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Beten ist eine uralte spirituelle Praxis, die tief in unserer Kultur verwurzelt ist. Manfred Mohr – bekannt durch den Bestseller »Bestellung nicht angekommen« – lädt dazu ein, das Beten in einer neuen Form wieder für uns zu entdecken. Besonders, wenn es um schwierige Lebenssituationen geht, konnte uns das Gebet seit jeher Hilfe und Rückhalt vermitteln. Im Grunde ist das Gebet nur eine andere Form des Bestellens. Die angebotenen Gebete für jede Lebenslage sind ähnlich wie Wünsche formuliert. Ritualisiert, laden sie den Leser ein, die Hinwendung an die Schöpfung als festen Bestandteil des Alltags zu begreifen.
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Seitenzahl: 183
Manfred Mohr ist Seminarleiter und Autor rund um die Themen Wunscherfüllung und Selbstliebe. Mohr war mit der im Oktober 2010 verstorbenen Bestsellerautorin Bärbel Mohr („Bestellungen beim Universum“) verheiratet. Mit den gemeinsamen Zwillingen lebt er in der Nähe von München. Er führt Bärbel Mohrs geistiges Erbe weiter.
www.manfredmohr.de
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1. Auflage
Originalausgabe Dezember 2016
Copyright © 2016 Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: FinePic®, München
Lektorat: Judith Mark, Freiburg
SSt · Herstellung: cb
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN: 978-3-641-19695-0V001
www.goldmann-verlag.de
Das Gebet ändert nicht Gott, sondern den Betenden.
Søren Kierkegaard
Inhalt
Einleitung
Mit dem Herzen beten
Abwoon d’bwaschmaja – das aramäische Vaterunser
Dein Herzgebet entdecken
Vom Beten, Fühlen und Bestellen
Meine Beziehung zum Universum
Die Kunst des lauten Schweigens
Die Räume der Liebe
Die vier Elemente
Partnerschaft
Familie
Beruf
Verlust
Anhang
Einleitung
Wofür ein Mensch auch beten mag – er betet um Wunder.
Iwan Sergejewitsch Turgenjew
Jeder, der schon Erfahrungen mit dem Bestellen beim Universum gesammelt hat, kommt früher oder später zu dem Schluss, dass Wünsche am besten im Gefühl von Liebe und Dankbarkeit gelingen. Denn erst durch die Liebe im Herzen kann es mir gelingen, die Kluft zu überwinden, die mich scheinbar vom Universum trennt. Für mich erklärt sich dies einfach damit, dass erst, wenn ich die Liebe in mir entdecke, mir auch der wichtigste Teil in mir selbst zur Verfügung steht. Denn die Liebe in mir ist mein Anknüpfungspunkt zur Schöpfung. Solange ich von diesem wesentlichsten Aspekt meiner selbst getrennt bleibe, schließe ich mich gewissermaßen selbst aus meinem Universum aus. Wie so oft, gilt auch hier der Grundsatz: »Wie innen, so außen«. Erst die Entdeckung der Liebe in mir eröffnet mir im Anschluss auch die Liebe im Universum und um mich herum. Um zu entdecken, dass alles Liebe ist, braucht es zuerst die Liebe zu mir selbst.
Damit schließt die Liebe einen Kreis, der bei den Bestellungen beim Universum begonnen hat, und der mich jetzt, mit Gebete ans Universum, zum Beten geführt hat. Schon in den ersten beiden Büchern dieser neuen Reihe habe ich auf die Ähnlichkeit von Bestellen und Beten hingewiesen. Hier möchte ich beides nun zusammenführen. Was wiederum eine schöne Qualität der Liebe ist: Sie möchte verschmelzen, was scheinbar voneinander getrennt ist.
Im ersten Buch dieser Reihe, Bestellung nicht angekommen, bin ich vor allem auf die Wichtigkeit der inneren Haltung beim Wünschen eingegangen. Denn wie gut unsere Technik und wie ausgefeilt unsere Wunschlisten auch sein mögen – letztlich sind doch immer nur wir selbst diejenigen, die den Kontakt zum Universum aufbauen können. Diese Verbindung beruht allein auf dem Eingestimmtsein auf mein Herz und die Liebe und wird maßgeblich gestört, wenn wir Ablehnungen in uns hegen und pflegen. Denn auch Ablehnungen sind unbewusste Bestellungen, und darum bekommen wir manchmal genau das geliefert, was wir am wenigsten möchten. Eben, weil wir es so sehr abgelehnt haben.
Im zweiten Buch dieser Reihe, Danke für die Lieferung, habe ich diesen Faden wieder aufgegriffen und beschrieben, wie wir unsere Ablehnungen überwinden können. Denn offenbar stehen wir uns beim Wünschen manchmal selbst im Weg, wenn wir nicht in der Liebe sind. Danke für die Lieferung handelt darum von der grundsätzlichen Kraft der Akzeptanz, die das Gegenteil der Ablehnung darstellt. Denn nur dort, wo wir etwas auch wirklich akzeptieren können, schenkt uns das Universum die Kraft, es zu verändern. Dort fällt unsere Bestellung auch auf fruchtbaren Boden. Dies rührt daher, dass »Akzeptanz« im Grunde nur ein anderes Wort für »Liebe« ist. Und Liebe ist die größte Kraft im Universum. Verharren wir in einer ablehnenden Haltung, steht uns diese universelle Lebensenergie nicht oder nur spärlich zur Verfügung. Und unsere Verbindung zum Universum baut sich erst gar nicht auf.
Was bei den Bestellungen beim Universum noch etwas im Verborgenen blieb, wird erst beim Beten wirklich deutlich: Beten ist im Grunde lieben. Thérèse von Lisieux sagte es ganz ähnlich: »Beten heißt nicht, viel reden, sondern viel lieben.«
Wenn eine Bestellung am besten erfüllt wird, wenn wir ganz in Liebe gestimmt sind, dann möchte uns das Universum auf diese Weise doch offenbar und unzweifelhaft zeigen, worum es im Leben grundsätzlich geht: um Liebe. Wenn wir aus einer liebevollen Grundhaltung heraus wünschen, wird das, was wir wünschen, zum Wunsch des Universums. Die Liebe überwindet auch diese Trennung.
Darum gilt: Was auch immer wir in unserem Leben gemacht haben und noch machen werden, es geht doch letztlich nur darum, mit wie viel Liebe wir es tun. Mutter Teresa, die im Herbst 2016 heiliggesprochen wurde, hat unermüdlich immer wieder auf die Bedeutung der Liebe hingewiesen. So war sie der Meinung, dass wir nicht alle dazu in der Lage sind, große Dinge in dieser Welt zu vollbringen. Aber wir alle können kleine Dinge tun, und das mit ganz viel Liebe.
Beten ist darum so eminent wichtig. Denn beim Gebet treten wir in eine direkte Verbindung zu Gott. Und damit wird es uns ermöglicht, auch Kontakt zur Liebe zu bekommen.
Von dem Benediktinermönch Johannes von Kastl, der im 15. Jahrhundert lebte, ist die Aussage überliefert: »Liebe ist der Weg Gottes zu den Menschen und der Weg der Menschen zu Gott.« So, wie uns die Liebe zu einem geliebten Partner leiten kann, so möchte sie uns noch weiter führen, zu einer grundlegenden Akzeptanz dem Leben gegenüber. Liebe kann unsere Verbindung zum Universum immer weiter intensivieren, bis schließlich auch Gott zum Thema wird. Wer den Weg der Liebe geht, wird an dessen Ende auch in eine Beziehung zu seinem Gott treten. Beten ist der Weg, den wir Menschen seit alters her zu diesem Zweck beschritten haben.
Und wir werden dies sicherlich auch weiterhin tun. Wenn der Weg das Ziel ist, dann führt er uns alle, als Menschheit, hoffentlich schon bald dorthin, wohin er uns ganz offensichtlich führen möchte: hin zur Liebe.
Auf den folgenden Seiten möchte ich berichten, wie ich zum Beten gefunden habe und wie ich heute bete. Ich stelle dabei meine Lieblingstexte vor, die ich meine »Herzgebete« nenne, und ich möchte auch das Hauptgebet des Christentums, das Vaterunser, aus einer neuen Perspektive betrachten. Darüber hinaus möchte ich Gebete vorstellen, die in den unterschiedlichsten Lebenslagen Trost und Hilfe schenken können. Diese Gebete sind auf vier große Lebensthemen bezogen, die wohl nahezu jeden von uns betreffen: Partnerschaft, Familie, Beruf und Verlust.
An das Ende jedes Kapitels habe ich kleine Verse gesetzt. Für mich ist es selbstverständlich geworden, meine Gebete in Form von Gedichten abzufassen. Und ich wünsche mir und bete darum, jedem Leser Mut machen zu können, für sich selbst das Beten neu zu entdecken.
Manfred Mohr
Die Liebe zu kennen ist Glück,
die Liebe zu teilen ist Freude,
die Liebe zu segnen ist Erfüllung,
die Liebe zu werden ist … dein Geheimnis.
Mögen alle Menschen die Liebe entdecken.
Mögen alle Menschen die Liebe teilen.
Mögen alle Menschen die Liebe segnen.
Mögen alle Menschen ihr Geheimnis entdecken und die Liebe werden, die sie sind.
1
Mit dem Herzen beten
Wer beten will, der richte sich eine Kapelle zu in seinem Herzen.
Alter Spruch
Um ehrlich zu sein: Mir hat niemand jemals wirklich gezeigt, wie ich beten sollte. Vielleicht geht es dir ja ebenso. Viele Religionen legen zwar großen Wert auf das Gebet, aber wie genau es praktiziert werden soll, bleibt dabei doch sehr offen. Denn auch hier geht es, ähnlich wie beim Bestellen, weniger um die äußere Technik als vielmehr um ein inneres Sich-Einstimmen auf die Schöpfung und deinen Gott. Darum möchte ich dir gleich zu Beginn dieses Buches meine Art und Weise zu beten vorstellen. Sieh es bitte als Angebot und als Einladung. Du kannst dann gern deine eigene Form daraus ableiten. Wesentlich ist dabei besonders die Hinwendung zum Herzen. Denn dort können wir in Kontakt zur Liebe treten, die dort wohnt. Und damit öffnen wir auch die Tür zu unserem Universum.
Um zu beten, wähle ich eine besondere Zeit. Meiner Erfahrung nach eignet sich dafür besonders gut der frühe Morgen nach dem Aufstehen. Manchmal nutze ich dazu auch den späten Abend vor dem Schlafengehen. Diese Momente des Tages haben gemeinsam, dass ich ohnehin schon innerlich ruhig bin und meine Gedanken einigermaßen geordnet sind.
In meinem Haus habe ich einen Platz zum Beten eingerichtet, einen kleinen Altar, auf dem ich dann eine Kerze entzünde. Ich setze mich auf mein Meditationskissen davor und schließe die Augen. Dann besinne ich mich auf mein Herz. So, wie ich mich im Äußeren mit dem Altar und meinem Sitzkissen für mein Gebet bereit gemacht habe, stimme ich mich nun auch in meinem Herzen dazu ein. Gleich zeige ich dir noch genauer, wie du dies für dich tun kannst.
Dann spreche ich innerlich einen Text, der mich je nach meiner aktuellen Situation und Befindlichkeit besonders anspricht und mich mit meinem Herzen verbindet. Eine Auswahl dieser Herzgebete habe ich weiter hinten in einem gesonderten Kapitel aufgeführt (Kapitel 3). Nach dieser Vorbereitung, und wenn ich mich dann ganz in Frieden und in meiner Mitte fühle, spreche ich die Gebete, um die es mir in diesem Moment besonders geht. Meist lasse ich mich dabei vom Augenblick leiten. Häufig bete ich für meine Kinder und meine Lebensgefährtin, für die Gesundheit von Freunden oder Angehörigen, oder, ganz aktuell, für die Flüchtlinge und eine gute Lösung dieser besonderen Situation. In den folgenden Kapiteln habe ich Beispiele für solche Gebete aufgeführt.
Ich beende dieses Ritual dann mit einem Dankgebet, in dem ich für alles Gute in meinem Leben danke, was im Moment vorhanden ist. Mit diesem Danke im Herzen gehe ich in den Tag. Ich fühle mich dann freudig und voller Tatendrang.
Wenn du für dich das Beten wieder neu entdecken und in dein Leben integrieren möchtest, dann mach doch ebenfalls ein kleines Ritual daraus. Dazu gehört, dir zunächst einmal einen festen Zeitpunkt dafür auszusuchen. Wenn du Langschläfer bist, ist vielleicht der spätere Abend für dich geeignet. Gehst du gern früh ins Bett, dann wähle, so wie ich, den frühen Morgen. Empfehlenswert ist, dich gerade zu Beginn nicht zu überfordern, denn das Beten soll Freude machen und im Rahmen deiner Möglichkeiten bleiben. Bei mir zum Beispiel war in den ersten Jahren nach der Geburt meiner Zwillinge kein regelmäßiges Beten und Meditieren möglich. Ich tat es nach durchwachter Nacht eben dann am Tag oder ließ es auch manchmal ausfallen. Also, mach bitte keine reine Pflichtübung daraus, fühl dich frei, je nach Situation auch flexibel zu bleiben!
Beginne deinen Tag am besten mit einem Gebet!
Nun wähle einen Platz in deinem Zimmer, der sich für das Beten eignet. Ich selbst bin an mein Sitzkissen gewöhnt, du kannst aber gern auch einen Stuhl oder einen Sessel verwenden. Mein Altar ist ein kleiner Tisch, den ich mit Engeln und Heiligenbildern verschönert habe. Du kannst ebenso gut auch eine Decke auf den Boden legen, und bestimmt findest du ebenfalls Fotos oder Dinge, die du als passend für deinen Gebetsplatz erachtest. Eine Kerze, die während des Gebetes brennt, finde ich ebenfalls sehr stimmig. Du kannst auch Räucherkerzen entzünden oder besondere Düfte versprühen, wenn du magst. Sei ganz kreativ. Wenn es dich unterstützt, dann lass gern auch ruhige Musik leise im Hintergrund laufen. Richte alles einfach so ein, wie es dir am meisten Freude bereitet und wie es sich für dich richtig anfühlt.
Hinter meinem Altar habe ich ein großes Bild des Dalai Lama aufgehängt. Er ist dort bei einem großen Event in der Lüneburger Heide zu sehen, an dem ich Ende der 90er-Jahre teilnehmen durfte. Die Stimmung dort war sehr feierlich, und dieses besondere Foto erinnert mich daran. Für mich ist es also sehr passend für meinen Altar. Sicher hast auch du ein Bild oder eine Erinnerung, die du vielleicht in ähnlicher Weise hinter deinen Altar platzieren kannst.
Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, den du für dein Gebet ausgewählt hast, entzünde die Kerze, und richte dir alles so ein, wie du es gerne magst. Setze dich dann auf deinen Platz vor deinem Altar. Um dich auf dein Herz einzustimmen, kannst du eine Möglichkeit wählen, die du vielleicht bereits kennst. Etwa dein Herzchakra visualisieren oder deinen Herzton singen. Ich persönlich lege meist einfach die Hände auf die Mitte der Brust und spüre die aufsteigende Wärme. Mehr braucht es gar nicht.
Um eine Verbindung zur Schöpfung aufzunehmen, spreche ich anschließend ein Gebet, das mich in diesem Moment besonders anspricht. Meist ist es einfach das Vaterunser oder eines der Herzgebete, die ich dir weiter unten vorstelle. Auch hier fühle dich frei, dein für dich passendes Gebet zu verwenden. Dies kann ein christlicher Text sein ebenso wie ein buddhistisches Mantra.
Nun kannst du deine eigenen Gebete zu den Dingen sprechen, die dich gerade besonders beschäftigen. Vielleicht hast du Freude daran, im Rahmen dieses kleinen Rituals auch bestimmte Gebete immer wieder zu sprechen, als festen Rahmen und Abschluss. Ich tue dies beispielhaft immer für meine Kinder. Im Kapitel »Familie« (Kapitel 10) habe ich einige Gebete aus diesem Bereich für dich zusammengestellt.
Lieber Gott,
bitte schütze meine Kinder
und pass gut auf sie auf.
Amen.
Zum Schluss danke ich dann dem Himmel für alles, was er mir hat Gutes angedeihen lassen. Hier kannst du innerlich kurz all die Dinge ansprechen, für die du in deinem Leben dankbar bist. Deine Familie, dein Haus, deine Arbeitsstelle, dein Auto, deine netten Freunde und Kollegen, deine Gesundheit. Geh einfach innerlich all das durch, was dir einfällt, für das du dankbar sein kannst. Du kannst auch einmal eine Liste all der Dinge erstellen, für die du von Herzen dankbar bist. Dieses Gebet könnte beispielsweise so aussehen:
Lieber Gott,
ich danke dir für die vielen glücklichen Momente und Fügungen in meinem Leben.
Danke für meinen Lebenspartner.
Danke für meine Familie.
Danke für meine Wohnung und mein Dach über dem Kopf.
Danke für meine Arbeitsstelle, die netten Kollegen und das Geld, das ich dort verdienen darf.
Danke für meine Freunde und mein gutes Umfeld.
Danke, dass ich bei Kräften und vital sein darf.
Danke.
Amen.
Wenn ich mein Dankgebet spreche, stelle ich mir abschließend auch noch vor, wie all die Engel und Wesen, die bei der Erfüllung meines Gebetes mitgeholfen haben, dabei von mir in meinem Herzen beschenkt werden. Ich wünsche auch ihnen alles Gute und schließe sie in mein Gebet mit ein.
Eine Ausnahme bildet bei meinem Morgengebet der Sonntag. An diesem Tag schlafen die meisten Menschen länger als sonst, und es ist besonders am Morgen noch sehr friedlich. Wenn ich sonntags wach werde, bete und meditiere ich darum gern auch etwas länger. Vielleicht hast du ja ebenfalls Freude daran.
Wenn du dich dazu entschließt, so wie ich am Morgen zu beten, gibt es die Möglichkeit, dabei gleich ein Morgengebet für den kommenden Tag mit einzubauen. Natürlich kannst du hier dein eigenes Gebet kreieren; ich möchte dir aber auch einige Morgengebete zur Auswahl vorstellen. Die beiden ersten sind aus dem Volksmund überliefert, das dritte stammt von Martin Luther:
In Gottes Namen steh ich auf; Herr Jesus, leite meinen Lauf; Begleite mich mit deinem Segen; Behüte mich auf allen Wegen. Amen.
Wie fröhlich bin ich aufgewacht, wie hab ich geschlafen so sanft die Nacht. Hab' Dank, du Vater im Himmel mein, dass du hast wollen bei mir sein. Behüte mich auch diesen Tag, dass mir kein Leid geschehen mag. Amen.
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir.
Amen.
Neben dem festen Ritual des Betens einmal am Tag, das ich persönlich sehr empfehlen möchte, finde ich aber auch im weiteren Tageslauf noch Gelegenheiten, ein Gebet zu sprechen. Beispielsweise bete ich immer einmal wieder dann, wenn ich auf die Bahn warte und an der Haltestelle einige Minuten ganz für mich verbringen darf. Ebenso kann ich die anschließende Fahrt mit der Bahn dazu nutzen. Ich persönlich finde auch das Spazierengehen sehr meditativ und nutze es oftmals zum Beten. Die Natur ist sowieso in ihrer Ursprünglichkeit so etwas wie ein natürlicher Tempel für mich. Manchmal bete ich vor einem schönen Baum, an einem See oder einem Berg. Besonders im Urlaub gibt es gute Gelegenheiten, einmal ganz entspannt am Meer zu beten. Also, Möglichkeiten zum Gebet gibt es genug, ganz besonders dann, wenn sich ganz unerwartet Momente der Muße ergeben, in denen ich nicht »funktionieren«, nichts Bestimmtes tun muss. Warum also nicht auch im morgendlichen Stau bei der Fahrt zur Arbeit einmal beten? Das ist sicherlich sinnvoller, als sich einmal mehr über die Wartezeit aufzuregen.
Auch im Tagesablauf lassen sich kleine Gelegenheiten zum Beten entdecken.
Ja, und was soll das nun?, magst du dich jetzt vielleicht fragen. Was bringt es, jeden Tag zu beten? Im Laufe der Zeit konnte ich einige gute Argumente zusammentragen, warum das Beten als tägliche Praxis durchaus nutzbringend für mich ist. Denn eine gute Anbindung an die Schöpfung kann durchaus vielfältige positive Konsequenzen für mich haben:
Tief entspannte Momente beim Beten wirken sich beruhigend auf Herz und Kreislauf aus. Es hat sich gezeigt, dass Stresspatienten, denen gezielte Techniken zur Entspannung beigebracht werden, weniger Medikamente nehmen müssen, um ihr Herz zu beruhigen. Beten in der hier vorgestellten Form könnte solch eine Methode sein.Nonnen, die längere Zeit im Kloster lebten, weisen statistisch gesehen eine um 26 Prozent längere Lebenserwartung auf als der untersuchte Durchschnitt. Beten stellt einen wichtigen Bestandteil ihres täglichen Alltags dar.Die moderne Glücksforschung hat herausgefunden, dass Menschen, die sich als glücklich bezeichnen, vielfach an einen höheren, übergeordneten Sinn im Leben glauben. Dieser Glaube muss nicht notwendigerweise einen religiösen Hintergrund aufweisen – aber umgekehrt ist ein religiöser Hintergrund sicherlich auch nicht schädlich.Natürlich hat das Gebet als solches auch noch den bestimmten Zweck, zu dem es gebetet wird. Oft wirkt ja allein schon erleichternd, seine Bitte Gott oder der Schöpfung vorgetragen zu haben und Beistand und Hilfe zu erbitten. Wir alle wissen auch aus eigener Erfahrung oder aus den Berichten anderer Menschen, dass Gebete auch erhört werden. So soll der Dalai Lama, von dem ich eben berichtete, bei seiner Flucht aus Tibet für eine gute und wohlbehaltene Ankunft auf der anderen Seite des Himalaya gebetet haben. Er sah sich in seinem Gebet in seinem neuen Heim sicher ankommen und dort wohnen.Zur unmittelbaren Wirkung des Gebets möchte ich noch eine Begebenheit aus meiner Beratungspraxis erzählen. Vor Kurzem hatte ich einen Gasthund zur Pflege, als mich eine Klientin zu einem Beratungsgespräch zu Hause aufsuchte. (Natürlich machten wir das Coaching auf der Couch, wo sonst?) Der Hund lag ganz nach Hundeart nah bei uns auf seinem Platz und döste völlig unbeteiligt vor sich hin. Als meine Klientin sich dann aber im Beten übte, kurz die Augen schloss und Kontakt zu ihrem Herzen aufnahm, wurde der Hund munter. Er schaute gespannt zu ihr hinüber, schlich sich leise an sie heran und setzte sich einen halben Meter entfernt vor sie hin. Er ließ sie die folgenden Minuten nicht aus den Augen. Offensichtlich spürte er, wie die Frau ihr Herz öffnete. Als ich sie dann bat, die Augen wieder zu öffnen, musste sie schallend lachen. So viel ungeteilte Aufmerksamkeit von einem Hund hatte sie wohl noch nie bekommen.
Wie es scheint, reagiert also auch unsere Umwelt unmittelbar darauf, wenn wir uns zum Gebet innig mit unserem Herzen verbinden. In einem Vortrag erzählte Masuro Emoto, der sich besonders durch die Erforschung der Wirkung von Worten und Gebeten auf Wasser einen Namen gemacht hat (vgl. Literaturverzeichnis), von einem Kind, das die Wirkung von Worten auf Sonnenblumen untersucht hat. Es nahm einfach zwei solcher Blumen und sagte zur einen immer »Danke« und zur anderen stattdessen »Blödmann«. Es tat dies einige Wochen lang, immer wenn es diese beiden Pflanzen sah. Danach wurden die Sonnenblumen ausgetopft, und es zeigte sich, dass die Wurzeln der »blöden« Blume nur sehr schwach ausgebildet waren. Die bedankte Blume dagegen wies viel stärkere und weiter verzweigte Wurzeln auf.
Gute Gedanken und Gebete wirken also auf unsere Umwelt, auch wenn dies auf den ersten Blick gar nicht erkennbar sein mag. Ich würde es so formulieren, dass ich durch mein Gebet etwas in mein Herz einlade, was meiner Meinung nach in meinem Leben noch fehlt und/oder besser sein könnte. In meinem Gebet sehe ich es voraus, so wie der Dalai Lama das Ziel seiner Reise, und so kann es dann in meinem Leben Wirklichkeit werden. Bete ich also um eine neue Stelle, so wirkt dieser Wunsch durch mein Herz und lädt die neue Möglichkeit in mein Leben ein.
Wie das Motto dieses Kapitels es ausdrückt, sollten wir, um zu beten, eine Kapelle in unserem Herzen einrichten, also in uns einen Raum für das Beten schaffen. Das Herz ist der Ort in unserem Körper, wo wir mit unserer Liebe ganz verbunden sein können. Und die Kraft, die beim Beten vor allem wirkt, ist diese Liebe. Darum ist das Fokussieren auf das Herz dabei so eminent wichtig.
Immer wieder weist die Bibel darauf hin, dass Gott Liebe ist. Jesus als menschgewordener Gott ist Sinnbild für diese Liebe. In der christlichen Tradition ist Jesus darum der Inbegriff eines Gottesbildes, das die Gotteskindschaft des Menschen betont: Wir Menschen sind geliebte Kinder Gottes. Alles, was geschieht, spiegelt die Liebe Gottes – auch wenn wir dies nicht oder noch nicht verstehen können.
Hildegard von Bingen sagt es so:
Von der Tiefe bis hoch zu den Sternen überflutet die Liebe das All, sie ist liebend zugetan allem, da sie dem König, dem höchsten, den Friedenskuss gab.