Fünf Prüfungen für den Prinzgemahl - Gabrielle C. J. Couillez - E-Book

Fünf Prüfungen für den Prinzgemahl E-Book

Gabrielle C. J. Couillez

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Beschreibung

Warum hat der Tuchhändler auf seinem Sterbebett seiner jüngsten Tochter einen alten Teppich geschenkt und wie soll dieser ihr Glück für ihr Leben bringen? Und weshalb haben Rosen Dornen? Wie erkennt eine viel umworbene Prinzessin, welcher Prinz der richtige ist, um gemeinsam ein Reich zu führen und die wahre Liebe zu leben? Mit fünf pfiffigen Prüfungen stellt sie die Männer aus den Nachbarreichen auf die Probe, um ihre Charakterstärken und Schwächen herauszufinden und ob sie mit ihr harmonieren. Es zeigt sich, dass Respekt und gegenseitige Achtung die Basis der Liebe sind... Drei sinnhaltige Geschichten für alle, die Märchen lieben!

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Seitenzahl: 50

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Inhaltsverzeichnis

Ein fliegender Teppich

Fünf Prüfungen für den Prinzgemahl

Wie die Rose zu ihren Dornen kam

Ein fliegender Teppich

E inst lebte in Isfahan, im fernen Orient, ein reicher Tuchhändler. Der hatte fünf Töchter. Sein ganzes Leben sehnte er sich nach einem Sohn, der sein Geschäft weiterführen und sein Erbe antreten könne. Jetzt war er alt und krank und sein Wunsch galt nur noch dem Glück und Wohlergehen seiner Töchter, besonders seiner Jüngsten mit Namen Soraya. Sie war die rechtschaffenste und liebreizendste von allen.

Seine vier ältesten Töchter waren mit wohlhabenden und angesehenen Männern der Stadt verheiratet. Doch als sich der alte Tuchhändler zum Sterben niederlegte, begannen sie sich eifersüchtig um das Erbe zu streiten und eine Schwester nahm der anderen weg, was sie für sich begehrte. Dabei beäugten sie besonders misstrauisch ihre jüngste Schwester, die zuletzt die ganze Liebe des Vaters zu haben schien.

Kurz vor seinem Tode hatte der Tuchhändler seine Tochter Soraya rufen lassen und überreichte ihr mit letzter Kraft ein Bündel, das aus weiter nichts, als einem alten, schon verschlissenen Teppich bestand, mit den Worten: „Dies, meine liebste Tochter, ist dein Erbe, das du ehren und wahren sollst, wie deinen Augapfel. Es wird dir ein glückliches Leben bescheren, wenn du Vertrauen hast. Es ist ein fliegender Teppich, den mir vor einem halben Jahrhundert mein Vater übergab. Er wurde nicht von Menschenhand und aus diesseitigem Zwirn, noch nach irdischem Plan gewebt, sondern aus einem himmlischen Gespinst und von ebensolcher Hand. Dieser Teppich hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Er wird auch in dein Leben das Glück bringen, wenn du es am nötigsten brauchst und dich dahin entschweben lassen, wohin das Schicksal dich zu deinem eigenen Wohl bringen will. – Aber habe tiefes Vertrauen.“

„Baba, wie bringe ich den Teppich zum Fliegen?“, bedrängte Soraya ihren sterbenden Vater.

„Hab’ Vertrauen“, sprach er mit erstickender Stimme. Dann verließ ihn das Leben und er nahm das Geheimnis des Teppichs mit in sein Grab.

Die Schwestern lachten über sie: „Was willst du mit diesem mottenzerfressenen, alten Teppich! Dies ist die Aussteuer für eine Bettlerin! Damit wirst du noch nicht einmal einen Dieb anlocken!“ Danach wurde Soraya alsbald von ihren unbarmherzigen, neidischen Schwestern grundlos aus dem Haus geworfen und sie irrte hungrig und müde durch die Straßen und den Basar von Isfahan.

So gerne hätte sie von all den Köstlichkeiten genascht, die aufgetürmt auf den Ladentischen lagen und gar so herrlich, würzig scharf oder lieblich süß dufteten. Jedoch sie wurde stets wie ein Hund verjagt. Sie fror und ihre Glieder wurden ihr schwer. All die herrlichen Stoffe, die das Auge mit leuchtenden Farben umschmeichelten, durfte sie noch nicht einmal berühren. In ihrer Not flehte sie zu Allah, dem Allbarmherzigen, dass er ihr helfen möge und ging im Vertrauen auf die göttliche Hilfe ohne Ziel weiter.

In einer dunklen Seitengasse, in der sich der Unrat der Bürger Isfahans türmte, fand sie schließlich einen Platz, an dem sie sich ungestört zum Schlafen niederlegen konnte. Sie öffnete ihr Bündel und rollte ihren Teppich aus, um sich darin einzuwickeln.

Doch – Oh Wunder! Was entdeckten ihre Augen? – kaum hatte sie den Teppich ausgebreitet, so fand sie zwischen seinen Falten eine silberne Schale mit ihrer Lieblingsspeise: leckeren Honigkuchen mit Safran und Pistazien. Warum war ihr dieses Gefäß nicht schon zuhause aufgefallen? Vielleicht hatte doch eine ihrer Schwestern Erbarmen gezeigt und ihr die Leckereien zugesteckt?

Soraya dankte Allah, tat sich gütlich daran und schlummerte schließlich satt und zufrieden ein. Sie träumte wohlig von tanzenden Feen, die ihren Schlaf bewachten und es war ihr, als ob sie mit ihnen über blühende Wiesen, steinige Wüsten, von Schnee bedeckte, im Mondlicht glitzernde Berge und leuchtende Gewässer flöge.

Am nächsten Tag kitzelten die wärmenden Sonnenstrahlen ihre Nase und sie erwachte. Doch – Oh Wunder! Hatte sie sich nicht gestern zur Nacht an jenem schändlichen Ort in der dunklen Seitengasse niedergelegt? Wie war sie nur hierher gelangt?

Soraya fand sich zwischen den Füßen mächtiger indischer Elefanten wieder, die sie zu beschützen schienen. Diese grauen Riesen waren geschmückt mit bunten Quasten und Decken, auf denen kleine Spiegel und Perlen glänzten. Einer der Elefanten begrüßte sie mit seinem Rüssel, den er zärtlich über ihre Wange gleiten ließ. Soraya erhob sich, rollte ihren Teppich sorgfältig zusammen und wickelte die silberne Schale, die am Abend zuvor mit den Kuchen gefüllt war, zur Aufbewahrung darin ein. Sie dankte Allah für die gute Nacht und dass sie wohlbehalten an diesem herrlichen Ort erwacht war. Dann streichelte sie den sanften Tieren liebevoll ihre Rüssel und die Dickhäuter öffneten den Kreis und gaben ihr den Weg zu einer Wasserstelle frei. Sauberes Wasser sprudelte dort zu Sorayas Füßen aus einem Felsen, an dem sie sich erfrischen konnte. Kaum hatte sie sich erquickt, kamen mit wiegendem Schritt und Krüge auf dem Kopf balancierend, in bunte Saris gewandete, hübsche junge Frauen aus einem nahen Dorf heran.

Sie nahmen das Mädchen, als sei sie eine der ihren, gastfreundlich in ihre Runde auf, zeichneten segnend ihre Stirn über der Nasenwurzel mit einem roten Punkt, sorgten für ihr leibliches Wohl und lachten und scherzten mit ihr. Soraya war glücklich. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich derart willkommen gefühlt. Und obwohl sie die fremde Sprache der Inderinnen nicht verstand, so verband sie doch ihr Sehnen nach Liebe, Lachen und Geborgenheit, das alle Frauen miteinander teilen.

Einige Zeit blieb Soraya in diesem Dorf in Indien, in dem sie von den Frauen so freundlich aufgenommen worden war. Doch eines Tages ergriff sie eine unbegreifliche Sehnsucht und sie breitete ihren Teppich aus, setzte sich mit untergeschlagenen Beinen darauf, schloss die Augen und flehte zu Allah, dem Allmächtigen, er möge ihre Sehnsucht stillen, die sie sich nicht erklären konnte und ihr Herz mit Unzufriedenheit füllte.

Plötzlich spürte sie ein leichtes Aufsteigen in den Himmel und wie sich der Teppich unter ihr in sanften Wellen zu wiegen schien. Aus Furcht, dieses wohlige Gefühl von glücklicher Erwartung könne sich auflösen, wagte Soraya nicht, die Augen