18,99 €
Neue Gedichte von Uwe Kolbe Gibt es ein leichtes Sprechen, das nicht leichtfertig ist? Ein Sprechen, das Eifer und Zorn hinter sich lässt, ohne deshalb bequem zu werden? Ein Sprechen, das zu dem Überall von Information und Meinung ruhigere Seitenstücke bildet, Worte findet, mit denen Lebensfragen zu formulieren sind? Ein Wanderer nimmt in Uwe Kolbes neuen Gedichten die Natur und den Himmel in sein Lied herein. Wie schon in seinen erfolgreichen »Psalmen« sind vor allem die gefiederten Begleiter allgegenwärtig: die Krähen und ihr Krakeel, die Amsel, ihr klagender Ton, der Bussard in seiner Höhe. Literarische Konvention verbindet sich dabei mit dem Wissen um das fragile Gleichgewicht des Planeten. Fragil aber ist auch der Alltag von Ich und Du. Immer dann, wenn Uwe Kolbes Gedichte sich diesem Alltag nähern, werden sie dramatisch, und seine Verse müssen sich kraftvoll beim eigenen Zopf nehmen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 37
Uwe Kolbe
Imago
Gedichte
Lyrik
FISCHER E-Books
Das ist die schwarze Kugel,
Werk eines Graphikers,
auf der unendlichen Fläche
Staunen, Stillestehen.
Oder im Raster, im Funkeln
gleiten wir, fliegen travers,
Hingabe ohne Schwäche,
Stäuben, Verwehen.
Das ist die Welt offen,
Horizont aufgesperrt,
aus hell silbernem Becher
atembenehmender Trank.
Und ist darin beschlossen,
vor alles weiterfährt,
jeder entrichtet das Beste,
der weißen Göttin den Dank.
Das Gehen war nicht ganz genau
das Gehen, wo er ging, er war
nicht ganz genau da, wo er war,
die Krähen ja, laut wie gewohnt,
und wie gewohnt stand etwas viel
vom Menschen da, da draußen.
Der junge Gott des neuen Jahrs
war nicht der alte, große Gott,
doch liehen, schien es, beide
dem schon etwas gebrauchten
Wort, das noch brauchbar war,
ihre erlauchten Ohren.
Der Wanderer geht ohne Furcht,
das Gehen hält ihn auf Erden,
es wird ihm im Regen warm
von dem Vorwärtskommen.
Sein Auge Stern und Unterholz,
das Ohr ist ein Halt sowieso,
das Röhren der großen Rabe,
und Rinde der Kiefern knackt.
Die Pfiffe im Gras,
und Aufbruch, hinauszutreten
aus Wald oder Nacht,
aus hohem, raschelndem Mais.
Dem Bauern Dank um das Brot,
dem Winzer um Wein,
dem Wind, der treibt
und trocknet die Tränen.
Gestattet mir meinen Blick, ihr Leute,
gestattet den Luxus des Habenichts,
die Woche anders zu betreten.
Ich sehe euch in euren Kisten früh
hinab aus den Dörfern am Waldrand
in Städte, an Wirkstätten fahren,
den Lehrer und die Verkäuferin,
Monteur und Chemielaborantin,
Chef, Chefin und Therapeuten.
Derweil seht mich andersherum,
gestattet ihr Leute, mich aufwärts
langsam mit dem Fahrrad allein,
nach Augenschein müßig, zu heben.
Ich hör auf den Specht, umfahre
die Weinbergschnecke, ich kenne
den Vogel, der sitzt auf der Kruppe
des Pferds auf der taufeuchten Weide,
ich feiere die blühende Wiese, grüße
Wegwarte, Mohn, Ampfer und Klee.
Das Nichts dann aus Duft und Farbe
vom Abseits inmitten, gestattet,
ihr Leute, dass ich es einhändige
wortwörtlich zum Feierabend.
Die Landschaft schwingende Weite,
die Stühle standen auf einer Wiese,
die Herrschaften, die darauf saßen,
beließen die wandernde Lücke,
und als ich erwachte, fand ich Platz
mit Kopfschütteln rechts und links
wie freundlichem Nicken zum Gruß.
Sie riefen mich auf zu dem Vortrag,
vor Augen zu führen die Herde,
die Ausreißerinnen; der Kraftakt
bestand so darin, die Meridiane
als oberflächliche Linien, als nichts,
als Glasperlen abzuweisen, dagegen
sich windende Umwege weisend,
verzogenes, verzackeltes Kreisen
des Einzelnen abseits der Herde,
die inneren, innerirdischen Wege,
sinnendes Abseits, natürliche Folge
lebendigen Gehens, des Suchens
vor allem, des Anfangs, Verlierens