Gabriel - Maria Stein - E-Book

Gabriel E-Book

Maria Stein

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Beschreibung

Der um viele Jahre jüngere Daniel Ellison wird zweimal von Gabriel Sinclair gerettet und verliebt sich in den älteren Mann, doch der ist umgeben von dunklen Geheimnissen.
Daniel gerät immer mehr in den Sog der Anziehungskraft Gabriels. Dieser öffnet sich dem Jüngeren nach und nach. Trotz der vielen Hindernisse und Differenzen werden sie ein Liebespaar. Aber die Beziehung droht an einem Missverständnis zu zerbrechen. Gibt es eine Zukunft für die beiden?

Hinweis: Dieses Buch ist ausschließlich für volljährige Leser geeignet, die sich nicht an den Schilderungen expliziter homoerotischer und sadomasochistischer Handlungen stören.

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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Maria Stein

Gabriel

Die Gefallenen

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

***

Gabriel

Die Gefallenen

Gay SM-Romance

von Maria Stein

 

Copyright © 2014 by Maria Stein

1. Auflage

 

Impressum

Maria Stein

c/o Papyrus Autoren-Club Pettenkoferstr. 16-18 10247 Berlin Tel.: 030 / 49997373 Fax: 030 / 49997372

 

Bildmaterial: Luc Viatour

Covergestaltung: Maria Stein

Korrektorat: Stefanie Rick

 

Sämtliche Personen und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Im wahren Leben gilt Safer Sex!

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

 

E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie.

 

Dieses Buch ist ausschließlich für volljährige Leser geeignet, die sich nicht an den Schilderungen expliziter homoerotischer und sadomasochistischer Handlungen stören.

 

Kurzbeschreibung

 

Der um viele Jahre jüngere Daniel Ellison wird zweimal von Gabriel Sinclair gerettet und verliebt sich in den älteren Mann, doch der ist umgeben von dunklen Geheimnissen. Daniel gerät immer mehr in den Sog der Anziehungskraft Gabriels. Dieser öffnet sich dem Jüngeren nach und nach. Trotz der vielen Hindernisse und Differenzen werden sie ein Liebespaar. Aber die Beziehung droht an einem Missverständnis zu zerbrechen. Gibt es eine Zukunft für die beiden?

 

***

 

„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“

 

 

Antoine de Saint-Exupery

 

Prolog

 

Juli 2003

Daniel war zehn Jahre alt, als Gabriel ihm zum ersten Mal das Leben rettete.

Es war an einem Grillabend bei Daniels Eltern. Sie saßen draußen im Garten mit Freunden und Geschäftspartnern. Der Pool, der abseits der Terrasse lag, war nicht abgedeckt. Daniel balancierte mit ausgestreckten Armen auf dem Rand des Schwimmbeckens. Er rutschte ab, schlug den Kopf hart an der Kante an, als er ins Wasser fiel. Unbemerkt von den Erwachsenen, trieb er, Gesicht unter, auf dem Wasser.

Es war purer Zufall, dass Gabriel unmittelbar beim Pool vorbeiging, auf der Suche nach einem Bier, und den Knaben im Wasser treiben sah. Er zögerte keine Sekunde, sprang bekleidet in den Pool und zog ihn raus auf das Gras.

Gabriel blickte in das wächserne, fein geschnittene Antlitz. Er fing mit der Mund-zu-Mund-Beatmung an. Im Wechsel mit Herzmassagen rannen endlose Minuten vorbei, bis der Junge ihn endlich mit riesigen, himmelblauen Augen ansah, hustete und einen Schwall Wasser hervorwürgte. Gabriel strich ihm etwas zitterig das nasse, honigblonde Haar aus der Stirn, lachte erleichtert auf und zog ihn fest in seine Arme.

Daniel verliebte sich in jenem Moment unsterblich in den großen, dunklen Mann. Dieser roch so wunderbar nach Wind, Sonne und Leder.

Gabriel umfing ihn mit seiner Wärme. Er hatte ihm das Leben gerettet.

 

August 2009

Das zweite Mal rettete Gabriel ihm das Leben, als er sechzehn Jahre alt war.

Auch hier hatte der Zufall seine Hände im Spiel oder war es doch Schicksal? Gabriel fuhr die Kurve zu ihrem Haus in Lexington, um einige Dinge geschäftlich mit seinem Vater zu besprechen, als Daniel direkt vor ihm unglücklich mit seinem BMX-Rad bei einem Sprung stürzte. Ein Ast bohrte sich in sein rechtes Bein.

Helles Blut spritzte in einer Fontäne aus ihm heraus. Als Nächstes nahm er wahr, wie Gabriel neben ihm niederkniete, sein Bein mit einem Gürtel abband, es hochlagerte, das Handy zückte und den Notarzt alarmierte.

„Atme ganz ruhig. Der Arzt kommt gleich. Beweg dich nicht!“ Sanft strich Gabriel durch Daniels Locken, legte die Finger auf seine Wange. „Hast du Schmerzen?“

„Noch nicht.“ Daniel hob seine Hände, betrachtete die blutigen Innenflächen. Seine Hose war von seinem eigenen Blut durchtränkt. Von Weitem konnte er die Sirenen hören. Er schloss die Augen. Die Situation war surreal. Einerseits war er in Lebensgefahr, anderseits fühlte er sich seltsam leicht und glücklich mit Gabriel an seiner Seite. Die Sirenen näherten sich. „Ich ruiniere immer deine Kleidung.“

Warmes Lachen. „Glaub mir, Daniel, das ist mir so was von egal.“ Gabriel beugte sich über ihn, blickte in seine Augen. Er roch den pudrigen Duft des Jungen und etwas in ihm sträubte sich dagegen. Mit den Fingerspitzen streifte er über Daniels Schläfe.

„Ich danke dir.“

„Sch-sch, bleib ganz ruhig.“ Die Ambulanz hielt direkt neben ihnen an. Gabriel fühlte zugleich Erleichterung und Bedauern, als der Arzt ihm Daniel abnahm.

1. Wiedersehen nach langer Zeit

 

Samstag, April 2010, nachmittags

„Ich bleibe heute zu Hause – das ist doch kein Problem?“ Daniel blickte seine Eltern fragend an. Daniels Vater verzog leicht genervt den Mund. William Ellison hatte seinem Sohn die hellblauen Augen und das honigblonde Haar vererbt, ansonsten kam Daniel eher nach seiner zartgliedrigen Mutter Kathleen.

William hatte gedacht, dass sein Sohn heute schon bei einem Freund eingeladen war. An diesem Abend würden einige Geschäftsleute kommen, unter anderem auch Gabriel Sinclair von der Sinclair Corporation. Er plante, mit diesem einen wichtigen Deal abzuschließen. Instinktiv wollte er nicht, dass sein Sohn und er sich sahen. Gabriel hatte Daniel zwar zweimal das Leben gerettet und war ein Geschäftspartner, aber Gabriel war schwul und besaß etwas Gefährliches an sich. Da sein Sohn außergewöhnlich schön war und von sich behauptete, ebenfalls homosexuell zu sein, bereitete ihm dies Sorge.

In den letzten Jahren konnte er es verhindern, dass sich die beiden begegneten, obwohl Gabriel regelmäßig nach dem Befinden seines Sohnes fragte und auch Daniel Interesse an jeder Art Neuigkeit über den jüngeren Sinclair zeigte. Die Treffen mit Gabriel fanden entweder anderswo als bei ihnen zu Hause statt oder, wenn doch dort, dann nur, wenn er wusste, dass sein Sohn außer Haus war.

Kathleen Ellison lächelte ihren Sohn an. „Natürlich nicht – wenn du es nicht langweilig findest, zusammen mit alten Leuten deine Zeit zu verbringen?!“

„Nicht im geringsten. Gut, dann bin ich heute dabei!“ Daniel schnappte sich einen Apfel, in den er herzhaft hineinbiss. Er ging nach draußen in den Garten. Das Lächeln vertiefte sich und wurde zu einem breiten Grinsen, als er an die Sonne trat. Am Abend würde er endlich Gabriel wiedersehen.

Seit seiner zweiten Rettung durch Gabriel war er ihm nicht mehr begegnet. Immer wieder versucht er, seinen Retter zu treffen, aber der war jeweils nur bei ihnen zu Hause, wenn er in den Ferien oder bei Freunden war. Diesmal schien es endlich zu klappen.

 

Am gleichen Tag, sechs Uhr abends

Die Glocke der Tür läutete. Sein Vater war im Gespräch mit einem Geschäftspartner. Seine Mutter bereitete gerade den Aperitif in der Küche vor. „Daniel, kannst du an die Tür gehen?“

Er öffnete die Tür und blickte in die dunkelblauen Augen von Gabriel.

„Daniel?“ Gabriel hob fragend eine Augenbraue hoch. Aus dem schlaksigen Teenager, vor mehr als ein Jahr, war ein bildschöner, junger Mann geworden. Die hellblauen Augen strahlten ihn freudig, aber auch etwas erstaunt an.

Aus einem Impuls heraus umarmte Daniel den älteren Mann, spürte den muskulösen, warmen Körper.

Gabriel lachte leise. „Wie geht es dir, Kleiner? Keine Beschwerden?“

„Nein, alles gut verheilt. Eine winzige Narbe habe ich als Andenken zurückbehalten.“ Unbewusst strich Daniel über seinen Oberschenkel. „Der Arzt hat mir gesagt, wenn du nicht so geistesgegenwärtig reagiert hättest, wäre ich gestorben.“ Daniel grinste. „Ich werde mir Mühe geben, dass du mich zumindest heute nicht retten musst.“

Nur kurz berührte er sacht das Gesicht seines Gegenübers. In seiner Rückschau verband er vor allem Wärme und einen ganz speziellen, erlesenen Duft mit ihm. Er hatte den älteren Mann nicht so schön, so absolut perfekt, in Erinnerung.

Gabriel nannte vollkommen ebenmäßige Gesichtszüge mit hohen Wangenknochen, einer klassischen Nase, markantem Kinn und olivfarbener Haut sein Eigen. Das blauschwarze Haar war an Seite und Nacken kurz, das Deckhaar dafür in etwas längeren Strähnen geschnitten. Der Mund besaß einen strengen Zug. Der fing langsam an zu lächeln, was die harte Ausstrahlung milderte. Das Erstaunlichste waren aber die leuchtend tiefblauen Augen.

Gabriel war von makelloser, männlicher Schönheit! Er trug einen maßgeschneiderten, dunkelblauen Anzug, der seine athletische Figur unterstrich. Alles an ihm atmete Macht und Reichtum, von den handgemachten Schuhen bis zum fein genähten Revers seines Jacketts.

Für Daniel war klar, dass er der Mann seines Lebens war, das wusste er schon, seit er zehn Jahre alt war und der ihn das erste Mal gerettet hatte. Jetzt musste nur noch Gabriel davon überzeugt werden.

„Daniel!“ Aus dem Raum hinten drang die Stimme seines Vaters hervor. Daniel trat zurück und ließ den älteren Mann herein.

 

Den ganzen Abend beobachtete Daniel so unauffällig wie möglich Gabriel. Der stach aus der Menge der Geschäftsleute heraus wie ein Vollbluthengst unter Ackergäulen.

Daniel wusste, dass Gabriel sechsunddreißig Jahre alt und der zweite Mann nach seinem Bruder Michael in der Sinclair Corporation war. Dieser war ein Mischkonzern, der vor allem in der Chemie- und Metallbranche seine Stärke hatte.

Es hieß, Gabriel sei reich, sehr reich, selbst im Vergleich zum Ellison-Vermögen. Er studierte Mathematik und verfügte über ein intuitives Gefühl für Zahlen, genauso wie Daniel es auch hatte. Gabriel sammelte schnelle Autos und sportliche Motorräder, die er leidenschaftlich, mit viel Können, fuhr. Er segelt gerne, besaß eine erstaunliche Kunstsammlung und er war schwul.

Daniel hatte einiges über die wilden Eskapaden Gabriels gelesen, über die ständig wechselnden Männer an seiner Seite, kaum einer von jenen war länger als ein paar Wochen geblieben. Gabriel hatte jahrelang einen extrem hohen Verschleiß, bevorzugte aber dabei keinen speziellen Typ. Bis auf die Tatsache, dass sie meist in etwa gleich alt wie Gabriel, selten etwas jünger, und immer auf ihre eigene Art gut aussehend waren.

Vor etwa zwei Jahren versiegten aber so nach und nach diese Meldungen und hörten dann vor ein paar Monaten schlussendlich ganz auf. Wenn irgendwas über Gabriel berichtet wurde, dann meist nur kurz und im Zusammenhang über einen erfolgreichen Geschäftsabschluss der beiden Sinclair Brüder.

 

Sandra hob ihr Glas hoch und blickte über den Rand auf die Gruppe Menschen, die sich um Gabriel Sinclair versammelt haben. Sie studierte die hochgewachsene Gestalt genau. Gabriel schien völlig desinteressiert an dem Gespräch der Leute um ihn herum zu sein.

„Er sieht unglaublich gut aus!“ ‚Und ist kalt und hart wie ein Stein‘, ergänzte sie in Gedanken, wandte sich Daniel zu und trank einen Schluck. Sie verstand ihren Freund nicht. Natürlich war Gabriel überwältigend attraktiv, wo er auftauchte, war er immer der Mittelpunkt des Geschehens. Aber Gabriel war eiskalt und unnahbar. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte man sich zu, dass er buchstäblich über Leichen ging. Das hingegen bezweifelte sie, trotzdem misstraute sie ihm.

Daniel lächelte. „Ja, nicht wahr? Es gibt so viele Fotos im Internet von ihm. Er war auch schon einmal auf den Titelseiten von Forbes und Peoples, aber keines wird ihm gerecht. Alles an ihm sieht gut aus. Er hat sogar wunderschöne Hände.“

„Erstaunliche Hände. Er hat dir ja schon zweimal das Leben gerettet.“ Nun, so gesehen war ihr Gabriel irgendwie doch sympathisch, denn ohne ihn hätte sie Daniel nie kennengelernt.

Sandra, als Daniels beste Freundin, kannte natürlich die ganze Geschichte, von den beiden Rettungen und von den Gefühlen, die er für Gabriel hegte. Als einziger Mensch wusste sie, dass er, seit er zehn Jahre alt war, in den älteren Mann verliebt war.

Daniel und Sandra standen nah nebeneinander. Jeder außenstehende hätte angenommen, dass sie Geschwister seien. Bei beiden hatte das Haar denselben honigfarbenen Ton. Sie nannten ähnliche schmale, feine Gesichtszüge mit schön geschwungenen Lippen ihr Eigen. Sie waren fast gleich groß und gertenschlank. Selbst ihre Augen waren sich ähnlich: Sandra besaß graublaue Augen, Daniel hellblaue. Einzig ihre hellblonden Augenbraunen standen im Unterschied zu seinen dunkelblonden Brauen und Wimpern.

Sandra hatte ihm damals, vor mehr als einem Jahr, bei seinem Coming-out beigestanden. Seine Eltern nahmen im ersten Moment das Ganze seltsam gelassen hin. Sie taten aber nun einfach weiterhin so, als hätte er ihnen nie etwas gesagt, als wäre er für sie immer noch heterosexuell. Vor allem William verdrängte nach außen hin vollständig, dass sein einziges Kind homosexuell war. Das eh schon unterkühlte Verhältnis zwischen Vater und Sohn hatte sich seitdem deutlich verschlechtert.

„Er sieht einfach toll aus!“, schwärmte Daniel.

„Und er scheint sehr gut bestückt zu sein.“ Sie grinste vergnügt.

„Sandra!“ Er verdrehte die Augen, musste aber zu gleicher Zeit breit grinsen.

„Stimmt doch! Er hat jedenfalls eine erstaunliche Beule und er ist homosexuell. Warum müssen alle schöne Männer schwul oder schon vergeben sein?“ Sie seufzte. „Du musst ihn nur dazu bringen, dass er dich als Mann wahrnimmt.“ Sie war hin und hergerissen, ihrem Freund zu helfen oder ihm von dem älteren Mann abzuraten. Sie sähe es lieber, wenn er sich in einen anderen verlieben würde, jemand liebeswerten, wie Brandon es war. Schlussendlich entschied sie sich aber doch fürs Erstere.

„Genau das ist mein Problem! Er sieht in mir immer noch den zehnjährigen Jungen, den er damals gerettet hat und er geht mir schon den ganzen Abend aus dem Weg.“ Wenn er weiterhin so viel Pech hatte wie bis dahin, würde es Jahre dauern, bis sie sich wieder begegneten. Also brauchte er dringend einen Plan.

„Was macht er so in seiner Freizeit?“

„Er segelt, fährt schnelle Autos und Sportmotorräder“, antwortete er prompt.

„Ah, da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht. Weißt du, wo er hauptsächlich segelt?“

„Bei New Haven.“

Sie schlägt ihm spielerisch auf die Schulter. „Pass auf, dass du nicht zum Stalker wirst, Tendenzen hast du ja schon. Wie auch immer, fang ihn einmal beim Segeln ab. Du segelst ja auch. So weit hergeholt ist das ja nicht.“

Eine gemeinsame Segeltour schien ihm eine gute Idee, vor allem, weil man sich auf einem Boot nicht aus dem Weg gehen konnte.

 

2. Gemeinsamer Segelausflug und erste Trennung

 

Samstag, zwei Wochen später, Ende April 2010

Gabriel genoss den Wind, der durch sein Haar strich. Es war ein fast wolkenloser Frühlingstag und die grüne Küste des Long Island Sound wirkte wie frisch gestrichen. Seine Javelin 30 befand sich etwas abgelegen, weg von den großen Jachten.

Am Ende des Piers stand eine schlanke Gestalt, ihm dem Rücken zugedreht. Er kniff die Augen etwas zusammen. Beim Näherkommen bestätigte sich sein Verdacht.

Als er sich auf knapp zwei Meter genähert hatte, drehte sich Daniel um. Der Wind bauschte die goldblonden Haare hoch.

„Hallo, Gabriel, du hast hier ein Boot liegen?“ Daniels Herz pochte bis zum Hals bei der gespielten Frage. Er hoffte inständig, dass der ihn nicht durchschaute.

„Ja, eine Javelin am Ende des Piers. Und du, was machst du hier?“ Gabriel blickte interessiert auf ihn. Eine leichte Röte lag auf dem jungen Gesicht.

„Ich habe mich mit einem Freund hier zum Segeln verabredet. Es sieht aber ganz so aus, als hätte er mich versetzt. Er ist schon seit einer halben Stunde überfällig.“ Zum Glück hat er sich schon eine Geschichte bereitgelegt, sodass er Gabriel ohne Stocken antworten konnte.

„Wie gut kannst du segeln?“ Er studierte das Gesicht seines Gegenübers.

„Ich würde sagen, ganz passabel.“

Gabriel ahnte etwas, aber er deutete auf sein Boot. „Wenn du willst, kannst du mit mir raus fahren.“

Gabriel fragte sich, ob diese Einladung klug war. Aber Daniel erwies sich einerseits als guter Segler, sodass sie innerhalb kürzester Zeit wie ein gut eingespieltes Team fungierten. Andererseits war er auch eine erfreuliche Begleitung, der bei einem Gespräch trotz seines Alters eine eigene nachvollziehbare Meinung und einen feinen, spöttischen Humor besaß. Er konnte auch einfach einen Moment schweigend genießen. Gabriel war angenehm überrascht. Er hatte die heutige Jugend anders eingeschätzt.

In einer versteckten Bucht ankerten sie. Für ein erstes ausgedehntes Bad war es noch zu früh im Jahr, aber um die Sonne auszukosten, etwas Kleines zu essen und zu trinken, passte es ideal.

Gabriel zog sich bis auf die Badehose aus. Daniel konnte kaum die Augen von ihm abwenden. Der ältere Mann nannte den großen, breitschultrigen Körper eines griechischen Gottes sein Eigen. Die leichte Behaarung auf dem muskulösen Oberkörper verjüngte sich zu einem schmalen Band, das in der Badehose verschwand.

Einzig eine lange, alte Narbe, die von der linken Brust bis hinab zu Leiste reichte, sowie mehrere kleinere Narben an der linken Seite, zerstörten die Perfektion.

Bei der geringsten Bewegung sah man das Spiel der Muskeln unter der gebräunten Haut. ‚Oh mein Gott, er ist definitiv sehr gut ausgestattet. Wie sieht er aus, wenn er erregt ist?‘

„Willst du die Sonne nicht auch genießen?“ Daniel wurde aus seinen Gedanken gerissen. Zum Glück hatte er so eine Hoffnung und trug die Badehose schon unter der Kleidung. Er kam sich selbst im Vergleich zu dem älteren Mann unzulänglich und linkisch vor, sodass er sich, entgegen seiner sonst natürlichen Anmut, ungelenk auszog.

Gabriel beobachtete ihn. Daniel war von schlanker Eleganz und haarlos, abgesehen von dem goldenen Flaum an Armen und Beinen aber trotzdem durchtrainiert. Gabriel blieb erstarrt stehen, schluckte ein paar Mal trocken, dann sprang er kopfüber in die kühle See.

Daniel beugte sich über die Reling und sah, wie Gabriel die Oberfläche durchstieß und in großen, kräftigen Zügen um das Boot schwamm.

„Ist das nicht verdammt kalt?“

Gabriel hielt sich am Rand der Javelin fest und blickte zu ihm hoch. „Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich daran, auch wenn es verdammt kalt ist.“

Daniel lachte kurz auf und beugte sich zu ihm runter. Dieser grinste diabolisch, hob seinen Oberkörper aus dem Wasser, fasste Daniel am Oberarm und zog ihn mit in die eiskalte See. Daniel quietschte unmännlich auf und tauchte ganz unter. Prustend kam er wieder hoch.

„Das schreit nach Rache!“ Lachend schwamm er auf ihn zu. Er drückte den weitaus kräftigeren Mann unter Wasser. Gabriel schüttelte den Kopf mit den tropfnassen Haaren und lachte fröhlich auf. Kurz gab es ein Gerangel, bei dem Daniel ein weiteres Mal unter Wasser ging, danach stiegen sie wieder ins Boot.

In der Kajüte lagen große Badetücher bereit. „Hier nimm!“ Gabriel warf ihm eines zu, erst dann nahm er sich selber eins.

Während sich Daniel sein Haar trocken rubbelte, schenkte er Gabriel ein freches Grinsen. „Kalt war’s! Aber es hat Spaß gemacht, dass würde ich gerne bald einmal wiederholen.“ Er schlang das Tuch um seine Hüfte und stieg hoch aufs Deck.

Die glatte Haut des makellosen Oberkörpers besaß einen warmen, goldenen Ton. In diesem Moment brach die Sonne hinter einer Wolke hervor und tauchte den jungen Mann in helles Licht. Die honigblonden Locken leuchteten auf und für einen kurzen Augenblick wurde das Bild eines überirdischen Wesens heraufbeschworen.

Ein Muskel zuckte in Gabriels Kiefer, dann wandte er sich ab und kleidete sich hastig an. Er blickte aufs Meer hinaus. Der Wind zerzauste einige der schwarzen Strähnen. Er schloss die Lider, die langen, dichten Wimpern beschatteten die hohen Wangenknochen. Daniel betrachtete sehnsüchtig das klare Profil. Er lehnte sich zu Gabriel und strich zärtlich mit seinen Lippen über dessen Mund. Es war ein unschuldiger, fast keuscher Kuss.

Einen kurzen Moment erwiderte Gabriel sanft den Kuss, dann schreckte er zurück, öffnete die Augen – ein Flackern lag in ihnen. Röte stieg ihm den Hals hoch.

„Lass das! Ich will nichts von dir!“ Der Ausdruck in dem Gesicht wurde nun kühl und verschlossen. „Ich bring dich ans Land und dann werden wir uns nie mehr wiedersehen. War das klar und deutlich?!“

Daniel erblasste. Es tat weh, so ganz und gar von Gabriel abserviert zu werden.

Sie segelten zurück. Während man bei der Hinfahrt geredet und gelacht hatte, war die Rückfahrt nun schweigsam und beklemmend. Die Kommunikation wurde auf ein Minimum reduziert. Daniel fühlte sich zutiefst unglücklich wie noch nie in seinem Leben.

Am Ende erreichten sie den Hafen. Gabriel blickte Daniel nach, der mit einem geschmeidigen Sprung von Bord an Land ging. Taubheit strahlte von seiner Brust aus. das Gefühl, innerlich zu erstarren, breitete sich in ihn aus. Er wandte sich ab und vertäute das Boot.

 

Am gleichen Tag, abends

Sandra lag auf dem Bett. Ihr Haar war wie ein Fächer um sie ausgebreitet. Neben ihr lag Daniel, der sich seine beste Freundin anschmiegte. Er hatte geweint und der Schmerz verdrängte alle anderen Gefühle. Sanft strich sie ihm über den Kopf. Es war das erste Mal, dass sie ihn weinen sah.

„Sag mir, was geschehen ist. Was macht dir so Kummer?“

Daniel erzählte ihr, was er diesem Tag erlebt hatte, bis er beim Kuss angelangt war.

„Hat er ihn erwidert?“

„Zuerst ja, aber dann …“ Seine Stimme stockte und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Er hat ihn nur kurz erwidert, dann hat er gesagt, dass er mich nicht will.“ Eine Weile herrschte Schweigen. Kummer und Bitterkeit nahmen ihm fast die Luft.

„Ich glaube nicht, dass er dich nicht will, sondern dass dein Alter für ihn ein Problem ist. Wenn ich daran denke, wie er dich während des Festes beobachtet hat, will er dich definitiv.“

„Wie hat er mich angesehen?“ Daniel blickte sie hoffnungsvoll an.

„Er hat dich immer wieder mit seinem Blick gesucht, als wolle er dich ganz und gar für sich.“ Es stimmte nicht, dass Gabriel auf der Party ständig Daniel mit seinem Blick verfolgt hatte, aber ein einziges Mal konnte Sandra beobachtet, wie er Daniel kurz so voller unverhohlenem Hunger angesehen hatte, dass sie sich ihrer Sache sehr sicher war.

„Du meinst …?“ Dürfte er zu hoffen wagen?

„Ja, er will dich.“

„Aber du meinst, er hält mich für zu jung.“

„Ja, du bist noch minderjährig. Wenn man Gabriel übel mitspielen will, könnte man ihn hinter Gitter bringen - Verführung von Minderjährigen.“

„Das ist ein Witz – ich habe versucht ihn zu verführen, dazu noch ohne Glück.“

„Das spielt keine Rolle. Er ist der Erwachsene.“

„Scheiße! Und nun?“

„In einem halben Jahr hast du Geburtstag und bist volljährig – bis dahin würde ich mich vorbereiten und dann noch mal zuschlagen – gesetzt den Fall, dass du ihn dann immer noch haben willst.“

„Hältst du mich für so oberflächlich, dass ich ihn nach paar Wochen schon vergessen habe?“

„Nein, überhaupt nicht. Du weißt immer genau, was du willst. Aber er ist mehr als doppelt so alt wie du. Du könntest jeden haben, den du willst. Warum also ihn?“

Daniel schloss müde seine Augen. Er rieb mit beiden Händen über das Gesicht, dann blickte er Sandra an. „Ich habe gehofft, dass zumindest du mich verstehen würdest, dass du mir vielleicht sogar helfen würdest und es mir nicht, wie jeder andere, versuchst auszureden.“ Er stand auf und war im Begriff zu gehen. Sandra legte die Hand auf seinen Arm.

„Tut mir leid!“ Sie schüttelte leicht den Kopf, blickte ihn bittend an. „Ich will es dir nicht ausreden, ich will dich nur verstehen. Ich habe Gabriel ein paarmal getroffen, wenn ihn meine Eltern eingeladen haben. Er sieht zweifellos fantastisch aus, aber er ist eiskalt, abweisend und behandelt einen von oben herab.“

„So habe ich ihn noch nie erlebt. Zu mir ist er immer freundlich …“ Daniel verharrte kurz, senkte dann den Kopf, „außer heute.“ Er sah Sandra an. „Er hat mir zweimal das Leben gerettet. Ich fühle mich auf eine Art und Weise mit ihm verbunden, die ich schlecht erklären kann. Wenn ich bei ihm bin, fühle ich mich erst vollständig. Es klingt seltsam, aber ich lebe erst ihn seiner Nähe richtig. Ich will alles über ihn erfahren. Wenn sein Name fällt, bin ich wie elektrisiert. Seit ich mich zurückerinnern kann, liebe ich ihn. Zuerst sicherlich wie ein kleiner Junge, der ich war, der seinen weißen Ritter vergötterte. Dann aber, nach dem zweiten Mal, als er mir das Leben gerettet hat, wurde alles anders.“ Wärme stieg in Daniels Wangen und seine Augen leuchteten. „Einmal kann Zufall sein, aber zweimal ist Schicksal. Oh, Sandra, ich liebe ihn. Ich liebe ihn so sehr.“ Sie umarmte ihren Freund.

Seine Liebe mochte als Zehnjähriger unschuldig gewesen sein, mit sechszehn ganz sicher nicht mehr. Damals wurde ihm bewusst, dass er sich im Allgemeinen mehr für das gleiche Geschlecht interessierte als für Mädchen und insbesondere vor allem für Gabriel. Als logische Konsequenz hatte er kurz darauf sein Outing.

„Ich werde dir helfen und dich unterstützen. Aber rechne damit, dass du auf viel Unverständnis stoßen wirst. Die Leute werden versuchen, es dir auszureden, vor allem dein Vater. Du wirst viel Willensstärke brauchen.“

„Die habe ich. Weißt du, ich bin mir meiner Gefühle völlig sicher und ich weiß, dass ich nur mit Gabriel glücklich werden kann. Ich kann nur hoffen, dass er mich auch will, wenn ich alt genug bin.“

„Ganz sicher, er wäre ein Idiot, wenn er dich nicht will.“ Daniel lächelte schwach.

Wie immer ging er das Problem analytisch an. Der Plan war im Grunde einfach – so viel Geld wie möglich zu verdienen, damit er all die Dinge tun konnte, die nötig waren. Innerlich erstarkt stellte Daniel fest, dass ein halbes Jahr wenig Zeit war, um alles umzusetzen, was er sich vornahm.

Segeln konnte er ja schon und ein gutes Startkapital besaß er zum Glück auch. Er musste noch trainieren, lernen Motorrad zu fahren, an seiner Allgemeinbildung arbeiten und dort vor allem alles, was Kunst betraf.

Er stöhnte auf. Seine Begeisterung beim Gedanken an letzteres hielt sich in Grenzen. Aber er wollte sich so perfekt wie möglich auf Gabriel vorbereiten. Kunst gehörte zu dessen Interessen, also führte kein Weg daran vorbei. Er seufzte.

 

3. Erste Schritte in einer ungewöhnlichen Freundschaft

 

Ein halbes Jahr später, Dienstag, 21. September 2010

Daniel packte die letzten Sachen für seine Ferien. In Gedanken ging er nochmals die Packliste in seinem Kopf durch, um seine blankliegenden Nerven zu beruhigen. Bald flöge er von Boston nach Miami, wo die Segeljacht ankerte, mit der er die nächsten zwei Wochen durch das Karibische Meer fahren würde. In elf Tagen würde er dann endlich achtzehn Jahre alt. Nie zuvor freute er sich so auf einen Geburtstag.

 

Der Hafen von Miami war schon selbst eine Reise wert. Die Jachten und Motorboote lagen in der malerischen Bucht. Im Rücken türmten sich riesige Wolkenkratzer in den kobaltblauen Himmel. Es roch nach See und Sonne.

Die zweiundzwanzig Meter-Ketsch Marie-Anne schaukelte ganz leicht mit den Wellen. Sie wirkte wie gemalt, wie sie da mit ihrem dunklen Deck und dem eleganten weißen Schiffsrumpf im Wasser lag. Daniel betrat das Schiff. Sandra, die gerade von Unterdeck hochkam, sprang freudig auf Daniel zu.

„Super, dass du da bist. Du bist bis jetzt der Erste, abgesehen von meinem Eltern.“

„Hi, Sandra.“ Daniel umarmte seine Freundin fest.

„He, du hast ja richtig an Muskeln zugelegt!“ Sie griff prüfend an den Oberarm, den Daniel spielerisch anspannte. „Wow, die sind ja stahlhart!“

Sie lächelte. Sie hatte ihn fast drei Monate nicht gesehen. In dieser kurzen Zeit, war er nicht nur deutlich kräftiger geworden, sondern männlicher und wirkte irgendwie auch erwachsener.

Sein Grinsen wurde breiter. „Wann kommen die anderen?“

„Ken Bell wird etwa in einer halben Stunde eintreffen und Gabriel kurz danach. Komm, lass uns dein Gepäck nach unten bringen.“

 

Gabriel lächelte, als Cate ihn umarmte. Jeffrey schüttelte ihm die Hand und klopfte zur Begrüßung auf seine Schulter. Die McKenzies, die ungefähr gleich alt wie Gabriel waren, gehörten zu den wenigen Menschen, die er zu seinen Freunden zählte, nicht zu seinem engsten Freundeskreis, aber dennoch Freunde.

„Schön, dass es geklappt hat.“

„Immerhin verbinden wir das Schöne mit dem Nützlichen.“ Die McKenzies besaßen einige sehr große Erz- wie auch Kohleminen, beides unerlässlich für die Stahlproduktion. Einst war dieser Industriezweig der wichtigste Grundpfeiler der Sinclair Corporation. Gabriel wollte diesen wieder zur alten Größe zurückbringen, indem er modernste und innovativste Technologien einführte, um die Vormachtstellung innerhalb des Landes weiter auszubauen. Die Sinclair Corporation kam zurzeit nicht mit dem Aufkaufen von Minen nach, sodass ein Dazukauf von Rohstoffen unerlässlich wurde.

„Ken ist bereits auf dem Schiff.“ Gabriel nickte. „Ebenso unsere Tochter Sandra, die hier ihre letzten großen Ferien macht, bevor sie mit dem Studium anfängt. Ein Freund von ihr ist auch dabei. Ich hoffe, das stört dich nicht.“ Ken Bell kannte er nur flüchtig, dieser besaß ebenfalls einige Minen im Norden – der Grund, wieso Ken eingeladen war.

Die Tochter der McKenzies kannte Gabriel schon, zumindest wie man eine Jugendliche kennen konnte. Sie war eine geistreiche Person, die ab und zu seltsame Gefühlsausbrüche bekam, eben ganz ein Teenager – zwischenzeitlich war sie diesem Alter entwachsen. Ihr Freund wäre eh mit Sandra genug beschäftigt, sodass er sich nicht mit diesem abgeben musste.

„Nein, nicht im geringsten.“

„Du hast die Kajüte zusammen mit Ken.“ Das war unvermeidbar, da es nur drei Kabinen gab.

Jeffrey löste die Taue und dann legten sie ab. Gabriel blieb oben am Deck. Er hatte nicht das geringste Verlangen, jetzt schon nach unten zu gehen.

Einige Möwen begleiteten sie auf die offene See. Unter ihren Schreien fuhren sie aus dem Hafen heraus. Draußen auf dem Meer wurden die Segel gesetzt. Das Schiff nahm langsam Fahrt auf.

Vielleicht war ja Michaels Idee, ihn hier zwei Wochen in den Zwangsurlaub zu schicken und zugleich einige Verträge unter Dach und Fach zu bringen, nicht die dümmste. Es war eine Zeit lang her, dass er gesegelt war – etwa sechs Monate. Seinen letzten Urlaub hatte er vor sieben Jahren, diesen brach er dann auch noch frühzeitig ab.

In diesem Augenblick kam Sandra auf das Deck, gefolgt von Daniel. Für einen Moment überlegte es sich Gabriel, die McKenzie zu bitten, ihn wieder ans Land zu bringen.

Daniel sah Gabriel an, verärgert blitzte der ältere Mann zurück. Sein Kiefermuskel spannte sich an, aber er sagte nichts, sondern blickte ihn nur unfreundlich an.

„Sandra, Gabriel kennst du sicherlich noch von unserem Sommerfest.“ Cate wandte sich ihrer Tochter zu. Gabriel schaltete sekundenschnell um, schüttelte ihr die Hand, zeigte sein einnehmendes Wesen und lächelte Sandra an. Sie verstand Daniel mit einem Mal. Die Ausstrahlung Gabriels war überwältigend, wenn er es darauf anlegte. An Gabriel gerichtet sagte Cate: „Das hier ist ihr Freund Daniel Ellison. Ich glaube, du kennst seine Eltern.“ Es war beängstigend, wie schnell Gabriel von grimmig zu charmant und wieder zurück wechseln konnte. Daniel bekam nur ein knappes Nicken.

In diesem Moment tauchte Ken auf und erlöste sie alle vor einem peinlichen Schweigen. Ken war Anfang dreißig, war reich und sah gut aus, wenn auch auf eine etwas langweilige Art und Weise. Braunes Haar mit nussbraunen Augen in einem gleichmäßigen Gesicht, schlank und durchtrainiert und diesmal erkannte es Gabriel auch auf den ersten Blick: Eindeutig schwul.

Ken strahlte ihn bei der Begrüßung an. Innerlich seufzte Gabriel – auch das noch.

 

Am gleichen Tag, abends

Erstaunlicherweise war dann das Abendessen doch angenehm entspannt. Ein Hoch auf die McKenzies. Cate, die gekocht hatte, räumte nun auch ab. Danach ging es an die Aufgabenaufteilungen für die kommenden zwei Wochen. Gabriel übernahm die Wache für die erste Nacht. Im Grunde war die Steuerung, wenn das Wetter stabil war, einfach, aber dennoch musste sie von Zeit zu Zeit kontrolliert werden.

Die McKenzies verabschiedeten sich schnell, auch Sandra und Daniel zogen sich in ihre Kabine zurück. Ken Bell blieb noch eine Weile sitzen. Er wollte ein Gespräch mit Gabriel anfangen, aber dieser signalisierte ihm deutlich, dass er kein Interesse hatte. Dann stand auch Ken auf und ging nach unten.

Gabriel genoss die Ruhe und Einsamkeit auf der Brücke. Das Schiff knarrte leise im Wind, die Wellen schlugen gleichmäßig an den Rumpf, ansonsten war es still.

Fast lautlos trat Daniel neben ihn. Gabriel warf ihm einen kurzen Blick zu. „Du wusstest, dass ich auch mitkommen würde?“

Im Grunde war es keine Frage, sondern eine Feststellung, leugnen machte also keinen Sinn. „Ja! Hör zu. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht, einfach so mitzukommen, obwohl Sandra wirklich meine beste Freundin ist. Aber wir sind nun mal beide auf diesem Schiff. Ich verspreche dir, ich werde dich in Ruhe lassen.“ Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Der Schmerz vor dieser weiteren Zurückweisung durch Gabriel stieg wie eine Welle in Daniel hoch. Er drehte sich um und war im Begriff, zu gehen.

„Bleib“, das Wort war so leise gesprochen, dass er es beinahe überhört hätte. Daniel atmete langsam aus. Er setzte sich hin. „Wie geht es dir.“ Gabriel deutete auf sein rechtes Bein. Daniel rieb sich die alte Narbe.

„Bis vor Kurzem hatte ich kaum Probleme, aber in letzter Zeit habe ich etwas mehr trainiert. Jetzt muckt das Bein ab und zu.“ Er zuckte leicht mit den Schultern. „Halb so schlimm.“ Er hob den Kopf und blickte in die dunkelblauen Augen. „Ich bin nie dazu gekommen, dir zu danken, dass du mir zweimal das Leben gerettet hast.“

„Ach, Daniel!“ Gabriel lachte leise und spürte, wie sich etwas in ihm löste. „Ich bin froh, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.“

„Und ich bin froh, dass du mir nicht mehr böse bist.“

Entgegen seinem eigenen Entschluss, entgegen seinem Verstand, war es Gabriel nicht länger möglich, Daniel zu ignorieren. Es gab vieles in seinem Leben, worauf er nicht stolz war und einiges, was er versuchte zu vergessen, aber seine Rettung und Daniel selber, waren wie Leuchtfeuer, die sein Inneres erwärmten – seine Talismane.

Es würde schwierig, diese dünne Linie zwischen Freundschaft und dem mehr, das so verlockend dalag, nicht zu übertreten, aber er wollte ihnen beiden diese Verbundenheit nicht länger versagen. Es lag an ihm, diese Grenze nicht zu überschreiten. „Ich auch, Kleiner, ich auch.“

Es wurde eine sehr gemütliche Nacht auf der Brücke. Gabriel machte ihnen Tee. Sie lachten viel und Daniel stellte fest, dass der Ältere einen herrlich trockenen Humor besaß, der unglaublich sexy war. Überhaupt schien Gabriel gerne zu lachen, jedenfalls lachte er oft in Daniels Anwesenheit. Feine Falten um seine Augen betonten seine Attraktivität noch mehr.

Daniel wünschte sich nichts mehr als ihn anzufassen, dessen vollkommene Schönheit zu berühren, aber er würde diese neue, zerbrechliche Nähe nicht gefährden, indem er dies zu früh versuchte. Irgendwann in den Morgenstunden verabschiedete er sich und ging runter in seine Koje.

 

Donnerstag, 30. September 2010

Segeln war im Grunde nicht allzu schwierig, aber Ken war eindeutig ein Antitalent. Was bedeutete, dass die anderen umso mehr arbeiten mussten, aber Daniel hatte Spaß daran. Er und Gabriel wurden bald ein gut eingespieltes Team, das die meisten kritischen Segelpassagen übernahmen.

Am Abend saßen die Älteren zusammen und verhandelten über die Konditionen des Verkaufs von Rohstoffen. Währenddessen spielten Sandra und Daniel Schach, lasen, faulenzten oder hörten Musik.

Der Goldton von Daniels Haut vertiefte sich und einige der blonden Strähnen bleichten fast zu einem Weiß aus. Die himmelblauen Augen leuchteten. Daniel fühlte sich in der Nähe von Gabriel unglaublich glücklich und wohl. Er strahlte dieses Glück aus.

Sie ankerten am Rande eines Riffs. Bis auf Cate und Jeffrey gingen sie alle in dem kleinen Riff tauchen. Daniel schwamm zusammen mit Sandra durch das glasklare Wasser, vorbei an Schulen unzähliger farbiger Fische. Bunte Korallen wuchsen in skurrilen Formen. Sandra blieb interessiert bei einer Muräne stehen. Daniel ließ sich von Schiff weg treiben, entlang des Riffs direkt in die Arme Gabriels.

Sie tauchten auf und schoben die Tauchbrillen nach oben. Das Wasser rann Gabriel aus den Haaren und blieb in seinen langen Wimpern hängen. Dessen Haut hatte inzwischen ein sattes, tiefes Braun angenommen. Sie blickten sich schweigend an. Sekunden dehnten sich zu Minuten. Sie sahen sich immer noch an.

In diesem Moment tauchte Ken prustend neben Ihnen auf. Sofort vergrößerte Gabriel den Abstand zwischen ihnen. Ken behandelte Daniel wie Luft, wie er es schon die ganze Woche über tat. Er wandte sich Gabriel zu.

„Morgen gehen wir an Land. Bist du auch dabei?“

„Nein, ich bleibe auf dem Schiff.“ Ein Grund, wieso Gabriel nicht ans Land ging, war, weil es Ken tat. Gabriel war bis zur Unhöflichkeit und darüber hinaus ablehnend zu Ken. Dieser schien aber nicht zu begreifen, dass er kein Interesse an ihm hatte und stellte ihm weiterhin nach. In New York hätte er es deutlicher und unmissverständlicher ausgedrückt, hier auf dem Schiff war das nicht möglich. Immerhin musste man vierzehn Tage zusammen auskommen. Zum Glück war mehr als die Hälfte der Zeit schon durch. Mit kraftvollen Zügen schwamm Gabriel zurück zum Schiff.

 

4. Daniels achtzehnter Geburtstag

 

Am gleichen Tag, abends

Die Marie-Anne war mit Lampen dekoriert, die das Deck in ein warmes Licht tauchten. Anders als die Tage vorher wurde nicht unten in der Messe gegessen, sondern Cate hatte ein kleines Buffet oben auf der Brücke aufgestellt. Aus einem Radio dudelte Musik. Ein warmer Wind wehte von Südosten her.

Sandra und Daniel steckten ihre Köpfe zusammen, tuschelten und lachten ab und zu fröhlich auf. Gabriel fühlte sich auf ungewohnte Art davon irritiert.

Meist verschwanden alle bis auf jener, der die Wache schob, vor zwölf Uhr nachts nach unten in ihre Koje. Punkt Mitternacht umarmte Sandra freudig Daniel.

„Alles Gute zum Geburtstag, ein Hoch auf deine Volljährigkeit.“ Sie grinste ihn frech an.

Daniel bemerkte den Blick Gabriels auf sich. Er hob den Kopf und sah über die Schultern Sandras hinweg in die Augen des älteren Mannes. Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen.

Daniel blickte ihn mit leicht geöffneten Lippen quer über das Deck an. Gabriel spürte Hitze hochsteigen. Sein Herz schlug laut in der Brust. Der Lärm trat in den Hintergrund. Endlos lange sahen sie sich an.

Jeffrey klopfte Daniel auf die Schulter, er riss sich von Gabriels Blick los und wandte sich Sandras Vater zu. Der Bann war gebrochen.

Sie alle umarmten und gratulierten Daniel. Auch Gabriel zog ihn kurz in seine Arme. Der pudrige Duft stieg in seine Nase. Fast unhöflich eilig befreite er sich aus der Umarmung. Daniel aber lächelte, hatte er dessen Erregung deutlich gespürt.

Anders als die Nächte zuvor, war diesmal Gabriel der erste, der nach unten ging. Am Ende blieben nur Sandra und Daniel. Sie diskutierten über Gott und die Welt aber vor allem über Gabriel.

 

Freitag, 1. Oktober 2010, vormittags

Die Nacht war kurz gewesen, als Daniel ans Deck in das helle Licht hochstieg. Heute würden sie die Hauptinsel der Bahamas ansteuern. Er und Gabriel hatten sich schon gemeldet, um beim Schiff zu bleiben. Eine leichte Müdigkeit steckte noch in seinen Knochen. Er breitete sein Badetuch auf dem Deck aus und blickte hinter seiner Sonnenbrille den anderen nach, als sie vom Festland abgeholt wurden. Ein Tag zusammen mit Gabriel war verlockender als alles andere. Doch zuerst legte er sich in die Sonne und war bald eingeschlafen.

Später wachte er auf und zog ein kurzärmeliges Hemd und Bermudashorts an. Er versuchte zu lesen aber sein Blick wanderte immer wieder zur Treppe, die zum Unterdeck führte. Schließlich legte er das Buch weg und ging nach unten. In der Messe saß Gabriel und las. Er hob den Blick und schaute Daniel an, das Buch klappte zu und sie sahen sich immer noch an. Die Luft zwischen ihnen knisterte.

Gabriel schloss die Augen. Er war Daniel heute, so gut es ging, aus dem Weg gegangen. Er kämpfte schon so lange gegen sein Verlangen an. Nun konnte und wollte er es nicht länger verleugnen. Er öffnete die Augen.

Daniel spürte das Brennen des Blickes auf seiner Haut, Worte waren nicht mehr nötig. Er trat auf ihn zu, streifte sanft mit der Hand über seine Wange und blickte ihn, gefangen durch seine Schönheit, an. Er knöpfte Gabriels Jeans auf. Der halberigierte, beschnittene Penis drängte heraus. „Oh verdammt, ist der groß.“

Gabriel lächelte. Daniel strich mit beiden Händen über den gewaltigen Schaft, der mit dicken Adern überzogen war. Er küsste ihn zuerst mehr fragend dann immer hungriger auf den Mund.

Gabriel erwiderte nach einigen Momenten den Kuss. Mit der Hand packte er Daniel mit festem Griff im Nacken. Der Kuss wurde roh, fast brutal. Unmittelbar ließ er ihn los. Sie sahen sich schwer atmend an.

Daniel fühlte sich schwindlig in seinem Glück. Er kniete sich zwischen den Beinen vor der Bank hin. Er beugte sich über das Glied, tat, was er so lange schon tun wollte, wovon er so viele Nächte geträumt hatte. Er nahm den harten Penis so gut es ging in den Mund. Gabriel roch dort unten so gut, so männlich. Die Zungenspitze tauchte kurz in die Harnröhre rein.

Gabriel atmete scharf ein. Daniels rechte Hand umfasste seine rasierten Hoden, rollte sie vorsichtig hin und her. Gabriel stöhnte rau auf, strich durch das kurze Nackenhaar, griff in die längeren Locken des Deckhaars und zog den Kopf mit sanfter Gewalt näher. Er stieß mehrmals schnell, wenn auch nicht tief, in den Mund.

Daniels Zunge umspielte die Spitze, streifte immer wieder den Rand der Eichel. Er tauchte in den Schlitz hinein, tupfte die austretende Flüssigkeit auf. Gleichzeitig berührte er liebevoll den durchtrainierten Bauch, glitt mit den Fingern entlang der scharf gezeichneten Konturen.

Die Gier nach Daniel brannte schon seit Monaten in Gabriels Blut, sodass er nicht lange durchhalten würde. Der Orgasmus rollte übermächtig heran. Kurz versuchte er, sich von Daniel zu lösen, doch der hielt ihn fest und ließ ihn nicht gehen. Hitze breitete sich explosionsartig aus. Er pumpte mit mehreren kräftigen Schüben seinen Samen in dessen Mund. Er entspannte sich, langsam normalisierte sich ihrer beider Atmung.

Daniel ließ den Schwanz aus seinem Mund gleiten, fuhr mit der Zunge über seine eignen Lippen und genoss dessen männlichen Geschmack.

Gabriel schloss seine Hose und zog Daniel neben sich auf die Bank, liebkoste mit dem Daumen die geschwollenen Lippen. Er küsste ihn zuerst nur federleicht, schmeckte sich selbst auf den Lippen des anderen, dann zog er ihn an sich. Seine Hand wanderte unter das Hemd des Jüngeren.

Die Haut der Brust war glatt und zart über den harten Muskeln. Langsame öffnete er das Hemd. Seine Augen wanderten über den jungen, wunderschönen, schlanken Körper. Deutlich nahm er den Duft der Haut wahr und spürte, wie wieder Erregung in ihm hochstieg. Daniels Pheromone waren unglaublich.

Langsam glitt seine Hand gegen Süden. Unterhalb des Nabels führte ein goldenes Band krauser Haare zu einer beachtlichen Erektion. Gabriel streifte die Hose über die schmalen Hüften, umfasste das schöne Glied fest und begann mit langsamen Bewegungen hoch und runter zu gleiten.

Daniel keuchte hilflos auf. War es ein Traum oder Wirklichkeit? Gabriel züngelte über die Spitze, nahm mehrmals den ganzen Schaft tief in seinem Mund bis weit hinten in den Rachen auf. Das Gefühl war unglaublich. Die Bewegung wurde fester.

Hie und da fühlte Daniel deutlich, fast schon schmerzhaft, dessen Zähne an seiner Eichel. Rasend schnell näherte sich die Erlösung. Er konnte sich nicht länger zurückhalten, ewig lange hatte er auf diesen Moment gewartet, zu oft davon geträumt. Er ergoss sich in Gabriels Mund.

Befriedigung erfüllte ihn. Eine angenehme Schläfrigkeit breitet sich in ihm aus. Er kämpfte damit, die Augen offen zu halten.

„Du schmeckst gut. Ruh‘ dich aus Kleiner.“ Gabriel berührte das Gesicht, fuhr durch die weichen Locken, betrachtete Daniel. Er zog ihn auf seinen Schoß und in seinen Armen schlief er ein. Er stand ruhig auf und trug Daniel in dessen Kabine. Er legte ihn behutsam auf das Bett, küsste Daniel leicht auf die Stirn und glitt fast lautlos aus dem Raum.

 

Für einen kurzen Moment wusste Daniel nicht, wo er war. Er vernahm Stimmen, ganz eindeutig hörte er einen Streit. Worte waren keine verständlich. Er strich sich mit beiden Händen durch sein Haar, versuchte, es so gut es ging zu ordnen und tauschte sein völlig zerknittertes Hemd gegen ein Shirt aus. Er ging den Geräuschen entgegen.

„Weil du schwul bist und ich ebenfalls, heißt das noch lange nicht, dass ich Lust habe, dich zu ficken.“ Gabriel drückte sich mit Absicht vulgär aus. Seine Tonfall war schroff. „Ich habe nicht das geringste Interesse an dir und unser Geschäft kannst du auch knicken.“ Ihm direkt gegenüberstand Ken, dessen Gesicht rote Flecken hatten.

Aus dem Augenwinkel nahm Ken Daniel wahr. Er drehte sich zu ihm. Er bemerkte dessen geschwolle Lippen, die geröteten Wangen und den zutiefst befriedigten und lasziven Ausdruck in seinem Blick. Kens Augen wurden zu Schlitzen, er sah wieder zu Gabriel.

„Aber ihn vögelst du?!“ Er zeigt auf Daniel. „Das wirst du büßen. Ich schwöre dir, das wirst du büßen.“ Kens Gesicht wurde rot vor Wut.

„Mein Gott, was bist du für eine Drama-Queen. Du langweilst mich.“ Gabriel blickte ihn angewidert an. „Mach, dass du von hier wegkommst.“

„Das ist nicht dein Schiff!“ Ken war eindeutig mutiger als klug, dann wurde ihm bewusst, wem er gegenüberstand und erblasste. Er dreht sich um, stieg schnell ans Deck und dort in das Motorboot, mit dem er zum Schiff gekommen war. Er kehrte zurück zum Festland.

Gabriel wartete eine Weile, bis das Boot an Pier andockte. Er strich Daniel durch das Haar, beugte sich über ihn, küsste ihn lange und sehr zärtlich. Mit dem Daumen liebkoste er dessen Wange. Er hätte jetzt gerne mit ihm geschlafen, aber er hatte keine Lust, mit heruntergelassener Hose von den McKenzies überrascht zu werden.

„Hast du Durst?“ Daniel blickte ihn leicht irritiert an. Gabriel zuckte mit den Achseln. „Willst du etwa über Ken diskutieren? Ehrlich, der Langweiler hat schon zu viel meiner Zeit gekostet.“ Er goss ihnen beiden kalten Tee ein. Er setzte sich hin, zog Daniel auf seinen Schoß und vergrub sein Gesicht in die Haare. Der Duft war einmalig. Er wurde fast augenblicklich hart. „Ich habe mitbekommen, dass du den Master anfangen willst - mit achtzehn?“

„Ich bin eben ein frühreifes Früchtchen.“ Gabriel lachte laut auf. Daniel spürte die Vibration, die von dessen Brust und Bauch ausging. Sein ganzer Körper fing an zu summen. „Naja, ich habe zweimal ein Jahr übersprungen, darum kann ich jetzt schon damit beginnen. Wann hast du angefangen mit dem Master?“

Gabriel versteifte sich unter ihm und schob ihn vom Schoß. Die Wärme und das Lachen waren aus den Augen verschwunden.

„Mit zwanzig.“ Daniel war sich bewusst, dass er scheinbar mit seiner einfachen Frage verbotenes Gebiet betreten hatte. Er konnte beim besten Willen nicht sehen, was an dieser Frage verfänglich war. Er biss sich auf die Lippen, blickte ihn ratlos an. Es war nur eine einfache Frage! Er wollte einfach mehr über ihn erfahren. „Komm her! Ich bin zeitweise ein alter, verbitterter Mann.“ Gabriel zog ihn am Arm wieder auf den Schoß zurück.

„Nicht verbittert – nie!“

„Oh doch und ich bin zu alt für dich.“ Er glitt mit einer Hand den Oberkörper Daniels hoch, liebkoste mit den Fingerspitzen sanft die Lippen. Eine Traurigkeit umgab Gabriel.

„Du bist nicht zu alt für mich. Du bist genau richtig. Sonst hättest du mich nicht schon zweimal retten können.“ Er legte den Kopf auf Gabriels Brust und schloss die Augen, hüllte sich ganz in die Wärme und den Geruch von diesem ein. So saßen sie schweigsam, bis eine halbe Stunde später die McKenzies an Bord kamen.

Daniel stand auf. „Sehe ich immer noch so schlimm aus?“

„Was meinst du mit schlimm? Schlimm als hättest du gerade Sex gehabt?“ Gabriels Augen glitzernden belustigt. „Deine Lippen sind noch ein wenig geschwollen, ansonsten geht es.“

„Es geht?!“, fragte Daniel in gespielte Empörung.

Gabriel grinste. „Naja, du hast nicht mehr den Schlafzimmerblick drauf, aber man sieht, dass du erst vor kurzem Sex hattest.“

Daniel errötete tief. Gabriel blickte ihn fasziniert an. Daniel war wunderschön. Trotz des Nachmittags hatte er etwas vollkommen Reines an sich.

In diesem Moment riefen die McKenzies von oben.

 

5. Was übrig bleibt

 

Jeffrey sah seinem Freund Gabriel ernst entgegen. Er hatte vor einer halben Stunde einen Anruf von William Ellison erhalten. Keinen angenehmen Anruf! Aber am Ende des Gesprächs gab er Daniels Vater sein Wort. Er konnte sich keinen Reim machen, woher dieser über die aktuelle Situation am Bord Bescheid wusste, aber er war gut informiert.

„Ich muss dich kurz alleine sprechen.“ Zusammen gingen sie zum Heck des Schiffes. Jeff blickte hinüber zu Daniel. „Hastest du mit ihm Sex?“

Gabriels Kiefermuskel spannte sich an. „Ich weiß nicht, was dich das angeht. Aber ja, ich habe ihm einen geblasen und er mir auch.“

„Aber keinen Geschlechtsverkehr?“

„Mein Gott, Jeff, willst du Einzelheiten wissen? Nein, ich steckte nicht in seinem Arsch!“ Ärger stieg in Gabriel hoch.

Jeff stieß seinen angehaltenen Atem aus. „Versprich mir, dass du, so lange du hier auf meinem Schiff bist, nicht mit ihm schläfst.“

Ungläubig schaute Gabriel seinen Freund an. Unmut breitete sich in ihm aus. „Das kannst du nicht ernst meinen?“

„Versprich es mir, bitte.“

„Du weißt, dass ich dich finanziell vollkommen ruinieren kann?“ Gabriels Stimme war unnatürlich ruhig.

„Ja“, war die schlichte Antwort. Jeff war bleich. Er wendete den Blick ab, aber er knickte nicht ein.

„Also gut, ich werde auf diesem Schiff nicht mit ihm schlafen. Du hast mein Wort.“ Die breite Brust hob und senkte sich schnell. „Und jetzt lass mich in Ruhe, bevor ich vergesse, dass wir Freunde sind.“ Der Blick aus den dunkelblauen Augen brannte vor Groll. Das war also Ken Bells Rache. Schnell war er zumindest. Seine Finger umfassten die Reling so hart, dass die Knöchel weiß hervorstanden.

 

Die nächsten drei Tage waren Gabriel und Daniel nie alleine. Immer war einer der McKenzies bei ihnen. Vertrauen war gut, Kontrolle war besser. Die Situation zerrte an Gabriels Nerven und trotzdem wollte er nicht frühzeitig nach New York heim, nicht, wenn Daniel hier blieb.

 

Dienstag, 5. Oktober 2010

Gabriel war froh, als der Tag kam, an dem er und Daniel endlich zurückfliegen konnten. Cate blieb beim Schiff, die Verabschiedung von ihr verlief bei Gabriel unterkühlt, bei Daniel verhalten freundlich. Natürlich begleiteten Jeff und Sandra sie zum Flughafen. Am Ende umarmte Sandra ihren Freund heftig.

„Ich wünsche dir alles Gute. Bleib du selbst, dann wird alles gut. Die nächsten paar Wochen bin ich schwierig zu erreichen, aber zum Semesteranfang werden wir uns wiedersehen.“ Sie drückte ihn nochmals zärtlich an sich.

Jeff blickte kurz Gabriel an, dann wich er ihm aus und schaute zu Boden.

„Lass es gut sein, Jeff. Melde dich, wenn ihr zurück seid.“ Gabriel drückte kurz die Hand seines Freundes. Daniel und er passierten die Schleusen zum Passagierbereich.

6. Gemeinsame Heimreise und Daniels Arrest

 

Sie hatten dasselbe Flugzeug, das einen Zwischenstopp in New York machte und Gabriel organisierte, dass Daniel den Sitz neben ihm zugeteilt bekam.

Gabriels Gedanken kreisten immer wieder um den Sex, den er mit Daniel haben wollte. Wie er aus eigener Erfahrung aber wusste, waren weder die Flughafentoilette noch die Bordkabine ideale Plätze dafür.

Er müsste momentan einfach mit der reinen Anwesenheit des jungen Mannes vorlieb nehmen. Kein allzu schlimmes Schicksal, wie er spöttisch sich selbst gegenüber eingestehen musste, obwohl ihn die Nähe und der Duft Daniels in einer Dauererektion gefangen hielten. Sie saßen in der Lounge und tranken Soda.

Daniel blickte den attraktiven Mann neben sich an. Gabriel war so schön, so unendlich perfekt. Es erschien immer noch wie eine Wunschvorstellung, dass er bei ihm war und sich für ihn interessierte. Er wollte, dass dieser Traum, sein Traum, nicht hier und jetzt aufhörte.

Seine Hand spielte mit dem leeren Glas. Er stellte es hin und rieb seine feuchten Handflächen an der Jeans ab. Sein Herz wummerte. Obwohl er soeben etwas getrunken hatte, war sein Mund trocken. Nervös leckte er über seine Lippen.

„Darf ich dich wiedersehen?“ Verdammt, fehlte nur noch das seine Stimme zitterte, so unsicher fühlte er sich.

Gabriel betrachtete lange den jungen Mann, der den Kopf gesenkt hielt. Ein warmes Gefühl strömte von seiner Brust aus. Dann legte er ruhig seine Hand auf Daniels umherwandernde Hand, der hob sein Gesicht und ihre Blicke trafen sich.

Daniel fühlte sich mit einem Mal geborgen. Die Wärme von Gabriels Hand strahlte auf seine aus, wanderte seinen Arm hoch direkt ins Herz. Sein Schwanz pochte gegen die engen Jeans.

„Es würde mich freuen, wenn wir uns wiedersehen.“ Die Stimme war dunkel und lockend wie ein erotisches Versprechen. „Gibst du mir dein Handy?“

Daniel fischte es aus der Tasche und gab es Gabriel. Dieser orientierte sich kurz, tippte dann schnell was ein. Kurz klingelte Gabriels Mobiltelefon, dann legte er das Handy von Daniel auf.

„Hier hast du meine Handynummer.“ Gabriel schob den Apparat zurück.

Daniel blickte kurz auf das Display, drehte es um und fing an zu grinsen. „Wow, deine private Nummer?!“

„Ja, meine private Nummer.“ Gabriel schmunzelte. Daniel wusste, dass es nur eine Handvoll Menschen gab, die diese Handynummer kannten, die meisten davon waren Familienmitglieder. Weder sein Vater, ja nicht einmal die McKenzies, noch sonst jemand, den er persönlich kannte, kannten sie. „Du rufst mich einfach an, wenn du in Boston angekommen bist und Zeit hast. Wirst du das machen?“ Die Stimme war sanft, hatte aber zeitgleich einen fordernden Unterton.

„Ja, das werde ich.“ Daniel strahlte den älteren Mann glücklich an.

Ihr Flug wurde aufgerufen. Bald waren sie getrennt. Ein bittersüßer Schmerz schnürte Daniels Herz zusammen.

Während des Flugs kam die Stewardess bei Ihnen deutlich häufiger vorbei als bei anderen Passagieren der ersten Klasse. Der Blick, den sie dabei Gabriel zuwarf, war eindeutig zweideutig. Gabriel schaffte es spielerisch leicht, gleichzeitig freundlich aber unverbindlich darauf zu reagieren.

Daniels Stimmung sank immer mehr, je näher sie New York kamen. Als das Flugzeug auf dem Boden aufsetzte, war er auf dem Tiefpunkt seiner Laune angekommen.

Gabriel legte seine Hand auf Daniels Knie. „Wir werden uns wiedersehen, Kleiner.“

Daniel war es zwar weiterhin flau im Magen, aber er fühlte sich nicht mehr ganz so unsicher. Er legte seine Hand auf Gabriels. Der sah ihn aufmunternd an und drückte ihn kurz.

In diesem Moment ging die Lampe für die Sicherheitsgurte aus. Gabriel zog seine Hand weg und stand geschmeidig auf.

„Ich werde mich melden.“ Daniel zwang sich zu einem Lächeln.

Gabriel nickte dem jungen Mann knapp zu und entfernte sich. Er drehte sich nicht mehr nach Daniel um. Als er aus dem Flugzeug stieg, schob er jeden weiteren Gedanken an ihn von sich. Er befasste sich gedanklich schon mit dem Bericht, den er für seinen Bruder verfassen würde und dachte keine weitere Sekunde an Daniel.

 

Etwas später landete der Flieger endlich in Boston. Daniel wurde in der Ankunftshalle von seinem Vater in Empfang genommen. William Ellison nickte ihm nur zu und brachte ihn schweigend zu ihrem Stadthaus. Die Hand seines Vaters lag schwer auf seiner Schulter, als er ihn ins Haus schob.

Die Tür fiel geräuschvoll ins Schloss. Ein ungutes Gefühl kroch in Daniel hoch. Er schluckte mühevoll. Keine Begrüßung am Flughafen, nur ein knappes Nicken und noch immer dieses frostige Schweigen. Er drehte sich zu seinem Vater um.

In diesem Moment wurde er mit voller Wucht von ihm geschlagen. Für ein paar Sekunden empfand er nur Fassungslosigkeit, dann flammte seine ganz rechte Gesichtshälfte im heftigen Schmerz auf. Daniel griff nach seinem Mund. Er blickte auf seine Hand, die blutbesudelt war.

„Du kleiner Wichser! Du wirst Gabriel Sinclair nie wiedersehen.“ William bugsierte ihn unsanft die Treppe hoch in sein Zimmer. Ein paar Mal stolperte er, doch er wurde unbarmherzig weitergestoßen.

„Wieso? Ich versteh‘ nicht!“

Aus seinem Zimmer hatte man den PC und den Laptop entfernt. Sein Vater tastete ihn ab, fischte sein Handy, seine Geldbörse und seine Schlüssel aus der Jacke und stieß in auf sein Bett.

„Bis dein Semester anfängt, hast du hier Zeit, über das nachzudenken, was du getan hast.“

Daniel befühlte seine anschwellende Gesichtshälfte. „Was habe ich denn getan?“

Sein Vater blickte ihn hasserfüllt an. „Du hast mit einem Mann herumgehurt.“

„Ich bin schwul! Ich habe euch das doch schon erzählt“, versuchte Daniel zu erklären.

„Du bist nicht homosexuell. Gabriel, dieser Mann, er hat dich verführt und missbraucht. Ich werde ihn umbringen.“

Daniel zuckte zusammen. Sein Vater war wie im Wahn. Die Türe knallte zu und der Schlüssel drehte sich zweimal um. Er sank aufs Bett, legte sich seitlich hin, zog die Beine an und schlang die Arme darum. Er wusste nicht, wie lange er einfach auf dem Bett lag, betäubt von dieser neuesten Entwicklung.

Sein Vater hatte ihm alle Möglichkeiten genommen, mit Gabriel oder mit der Außenwelt zu kommunizieren. Er fuhr mit den Fingern über seine Lippen, die höllisch schmerzten. Es war das erste Mal, dass sein Erzeuger ihn geschlagen hatte. Dieser hatte ihn sonst noch nie geprügelt oder auch nur einen Klaps verpasst, das hatte, wenn überhaupt, seine Mutter getan, wenn er etwas Dummes angestellt hatte. Sein Vater war immer kühl und distanziert, später, nach seinem Outing, dann voller Verachtung für ihn, aber nie gewalttätig - bis jetzt.

Er schloss die Augen. Er war einsam und verlassen. Die Ausweglosigkeit seiner Situation lähmte ihn. Schlussendlich fiel er in einen unruhigen Schlaf.

 

Mittwoch, 6. Oktober 2010, vormittags

Als er aufwachte, dröhnte ihm der Schädel, seine Augen waren verklebt. Er hatte einen pelzigen Geschmack im Mund, seine Lippen brannten und er war durstig, aber insgesamt fühlte er sich deutlich besser als gestern. Der Schlaf hatte ihm gutgetan.

Ein Teil seines Optimismus war zurückgekehrt. Irgendjemand hatte ein Tablett mit Frühstück und Wasser, eine Zahnbürste mit einer Tube Zahnpasta und sogar Rasierzeug neben der Tür hingestellt. Er wusch sich und frühstückte.

Er blickte aus dem Fenster vom ersten Stock runter auf die recht belebte Straße. Solange es Tag war, konnte er schlecht unbemerkt herausklettern. Verdammt er war unter Zeitdruck, ansonsten würde er gelassen abwarten, wie sich das Ganze weiter entwickelt.

Aber Gabriel wartete auf seinen Anruf. Dieser bliebe nicht ewig geduldig, schließlich wusste er nichts über seine derzeitige Situation. Daniel wägte ab, wie viel Zeit ihm noch blieb. Normalerweise hätte er ihn schon gestern Abend angerufen und mitgeteilt, dass er gut angekommen sei. Spätestens aber heute hätte er Kontakt aufgenommen. Gabriel würde vielleicht bis morgen, wenn er Glück hatte, sogar bis übermorgen warten. Aber spätestens danach wäre er für Gabriel gestorben.

Er fuhr mit beiden Händen frustriert durch die Haare. Langsam drehte er sich um die eigene Achse. Er erblickte einen kleinen Rucksack – besser als nichts. Er packte einen dicken Pullover, das Waschzeug und einen Auszug seines Kontos ein. Wenn er Zugriff auf das Geld seines Kontos hätte, würde alles gut. Eine Viertelmillion wartete dort auf ihn.

Ursprünglich hatte er mit einfachen Schülerjobs einen Grundstock angelegt. Schon bald aber stellte er fest, dass er in absehbarer Zeit so nicht genug Geld verdiente. Sein Talent waren ja Zahlen. Zusammen mit seinem älteren Freund Bill fing er an zu spielen. Er brachte das Können und das Geschick, Bill das notwendige Alter mit. Den Gewinn teilten sie sich. Da sie nie gierig wurden und regelmäßig die Spielhäuser wechselten, verdienten sie richtig gut, ohne dass jemand seinem Alter auf die Schliche kam.

Aber auch mit dem Zocken nahmen sie nicht genug ein. Sie fingen an zu investieren. Das Auf und Ab des Marktes war auch nur ein riesiges Glücksspiel. Hier zeigte sich erneut sein Talent für Zahlen und dem Spiel. Hier sahnten sie vollends gut ab. Wenn seine derzeitige Situation nicht so beschissen wäre, hätte er grinsen müssen, denn das meiste Geld verdienten sie inzwischen mit ihren Investitionen in die Sinclair Corporation.

In Gedanken plante er seine Flucht. Heute kämme er nicht mehr zur Bank, aber spätestens morgen Früh, vor dem üblichen Berufsverkehr, müsste er das Haus verlassen haben. Die Bank machte um neun Uhr auf.

Leise vor sich hin fluchend, kramte er durch seine Sachen. Zum hundertsten Mal fragte er sich, warum er nicht versucht hatte, Gabriels Nummer auswendig zu lernen. Er hätte nur einmal die Telefonnummer richtig ansehen müssen, das hätte für ihn gereicht, sie zu memorieren. Aber er hatte nicht erwartet, dass ihm sein Handy abgenommen würde. So hatte er nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen.

Verdammt, verdammt! Er wurde immer kribbliger, vor allem weil er ihm Moment nichts tun konnte. Die Zeit rann ihm davon. Er hätte, wenn alles normal verlaufen wäre, Gabriel schon längstens angerufen. Die Sehnsucht nach ihm stieg in ihm hoch. Mehr als alles andere wollte er bei Gabriel sein. Er biss sich auf die Lippen und stöhnte schmerzvoll auf. Die Verletzung auf seiner Oberlippe hatte er ganz vergessen.

Er stand auf und tigerte nervös umher. Jetzt musste er auch noch auf die Toilette. Er hämmerte an die Tür und wartete eine halbe Ewigkeit.

Sein Vater öffnete die Tür. Die Augen waren zu Schlitzen verengt. Der Hass und die Verachtung schlugen Daniel unvermindert entgegen.

„Ich muss auf die Toilette.“

„Meinetwegen! Ich bringe dich hin. Komm aber nicht auf dumme Gedanken.“

Daniel atmete tief ein. „Wie lange willst du mich im Zimmer einsperren?“

„Solange es nötig ist.“

Sein Vater führte ihn ins Badezimmer. Daniel erleichterte sich dort. Er wusch sich die Hände und blickte in den Spiegel. Sein Gesicht war nicht mehr geschwollen, aber er hatte eine deutliche Verfärbung um sein rechtes Auge. Er bekam sonst nie blaue Flecke, nur bei sehr heftigen Prellungen. Die verschorften Lippen zeigten, wo der Handrücken und der Siegelring seines Vaters ihn getroffen hatten. Er tastete vorsichtig diesen Bereich ab. Wenn er seine Nase krauszog, schmerzte es höllisch.

Er öffnete die Badeschranktür und überflog kurz den Inhalt. Er wog ab, ob der Vorteil der Sachen, die er hier mitnehmen konnte, das Risiko, erwischt zu werden, übertraf. Nein, nichts hiervon war wichtig oder nützlich.

Er schluckte zwei Schmerztabletten. Er entriegelte die Tür und ließ sich wieder in sein Zimmer zurückführen. Dort tastete ihn sein Vater kurz ab.

 

Am gleichen Tag, vier Uhr nachmittags