auf den Sessel, der links neben der Couch, parallel zum Wohnzimmertisch stand, kreuzte ihre Beine in den Schneidersitz und sah Dale an. Es war unglaublich, wie gut er darin geworden war, sie zu ignorieren. Vermutlich hatte er wieder einen anstrengenden Tag im Büro gehabt oder sich mit irgendjemandem gezofft. Dale war ein Mann, bei dem bereits eine klitzekleine Kleinigkeit genügte, um ihm den Tag zu versauen. Es war kein Geheimnis, dass sein Job ihn schon lange nicht mehr glücklich machte, doch anstatt sich etwas zu suchen, was ihn beruflich ausfüllte, war er dazu übergegangen, seinen Unmut an Summer auszulassen. Sie hatte schon oft versucht, ihn dazu zu bringen, zu kündigen und etwas zu tun, was er auch tun wollte, immerhin verdiente sie mit ihren Büchern genug Geld, sodass es für Dale kein Problem gewesen wäre, ein paar Monate Auszeit zu nehmen und sich neu zu orientieren, doch selbst diese Vorschläge führten zu nichts und endeten meist in einer sinnlosen Diskussion. Summer seufzte unmerklich und versuchte dann ihr Glück, obwohl sie insgeheim bereits wusste, dass es sinnlos war, von Dale zu erwarten, dass er sich mit ihr freute.
"Ich komme gerade von der Agentur - du glaubst nicht, was sie mir heute angeboten haben!"
Dale lag weiter ungerührt auf der Couch und sah Charlie Sheen dabei zu, wie er witzlose Kommentare abließ und mit billigen Frauen ins Bett ging.
"Ich soll eine Biografie schreiben", sprach Summer weiter, als Dale nicht reagierte, "für Colin Riley, den Extremsportler! Ist das zu glauben?"
"Mhm", machte Dale, als hätte sie ihm gerade gesagt, dass sie jetzt den Müll raustragen wollte und Summer verspürte einen bitteren Schmerz in ihrer Magengegend. Die Partner von vielen ihrer Kolleginnen wären bei so einer Info ausgeflippt. Hätten sich über so eine Chance gefreut und wären verdammt stolz auf ihre Freundin gewesen, die ein so tolles Angebot erhalten hatte. Bei Dale wirkte es im Augenblick jedoch so, als habe Summer ihm erzählt, dass sie eine neue Sorte Papier ausprobiert hatte.
"Es soll ein Riesenprojekt werden. Ich müsste Colin Riley auf verschiedene Events und Reisen begleiten, das heißt, ich wäre oft nicht hier. Ich sagte dem Manager von Victory Entertainment schon, dass ich das erst mit dir besprechen möchte. Ich meine, vermutlich wäre ich dann ziemlich viel auf Achse..."
"Ist mir egal", nuschelte Dale und stopfte sich ein Gummibärchen in den Mund.
Summer verspürte einen dumpfen Stich in ihrer Magengegend. Es war Dale mittlerweile sogar egal, dass sie möglicherweise wochenlang mit einem Kerl, der aus Frauenheld und Schürzenjäger bekannt war, durch die Gegend tingelte. Seine Liebe zu ihr musste wirklich unermesslich groß sein.
"Es wäre also okay für dich, wenn ich mehrere Wochen am Stück unterwegs wäre und von einem Event zum anderen hoppen würde", fragte Summer, kannte die Antwort aber schon.
"Dann hab ich wenigstens meine Ruhe." Wieder wanderte eine Handvoll Gummibärchen in seinen Mund.
"Das Honorar für die Bio beträgt 100 000 Dollar", versuchte Summer, ihn aus der Reserve zu locken, doch auch das schien ihm egal zu sein.
"Toll", sagte Dale, sichtlich uninteressiert.
Trennung war bei den beiden in den vergangenen Monaten immer öfter ein Thema gewesen, dass auf diese Art und Weise - am Rande, nicht wirklich ausgesprochen, aber dennoch verständlich - zur Sprache kam. Summer selbst hatte vermutlich schon genauso oft darüber nachgedacht wie Dale, einmal hatte sie sogar Klartext mit ihm darüber reden wollen, mit dem Ergebnis, dass Dale zu Anfang schockiert und überrumpelt war und ihr dann vorwarf, es sei nur allein ihre Schuld, dass alles lief, wie es lief. Ganz nüchtern betrachtet waren beide wohl zu faul, einen Schlussstrich zu ziehen. Nachdem sich ihre Leben neun Jahre lang miteinander verwoben hatten, die Grenzen zwischen ihnen beiden verschwommen waren und sie ein gemeinsames Leben führten, das Freunde, Besitz und Umfeld mit einschloss, war es alles andere als einfach, sich zu trennen. Für Dale wäre es wohl mehr Stress, als er verkraften könnte und Summer würde durch eine Trennung und die Aufwände, die sie mit sich brachte, vermutlich ihren nächsten Abgabetermin nicht einhalten können. Ganz zu schweigen davon, dass es ihr nicht leicht fallen würde, eine romantische Liebesgeschichte zu schreiben, während sie selbst gerade eine Trennung durchmachte. Das alles waren lachhafte Gründe, dessen war sie sich bewusst. Sie hielt sich krampfhaft an einer Beziehung fest, deren Ablaufdatum längst überschritten war. Und die sie lange nicht mehr glücklich machte.
Alles in allem waren sie still darüber eingekommen, es nochmals zu versuchen. An der Beziehung zu arbeiten und zu retten, was noch zu retten war. An manchen Tagen hatte Summer das Gefühl, sie könnten es schaffen. Wenn Dale morgens aufwachte und bester Laune war, sie gemeinsam zum Laufen oder zum Mountainbiken gingen, zusammen kochten und sich abends einen Film ansahen. Dann wiederum gab es Tage wie diesen, an denen er verschlossen und mürrisch auf der Couch lag, sie ignorierte und hier und dort eine Spitze gegen sie fallen ließ. Er war mittlerweile so unnahbar geworden, dass es für sie oftmals zu einem Spießrutenlauf wurde, überhaupt ein normales Gespräch mit ihm führen zu können. Es reichte häufig nur ein Wort und seine Laune war im Keller. Unwiderbringlich.
"Heute Abend ist ein Essen im Watergardens mit Colin Riley und seinem Management angesetzt, wäre toll, wenn du mich begleiten würdest", versuchte sie es ein letztes Mal. Dale sah sie an, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen. "Heute ist Montag zum Teufel. Du weißt genau, dass ich an Wochentagen abends nicht ausgehe. Im Vergleich zu dir habe ich einen verdammt anstrengenden Job, da will ich mich abends nicht auch noch in einen Anzug zwängen und mit irgendwelchen oberschlauen Idioten meine Zeit verbringen!"
"Okay", antwortete Summer resigniert, aber nicht überrascht. Sie verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass dieser Termin wichtig für sie war. Und dass sie sich einfach darüber gefreut hätte, wenn ihr langjähriger Lebenspartner an diesem so wichtigen Termin teilhatte. "Dann geh ich jetzt mal rauf und mach mich zurecht!"
Nachdem sie geduscht hatte, war sie in ein weißes Chiffonkleid geschlüpft, das zu ihren blauen Augen und den dunkelbraunen Haaren passte und ihrer Figur schmeichelte. Sie fragte sich oft, was Dale an ihr auszusetzen hatte. Klar, sie war kein dürres Supermodel mit abgesaugtem Fett, übergroßen Brüsten und aufgespritzten Lippen. Doch für ihre vierunddreißig sah sie großartig aus, und jünger, als so manch Fünfundzwanzigjährige. Sie achtete auf sich, wirkte jugendlich und trieb Sport. Sie war ziemlich attraktiv und sie war sich sicher, dass sie bei genügend anderen Kerlen Blicke auf sich ziehen würde. Das Kleid mit dem tiefen U-Boot-Ausschnitt umspielte ihr Dekolleté der Gürtel um ihre Taille betonte ihre Kurven, und der weit schwingende Chiffonrock, der an den Knien endete, umschmeichelte ihre Beine. Ihre Füße steckten in schwarzen Killer-Heels. Sie liebte diese Schuhe und schaffte es kaum, an einem Schuhladen vorbeizugehen, in dessen Schaufenster High Heels zu finden waren. Ihr Haar fiel in weichen, sanften, großen Locken über ihre Schultern. Sie hatte es dieses Mal nur trockengeföhnt, anstatt es wie gewohnt zu glätten. Sie trug dezentes Make-up auf und warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor sie die Treppen hinunterging.
Als Summer die Treppen hinunter ins Wohnzimmer lief, um nach Manhattan zu fahren, hatte Dale sich dazu aufgerafft, eine Portion Instant-Nudeln in der Mikrowelle zu erwärmen und glotzte immer noch „Two and a half Men“.