Gedenkrede auf Rathenau - Thomas Mann - E-Book

Gedenkrede auf Rathenau E-Book

Thomas Mann

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Am 24. Juni 1922 war der damalige deutsche Reichsaußenminister Walter Rathenau von Rechtsnationalisten ermordet worden. Thomas Manns Rede, die er im Jahr darauf anlässlich einer Gedenkfeier hielt, entspricht inhaltlich dem Schlussteil seines Artikels für The Current History, den er dort im selben Monat – auf Englisch – veröffentlichte, und wurde am 28. Juni 1923 in der Frankfurter Zeitung abgedruckt. Humanität ist für Mann mittlerweile »die Idee der Zukunft« und er führt aus, »daß Republik, ideell genommen und von mangelhaften Wirklichkeiten abgesehen, nichts anderes ist, als der politische Name der Humanität«. Nachdem er in den Jahren zuvor stets versucht hatte, die neu erworbene, republikanische Sichtweise teilweise noch im Kontext seiner früheren, antidemokratischen Gedanken zu erklären und damit eine Art stringenter Entwicklung nachzuzeichnen – setzt er sich in diesem Text mittlerweile klar von der Vergangenheit ab. Mit Walter Rathenau hatte Mann sich, auch wenn er dessen publizistischer Tätigkeit nicht allzu viel Bedeutung beimaß, gelegentlich brieflich ausgetauscht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 17

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thomas Mann

Gedenkrede auf Rathenau

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{677}Gedenkrede auf Rathenau

Meine Damen und Herren,

Sie wissen, daß ich es berufenerem, beredterem Munde überlassen darf, die eigentliche Gedenkrede unserer heutigen Morgenfeier zu halten. Wenn ich, gewiß nicht aus eigenem Verlangen, sondern jugendlichem Andringen nachgebend, zu Beginn das Wort ergreife, so thue ichs nur, um mit einigen Sätzen den Geist und Sinn dieser Feier zu kennzeichnen. Sie ist nicht gemeint als Demonstration und Heerschar, nicht als ein Auftrumpfen politischer Rechthaberei. Sie ist friedlich, herzlich und menschlich gemeint, – wie es anders auch garnicht dem genius loci genehm wäre, dem Genius unserer Stadt, die immer herzlich und menschlich und frei und lebensfreundlich war und nicht aufhören könnte, das alles zu sein, nicht eines Tages ins Düstere, Verbissene und Gehässige sich wandeln könnte, ohne an ihrem heiteren Ruf als Stadt des Lebens, des Volkes und der Jugend, einem wahrhaft demokratischen Ruf, den betrüblichsten Schaden zu nehmen.

Unsere Zusammenkunft gilt dem Andenken eines hochgesitteten und hochbemühten Mannes, der ein Opfer der wüsten anarchisch-ratlosen Zeiten wurde; eines Mannes, der, da er Europa wohl gefiel, uns allen noch weitgehend hätte nützen können und der im Dienste der allgemeinen Sache ein sinnlos-gräßliches Ende fand. Sie gilt aber daneben der feiertäglichen Besinnung, einer Klärung unserer Gedanken, der Erhebung gewisser Begriffe über den Staub des Wochentages, den Zank der Gasse, damit sie einen Augenblick in ruhiger Reinheit sich erkennen lassen.

Republikanisch gesinnte Jugend war es, die uns zusammenrief. Was ist denn ihre Idee, was ist die Republik? – Etwas ganz {678}