9,99 €
Leidenschaft und Reflexion Nochmals radikaler als in seinen vorangegangenen Büchern geht Uwe Kolbe in seinen neuen Gedichten aufs Ganze unserer Existenz. Dass wir dieses Ganze als Widerspruch, Zweisamkeit als Entzweiung erleben, zeigen vor allem die so leidenschaftlichen wie reflektierten Liebesgedichte des Bandes. In immer neuen Anläufen zielen Kolbes ›Gegenreden‹ auf die Liebe als dem »Rätsel der fremdesten Nähe« und wechseln souverän zwischen hohem Ton und Ausgelassenheit ihre sprachlichen Register. Die Sprache selbst wird dabei zu einer Tür, die Leserinnen und Leser mit dem Zauberwort ihrer eigenen Erfahrung öffnen. Wer sich einlässt und liest, kommt, versprochen, als ein anderer aus diesen Gedichten heraus.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 68
Uwe Kolbe
Gegenreden
Gedichte
FISCHER E-Books
für Marion Wartumjan
In My Craft or Sullen Art.
Dylan Thomas
Oft bot sich mir die Liebe gnadenlos,
oft prallte ich darauf, trank bitteren Trunk,
oft nahm sich unerwartet Eisen an der Rosen
und schnitt sie auf den Strunk,
so dass sie wieder wuchsen mir vor Augen,
so dass auch wieder Lieder wurden, reifer, groß.
So war die eine Art des Handwerks, Schneiden
formt Gärten, sieht aus gnadenlos.
Die Welt war Eis, und Eis lag auf der Welt.
Ein Eisbrecher, Gott, er hatte sich vorn verstärkt
und warf sich in die Brust. Das Eis widerstand.
Die Spannung wuchs auf Unmaß für einen,
der handeln muss. Gott fasste das Eis ins Auge,
das sich vermaß des Widerstands und ihm
ein Jucken bereitete. Abermals warf er sich.
Doch war aus der Spannung schon etwas geworden,
das nicht zu leugnen war vor denen, die immer
da sind und sehen und sagen, Freunde. Gott wusste,
das war nicht Schöpfung, nur kalter Widerspruch,
doch hielt er den Mund und segnete es.
Nacht, es war Nacht, die Mutter der Nächte,
Abstand von allem, das Abernichts, nichtend,
so eine philosophische Nacht aber auch!
Liebende flehten an die Titanen, deren Gesicht,
bleich, wie es pflichtgemäß war, Maske der Erde,
sagte aus nichts, Schweigen behütend. Gottheiten
deuten stechenden Fingers? Sie entblödeten sich
nicht, galt es den Aufstand der Engel, Lichtträger,
trocken wie Stroh, knisterndes, dass jene Nacht
hell war und blutselig, Showdown & Cheers.
Ächzen und Lecken, Honig der Atzung am Jordan.
Nichts, wir verstehen nichts, Schwärze.
Der Baum, der still in der Mitte der Stadt wurzelt.
Der Traum, über den sich das Herz nicht beruhigt.
Die Sage, die alles mischt, ihr Wort war geraten
und aufgeschlossen. Und ausging ein Garn
zum Netz, das die stillen Bewohner der Gegend
als Wohnung sich nahmen im Baum in der Höhe
bei prachtvoller Vögel Höhlen, riesigen Tauben,
dem Specht an der Arbeit mit rotem Barett,
dem glänzenden Raben. Die Sage von Flügel
und Träne und Baum: Sein Rauschen sein Lied,
sie zierte den Saum des Gewands eines Wetters,
sein Schwingen kündet das Nahen des Retters.
Der Retter, Kopfabschläger, Pan Thanatos, der
Balance auf der Schildkröte findet und häutet
das Krokodil, das zu lange die Sonne verbarg,
den Stern, der zwischen den Hörnern der Kuh
nun strahlt überm Land. Wie die Saat aufgeht
und Mahd wird. Der Held, nichts geht ohne ihn:
Zack, Kopf ab, und Zwack, Schwanz schlapp,
erst gelbe Flecken im Schnee vom Großen Hund,
dann rote von der letzten Bärin der Gegend.
Ex oriente dagegen: An Flechten von Haar herab
floss Ganga, Shiva hatte die Bitte erhört
nach nur tausend Jahren. Sanft kam der Fluss.
Dem Meer nicht zu geben, was wahrhaft des Meeres,
begeistert als erster Mensch an den Stränden,
dem Tanzenden tanzend, wie sonst, sich zu nahen?
Am ersten sprühenden Morgen aus Gischt nicht
Furor aufzuführen, nicht Freund zu sein der Delphine?
Er geht und er bückt sich, löst Seepocken ab
mit dem Obsidian und erntet Meerfenchel, der erste
Genießer. Das Salz von der Haut der Göttin,
er leckt es, sie kommt aus dem schäumenden Meer,
er kennt sie an dem Gewürz, der Jäger und Koch,
der wilde Mann, rotbäckig, grob, sicher, und wenn sie
sich lieben, so lang wie es währt, ist sie Mensch.
Im Anfang war Zeit, schrieb der Schreiber,
des Schreibens mächtig wie machtlos in dem Gehäus.
Der Engel in Löwengestalt, der Wächter, das Plüschtier,
der war aus dem Sand aufgetaucht in den Dünen,
in denen der Schreiber die Zeit begriff und ihr Maß.
Er schrieb vor der Sanduhr, schrieb vor dem Sand,
er schrieb um den Korb, der herabgelassen wurde
von Wesen, die er nicht kannte, höheren, Bauern
und Müllern und Bäckern, darin fand er Brot und Wein.
Die Wiederkehr dessen, sie war die Vollendung,
sie war als das Vorrecht der vielen, die kämen
wie er, begründet, Zeitmaß für Werke und Tage.
Das erste Mal die Schnürsenkel
selbständig, es war Sensation.
Mehr Stolz war nie auf dem Trottoir
des Vororts. Unwiederholbar.
Dann, wie es noch weh tat, lässig
getan, das erste, das bleibende Mal.
Den Satz aller Sätze probiert, Gefühle
(die hat man), Fahrtenmesser benutzt.
Er sitzt in seinem Schaukelstuhl, nackt,
die sieben Schals halten ihn fest.
Es sind nur äußerst begrenzte
Bewegungen, örtliche, möglich.
Aber wenn der, dem in die Augen
du sankst damals, als alles noch wirr war,
die Welt jung erschien, wenn auch nur euch,
dem du an Scheidewegen nachsahst
wie dir immer er, und ihr gabt acht,
dass ähnlich die Art eurer Wege sei,
wenn fern auch und abgewandt oft,
obwohl es nicht in eurer Hand lag,
ein Größeres, dessen Namen die Alten
noch nannten, schien euch geneigt
und lenkte das Anderwärts nahe genug,
so dass es sich wieder ergab ohne Zwang,
Versenken des Augenblicks ineinander,
Nachfragen den Fragen und sanfter Rat
sogar, dass immer ein Wissen blieb, eines
vom andern, nie fremd, nie verdorben
erscheinen konnte, wenn aber der,
dem du das geheime Wort sagtest,
es noch übersetzen muss, erst deine,
du seine, nah fremde Sprache, ihr lernt,
bevor ihr die eigene unmissverständlich
einander zu zeigen versteht und dieses
Fest feiert, wo keiner euch folgen kann.
Ein Lebtag ein Todtag, ich starb in das Leben
und suche den Ausgang noch. Nicht wieder,
nicht heute weise mich ab, Schloss, Palmarum
des Lehrlings des Landvermessers, auffallend
die Blässe des Taugenichts. Er stahl sich
in Klöster, vergiftete Brunnen und schor
mit Sichel und Sense die Kräuter um seiner
Monokultur willen, Tränendes Herz und
elektrisches Mondlicht. Lass, Artemis,
ihn ausruhen im Pronaos deines Tempels,
im Peristyl, Portikus, Narthex, am Fischmarkt
zur Loggia hinaussehn, gewähre den Abspann
hier unter dem Dach deiner Stoa. Lass diesen
bescheidenen Bau der Kapelle Vorzeichen sein,
in dem ich erwache, wenn eintrifft die alte
Vermutung, aus Traum in das Bemessene.
Wer bist du, ich komme vom Schlachten, die Beute,
mein Pferd schäumt noch von dem Blut,