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„Alles, was ich bisher geschrieben habe, ist aus lyrischen Momenten entstanden, gelegentlich mit Ausweitungen bis zu siebenhundert Seiten … Das Gedicht erscheint mir immer noch als das genaueste Instrument, mich kennen zu lernen.“ Günter Grass
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Seitenzahl: 397
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Weil sie kaum Platz einnehmen
auf ihrer Stange aus Zugluft
und nicht nach meinen zahmen Stühlen picken.
Weil sie die harten Traumrinden nicht verschmähen,
nicht den Buchstaben nachlaufen,
die der Briefträger jeden Morgen vor meiner Tür verliert.
Weil sie stehenbleiben,
von der Brust bis zur Fahne
eine duldsame Fläche, ganz klein beschrieben,
keine Feder vergessen, kein Apostroph…
Weil sie die Tür offenlassen,
der Schlüssel die Allegorie bleibt,
die dann und wann kräht.
Weil ihre Eier so leicht sind
und bekömmlich, durchsichtig.
Wer sah diesen Augenblick schon,
da das Gelb genug hat, die Ohren anlegt und verstummt.
Weil diese Stille so weich ist,
das Fleisch am Kinn einer Venus,
nähre ich sie. —
Oft bei Ostwind,
wenn die Zwischenwände umblättern,
ein neues Kapitel sich auftut,
lehne ich glücklich am Zaun,
ohne die Hühner zählen zu müssen —
weil sie zahllos sind und sich ständig vermehren.
Über meiner linken Braue
liegen Start und Ziel
für immer begründet.
Wenn sie beginnen,
die Fläche Blau überbrücken,
der Mittag, die lautlose Kurve sie aufnimmt.
Wenn das Gold seinen Arm beugt
und die Uhren entwertet.
Wenn sie stürzen, den Stein nachahmen,
Löcher füllen, welche das Licht übersah.
Wenn sie der jungen Frau,
die sich über den Himmel lehnt,
um die Blumen und auch das Unkraut zu begießen,
die weiße Seite aufschlitzen,
bis ihre Milch läuft.
Unter den Bögen, wenn sie das Nadelöhr finden,
die Risse vernähen und keinen Durchblick gewähren.
Wenn sie sich nähern und auf die Stirn deuten,
erkenne ich, daß es Schwalben sind. —
Bald wird es regnen.
Als sie den Faden schnitten —
über der Braue raste das Publikum —,
verließ ich meinen Stehplatz.
Jetzt ist es schwer, die Schleife nur zu erinnern,
den Arm zu heben, ihn etwas fortzuschicken,
damit er allein ist.
Ich muß wiederkommen
und ein Papier steigen lassen.
Wenn sie es dann beschreiben,
werde ich Lesen lernen.
Bevor die grünen Dotter welken —
die Hennen brüten einen frühen Herbst —,
jetzt gleich, bevor die Scherenschleifer
den Mond mit hartem Daumen prüfen,
der Sommer hängt noch an drei Fäden,
den Frost verschließt ein Medaillon,
noch eh der Schmuck, verwandt dem Regen, wandert,
noch eh die Hälse nackt, vom Nebel halb begriffen,
bevor die Feuerwehr die Astern löscht
und Spinnen in die Gläser fallen,
um so der Zugluft zu entgehen,
vorher, bevor wir uns verkleiden,
in ärmliche Romane wickeln,
laßt uns noch grüne Bohnen brechen.
Mit gelben Birnen, einer Nelke,
mit Hammelfleisch laßt uns die grünen Bohnen,
mit schwarzer Nelke und mit gelben Birnen,
so wollen wir die grünen Bohnen essen,
mit Hammelfleisch, mit Nelke und mit Birnen.
Warum wollt ihr mir verbieten, Fleisch zu essen?
Jetzt kommt ihr mit Blumen,
bereitet mir Astern zu,
als bliebe vom Herbst nicht Nachgeschmack genug.
Laßt die Nelken im Garten.
Sind die Mandeln doch bitter,
der Gasometer,
den ihr den Kuchen nennt —
und ihr schneidet mir ab,
bis ich nach Milch verlange.
Ihr sagt: Gemüse —
und verkauft mir Rosen im Kilo.
Gesund, sagt ihr und meint die Tulpen.
Soll ich das Gift,
zu kleinen Sträußchen gebunden,
mit etwas Salz verspeisen?
Soll ich an Maiglöckchen sterben?
Und die Lilien auf meinem Grab —
wer wird mich vor den Vegetariern schützen?
Laßt mich vom Fleisch essen.
Laßt mich mit dem Knochen alleine,
damit er die Scham verliert und sich nackt zeigt.
Erst wenn ich vom Teller rücke
und den Ochsen laut ehre,
dann erst öffnet die Gärten,
damit ich Blumen kaufen kann —
weil ich sie gerne welken sehe.
Wenn die Geräusche eintreten,
sind alle Stühle besetzt.
Nun wird es nicht mehr gelingen,
den Wecker zu überhören.
Nur den Tisch übersehn,
an die Sechzig-Watt-Birne glauben,
ohne ein Heide zu sein.
Sitzen, sitzen, fast Buddha
mit glänzendem Nacken.
Gehen ist leichter,
jede Ecke Zuspruch.
Puppen, fast Liebe, stehen im Fenster,
mit günstigem Preis.
Doch immer noch ist es verboten,
die Scheiben einzuschlagen.
Auch der Wind läuft Reklame.
Regen, welche Wolle fällt leichter,
viele kleiden sich so.
Sitzen oder Gehen.
Jedesmal beim Aufstehen,
ehe die Hand mit dem Hut schläft,
überschlägt sich der Wecker,
tut dann, als wär gar nichts geschehn.
Unten stehen die Schuhe.
Sie fürchten sich vor einem Käfer
auf dem Hinweg,
vor einem Pfennig auf dem Rückweg,
vor Käfer und Pfennig, die sie treten könnten,
bis es sich einprägt.
Oben ist die Heimat der Hüte.
Behüte, hüte dich, behutsam.
Unglaubliche Federn,
wie hieß der Vogel,
wohin rollte sein Blick,
als er einsah, daß er zu bunt geraten?
Die weißen Kugeln, die in den Taschen schlafen,
träumen von Motten.
Hier fehlt ein Knopf,
im Gürtel ermüdet die Schlange.
Schmerzliche Seide,
Astern und andere feuergefährliche Blumen,
der Herbst, der zum Kleid wird,
jeden Sonntag mit Fleisch und dem Salz
gefälteter Wäsche gefüllt.
Bevor der Schrank schweigt, Holz wird,
ein entfernter Verwandter der Kiefer —
wer wird den Mantel tragen,
wenn du einmal tot bist?
Seinen Arm im Ärmel bewegen,
zuvorkommend jeder Bewegung?
Wer wird den Kragen hochschlagen,
vor den Bildern stehenbleiben
und alleine sein unter der windigen Glocke?
Wir warten den Regen ab,
obgleich wir uns daran gewöhnt haben,
hinter der Gardine zu stehen, unsichtbar zu sein.
Löffel ist Sieb geworden, niemand wagt mehr,
die Hand auszustrecken.
Es schwimmt jetzt Vieles in den Straßen,
das man während der trockenen Zeit sorgfältig verbarg.
Wie peinlich, des Nachbarn verbrauchte Betten zu sehen.
Oft stehen wir vor dem Pegel
und vergleichen unsere Besorgnis wie Uhren.
Manches läßt sich regulieren.
Doch wenn die Behälter überlaufen, das ererbte Maß voll ist,
werden wir beten müssen.
Der Keller steht unter Wasser, wir haben die Kisten hochgetragen
und prüfen den Inhalt mit der Liste.
Noch ist nichts verlorengegangen. —
Weil das Wasser jetzt sicher bald fällt,
haben wir begonnen, Sonnenschirmchen zu nähen.
Es wird sehr schwer sein, wieder über den Platz zu gehen,
deutlich, mit bleischwerem Schatten.
Wir werden den Vorhang am Anfang vermissen
und oft in den Keller steigen,
um den Strich zu betrachten,
den das Wasser uns hinterließ.
In unserem Bezirk wird es von Jahr zu Jahr schlimmer.
Oft laden wir Besuch, um den Schwarm etwas zu teilen.
Doch die Leute gehen bald wieder —
nachdem sie den Käse gelobt haben.
Es ist nicht der Stich.
Nein, das Gefühl, daß etwas geschieht,
das älter ist als die Hand —
und im Besitz jeder Zukunft.
Wenn die Betten still sind
und der schwarze Stein an unzähligen, tönenden Fäden hängt,
Fäden, die reißen und wieder neu,
etwas heller beginnen,
wenn ich eine Pfeife anbrenne
und nach dem See hin sitze,
auf dem ein dichtes Geräusch schwimmt,
bin ich hilflos.
Wir wollen jetzt nicht mehr schlafen.
Meine Söhne sind hellwach,
die Töchter drängen vor dem Spiegel,
meine Frau hat Kerzen gestellt.
Nun glauben wir an Flammen,
die zwanzig Pfennige kosten,
denen die Mücken sich nähern,
einer kurzen Verheißung.
Nimm den Lappen, wische den Mond fort,
schreibe die Sonne, die andere Münze
über den Himmel, die Schultafel.
Setze dich dann.
Dein Zeugnis wird gut sein,
du wirst versetzt werden,
eine neue, hellere Mütze tragen.
Denn die Kreide hat recht
und der Tenor, der sie singt.
Er wird den Samt entblättern,
Efeu, Meterware der Nacht,
Moos, ihren Unterton,
jede Amsel wird er vertreiben.
Den Bassisten, mauert ihn ein
in seinem Gewölbe.
Wer glaubt noch an Fässer,
in denen der Wein fällt?
Ob Vogel oder Schrapnell,
oder nur Summen, bis es knackt,
weil der Äther überfüllt ist
mit Wochenend und Sommerfrische.
Scheren, die in den Schneiderstuben
das Lied von Frühling und Konfektion zwitschern —
hieran kein Beispiel.
Die Brust heraus, bis der Wind seinen Umweg macht.
Immer wieder Trompeten,
spitzgedrehte Tüten voller silberner Zwiebeln.
Dann die Geduld.
Warten, bis der Dame die Augen davonlaufen,
zwei unzufriedene Dienstmädchen.
Jetzt erst den Ton, den die Gläser fürchten,
und der Staub,
der die Gesimse verfolgt, bis sie hinken.
Fischgräten, wer singt diese Zwischenräume, den Mittag, mit Schilf gespießt?
Wie schön sang Else Fenske, als sie,
während der Sommerferien,
in großer Höhe daneben trat,
in einen stillen Gletscherspalt stürzte,
uns nur ihr Schirmchen
und das hohe C zurückließ.
Das hohe C, die vielen Nebenflüsse des Mississippi,
der herrliche Atem,
der die Kuppeln erfand und den Beifall.
Vorhang, Vorhang, Vorhang.
Schnell, bevor der Leuchter nicht mehr klirren will,
bevor die Galerien knicken
und die Seide billig wird.
Vorhang, bevor du den Beifall begreifst.
Eines Tages,
die letzten Schreckschüsse hatten sich losgelassen,
flüchteten aus den Gärten.
Nun drehen sich die Kinder geduldig in ihrem ernsten Kleid
und bewohnen den Nachmittag.
Drehorgeln,
immer zu früh grünende Herzen,
frieren hinter den Zäunen.
Ein Strumpf, der wieder zum Knäuel wird,
zurückläuft, eine Melodie mit viel zu großen Schuhen,
Spuren tritt sie den weißen Resten im Hof.
Was vom Himmel fällt
oder aus dem Küchenfenster,
jeden dankbaren Pfennig zählen die Fliesen
oder eine Mütze, ein Grab
und in drei Tagen Auferstehung.
Eines Tages,
als der Verkäufer sich kalt waschen wollte,
fand er das Wasser lau.
Die Brüste auf dem Foto neben dem Spiegel
tauten, flossen ihm über die Finger.
Noch lange danach, als er schon seine Seide verkaufte,
übte er zärtliche Hände.
Als die Pause überwunden schien,
kam Aurèle mit dem Knochen.
Seht meine Flöte und mein weißes Hemd,
seht die Giraffe, die über den Zaun späht,
das ist mein Blut, welches zuhört.
Nun will ich alle Drosseln besiegen.
Als der gelbe Hund über die Wiese lief,
verendete das Konzert.
Später fand man den Knochen nicht mehr.
Die Noten lagen unter den Stühlen,
der Kapellmeister nahm sein Luftgewehr
und erschoß alle Amseln.
Papieraugen und kleine Silberwinkel,
auf Trompeten durch die Allee reiten,
alle Schubladen auf
und aus der letzten
die vielen behaarten Dreiecke nehmen
und eines vermissen, das weiß ist.
Sophie, böse Sophie.
Nun streift der Herbst seine Handschuhe ab,
nun scheucht er deine Blicke,
ruckartig lebende Hühner,
über den Spiegel zum Stall,
nun alle Schubladen auf,
Dreiecke, Schenkel, Knoten,
neunundneunzig gebündelte Kehlen —
Sophie, böse Sophie.
1
Da, jetzt hat sie die Gabel verschluckt,
brennt nun, zweimal fünf Finger.
Wo eben noch Zöpfe —
oft reichen zwei, einen Kopf zu ermüden —,
weckt eine Schere,
als gäbe es kein Papier und Wolle, hinhaltend freundlich,
Schlangen weckt sie, die einmal ledig
nur noch die Glätte meinen und ihrem Biß zugleiten.
Alles ist nun behaart,
jede Tapete erobert,
kaum noch ein Blick, der gelingt.
Frauenhaar würgt erst alle Puppen,
das Stofftier dann,
das immer etwas nach Malzbonbon roch. —
Da, jetzt hat sie die Gabel verschluckt,
brennt nun, zweimal fünf Finger,
beginnt mit der Schere, greift dann
ruhig, fast friedlich zum Messer.
2
Abschneiden, sagt die Hebamme, genug. —
Doch selbst das Geschlecht, weil böse, zufällig,
nun endlich verschnitten, zuckt noch, will Vater werden.
Ein Hahn ohne Kopf, der noch die Hennen tritt,
krähen will, und er kräht auch.
O wie soll das weitergehen?
Jeder Konzern wird entflochten.
Doch wer wird die Schenkel entflechten,
den Knoten im Bett,
in dem die Kinder wimmeln?
Später laufen sie dann mit einem Streichholz, das schreit,
in eine Scheune,
zu unserem hilflos trockenen Vorrat,
geben ein Fest ohne Bier.
Noch später dann, wenn sie schon selten die Betten nässen,
die Schule sie täglich neu zählt,
fragen die Eltern, immer noch Flechtwerk im Bett:
Wer wird die Kinder vor dem Lehrer schützen,
vor seiner feuchten, wuchernden Hand,
wenn sie den Mädchen ins Kleid fällt?
Kinder noch nicht, oder schon, oder fast, wenn nicht zuvor
– viele werden gezeugt, ein Teil geboren,
können nicht mehr zurück, es sei denn,
sie finden das Streichholz oder ein einsilbig Messer. —
Anna, Anna, Anna, eben trankst du noch Milch,
jetzt fließt du rot und davon.
3
Wenn sie mit der Schere spielt,
wer kann das ansehen,
wenn sie mit dem Messer in alle Polster
und nach der Zeitung sticht —
als wäre etwas dahinter?
Wenn sie den Himmel,
damit er ausläuft, schlapp wird,
eine veraltete Brust,
mit ihrer dressierten Schwalbe aufschlitzt,
wer kann das ansehen, diesen Regen?
Gestern hat sie mein Bett,
heute den letzten, schon hinkenden Stuhl
und alle vier Wände erstochen.
Jetzt muß ich sehen,
wie ihr gefüllter Daumen sich öffnet.
4
Solch ein windiger Tag,
da ist die Luft voller Scheren,
der Himmel nur noch ein Schnittmuster. —
Mein schönes Scherchen.
War so blond, sang so hell,
hörte alles, fromm war es,
glaubte mir immer,
war aber auch schnell und schnitt alle Ecken ab.
Wenn es sprach,
ganz leise, eintönig,
und hatte doch Sinn, was es sagte.
Kein Wort zuviel,
war immer eindeutig,
obgleich es zwei Schenkel hatte wie ich
und eine Art Frau war,
die oft und zum Zweck ins Spagat fiel.
Wußte, wo links war und rechts,
ging aber immer geradeaus.
Ging nichts aus dem Wege.
Manchmal ging es mir durch wie ein Pferdchen.
Einmal ging es daneben —
das tat weh und war rot.
5
Windiges Wetter ist gut zum Scherensuchen.
Da soll man mit offenem Licht, mit einer Gabel
für alle Fälle, mit einem Messer, bartlos, sofort,
mit Messer und Gabel soll man bei windigem Wetter
die Schere suchen — mit offenem Licht.
Vorsicht, der Wind schläft in Tüten,
in den Fingerhüten der Schneiderin auch.
Als sie mit Regen, mit ihrer eigenen leisen Fontäne
des Himmels Risse vernähte, halfen ihr Schwalben.
Vorsicht, der Wind schläft in Tüten.
Im Kugellager des kleinen, mildtätigen Lächelns tut er wie Öl.
Dennoch quietschen die Tanten, reiben sich Zunge und Wort,
Tenöre und Türen hört man bei Nacht.
Vorsicht, der Wind schläft in Tüten,
in einem Handschuh kocht er mit Erbsen Applaus.
Es passen ihm nicht die fünf Straßen,
auch nicht der Platz, der zum Hinken verführt.
Vorsicht, der Wind schläft in Tüten,
in seiner Tüte erwachte der Wind.
An einer Annonce über billig zu reparierende Regenschirme
erwacht, zerriß er das Hemd seines Schlafes.
In seiner Tüte erwachte der Wind.
Aus allen Gärten trieb er die Tulpen, saubere Mägde,
über die Münzen,
über des Bahnhofs oft überfahrene Zunge,
zwischen den Löschteich und eine Fassade,
drängte sie weiter unters Geröll
seiner exakten Paraden.
In hellgrauer Hose,
mit dem Stein in der Tasche.
Aus dem achtzehnten Stockwerk,
an der siebenten Rippe,
dem neunten November vorbei.
Vorbei an dem Milchzahn,
dem obersten Knopf, der nur Zierde,
vorbei an zwei glatt und zwei kraus,
der Strümpfe lange Erfahrung.
Durch einen Knoten,
durchs Reich der Mitte,
der Tee ein vergebliches Bett.
Ohne den Stein.
Aus leerem Ärmel,
aus lauem Brunnen hinauf.
Durch das Nest eines Kuckucks,
die Hand der Kastanie füllt sich entsetzt.
Über den Scheitel von Schall und Vernunft,
durch blaue, schildlose Wüste,
durch Schränke, durch andere Knoten,
an zehn vererbten Geboten,
das Schaltjahr der mageren Jahre,
vorbei an dem satten Gehörn
himmlisch beschachspielter Kühe
und an der Zeit auf drei Spulen
und an dem Licht auf zwei Ämtern,
strickende, strumpftolle Sonnen.
Mitten durch Glatt und durch Kraus,
durch ein vermauertes Fenster,
nackt, in der letzten Livree.
Es ist so schwer, den Platz zu überqueren.
Des Vogels Blick,
die Kälte ohne Wimper
und Neugierde an Zäunen lang,
dahinter Rauch und zwischen nassen Hüten
das trockne Foto einer Frau.
Wär es im Keller schon gelungen,
im Keller zwischen Pferd und Zaudern,
die Treppe hätte nicht gelacht
und dreimal ihren Hals gebogen.
Es öffnete der General.
Er nannte pausenlos die Summe,
die Zahl brach ab,
des Vogels Blick, als niemand in den Spiegel sah,
gewann im Blei die Müdigkeit vorm Schlaf.
Verwirrt vergaßen beide Mörder
den Atem aus der Uhr zu nehmen,
das Fenster wie ein Hemd zu öffnen,
die Zahl zu heben,
die im Spiegel brach.
Der Schritt nimmt ab, Erlaubnis allem Grünen,
die Runde bleibt an Ecken stehn.
Sag Grotte, Laube, auch Vitrine,
blick durch den Kamm,
gepflegt glänzt jeder Scheitel.
Auch Bücher, richtig aufgeschlagen,
wie Zwillinge in einem Bett
gleich atemlos ans Ziel gelangen,
fällt auf den Dächern Regen ins Spagat.
So finden alle Kugeln in den Keller,
sie werden täglich neu gezählt.
Vom Giebel über Flur und Treppe
die Wollust kleine Häufchen fegt
und dazu singt, nach Art der Mägde,
und ihrer Schenkel Dreiklang schlägt.
Den Muskel auf die Schienen schieben,
zum Bahnhof rollen und mit Sand beladen.
Den bunten Keil in kleine Vasen stoßen,
die Hüte fort, Erlaubnis allem Grünen,
den Handschuh bis zur Uhr gefüllt.
Dann hält der Riegel nicht, der die Tapete sichert,
vor Dschungel, Tee und Tabakstauden,
vor Ernten, die in jedem Griff.
Nun könnt es sein, daß einer dieser Flecken
gewinnt, ein Glas erfindet, füllt und überläuft.
Nun keine Küste, keine Lippe,
kein Knie, kein Ärmel, der das Blut verbirgt.
Kein Satz, der leugnet bis zum Knick,
daß einer dieser neuen Flecken
Pigmente hat und beinah ein Geschlecht.
Der Pförtner blättert lustlos in den Türen,
die Mieter kommen halbgezähmt nach Haus.
Sie legen sich ins Buch zur letzten Seite,
sie dulden keine Folge, keine Bilder,
nur noch die Uhren. Angestoßen
das Rad, bis die Planeten kreisen —
auch Polizisten, Briefträger und Förster
in abgestecktem, windstillem Revier.
Versuche mit Tinte,
Niederschriften im Rauch,
halb erwacht
im Dickicht süßer Gardinen.
Die Straße, den Notverband wieder aufgerollt,
weil die Wunde juckt,
weil die Erinnerung sich stückeln läßt und längen,
so eine Katze unterm Streicheln.
Wer bewegte die Klingel,
belud die Luft mit Erfolg?
War es das Glück
mit neuen, dünneren Strümpfen
oder der Mann
mit dem Krankenschein unter der Haut?
Niemand erschrak. Nicht das Wasser zum Spülen,
kleinen Frauen im Zimmer kräuselte sauer der Rock.
Wer kann eine Klingel wieder verkaufen,
zurücktreten, mit dem Hut in der Hand,
die Kreide der Herkunft vom Zaun lecken?
Die nackte Gestalt wird zwischen den Spiegeln
keinen Vorsprung gewinnen.
Keine Bewegung kommt hier zu kurz.
Gleichzeitig wird es hüsteln,
das Weiße im Auge vergilben,
der falsche Bart,
ein letztes Geständnis,
von der Oberlippe wird sich der Rauch lösen
und keinen Vogel begeistern.
Viel Kirschen, die aus diesem Blut
im Aufbegehren deutlich werden,
das Bett zum roten Inlett überreden.
Der erste Frost zählt Rüben, blinde Teiche,
Kartoffelfeuer überm Horizont,
auch Männer halb im Rauch verwickelt.
Die Tage schrumpfen, Äpfel auf dem Schrank,
die Freiheit fror, jetzt brennt sie in den Öfen,
kocht Kindern Brei und malt die Knöchel rot.
Im Schnee der Kopftücher beim Fest,
Pilsudskis Herz, des Pferdes fünfter Huf,
schlug an die Scheune, bis der Starost kam.
Die Fahne blutet musterlos,
so kam der Winter, wird der Schritt
hinter den Wölfen Warschau finden.
Blaue Flammen in den Zweigen.
Atmen noch im Gasometer
bittre Kiemen ohne Fisch.
Immer älter wird die Kröte,
lebt von Nelken, lebt von Düften
aus des Todes linkem Ohr.
Niemand folgte, kaum der Mörtel.
Ohne Segel und Gebärde,
in der grünen Truhe Pfingsten
trugen sie die Taube fort.
Glatt und aufgerollt die Kabel,
zwölf Lakaien und Beamte
führt die Schnur aus jedem Nabel
nur zur Wochenendpotenz.
Freitags krönten sie den König.
Von Geburt her blinde Nelken,
mit dem Atem einer Kröte,
mit dem blauen Gasometer,
Mitternacht und Mandelscheitel,
Vorstadt um Jerusalem.
Fäden nur, es regnet Zwinger.
Bein um Bein, im Ohr der Vorhang,
Schritte am Applaus entlang.
Auf Sandalen ohne Spuren,
gleicher Abstand, Kopf und Nicken,
Strich, nie Punkte aus der Drüse.
Spinnen, die den Satz verachten,
Regen auch, der seinen Euter
noch bedrängt, wenn schon die Mägde
springen und die Nebel raffen.
Beider Himmel blasse Molke,
wäre Teer die fette Insel,
Fäden nur, es regnet Zwinger,
durchgestrichen Leib und Grotte.
Wär ein Punkt, nur eine Stufe,
könnte sich der Bär besinnen,
war’s im Wappen oder Honig,
dreimal süß um die Kokarde.
Enger noch als Gelb und Augen,
vor dem Atem einer Spinne
liegt der Bär und leckt am Gummi,
auch die Speichen, auch den Abglanz
seines Rades Labrador.
Wo blieb mein elfter Finger,
mein elfter, besonderer Finger,
niemals hat er gelacht,
niemals den Handschuh, die Nacht
wegen der Farbe getragen.
Er hat die Ziege gemelkt.
Er hat die Ziege gemelkt,
hat die Ziege der Uhr zugetrieben,
die Ziege hat sich gebückt.
Konnte sich bücken, konnte der Uhr,
hat der Uhr die Sohlen geleckt,
bis die Uhr kicherte, kicherte,
alle Minuten verlor,
alles, auch ihre Pausen gestand.
Nun sah er im Weiten schon Gold,
der Finger sah weither schon Gold,
hat Juweliere verführt,
Bräute, kurz vor der Kirche.
Schlüssel war er, Stempel, Verschweigen —
oft habe ich meinen elften Finger geschleckt,
obgleich er niemals schlief,
obgleich er niemals schlief.
Worauf soll ich nun deuten?
Worauf soll ich nun deuten,
heute, da beide verkürzten Hände
nur noch geschickt sind,
Eisen wie Fleisch, Fleisch, einen Amboß zu tasten —
oder sie hocken am Abend gleich belasteten Krähen
auf einem Stein im Feld,
zählen acht, neun, zehn, niemals elf.
Niemals zählen sie elf.
Sanna Sanna.
Meiner Puppe trocknes Innen,
meiner Sanna Sägespäne
hingestreut, weil draußen Glatteis,
Spiegel üben laut Natur.
Weil die Tanten, die nach Backobst,
auch Muskat, nach dem Kalender,
süß nach Futteralen riechen.
Weil die Tanten in den schwarzen,
lederweiten Blumentöpfen
welken und Gewicht verlieren.
Sanna Sanna, weil die Tanten
stürzen könnten, weil doch Glatteis,
könnten brechen überm Spiegel,
zweimal doppelt, Töpfe, Blumen.
Offen würden Futterale
und Kalender, kurz nach Lichtmeß,
der Vikar mit blauen Wangen
weihte Kerzen und den Schoß.
Späne nicht, so nehmt doch Asche.
Nur weil Tanten, meiner Sanna
ungekränktes, trocknes Innen
mit dem Schweiß der Spiegel nässen.
Sanna nein. Der Duft um Kerne
aufgetan, das Bittre deutlich,
so als wär der Kern die Summe
und Beweis, daß Obst schon Sünde.
Aufgetan, nein Sanna schließe
dein Vertrauen, dein Geschlecht.
Gäb der Winter seine Nieren,
seine graue alte Milz
und sein Salz auf beide Wege.
Könnt dann Sanna, deine, Sanna,
hingestreute Puppenseele
Lerchen in Verwahrung geben.
Sanna Sanna.
Hirsche schrieen in der Kurve.
Jener Sonntag war ein Knoten
in der Wolle, in den Uhren.
Münzen fielen, taube Löffel,
Münzen ins Gehör der Kurve,
daß sie schrie und Chrom und Nickel
und ein Taschentuch zerknüllte.
Der Chauffeur fraß Armaturen,
starb und wickelte sich frierend
in den Kiesshawl seiner Braut.
Schwarzer Lack, des Kellners Rose,
blühte und die Pflastersteine
rieben Liebe, feines Pulver,
jener Hure im Kanister,
die den Herrn für drei Liköre
ihr Benzin goß, sprach vom Flieder.
O zehn Pfennig, altes Wunder,
im Gedicht des Automaten
reimte sich Stanniol und Watte,
doch der Arzt in weißen Nelken
kam zu spät, die Ambulanzen
lösten sich gleich Salz und Zucker.
Das Klavier in den Zoo.
Schnell, bringt das Zebra in die gute Stube.
Seid freundlich mit ihm,
es kommt aus Bechstein.
Noten frißt es
und unsere süßen Ohren.
Langsam ging der Fußball am Himmel auf.
Nun sah man, daß die Tribüne besetzt war.
Einsam stand der Dichter im Tor,
doch der Schiedsrichter pfiff: Abseits.
Am Mittwoch.
Jeder wußte wieviele Treppen hinauf,
den Druck auf den Knopf,
die zweite Tür links.
Sie stürmten die Kasse.
Es war aber Sonntag
und das Geld in der Kirche.
Als Heuschrecken unsere Stadt besetzten,
keine Milch mehr ins Haus kam, die Zeitung erstickte,
öffnete man die Kerker, gab die Propheten frei.
Nun zogen sie durch die Straßen, 3800 Propheten.
Ungestraft durften sie reden, sich reichlich nähren
von jenem springenden, grauen Belag, den wir die Plage nannten.
Wer hätte es anders erwartet. —
Bald kam uns wieder die Milch, die Zeitung atmete auf,
Propheten füllten die Kerker.
In unserer Vorstadt
sitzt eine Kröte auf dem Gasometer.
Sie atmet ein und aus,
damit wir kochen können.
Vier Vögel stritten.
Als kein Blatt mehr am Baum war,
kam Venus, verkleidet als Bleistift,
und hat den Herbst,
einen bald darauf fälligen Wechsel,
mit schöner Schrift unterschrieben.
Vor einer Woche kamen die Maurer
und brachten mit, was verlangt.
Sie haben ihn eingemauert,
den Hahn, den wir vermeiden wollten. —
Durch welchen Zufall kriecht dieser Ton?
Heute, noch immer erkalten die Suppen.
Fröstelnd stehen wir abseits und sehen den Hennen zu,
wenn sie den Mörtel vermindern.
Verlangen sie etwa nach Kalk?
Wir wollen ihn uns warmhalten,
noch lange um den Tisch sein
und kleine Schlucke üben.
Unter dem Kaffeewärmer sitzt der liebe Gott
und kann es nicht verhindern,
daß er langsam kalt und böse wird.
In unserem Museum — wir besuchen es jeden Sonntag —
hat man eine neue Abteilung eröffnet.
Unsere abgetriebenen Kinder, blasse, ernsthafte Embryos,
sitzen dort in schlichten Gläsern
und sorgen sich um die Zukunft ihrer Eltern.
Mein Zimmer ist windstill,
fromm, eine Zigarette,
so mystisch, daß niemand wagt,
eine Miete zu erheben
oder nach meiner Frau zu fragen.
Als gestern die Fliege starb,
begriff ich ohne Kalender,
Oktober, ein Tanzlehrer verneigt sich,
will mir kleine, verbotene Bildchen verkaufen.
Besuch empfange ich vor der Tür,
die Post klebt an den Scheiben,
außen, der Regen liest mit.
Innen, mein Zimmer ist windstill,
kein Streit auf Tapeten,
Küsse von Uhren verschluckt,
nie stolpern, das Knie anschlagen,
weil alles nachgibt,
fromm, eine Zigarette,
senkrecht glaubt sie,
senkrecht die Spinne, ein Lot,
geht jeder Untiefe nach —
niemals werden wir stranden.
Ein dunkles Zimmer,
grell vom Ticken.
Immer noch wollen die Hände des Tapezierers
das gelbe Muster befrieden.
Im rechten Ohr Gleisdreieck,
ein Adventslied im linken Ohr;
als könnte Emanuel Schlaf bedeuten
und die endliche Stille der Betten.
Endlos wuchert dieses Laken.
Vegetation ohne Regen und Hefe,
Angst vor dem Zahnarzt,
Angst vor dem Friseur,
er könnte seine rasierte Stimme
über den Scheitel beugen,
dort etwas sehen,
was sonst nur mein Hut sieht.
Ich bin müde.
Das Herz hüpft zwischen den Stühlen,
läßt sich nur mühsam,
mit vielen Unkosten fangen.
Der Atem schlägt mit den Türen,
blättert im alten Kalender,
bis er ein reiffrisches Hemd trägt. —
Bis das Fenster schmutzig wird,
muß ich den Zigaretten ins Auge sehen
und nach dem Aschenbecher tasten.
1
Gewalt, wer verbog die Sicherheitsnadel,
wer stieß den Kohl vor den Kopf.
Kommen einfach her,
zersingen die Gläser
und wollen noch Beifall.
Mars, böse Metzger bestimmen die Preise.
Komm, wir spielen Kain und Abel.
Jeder hat doch etwas Hartes, Einmaliges in der Tasche,
das genau an den Hinterkopf eines stotternden Bengels paßt,
der Abel heißt und bei der Infanterie dient.
Wer oben liegt, hat gewonnen —
und im Bett, wer gewinnt da?
Wer hat mehr vom Leben,
die Leiche oder die Witwe?
Brüder, Brüder, alle ihr Magenkranken,
die ihr da salzlos und von Gedichten lebt,
niemand, kein Uhrmacher will mehr die Sanftmut,
eine törichte Spieluhr reparieren.
Eine Fliege fällt ins Bier,
im Zoo werden Löwen gefüttert,
der Meineid pfeift auf drei Fingern,
Gewalt, wer verbog die Sicherheitsnadel,
komm, wir spielen Kain und Abel,
Vater unser, der du bist im Himmel.
2
Bomben, die sich nur langsam verteilen,
Küsse, die nicht versiegeln,
nur einen Laut versuchen,
Rangiergeräusche auf Güterbahnhöfen,
die jeden Schlaflosen durstig
und jeden Säufer mißmutig machen.
Ein Kinnhaken vor dem Spiegel,
Same, der auf den Teppich fällt
und nur den Irrsinn der Kringel befruchtet.
Vieles geht daneben.
Der Mann versucht mit dem Schlüssel die Tür,
wundert sich, wenn sie aufgeht, und lacht.
Narrenmangel, wer züchtet noch Buckel.
Nijinsky, der auch Jesus Christus hieß,
sprang so langsam und deutlich,
wie der Mond von Giebel zu Giebel springt.
Bomben verteilen sich langsam,
ein Kinnhaken vor dem Spiegel,
Vater unser, der du bist im Himmel.
3
Ihr solltet nicht mehr die Ratten impfen,
Ratten rächen sich,
knabbern an Fundamenten,
suchen die Toten heim —
wie der Tod euch
mit Fernsehen heimgesucht hat.
Vergrabt die Türme,
bringt das Bergwerk ans Licht,
stellt in den Kaufhäusern
Weihwasser auf.
Mater dolorosa in technicolor,
und nach dem Kino zur Beichte.
Friseure, sonst mit pünktlichem Scheitel,
spiegeln verwirrte, entvölkerte Kämme.
Seiltänzer, sonst geschickt,
stürzen von Augenbrauen
in einen Blick,
sehen sich selbst dabei zu.
Doch wer bespannt seine Pauke mit Jungfernhäutchen?
Trommler, sonst ohne Gehör,
verfallen immer demselben Regen:
Ihr solltet keine Ratten mehr impfen,
ihr solltet alle Türme vergraben,
Vater unser, der du bist im Himmel.
K, der Käfer, liegt auf dem Rücken.
Sieht er den Himmel, die Langeweile
organisierter Wolken?
Sieht er die Zimmerdecke, den Spiegel,
der fleckige Laken zeigt, Tücher,
auf denen der Schnee schmolz?
K, der Käfer, liegt auf dem Rücken,
zählt seine Beine, vorher tat er das nie,
wie ein Pilot, dessen Fallschirm nein sagt,
nun knapp bis zehn zählt
und die Gebote meint —
oder es fällt ihm ein Witz ein.
K, der Käfer, liegt auf dem Rücken,
dazu ein Pfennig, ein Blatt.
Doch den Pfennig findet die Mark
und das Blatt, beide Seiten — der Wind lernt lesen.
Die Zigarette kommt in den Himmel,
zurück bleibt der Käfer.
K, der Käfer, liegt auf dem Rücken.
Vorher rollte er sein Geheimnis,
Schuhe fürchtete er,
doch von der Dampfwalze war ihm bekannt,
daß sie oft stehenbleibt
und nach Luft ringt.
K, der Käfer, liegt auf dem Rücken,
liegt in seinem Gehäuse, in einer Schüssel,
ruft zuerst sein Gefühl,
dann jede Bewegung,
jenes Geräusch vor der Stille
ruft er nach Hause, in sein Gehäuse.
K, der Käfer, liegt auf dem Rücken.
Lief Nurmi soeben vorbei, wollte die Zeit überrunden? —
Frauen ergeben sich so, sind danach nur noch Anblick.
Kafka lag auf dem Rücken,
und Käte Kruses beschädigte Puppen,
wenn sie den Kindern entfallen, blicken uns nach.
V, der Vogel, ein Keil,
dazwischengetrieben, als gelte es einen Himmel zu spalten,
als sei der Himmel Brennholz,
der Winter nahe, Brikett zu teuer,
ein Vogel eine geflügelte Axt.
V, der Vogel, ein Keil,
den Urwald Blau Schlag auf Schlag abzubauen,
als kleine Stücke im Keller zu stapeln,
ein Vorrat Himmel, der lange reicht,
sich zählen läßt und nie mehr bewölkt.
V, der Vogel, ein Keil,
der hinterläßt einen Kahlschlag,
rodet auch und zwingt die Wurzel zum Zweifel.
Erst Feuer, der andere Vogel,
forstet hier auf, erklärt den Himmel zur Schonung.
V, der Vogel, ein Keil.
Und wenn der Keil nun den Rahmen verläßt?
Was eben noch Bild schien, gemäßigt, erlaubt im Format,
wuchert nun, eine Tapete,
im kleinen Ausschnitt verkäuflich.
V, der Vogel, ein Keil,
läßt einen Apfel reißen, er offenbart ein Gehirn,
fügt dem Gebirge die Schlucht ein,
hat keine Scham und Vorbeisehn,
öffnet Verstecke im Fleisch.
V, der Vogel, ein Keil,
drängt sich dazwischen,
Teilhaben nennt er dieses,
wenn er auf heiser politischen Plätzen
dem Redner das Ende vom Satz trennt.
V, der Vogel, ein Keil,
kommt immer durch,
doppelt wählt ihn das W,
Winston hebt die zwei Finger,
und jeder weiß, was er meint.
Die Schönheit steht —
und oben im Applaus
gerinnt das Lächeln, Milch
in bloßen Schalen,
Gewittern ausgesetzt und der Zitrone,
zerdrückt mit Schwermut, fünf verbrauchten Fingern,
doch ohne Absicht, Aussicht auf Erfolg.
Ein Ausflug junger Mädchen im April,
mit Hälsen, die an Zugluft leiden.
Nun abgeschnitten diese Köpfe,
nur Säulen bleiben, die Akropolis.
Geflüchtet sind die Hüte, Kapitäle,
ein abgestanden Bier — die Schönheit dauert
in spitzen Schuhen, relevé.
So langsam springt das Glück,
den Sonntagsjägern deutlich.
Mit weißen Händen, so zerbrochnen Blumen,
daß man die Mühe, Kolophonium riecht.
Und Schweiß aus unentdeckten Höhlen,
und Tränen, Hysterie vorm Spiegel —
danach, in der gemütlichen Garderobe.
Nein, unerträglich ohne dich, Tabak,
ist dieser Blick in die gestellte Szene.
Denn was sich beugt und ausläuft, eine Uhr,
sich dreht und oben wimmeln Augen,
doch leergelöffelt, ohne Freundlichkeit,
den Vorglanz Nachher und die Hoffnung auf: Bis gleich.
Nur wieder Stand, die angewärmte Geste,
die erst bei dreißig Grad zum port de bras gefriert.
Wer löst denn diese Haltung ab,
und bricht der Venus unerlaubte,
der Arktis nachgelaßne Beine?
Wer nimmt den krustig alten Füßen
die bösen, spitzen Schuhe ab
und sagt zur Arabesk vorm Sterben:
O sei doch barfuß, nackt und tot.
Wer warf die Gartenbank um?
Nun liegt sie da, grün und vergeblich,
stottert mit vier bewiesenen Beinen,
sucht den Beweis in der Luft.
Aufstellen wieder. Wieder wie vorher
unter dem Sommer sitzen und Kaffee
mit einer Tante trinken und Kekse,
Hostien brechen.
Nein, dieser Sommer ist pleite.
Die Tante nährt weiße Würmer,
die Kekse krümeln und passen
in keine ererbte Monstranz.
Auch trinkst du den Kaffee
zu heiß, halb im Weggehn,
flüchtig, mit sichernden Blicken
nach links, nach rechts und nach links.
Gartenbänke, die einmal gestürzt,
stehen nun ledig, kundig des Herbstes,
zwischen den nassen Stachelbeersträuchern,
vom Regen, Aufbruch, mitten im Satz,
vom Mond, der nie stillsitzt, bevölkert.
Damals schliefen wir in einer Trompete.
Es war sehr still dort,
wir träumten von keinem Signal,
lagen, wie zum Beweis,
mit offenem Mund in der Schlucht —
damals, ehe wir ausgestoßen.
War es ein Kind, auf dem Kopf
einen Helm aus gelesener Zeitung,
war es ein irrer Husar,
der auf Befehl aus dem Bild trat,
war es schon damals der Tod,
der so seinen Stempel behauchte?
Heute, ich weiß nicht, wer uns geweckt hat,
vermummt als Blumen in Vasen
oder in Zuckerdosen,
von jedem bedroht, der Kaffee trinkt
und sein Gewissen befragt:
Ein oder zwei Stückchen oder gar drei.
Nun fliehen wir und mit uns unser Gepäck.
Alle halbleeren Tüten, jeden Trichter im Bier,
kaum verlassene Mäntel, stehengebliebene Uhren,
Gräber, die andre bezahlten,
und Frauen, die sehr wenig Zeit haben,
füllen wir kurzfristig aus.
In Schubladen voller Wäsche und Liebe,
in einem Ofen, der nein sagt
und nur seinen Standpunkt erwärmt,
in einem Telefon blieben unsere Ohren zurück
Ich grüße Berlin, indem ich
dreimal meine Stirn an eine
der Brandmauern dreimal schlage.
Makellos ausgesägt,
wirft sie den Schatten dorthin,
wo früher dein Grundstück stand.
Persil und sein Blau überlebten
auf einer Mauer nach Norden;
nun schneit es, was gar nichts beweist.
Schwarz ohne Brandmauerinschrift
kommt mir die Mauer entgegen,
blickt sie mir über die Schulter.
Ein einziger Schneeball haftet.
Ein Junge warf ihn, weil etwas
tief in dem Jungen los war.
Einst stand hier vieles auf dem Halm,
und auf Kaminen standen Störche;
dem Leib entfiel das fünfte Kind.
Lang wußt ich nicht, daß es noch Störche gibt,
daß ein Kamin, der rauchlos ist,
den Störchen Fingerzeig bedeutet.
Tot die Fabrik, doch oben halbstark Störche;
sie sind der Rauch, der weiß mit roten Beinen
auf feuchten Wiesen niederschlägt.
Einst rauchte in Treblinka sonntags
viel Fleisch, das Adebar gesegnet,
ließ, Heißluft, einen Segelflieger steigen.
Das war in Polen, wo die Jungfrau
Maria steif auf Störchen reitet,
doch — wenn der Halm fällt — nach Ägypten flieht.
Wer lacht hier, hat gelacht?
Hier hat sich’s ausgelacht.
Wer hier lacht, macht Verdacht,
daß er aus Gründen lacht.
Wer weint hier, hat geweint?
Hier wird nicht mehr geweint.
Wer hier weint, der auch meint,
daß er aus Gründen weint.
Wer spricht hier, spricht und schweigt?
Wer schweigt, wird angezeigt.
Wer hier spricht, hat verschwiegen,
wo seine Gründe liegen.
Wer spielt hier, spielt im Sand?
Wer spielt, muß an die Wand,
hat sich beim Spiel die Hand
gründlich verspielt, verbrannt.
Wer stirbt hier, ist gestorben?
Wer stirbt, ist abgeworben.
Wer hier stirbt, unverdorben,
ist ohne Grund verstorben.
Die Putzfraun ziehen von Ost nach West.
Nein Mann, bleib hier, was willst du drüben;
komm rüber Mann, was willst du hier.
Gleisdreieck, wo mit heißer Drüse
die Spinne, die die Gleise legt,
sich Wohnung nahm und Gleise legt.
In Brücken geht sie nahtlos über
und schlägt sich selber Nieten nach,
wenn, was ins Netz geht, Nieten lockert.
Wir fahren oft und zeigen Freunden,
hier liegt Gleisdreieck, steigen aus
und zählen mit den Fingern Gleise.
Die Weichen locken, Putzfraun ziehn,
das Schlußlicht meint mich, doch die Spinne
fängt Fliegen und läßt Putzfraun ziehn.
Wir starren gläubig in die Drüse
und lesen, was die Drüse schreibt:
Gleisdreieck, Sie verlassen sogleich
Gleisdreieck und den Westsektor.
Brot,
wo hört auf das Brot,
wo fängt an der Kuchen?
Und jener Bäcker,
der früher aufstehen muß als die Sonne,
machte für uns eine Hitze.
Und jener Bäcker,
der weiß ist und magenkrank,
machte uns mit seinen Fingern.
Und jener Bäcker,
dem der Mehlwurm das Haar nahm,
nahm uns auf hölzerne Schieber.
Und jener Bäcker,
der uns mit seinen Fingern gemacht hatte,
blieb draußen mit seinen Fingern.
Und jenem Bäcker,
der draußen blieb,
blieb ein Rest Sauerteig unterm Daumennagel.
Und jener Bäcker,
der nie gerne Brot aß,
meinte, er backe Brot.
Aber wir sind kein Brot,
Steine sind wir,
die durch Euch hindurchfallen.
Und jener Bäcker,
den wir ernähren,
lächelt — weswegen?
Grüne Heringe,
in Zeitung gewickelt,
trug ich nach Hause.
Sonnig und frostig
war das Wetter.
Hausmeister streuten Sand.
Im Treppenhaus erst
begannen Heringe
die Zeitung zu durchnässen.
So mußte ich Zeitungspapier
von Heringen kratzen,
bevor ich Heringe ausnehmen konnte.
Schuppen sprangen
und lenkten mich ab,
weil Sonnenlicht in die Küche fiel.
Während ich Heringe ausnahm,
las ich in jener Tageszeitung,
die feucht und nicht neu war.
Sieben Heringe bargen Rogen,
voller Milch waren vier;
die Zeitung jedoch war an einem Dienstag erschienen.
Schlimm sah es in der Welt aus:
Kredite wurden verweigert.
Ich aber wälzte grüne Heringe in trockenem Mehl.
Als aber Heringe in der Pfanne erschraken,
wollte auch ich düster und freudlos
über die Pfanne hinwegsprechen.
Wer aber
mag grünen Heringen
vom Untergang predigen?
Ausgestreckt liegst du
auf deinen Brettern,
die niemand gehobelt hat.
Beide gehören
dem einen Wurm nur,
der schweigt oder pocht lautlos.
Unwiderlegbar
bildet die Spinne
auf dir einen rechten Winkel.
Nicht du zählst die Hufe,
dein Ohr, welches fremdgeht,
bewegt sich und zählt die Spechte.
Du, unaufmerksam,
mager und salzig,
liegst unter rauhen Zungen.
Sie aber äsen,
höllische Ziegen,
die an karge Felder gewöhnt sind.
Bieten dir Euter,
protzen mit Zitzen,
doch du nimmst die Lippen zurück.
Siehst nicht die Fliege
in deinem Auge,
die ungesehen in deinem Auge ertrinkt.
Versuchung sind Tiere,
die du dir erfunden.
Fabelhaft sind sie und kommen näher.
Im Anschaun vermehrt sich
das Einhorn und weiß schon,
wer heute dem Einhorn ergeben sein wird.
Plötzlich waren die Kirschen da,
obgleich ich vergessen hatte,
daß es Kirschen gibt,
und verkünden ließ: Noch nie gab es Kirschen —
waren sie da, plötzlich und teuer.
Pflaumen fielen und trafen mich.
Doch wer da denkt,
ich wandelte mich,
weil etwas fiel und mich traf,
wurde noch nie von fallenden Pflaumen getroffen.
Erst als man Nüsse in meine Schuhe schüttete
und ich laufen mußte,
weil die Kinder die Kerne wollten,
schrie ich nach Kirschen, wollt ich von Pflaumen
getroffen werden — und wandelte mich ein wenig.
Wie traurig sind diese Veränderungen.
Die Leute schrauben ihre Namenschilder ab,
nehmen den Topf mit dem Rotkohl,
wärmen ihn auf, anderen Ortes.
Was sind das für Möbel,
die für den Aufbruch werben?
Die Leute nehmen ihre Klappstühle
und wandern aus.
Mit Heimweh und Brechreiz beladene Schiffe
tragen patentierte Sitzgelegenheiten
und patentlose Besitzer
hin und her.
Auf beiden Seiten des großen Wassers
stehen nun Klappstühle;
wie traurig sind diese Veränderungen.
Wenn die Liebe auf Stelzen
über die Kieswege stochert
und in die Bäume reicht,
möchte auch ich gerne Kirschen
in Kirschen als Kirschen erkennen,
nicht mehr mit Armen zu kurz,
mit Leitern, denen es immer
an einer Sprosse mangelt,
von Fallobst leben, Kompott.
Süß und süßer, fast schwarz;
Amseln träumen so rot —
wer küßt hier wen,
wenn die Liebe
auf Stelzen in Bäume reicht.
Wenn es die Möwe verlangt,
werde ich ein Schiff bauen,
werde beim Stapellauf
glücklich sein,
ein blendendes Hemd tragen,
vielleicht auch Sekt weinen
oder Schmierseife absondern,
ohne die es nicht geht.
Wer wird die Rede halten?
Wer kann vom Blatt lesen,
ohne zu erblinden?
Der Präsident?
Auf welchen Namen soll ich dich taufen?
Soll ich deinen Untergang ANNA nennen
oder COLUMBUS?
Im Sand,
den die Maurer gelassen hatten,
brütete eine Henne.
Von links,
von dort kam auch immer die Eisenbahn,
zog auf eine schwarze Wolke.
Makellos war die Henne
und hatte fleißig vom Kalk gegessen,
den gleichfalls die Maurer gelassen hatten.
Die Wolke aber nährte sich selber,
ging von sich aus
und blieb dennoch geballt.
Ernst und behutsam
ist das Verhältnis
zwischen der Henne und ihren Eiern.
Als die schwarze Wolke
über der makellosen Henne stand,
verhielt sie, wie Wolken verhalten.
Doch es verhielt auch die Henne,
wie Hennen verhalten,
wenn über ihnen Wolken verhalten.
Dieses Verhältnis aber
bemerkte ich,
der ich hinter dem Schuppen der Maurer stand.
Nein, fuhr kein Blitz
aus der Wolke
und reichte der Henne die Hand.
Kein Habicht nicht,
der aus der Wolke
in makellose Federn fiel.
Von links nach rechts,
wie es die Eisenbahn tat,
zog hin die Wolke, verkleinerte sich.
Und niemand wird jemals gewiß sein,
was jenen vier Eiern
unter der Henne, unter der Wolke,
im Sand der Maurer geschah.
Trommeln stehen im Regen,
Eimer, wer hielt das Blech
dem Regen hin, daß die Trommel
bodenlos leerläuft, der Eimer
überläuft, aussagt;
niemals verweigert der Regen,
wenns regnet, den Blechtrommelvers:
Du solltest dich nicht so erregen,
es regnet nicht deinetwegen.
Aale regnet es strichweis
von einem Fluß in den andern,
an beiden aalreichen Flüssen
stehen die Tafeln, verbieten
den Regen nicht, doch den Köder;
und umgekehrt, wie sich Regen
umgekehrt liest, heißt der Text:
Sie sollten sich nicht so erregen,
es regnet nicht Ihretwegen.
Niederschlag heißt hier Regen,
Farbbänder, farblos gelockt,
aus Schreibmaschinen der Nachlaß
zu früh verstorbner Poeten,
die hundert hellblonden Hymnen,
dazwischen endlos Lamento;
getippt und kopiert ist der Text:
Wir sollten uns nicht so erregen,
es regnet nicht unseretwegen.
Hält ihren Kopf in den Regen,
die Frau ohne Schirm steht im Regen
und schreit, weil aus bodenlos Eimern,
weil strichweis Aal ohne Köder,
weil Farbbänder farblos, schreit sie,
bis schweinsledern Polizisten
kommen, schweinsledern verkünden:
Ihr sollt euch nicht so erregen,
es regnet nicht euretwegen.
Nun regnet es auch im Kino,
der Regen auf Spulen läuft ab,
der Film, der die Leinwand durchnäßte
mit Liebe, trennendem Flimmern,
er reißt nicht, sondern sie küssen
sich flüsternd in Pelerinen
und flüstern auf Breitwand und flüstern:
Geliebte, erregt dich der Regen,
es regnet nur unseretwegen.
Wir wollen uns wieder vertragen,
das Bett zum Abschied zerschlagen;
du hast zwar die Vase zerbrochen,
doch ich hab zuerst dran gerochen —
so kommt unser Glück in die Wochen.
Vom Fenstersims rollen die Augen,
ein Buch zerfällt im Spagat;
von Seite zu Seite böser
verlangen die Brillengläser
Andacht und sündige Leser.
Der Schrank springt auf und erbricht
die Hüte, erwürgte Krawatten,
die Hemden, wechselnde Haut,
auch Hosen mit brauchbarem Schlitz;
ein Bein ist des anderen Witz.
Das Bild will zurück in die Heide,
die Ansichtspostkarte nach Rom,
der Koks möchte schwarz sein, nicht rot;
im Ofenrohr krümmt sich der Tod,
weil ihm der Erstickungstod droht.
Wer Zähne putzt, kann nicht beichten,
wer beichtet, riecht aus dem Mund
und hält die Hand vor, spricht leise:
Das Streichholz war meine Idee,
auch nehme ich Zucker zum Tee.
Der Tisch, nun zur Ruhe gekommen,
vier Stühle treten sich tot,
die Flasche schnappt nach dem Korken,
der Korken hält dicht und hält still;
ein Korken macht, was er will.
Der Montag kommt wie die Regel:
des Sonntags peinlicher Rest
in alte Zeitung gewickelt;
wir trugen das Päckchen nach Hause,
ein jeder des anderen Pause.
Jetzt wollen wir alles verkaufen,
das Haus mit Inventar,
den Schall der süßen Nachtigall
aus gelben Tapeten befreien,
dem Schrank seinen Inhalt verzeihen.
Wir haben uns wieder vertragen,
das Bett zum Abschied zerschlagen;
du hast zwar die Vase zerbrochen,
doch ich hab zuerst dran gerochen —
so kam unser Glück in die Wochen.
Wir leben im Ei.
Die Innenseite der Schale
haben wir mit unanständigen Zeichnungen
und den Vornamen unserer Feinde bekritzelt.
Wir werden gebrütet.
Wer uns auch brütet,
unseren Bleistift brütet er mit.
Ausgeschlüpft eines Tages,
werden wir uns sofort
ein Bildnis des Brütenden machen.
Wir nehmen an, daß wir gebrütet werden.
Wir stellen uns ein gutmütiges Geflügel vor
und schreiben Schulaufsätze
über Farbe und Rasse
der uns brütenden Henne.
Wann schlüpfen wir aus?
Unsere Propheten im Ei
streiten sich für mittelmäßige Bezahlung
über die Dauer der Brutzeit.
Sie nehmen einen Tag X an.
Aus Langeweile und echtem Bedürfnis
haben wir Brutkästen erfunden.
Wir sorgen uns sehr um unseren Nachwuchs im Ei.
Gerne würden wir jener, die über uns wacht,
unser Patent empfehlen.
Wir aber haben ein Dach überm Kopf.
Senile Küken,
Embryos mit Sprachkenntnissen
reden den ganzen Tag
und besprechen noch ihre Träume.
Und wenn wir nun nicht gebrütet werden?
Wenn diese Schale niemals ein Loch bekommt?
Wenn unser Horizont nur der Horizont
unserer Kritzeleien ist und auch bleiben wird?
Wir hoffen, daß wir gebrütet werden.
Wenn wir auch nur noch vom Brüten reden,
bleibt doch zu befürchten, daß jemand,
außerhalb unserer Schale, Hunger verspürt,
uns in die Pfanne haut und mit Salz bestreut. —
Was machen wir dann, ihr Brüder im Ei?
Ich weiß nicht, ob man Erde kaufen kann,
ob es genügt, wenn man vier Pfähle,
mit etwas Rost dazwischen und Gestrüpp,
im Sand verscharrt und Garten dazu sagt.
Ich weiß nicht, was die Stare denken.
Sie flattern manchmal auf, zerstäuben,
besprenkeln meinen Nachmittag,
tun so, als könnte man sie scheuchen,
als seien Vogelscheuchen Vogelscheuchen
und Luftgewehre hinter den Gardinen
und Katzen in der Bohnensaat.
Ich weiß nicht, was die alten Jacken
und Hosentaschen von uns wissen.
Ich weiß nicht, was in Hüten brütet,
welchen Gedanken was entschlüpft
und flügge wird und läßt sich nicht verscheuchen;
von Vogelscheuchen werden wir behütet.
Sind Vogelscheuchen Säugetiere?
Es sieht so aus, als ob sie sich vermehren,
indem sie nachts die Hüte tauschen:
schon stehn in meinem Garten drei,
verneigen sich und winken höflich
und drehen sich und zwinkern mit der Sonne
und reden, reden zum Salat.
Ich weiß nicht, ob mein Gartenzaun
mich einsperren, mich aussperrn will.
Ich weiß nicht, was das Unkraut will,
weiß nicht, was jene Blattlaus will bedeuten,
weiß nicht, ob alte Jacken, alte Hosen,
wenn sie mit Löffeln in den Dosen
rostig und blechern windwärts läuten,
zur Vesper, ob zum Ave läuten,
zum Aufstand aller Vogelscheuchen läuten.
Böse,
wie nur eine Sütterlinschrift böse sein kann,
verbreitet er sich auf liniertem Papier.
Alle Kinder können ihn lesen
und laufen davon
und erzählen es den Kaninchen,
und die Kaninchen sterben, sterben aus —
für wen noch Tinte, wenn es keine Kaninchen mehr gibt!
Die Bunker am Strand
können ihren Beton nicht loswerden.
Manchmal kommt ein halbtoter General
und streichelt Schießscharten.
Oder es wohnen Touristen
für fünf verquälte Minuten —
Wind, Sand, Papier und Urin:
Immer ist Invasion.
Ein amerikanischer Flugzeugträger
und eine gotische Kathedrale
versenkten sich
mitten im Stillen Ozean
gegenseitig.
Bis zum Schluß
spielte der junge Vikar auf der Orgel. —
Nun hängen Flugzeuge und Engel in der Luft
und können nicht landen.
Eine Etage tiefer